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Hallo,

mich beschäftigt jetzt, dass ich noch nie in meinem Leben jemals Freunde hatte. Sicher, es gab Bekanntschaften - es stellte sich heraus dass da Leute ihren eigenen Status heben wollten indem sie vorgaukelten sich um mich zu kümmern-um denjenigen der selbst keine Freunde hat. Ich hatte bisher auch keine Freundin oder Frau. Ich weiß nicht wie man Freundschaften aufbaut. Auf der Arbeit oder überall sonst, wo man sich mit Mitarbeitern anfreunden sollte oder beim Flirten, da ist es immer eine Art Zwangsgefühl für mich, sehr unangenehm wenn ich mich verstellen muss um irgendwie sympathisch rüberzukommen. Leute meinen ich wäre sehr ernst weil ich andere nicht zum Lachen bringe.

Was meint ihr? Wie ist ein Leben komplett ohne Freunde und kann man alleine auch bis zum Tod leben?

07.05.2022 17:34 • 08.05.2022 x 2 #1


7 Antworten ↓


Hallo,
Ich verstehe dich sehr gut. Mir geht es ähnlich. Zwar hatte ich früher sogar sehr viele Freunde, aber inzwischen geht es mir genauso wie dir.
Ich habe z.B. sehr große Probleme mit Vertrauen, weil ich oft ausgenutzt und enttäuscht wurde. Dazu kommt noch eine soziale Phobie, die es mir fast unmöglich macht, mit jemanden in Kontakt zu treten.
Trotzdem gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass es auch anders werden kann.

Vielleicht fällt es dir leichter, zuerst online jemanden kennenzulernen?
Gib nicht auf, du schaffst es bestimmt noch, Freunde oder eine Freundin zu finden.

A


Kummer zu Freundelosigkeit

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Was mir auffällt ist, dass Leute lachen wollen. Ich kann niemanden zum lachen bringen. Eher auslachen. Was mir auch auffällt, ist, dass wenn ich Frauen nicht zum Lachen bringen kann, dann machen sie sich über mich lustig um sich zu amüsieren.

Sätze wie deinen letzten hör ich viel zu oft. Auf mitleid bin ich nicht aus

Hast du Empathie für andere? Interessieren dich Menschen, also was sie sagen, denken etc.?

Mir ist eher andere auslachen aufgefallen. Wie meinst du das?

@Grace_99 Ja schon. Eigentlich sagt mir nie jemand wie er/sie denkt, fühlt etc.
Was ich meinte, ist, dass andere mich auslachen - in dieser Form lachen sie. Aber nicht das genüssliche, interressiert an mich zu sein.
Ich selbst lache andere nie aus. Aber ich lache manchmal mit. Meist bin ich der einzige der andere Sündenböcke nicht auslacht.

Mir ist aufgefallen, dass alle Ratschläge im Internet wie man mit anderen Leuten und anderen Geschlechtern (volljährig wohlgemerkt) in Kontakt kommt, auf attraktive Menschen abzielt. Niemals auf durchschnittliche oder weniger attraktive Menschen. Diese werden indirekt davon ja ausgeschlossen. In Nachtclubs wird man schon an der Tür abgewiesen. Wie soll man mit anderen Leuten in Kontakt treten, wenn jeder Kontaktversuch als Belästigung interpretiert wird? Humor muss man haben und die betreffende Person zum lachen bringen und selbst attraktiv genug aussehen. Soziale Isolation ist vorprogrammiert. Sogar gewollt.

Mir sagte mal jemand: Leute die keine Freunde haben, gibt es sehr viel mehr als umgekehrt und nur ein Bruchteil geht abends in Clubs feiern- die Meisten bleiben daheim und meist allein.

Zitat von wanderndelaus8:
Was mir auffällt ist, dass Leute lachen wollen. Ich kann niemanden zum lachen bringen.

Quatsch, ich rede sehr wenig und kann auch niemanden zum Lachen bringen. Aber ich lache mit anderen mit, wenn etwas lustig ist. Damit zeige ich mein Interesse und meine Bereitschaft für eine Kommunikation. Aufgrund meiner sozialen Phobie und ÄVPS kann ich keine engen Freundschaften zulassen, aber lockere Bekanntschaften habe ich immer gehabt. Mir reicht das.

Servus,

Zitat von wanderndelaus8:
Mir sagte mal jemand: Leute die keine Freunde haben, gibt es sehr viel mehr als umgekehrt und nur ein Bruchteil geht abends in Clubs feiern - die Meisten bleiben daheim und meist allein.

Ob diese Aussage stimmt, weiß ich nicht, aber es würde mich nicht wundern. Insbesondere die moderne deutsche Gesellschaft empfinde ich als eine Macher-, Könner- und nicht zuletzt eine Gehorsamsgesellschaft. Diese Kombination führt zu einer pseudofürsorglichen Politik, die in ihrer (sichtbaren) Oberflächlichkeit nahezu sämtliche Strukturen durchzieht - bis hin zu den kleinsten sozialen Gruppen: Paare, Familien, Freunde, Arbeitskollegen.

Wir geben vor, gerecht, sozial, mitfühlend, ethisch und rücksichtsvoll zu sein, doch sämtliche dieser ursächlich wünschenswerten Eigenschaften sind im Großen politischen und wirtschaftlich Ganzen nur vorgetäuscht. Das Narrativ des erfolgreichen Bürgers durchdringt die Psyche und das Selbstverständnis eines Großteils unserer Gesellschaft. Indem wir uns angewöhnt haben, als Gesellschaft zu denken, folgen wir Leitlinien, wie ein Leben auszusehen hat.

Dazu gehört:
Zitat von wanderndelaus8:
Humor muss man haben und die betreffende Person zum lachen bringen und selbst attraktiv genug aussehen.

Und viele andere Parameter, die den Leitlinien entsprechen. Nicht dazu gehören: Alter, Armut oder das Prekariat, Einsamkeit, Verzweiflung, Krankheit uvm. - alles Zustände, die man nicht sehen darf, denn sie würden den sogenannten Lebensgenuss des (vermeintlichen) Großteils der Gesellschaft beeinträchtigen.

Insofern darf man uns getrost als Leistungsgesellschaft betiteln. Und wer auf der - mehr oder minder temporären - Sonnenseite derselben steht, wischt die ab und an nach oben durchsickernden Geräusche der Realität mit nur vordergründig wohlgemeinten Kommentaren oder Tipps beiseite. Damit kann ein Betroffener ebensoviel anfangen wie ein Zahnloser mit einem Kaugummi. Die Tipps und sogenannten offiziellen Hilfsangebote sind insgesamt eher auf eine Entlastung des kollektiven Volksgewissens abgestimmt als auf die echten Bedürfnisse derer, die sich - aus welchen Gründen auch immer - in diesen Formaten nicht zurecht finden. Was bleibt, ist dann vermeintlich mitleidiges Schulterzucken derjenigen, die meinen, alles getan zu haben...

Zitat von wanderndelaus8:
Was mir auffällt ist, dass Leute lachen wollen. Ich kann niemanden zum lachen bringen. Eher auslachen. Was mir auch auffällt, ist, dass wenn ich Frauen nicht zum Lachen bringen kann, dann machen sie sich über mich lustig um sich zu amüsieren.

Auch der Clown will die Menschen zum Lachen bringen, um ihre Traurigkeit zu übertünchen und sie nicht ansehen zu müssen. Darin sind sich Clown und Publikum einig.
Nur der Kassierer und die Putzfrau stehen im Dunkeln und blicken realistisch auf die Vorstellung.

Im Rahmen dieser (vermeintlich) betrüblichen Inventur möchte ich nun die Aktivposten nennen - denn es gibt sie tatsächlich.

Einer davon bist zum Beispiel Du, @wanderndelaus8. Du bist einer derjenigen, die NICHT in der Vorstellung mitmachen. Ob Du das bewusst nicht willst oder nicht kannst, sei mal dahingestellt. Du tust es nicht - Punkt. Das bedeutet, dass Du zwar von den Leitlinien tangiert wirst, indem Du ihnen NICHT entsprichst, aber dadurch auch etwas Besonderes, Auffälliges darstellst. Einen Gegenpol sozusagen. Mehrheiten, die noch dazu für sich medial belohnt werden, können mit Gegendarstellungen nicht umgehen. Sie sind Widerstand nicht gewohnt. Und wie reagiert jemand, der nie Widerstand erfahren hat (weil er sich frühestzeitig ins System eingefügt hat) auf sowas? Mit Verurteilung - denn der Rückendeckung seiner Gesellschaftsseite kann er sich mehrheitsbedingt sicher sein. Das beginnt im Kindergarten und endet in Vorstandssitzungen und Bundestagsdebatten.

Ich befinde mich z. B. schon seit einigen Jahren auf dieser Aktivpostenseite, die zwar offiziell immer noch (und sogar seit Corona mehr denn je!) als Minderheit deklariert wird. Doch im Unterschied zu früher nehme ich mich heute als aktiv und positiv wahr. Von heute auf morgen ging das nicht.

Mir sind einige Forenkontakte hier weitaus wertvoller geworden als die damaligen (vermeintlich) existenzsichernden Geschäftsfreundschaften (die realistischerweise nichts anderes als Seilschaften waren). Ich habe in der Suchtambulanz der örtlichen Caritas und anderen Selbsthilfegruppen meinen individuellen und gesellschaftlichen Wert erkennen dürfen, habe dadurch, dass ich meinen Stolz und meine selbst gesteckten engen Rahmenbedingungen abgelegt habe, mit erst 39 meine erst zweite, aber diesmal absolut passende Partnerin gefunden, habe die Freude am einfachen Leben entdeckt, die lediglich einige Jahrzehnte geschlummert hat usw.

Tatsächlich brauchen wir ab und an Hilfe von außen. Das müssen aber nicht immer gleich Therapeuten oder Institutionen sein. Ein Forum, ein einziger liebenswerter Mensch in einer Selbshilfegruppe oder deren Leiter, ein nettes Wort in der Bäckerei - egal wie gering manche Begebenheit auf den ersten Blick scheinen mag: im richtigen, achtsamen Empfang desselben kann sich tatsächlich das ganze Leben zu ändern beginnen. Stück für Stück, nach Deinem gewählten Tempo.

Doch um dieses Phänomen tatsächlich zu erleben, braucht es einen Aktivierungsposten - der ist immer da und letztendlich völlig unabhängig vom Außen. Dieser Aktivposten bist Du. Willkommen im Club der aktiven Außenseiter




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