Liebe Forumsmitglieder,
ich bin immer wieder begeistert, wie sehr ihr das Forum nutzt, um über eure Gedanken und Gefühle zu schreiben, und wie sehr ihr euch für andere einsetzt. Ihr betrachtet das Forum als einen Treffpunkt mit Freunden, Gleichgesinnten und Wegbegleitern. Wenn ich mir allerdings einige eurer Forumsbeiträge der letzten Zeit anschaue, dann macht mich das traurig.
Ebenso wie im wirklichen Leben wünscht ihr euch, auch im Forum akzeptiert und ernst genommen zu werden. Ihr wünscht euch Harmonie, eine gute Stimmung, Verständnis, Anregungen, Ermunterungen.... Und doch werdet ihr manchmal auch das Gegenteil erleben – Ärger, Enttäuschung, Gefühle von Missverstandensein und Ablehnung, Kränkung. Warum ist das so?
Bei einer Kränkung sind immer wir und ein Gegenüber beteiligt. Und beide Seiten sind sozusagen „fehleranfällig“.
Wir alle handeln aus bestimmten Erwartungen und Wünschen heraus. Andere können unsere Erwartungen manchmal nicht erkennen und deshalb nicht erfüllen. Manchmal wollen oder können sie diese aber auch nicht erfüllen, weil sie dazu einfach im Augenblick nicht in der Lage sind. Zu einer seelischen Verletzung kann es auch kommen, wenn wir die Worte des anderen falsch interpretieren, etwas dahinter vermuten, was er gar nicht gesagt hat. Wir sehen nämlich die Reaktionen unseres Gegenübers sozusagen immer durch eine Brille. Da fließen auch unsere wunden Punkte aus der Vergangenheit mit ein. Die Worte des anderen erinnern uns z.B. an eine schlechte Erfahrung aus der Vergangenheit, wir fühlen uns ungerecht behandelt oder abgewiesen, und schon bekommt unser Gegenüber eine Reaktion ab, die eigentlich einer anderen Person gilt.
In die Reaktion unseres Gegenübers wiederum fließen auch seine Erwartungen, seine Stimmung, die Erfahrungen der Vergangenheit, usw. ein.
Und das Schlimme bei all dem, dass wir das Verhalten des anderen aus unserer Sicht bewerten, ist, dass wir uns entsprechend fühlen. Wir fühlen uns abgewertet, wenn wir glauben, dass der andere uns abwertet. Wir fühlen uns ungerecht behandelt, wenn wir glauben, der andere tue uns unrecht. Wir fühlen uns schikaniert, wenn wir glauben, der andere wolle uns nur das Leben schwer machen. Und aufgrund dieser Gefühle sind wir dann auch gefährdet, diese negative Sichtweise des anderen beizubehalten. Wir sortieren den andern in eine Schublade, nämlich der unseres persönlichen Feindes, der es „verdient“, dass wir ihn kleinmachen.
Die Kommunikation mit anderen ist also ganz schön kompliziert. Wie können wir aus diesem Kreislauf herausgelangen?
Hierzu haben wir viele unterschiedliche Möglichkeiten. Voraussetzung dafür ist, dass wir erkennen, dass wir etwas zu dem Konflikt beigetragen haben und eine Lösung wünschen. Wenn wir den ersten Stein vielleicht nicht geworfen haben, so haben wir vielleicht nur auf diesen ebenfalls mit einem Steinwurf reagiert. Wir müssen wegkommen davon, die Fehler des anderen aufzulisten und ihm die Schuld zu geben. Hilfreiche Fragen hierzu können z.B. sein:
Was ist mein Anteil an dem Konflikt?
Welche positive Absicht könnte sich hinter dem Verhalten des anderen verbergen?
Was kann ich tun, um den Konflikt abzuschwächen und beizulegen?
Welche Vorteile hätte ich, wenn ich das Ereignis als vergangen akzeptierte?
Woher weiß ich, dass er mich fertigmachen, verletzen, .... wollte? Sehen dies andere genauso?
Möchte ich wirklich soviel Energie in diesen Vorfall investieren?
Was könnte sich der andere von mir wünschen, was er vielleicht etwas unpassend ausgedrückt hat?
Es geht dabei nicht darum, die Situation schön zureden und den anderen „heilig zu sprechen“, sondern nur die eigene Sichtweise zu überprüfen und eventuell zu verändern. Auch wenn der andere sich nicht ändert, können wir unsere Gefühle zu dem Vorfall und unser Verhalten ändern. Wir können Verständnis für den anderen entwickeln, ihm verzeihen, den Vorfall als vergangen ablegen, unser Selbstwertgefühl stärken,......
Weitere Hilfestellungen zum Umgang mit Kränkungen und dem Verzeihen findest Du im Forum.
Liebe Forumsmitglieder, ich wünsche euch, dass es euch gelingt, Konflikte so zu lösen, dass ihr die Energie wieder frei habt für den Augenblick. Möge es euch gelingen, das Verhalten anderer als Meinung zu sehen, eure Selbstachtung zu erhalten, in den Reaktionen der anderen eine Unterstützung zu suchen und andere liebevoll zu behandeln.
Doris Wolf
02.11.2008 11:26 •
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