Hallo 'wasnun' und alle anderen 'Verlassenden',
danke dass ihr so offen über dieses Thema gesprochen habt. Ich stecke aktuell seit ca. 7 Monaten in einer Phase des totalen Kontaktabbruchs zu meiner kompletten Verwandschaft. Davor hatte ich bereits 11 Monate den Kontakt zur Mutter abgebrochen, wo diese sich genau in derselben Weise verhielt wie 'wasnun' es von ihrer Mutter berichtet.
Ich war so wie viele andere 'Verlasser' ein ungewolltes Kind und mir wurde bei jedem Ungehorsam direkt gesagt, dass ich doch besser tot geboren oder abgetrieben worden wäre. Da jeder Bereich meines Lebens bestimmt, kontrolliert und überwacht wurde und ich recht konservativ-engstirnigen Idealsvorstellungen zu genügen hatte, fiel dieser Satz recht häufig. Meine Mutter ist selber traumatisiert da sie als Minderjährige aus dem Ausland nach Deutschland verheiratet wurde um ihre Herkunftsfamilie wirtschaftlich zu retten. Um diesen Heiratspakt zu besiegeln war sie gezwungen ein Kind vorzulegen - mich.
Sie benutzte mich, um ihrer Qual Erleichterung zu verschaffen, seelische Folter durch Schweigen, Vernachlässigung, Schläge (die sie heute noch abstreitet), Erniedrigung, Verbote, Isolation....die ganze Palette. Als Kind war ich von schweren Ängsten, Komplexen, Sozialphobie geplagt, später Depression, Eßstörung, selbstverletzendes Verhalten.
Kurz vor meinem 18. kam nach jahrelangem Kampf der Rauswurf. Als ich diesen dankend annahm und auch nicht zurückkommen wollte, jahrelange Verfolgungen mit Telefonterror, (Ehren-)Morddrohungen, bis ich untertauchte. Leider wurde auch mir lange eingeimpft dass ich Dreck sei, dumm, unfähig, häßlich, und vor allem, dass ich ohne die Familie nicht existieren könne....Ausgerüstet mit Selbsthaß und Sehnsucht fiel ich allen möglichen Psychopathen in die Hände....Kehrte wieder zur Familie zurück, um ein 'gutes Mädchen' zu werden, zu verzeihen, endlich respektiert zu werden.
Innerhalb kurzer zeit stellte sich heraus, dass ich immer noch unterschwellig als Sündenbock herhalten musste. Ich führte mein Leben in eigener Wohnung weiter, musste aber die geschenkten Klamotten tragen, die Haare so-und-so, niemals mit anderen Menschen zu tun haben, keine anderen Interessen haben als die Familie, wenn ich mal eine Woche nicht vorbeikam gab es direkt Vorhaltungen...dann der ewige Vergleich mit meiner jüngeren Schwester, für die ich ab meinem 7. Lebensjahr Nanny spielen musste, die immer als schöner, klüger, netter, erfolgreicher als ich gelobt wurde. Und dann die unsagbar intolerante, herrische Streitsucht meiner Mutter, dem sich alle unterwarfen...
Ich wurde magenkrank, reizbar, depressiv, meine Eßstörung zeigte sich wieder. Alle Versuche der Klärung endeten mit Streit und erneuter Distanz im Wechsel. Zum Schluss wurde mir die Schuld gegeben, dass mein Vater chronisch krank wurde, meine Schwester sagte in meinem Beisein sie hielte mich für einen zurückgebliebenen Freak, ein peinlicher Sozialfall. Seitdem meide ich den Kontakt zu beiden. Der Hochzeit der Schwester blieb ich fern, und dem ewig jammernden Vater, der mich nur heimlich besucht, um mir ein paar Euro zuzustecken und ein schlechtes Gewissen wegen Mutter zu machen, habe ich jetzt auch den Kontakt untersagt. Bin weggezogen, Nummer geändert, und dachte, irgendwann schreib ich denen allen einen Brief, um einen Schlußstrich zu ziehen.
Nun sind 7 Monate vergangen, ich habe es seitdem vermieden, mich diesen Briefen zu stellen. Ich fühle mich schuldig. Ich bin durch die Hölle gegangen. Und das Schlimmste: durch meine Ablösephase wurde soviel Seelenmüll aufgearbeitet, dass ich sehr schlimme Konflikte mit meinem jetzigen Freund bekam. Er reagierte - wie ich damals mit meiner Mutter - mit Kontaktverweigerung. Ich verhielt mich genauso beschissen wie meine Mutter.[b][/b]
Auch in den Auseinandersetzungen, der Härte, der Wehrhaftigkeit, die Art der Strafung.,...meine Mutter. Ich wurde sie nicht los. Sie steckte in mir. Wir blieben 'auf unheilvolle Weise verbunden', wie es treffend in einem Bericht heißt.
Ich habe eine Vorstellung davon, was diese Frau durchmacht, wenn sie mich und andere so quält. Ich habe es durchlebt. Dennoch möchte ich nicht zu meiner Familie zurück. Es ist hart, ohne diesen bedingungslosen Rückhalt in der Welt zu bestehen, wenn man aufgezogen wurde in dem Glauben, lebensunfähig, wertlos zu sein. Aber ich muss es schaffen, wenn ich leben will. Heute werde ich diese Briefe schreiben. Nicht anklagend, konstruktiv auch für sie. Allerdings - ohne Absender.
15.03.2013 19:27 •
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