Hallo Stärkchen,
ich glaube, Du unterschätzt, was Deine labile/devote Seite Dir für Vorteile bringt und dass sie sehr viel mehr für Dich tut, als Du ihr zugestehst. Sie hilft Dir, Hilfe zu bekommen, wo Du Dir selber (von Deiner starken Seite her) nicht zugestehen würdest, danach zu fragen. Oder diese überhaupt zu wollen. Vielleicht könnte ein Weg zur Akzeptanz dieser Seite in Dir sein, Dir genau anzusehen, welche Vorteile sie Dir verschafft und was sie für Dich tut (oder tun möchte). Du siehst sie nur negativ, als jemand, der gegen Dich agiert, der Dich in Gefahr bringt, ausgenutzt zu werden, aber Du übersiehst die Seite an ihr, die an das Mitgefühl und den Versorgungsimpuls in anderen Menschen appelliert und Dir dadurch durchaus auch einen positiven Nutzen bringt.
Ist nur so ein Gedanke, der mir kam (kann auch völlig danebenliegen), als Du schriebst, dass es Dir ja durchaus auch gefällt, als lieb angesehen zu werden, Du möchtest nur (verständlicherweise) nicht ausgenutzt werden.
Diese Seite in Dir ist ja da, und gegen sie anzukämpfen, wird Dich eher tiefer in Deine Symptomatik hereinbringen. Ein Weg zur Linderung Deiner Symptome würde eher so aussehen, dass Du lernst, diese Seite in Dir zu akzeptieren, ihren Beitrag für Dich anzuerkennen und sie zu integrieren.
Ich beziehe mich auf das Bild von dem Mädchen an der Kasse, dass Du beschrieben hast. Stellen wir uns jetzt dieses Mädchen fast wie Bambi vor, mit großen Rehaugen, und schauen uns dann nochmal an, wie die Menschen darauf reagieren (und warum die Natur dafür gesorgt hat, dass kleine Kinder und Tiere ein solches Kindchenschema entwickelt haben). Klar wird es auch immer Menschen geben, die dieses Bambi ärgern wollen würden, aber die meisten würden wohl eher mit einem Ohhh, wie süß und einem freundlichen Streicheln reagieren. Und auch eher das Bedürfnis haben, bei diesem Bambi zu bleiben, ihm zu helfen und es vor allem auch nicht zu verlassen. Ein liebes und angepasstes Verhalten stellt ja prinzipiell auch sicher, dass Menschen Dich mögen bzw. Deine Anwesenheit tolerieren, Dich nicht verlassen, Dich nicht konfrontieren. Angepasstes Verhalten ist also ein durchaus evolutionär sinnvoller Impuls, der den Verbleib innerhalb einer sozialen Gruppe sicherstellt. Und ist somit auch gar nicht so hilflos und selbstlos, wie er auf den ersten Blick erscheinen mag.
Du setzt sie vielleicht unbewusst ein, um Bedürfnisse zu befriedigen, die Du auch hast, Dir aber nicht eingestehen möchtest, weil sie im Konflikt mit aktuellen gesellschaftlichen Normen stehen. Die gesellschaftliche Norm besagt, dass man als Frau stark sein muss, unabhängig, ein großes Bedürfnis nach Freiheit hat und dieses auch ausleben soll. Das fordert aber auch viel Eigen-Verantwortung, und es gibt auch Menschen, die sich lieber auch mal versorgen und betüdeln lassen (das meine ich nicht herabwürdigend!). Ich weiß nichts von Dir, aber bei einer diagnostizierten PTBS kann es ja auch durchaus sein, dass Du vielleicht sehr früh erwachsen werden musstest, dass Du Deine Kindheit nicht wirklich ausleben konntest, weil Du Dich vielleicht nicht in einem Umfeld befunden hast, in dem das möglich war. Das Bedürfnis nach Fürsorge hat aber in Dir überlebt und ist heute vielleicht noch immer da.
Mit dem Signal ich bin ein liebes kleines braves Mädchen lädst Du ja andere Menschen nicht nur dazu ein, Dich auszunutzen, vielmehr forderst Du sie so ja auch auf, sich um Dich zu kümmern, Dich zu versorgen, keine Forderungen an Dich zu stellen und ein stückweit Verantwortung für Dich zu übernehmen.
Aus dieser Perspektive hat es dann auch nichts mehr mit Hilflosigkeit zu tun, sondern ist vielmehr etwas, was Du (wenn auch unbewusst) aus einem selbstfürsorglichen Impuls für und nicht gegen Dich einsetzt. Du sorgst also für Dich, indem Du zulässt, auch mal schwach sein zu dürfen und Dich versorgen zu lassen.
Was ich eben beschrieben habe, können ganz wenige Menschen für sich akzeptieren, weil es etwas ist, was unsere heutige Gesellschaft oftmals heftig verurteilt, weil es mit einem modernen Frauen-Bild nicht vereinbar ist.
Wenn Du jetzt vielleicht in der Therapie lernen oder bearbeiten könntest, dieses vielleicht in Dir vorhandene Bedürfnis zu akzeptieren, nicht als Schwäche anzusehen, sondern als das Resultat schwieriger Ereignisse in Deiner Vergangenheit, dass Du Dir so nicht ausgesucht hast, könnte das vielleicht ein Weg zu Frieden mit diesem Anteil in Dir sein.
LG Silver
10.06.2021 01:09 •
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