Vielen lieben Dank für eure Worte.
Heute musste ich arbeiten. Auf den Weg dorthin tat mir mein Hals so weh, - nicht, weil ich erkältet bin, sondern wegen ihm... Mein Hals schnürte sich zu, war wie ein Kloß. Ich bin früher aus den Bus gestiegen und noch ein Stück gelaufen. Ich hab geweint, weil ich ihn nicht verlieren will. Aber es geht nicht um das, was ich will. Ich finde alles ungerecht und weiß doch, es trifft jeden, irgendwann. - Aber warum ihn so früh? Andere dürfen alt werden. Ich hab mich daran erinnert, was für ein ernster und nachdenklicher Mensch er ist und wie oft wir Spaß hatten und gelacht haben. Ich weiß, dass er, der immer ein Bär von einem Mann war, körperlich schwach werden wird, dass er auch irgendwann Schmerzmittel bekommen muss. Ich habe einen Menschen an dieser Krankheit sterben sehen und war überrascht von der Stärke im geschwächten Körper. Auf der Arbeit war das erste, was ich zur Vorturnerin sagte,: Man hat ihm noch ein halbes Jahr gegeben! Sie wusste gleich, dass ich von dem guten Freund rede und sagte, dass sie in ihrem Bekannten und Familienkreis ähnliche Vorfälle erlebt hatte. - Ich sag immer lieber gleich, wenn es mir dreckig geht und sag auch meist den Grund dazu, damit man sich nicht wundert, wenn ich traurig gucke, oder man mir ansieht, dass es mir nicht gut geht. Eine Frau sagte mir heute, dass sie vor zwei Jahren auch annehmen musste, sterben zu müssen, aber eine Therapie hat ihr helfen können. Ihre Krankheit, ähnlich, wie die von dem guten Freund, aber nicht so aggressiv, war noch mal gut ausgegangen. Sie meinte, sie hat plötzlich die Welt mit ganz anderen Augen gesehen, viel intensiver gelebt, viel mehr wahrgenommen. Sie hätte keine Angst gehabt, sondern hätte Vorbereitungen getroffen und auf ein glückliches Leben zurück geblickt. Sie wäre dankbar, dass sie immer noch lebt, aber sie wäre auch nicht unglücklich gewesen, wenn es nun wirklich vorbei gewesen wäre.
Sie sagte, es gibt Menschen, die müssen noch irgend etwas erledigen, haben das dringende Bedürfnis dies vor ihrem Tot zu tun. Es wäre nicht gut, ihnen reinzureden, oder ihnen nahezulegen, dass sie doch noch mal so richtig was erleben sollten, wenn sie doch lieber dieses andere tun wollen. Mein Lover hat zu dem guten Freund gesagt,: Mensch, nimm doch eine Hypothek auf dein Haus auf und fahre noch mal richtig schön in den Urlaub! Aber der gute Freund will das nicht. Er will, dass seine Freundin ohne ihn klar kommen wird. Seit 25 Jahren ist er mit ihr liiert. Und er macht sich nur Gedanken darum,: Was wird aus ihr, wenn ich nicht mehr da bin?
Morgen sehe ich ihn und auch sie. Ich lasse das Treffen auf mich zukommen. - ich werde einfach so sein, wie ich bin und abwarten, wie es ihm geht, nach seinen Bedürfnissen horchen. Ich will nicht, dass er geht. Er hat es nicht in der Hand und ich auch nicht. Was auch immer für ihn wichtig ist, wird auch mir wichtig sein.