Zitat von illum: Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Ich selbst glaube nicht an einen wertenden, interaktiven, persönlichen Gott, sondern an eine bewusstseinslose Schöpfungskraft, der es egal ist, was passiert, und die nicht just in time eingreifen muss wie ein Handwerker, sondern den Dingen ihren Geist gab, sich selbst zu organsieren, aber, ich habe keinerlei Beweis für meine Annahme. Ich kann nicht mit absoluter Sicherheit sagen, dass das teleologische und selbst-determinierende Prinzip falsch ist und Gott sowohl der Beginn als auch das Ende ist, zu dem sich alles scheinbar zufällig hinentwickelt wie in einem Roman.
Der andere Punkt ist der: Man kann nicht taktisch glauben.
Gläubige Menschen sind in bestimmten Lebenssituationen gegenüber anderen im Vorteil, in wieder anderen im Nachteil, falls man das so objektivierend sagen kann. Bspw. kommen gläubige Menschen besser über Verluste naher Menschen hinweg, sind weniger kontrollierend, die Wirksamkeit von Gebeten (ideologisch immer wieder hoch umstritten und wütend geführt) bei Schmerzen, hattest Du selbst erwähnt.
Aber ich kann mir keine Studien durchlesen, sagen, dass es in diesem Fall ein statistischer Vorteil ist zu glauben und dies dann einfach tun. Das ist der lange Schatten der (schlechten) Esoterik, die dann zu einem Weltbildhopping wurde: fein abgestimmt auf meine aktuellen Bedürdnisse, glaubte man mal an sein schamanisches Krafttier, dann war man Buddhist, dann Vicca: Narzissmus in Reinform, weil sich die Welt und sogar noch die Götter dem was ich jetzt gerade brauche - und was könnte die Welt mehr interessieren? - unterordnen muss.
Glaube heißt aber in gewisser Weise, sich unterzuordnen, ein Stück weit Demut zu empfinden und den Narzissmus einzuhegen. Für unsere Zeit ist da insofern gar nicht schlecht, eine religiöse Rückbesinnung wäre vermutlich sogar eine erfolgreiche Kur (würde der geübte Narzisst nicht auch die Religion in den Dienst seines Ich stellen können), allerdings übertreiben viele Religionen den Punkt des reinen Gehorsams, darüber kann und muss man dann auch wieder streiten. Da bin ich den Moralpsychologen näher, die konventionelle Stufe der Moral ist notwendig, aber auch nur ein Durchgang. Nur wird prä- und postkoventionell heute ständig verwechselt.