Danke für das schöne Thema! Du hast sehr schöne Erfahrungen machen dürfen Katrin88, toll, dass sie dir so viel gegeben haben. Danke auch für den Psalm, er ist einfach immer wieder schön zu lesen.
@Sonja77 Du hast alle drei Schriften gelesen bzw. bist dabei, das finde ich ja echt stark! Respekt! Was hat dich am meisten beeindruckt oder überrascht? Mich würden die Gemeinsamkeiten interessieren, die du gefunden hast. Alle drei Religionen kennen ja Abraham, und auch Jesus, aber in verschiedenen Rollen und Funktionen.
@Carcass Deine Erzählung hat mich sehr berührt. Ich bin ja auch eine Metaljüngerin, aber nicht im Black Metal zu Hause. Trotzdem kann ich die tiefe Überzeugung verstehen, die die Musik und die Lebenseinstellung bewirken. Umso beeindruckender sind deine späteren, scheinbar widersprüchlichen Erfahrungen, und noch mehr, dass du dich ihnen öffnen kannst.
Ich bin sehr zwiespältig, was den Glauben betrifft. Ich bin christlich (evangelisch) erzogen worden, war als Kind oft im Kindergottesdienst und später in der Jungschar. Die christlichen Inhalte haben mich erreicht, mich zum Nachdenken gebracht und schon irgendwie Spuren hinterlassen, aber einen tiefen Glauben habe ich nicht entwickelt. Als Teenager wurde ich sehr kritisch und habe vieles in Frage gestellt. Später habe ich ev. Theologie im Nebenfach studiert (Magister) - nicht, um zum Glauben zurückzufinden, sondern aus kulturhistorischem Interesse, und eben gerade weil ich vieles in Frage gestellt habe - das wissenschaftliche Interesse und die Kritik stehen dabei gar nicht im Widerspruch, im Gegenteil. Das Studium hat mir viel gebracht und mich wahnsinnig bereichert - ich möchte es nicht missen.
Ob ich persönlich an etwas glaube, an Gott, an Christus oder anderes Spirituelles, ist schwer zu sagen und recht widersprüchlich. Ich glaube, dass ich tief in mir auf der Suche nach etwas bin, an das ich glauben und meine Seele binden kann. Als ich mit Mitte 20 an einer schweren Depression erkrankt bin, hatte ich ein Schlüsselerlebnis, das mich tief beeindruckt hat: Es ging mir dermaßen schlecht, dass ich die seelischen Qualen kaum noch ertragen konnte. Eines nachmittags saß ich zusammengekauert in tiefster Verzweiflung im Bad auf dem Boden und habe gebetet - ja gebetet. Dabei bete ich eigentlich nie. Ich habe Gott um Hilfe angefleht, mit ihm Zwiesprache gehalten und ihn inständig gebeten, wenn es ihn gibt, so möge er mir die Kraft geben, diese schlimme Zeit durchzustehen und die Qualen ertragen zu können. Und ich hatte sofort das sichere und beruhigende Gefühl: Da ist jemand, und er sagt: Du bist nicht allein. Ich bin bei dir, ich sehe dich und du musst das nicht allein durchstehen. Ich bin bei dir und beschütze dich. Von diesem Moment an war alles etwas leichter auszuhalten und das sichere Gefühl war so klar und so beruhigend. So etwas habe ich nie zuvor und nie wieder danach erlebt.
Trotz dieses tiefen Empfindens hat mich dieses Erlebnis nicht dazu gebracht, wirklich zu glauben. Manche von euch wissen, dass ich eine zweifache Körperbehinderung habe. Sie hält mich davon ab, zu glauben. Ich fühle mich oft vom Leben betrogen - vielleicht auch von Gott betrogen. Wenn es einen Gott gibt, warum mutet er mir das alles zu? Es als Prüfung zu sehen oder zu sagen, der Mensch bekommt so viel auferlegt, wie er ertragen kann und kann daran wachsen, das ergibt für mich überhaupt keinen Sinn. Wozu? Das passt eher zur mittelalterlichen Kirchendoktrin, in unserer Zeit macht das für mich keinen Sinn. Versuche ich, mit Gott ins Gespräch zu kommen, fühle ich mich allein. Habe das Gefühl, ins nichts zu sprechen - da ist kein Gegenüber, nur Leere.
Dazu kommt, dass ich ein wissenschaftlich orientierter Mensch bin. Dabei schließen sich Naturwissenschaft und Religion gar nicht aus, es gibt viele Gemeinsamkeiten, natürlich auch viele Widersprüche, aber auch viele Ergänzungen. Trotzdem überwiegen für mich die naturwissenschaftlichen Modelle und Erklärungen.
Glaube ich an ein Leben nach dem Tod? Auch hier tobt ein Widerspruch in mir. Eigentlich glaube ich nicht daran - ich bin überzeugt, dass nach dem Tod nichts mehr kommt. Warum haben wir dann das Gefühl, das Verstorbene, zu denen wir ein enges Verhältnis hatten, bei uns bleiben, uns sehen, uns helfen und uns im Leben begleiten? Ich beneide jeden darum, den dieses Empfinden, ja die Gewissheit stärker glauben lässt - ich würde mir so sehr wünschen, dies auch zu können. Ich habe diese Empfindungen auch, ich bin sicher, dass meine Oma über mich wacht und mich begleitet. Ebenso fühle ich mich - auch wenn das im ersten Moment vielleicht komisch klingt - meiner verstorbenen Katze nahe - sie ist immer in meinem Herzen. Und doch glaube ich, dass dieses Empfinden ein Konstrukt des menschlichen Gehirns ist - eine biochemische Hilfe, eben weil uns die Verbindung zu unseren Liebsten so wichtig ist, und weil sie uns hilft, den Tod, den Verlust unserer Liebsten besser zu ertragen, und vielleicht auch, wie hier für viele, eine beruhigende Orientierung im Leben schenkt.
Mein Zugang zu Gott und zur Religion (das ist für mich nicht gleichbedeutend mit Glaube) sind die Musik, die Architektur und die Natur. Gehe ich durch den Wald, fühle ich mich geborgen und Gott nahe - durch die Bäume, die mich beschützen, die Schmetterlinge, Eichhörnchen etc., und den Wind, der die Baumkronen zum Rauschen bringt. Hier fühle ich mich nie allein.
Ich liebe Kirchen und die Kirchenarchitektur und die Atmosphäre. Nur in der Kirche zu sitzen und die Atmosphäre zu spüren, beruhigt mich und lässt mich andächtig werden. Und ich bewundere den mittelalterlichen Kathedralenbau - auch er macht mich ehrfürchtig, nicht nur vor der enormen menschlichen Leistung, sondern auch die machtvollen Gebäude haben eine religiöse Wirkung auf mich.
Der wichtigste Zugang, der mich wirklich einem persönlichen Glauben nahe bringt, ist die Musik. Ich liebe Kirchenmusik, singe selbst seit vielen Jahren in Chören. Die Musik öffnet Türen in mir, die mir sonst verschlossen bleiben, sie löst so starke Empfindungen aus wie nichts sonst, lässt mich tiefe Freude und Bewegtheit empfinden, aber auch weinen, wenn ich sonst nicht weinen kann. Durch die Musik fühle ich mich Gott wirklich nahe, sie ist für mich eine Brücke zum Glauben. Für mich gibt es nichts Tieferes, nichts, was mich dem näher bringt als die Musik von Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn-Bartholdy. Das war auch damals in der tiefen Krise Mitte 20 so: Die Musik von J.S. Bach hat mich vor schlimmstem bewahrt.
Im Grunde bin ich ein Zweifelnder und Realist, aber tief drin auch in intensiv Suchender, mit dem Wunsch, die eigenen inneren Barrieren überwinden zu können. Und trotzdem ist da ein Funke in mir, der niemals erlischt und stark leuchtet und mich in meinem tiefsten Inneren doch tief glauben lässt.
Ich glaube, ich habe noch nie hier im Forum einen so persönlichen Post verfasst. Aber ich musste das alles niederschreiben - danke fürs Lesen.
30.09.2024 12:45 •
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