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Hallo,
ich mache seit einem Dreivierteljahr eine Verhaltenstherapie wegen meiner somatoformen Störung. Mein Hauptproblem ist, dass ich fast keine Gefühle wahrnehme, geschweige dem benennen, klassifizieren oder deren Stärke einordnen kann. Liegt nach Erarbeitung der Ursache wohl an meiner Kindheit, da mein narzisstischer, empathieloser, sturer Vater mich als Jugendlicher und junger Erwachsener oft ausgenutzt hat (zum Arbeiten, für seine Zwecke etc.) und ich als Kind meine Wut, die eigentlich gegen ihn gerichtet wäre, an meinem Bruder ausgelassen habe - wohlwissend, dass das falsch ist - also habe ich Wut und Gefühle immer mehr verdrängt und heruntergeschluckt. Dann trennten sich meine Eltern und ich wurde immer stärker vereinnahmt, unterdrückt und ausgenutzt und habe Gefühle noch weiter verdrängt. Operationen in der Kindheit können auch dazu beitragen haben. Mittlerweile sind die Traumata aufgearbeitet, aber es hat sich kaum etwas verändert.

Jedenfalls fühle ich nun kaum noch etwas - was mich belastet und meine somatoforme Störung / milde Depression aufrecht erhält. Fast alles fühlt sich gleich an. Ich kann immer nur rational handeln. Ich empfinde keine starke Trauer, aber leider auch keine richtig ausgelassene Freude. Ich kann manchmal im Gespräch kurz weinen, mit anderen lachen, im Affekt wütend sein oder grinse ohne zu wissen warum. Ich kann meinen körperlichen Beschwerden fast nie einem Gefühl zuordnen. Ich bin oft auf einer gewissen Distanz zu anderen, fühle mich manchmal abseits und bin oft in Gedanken.

Was kann ich tun um wieder mehr zu fühlen? Ich mache seit einigen Wochen Training emotionaler Komponenzen (ist etwa PMR + Achtsamkeit) und versuche in der Therapie Gefühle zu benennen, aber so sehr ich mich bemühe - ich kann nichts wahrnehmen außer Gedanken, aus denen ich dann Gefühle herzuleiten versuche. Ich habe alle möglichen Mass. und verschiedene Entspannungsverfahren probiert und eine Kuscheltherapie.

Was mich auch interessiert - kann ich mich mit so wenig Gefühlen überhaupt verlieben? Dieses Gefühl (mit 33) noch nie wirklich gehabt zu haben, auch keinen Partner o.ä., belastet mich seit kurzem auch.
(Mich das zu fragen macht mich dann doch traurig. Ein wenig Gefühl ist also noch übrig. )

03.05.2022 22:30 • 05.05.2022 x 2 #1


9 Antworten ↓


Zitat von Munzi:
und bin oft in Gedanken.

Das ist der Knackpunkt, wenn man sich in Gedanken verliert, kann man kaum noch etwas wahrnehmen.

Zitat von Munzi:
seit einigen Wochen Training emotionaler Komponenzen (ist etwa PMR + Achtsamkeit) und versuche in der Therapie Gefühle zu benennen, aber so sehr ich mich bemühe

Super, dass du für dich was tust. Aber wahrscheinlich braucht es Zeit, nach nur einigen Wochen ist vielleicht einfach noch zu kurz, denn du hast Jahre deine Gefühle unterdrückt, wie soll das in einigen Wochen schon spürbar sein? Gib dir einfach noch Zeit und arbeite parallel an deinen Gedanken.

Mir fällt da noch ein, bist du denn körperlich noch fit und könntest du hartem Training aussetzen in Verbindung mit mentalem Training? Da könntest als Beispiel noch in den Shaolin Temple in Otterberg an einem Retreat (ein Wochenende oder länger) teilnehmen. Vielleicht kann man dort lernen, sich wieder zu spüren. Ich habe mich damit mal beschäftigt und finde das eine tolle Idee, das sowas überhaupt angeboten wird, aber ich bin leider zu alt und zu eingeschränkt dafür, würde aber vielleicht mal einem Theorie Retreat teilnehmen wollen.
https://www.shaolintemple.eu/index.php?page=retreats

Gefühle unterdrücken und jahrelang wie ein Roboter funktionieren, sich ausnutzen lassen (nicht von meiner Familie), kenn ich nur zu gut. Obwohl ich überbehütet aufwuchs (kenne auch den Grund und würde meinen Eltern nie die Schuld daran geben), ist auch nicht gut. Leider weiß man es als Kind nicht besser und damals war über Probleme oder Beschwerden reden ein Tabu Thema. So wollte ich nach außen immer stark wirken und verlor mich dabei.

Ich finde es gut, dass du versuchst einen Weg für dich zu finden und nicht darin zu verharren. Hut ab, den Schritt muss man erst einmal gehen. Viele machen es nicht und leiden bis an ihr Lebensende. Aber da das nicht mein Problem ist, kann ich nur sagen, gib nicht auf und versuche, deinen Weg weiterhin zu finden. Manchmal gilt es eben, mehrere Pfade zu beschreiten.

A


Gefühlsarmut bekämpfen

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Servus Munzi,

Zitat von Munzi:
Mittlerweile sind die Traumata aufgearbeitet, aber es hat sich kaum etwas verändert.

Könnte es daran liegen, dass zwar die Ersatzemotion (Wut) abgestellt wurde, doch immer noch kein Zugang zu den eigentlich darunter liegenden Emotionen gefunden wurde?
Zitat von Munzi:
Mein Hauptproblem ist, dass ich fast keine Gefühle wahrnehme, geschweige denn benennen, klassifizieren oder deren Stärke einordnen kann.

Ich möchte hier einwerfen, dass m. E. Emotionen sehr oft mit Gefühlen gleichgesetzt werden. Doch bei genauem Hinschauen gibt es nur drei Gefühlskategorien: angenehm, unangenehm und neutral. Die Emotionen hingegen sind nahezu zahllos und wurden aus Wahrnehmung und geistiger Gestaltung gewirkt bzw. erzeugt. Sie sind sozusagen Unterkategorien.

Wenn man emotionslos wirkt, heißt das nicht, dass man gefühllos ist. Du scheinst das glücklicherweise intuitiv auch zu wissen:

Zitat von Munzi:
(Mich das zu fragen macht mich dann doch traurig. Ein wenig Gefühl ist also noch übrig. )


Wenn es also an der Zeugung von Emotionen hapert, kommt man mit Benennen, Klassifizieren und Bewerten derselben nicht weit. Denn wenn nix da ist, gibt es nix zu Benennen . Wir müssen in der Chronologie ihrer Zeugung zurückgehen! Also zu den Gefühlen (s.o.).

Das ist etwas umfangreicher, aber wenn Du meinst, es könnte für Dich hilfreich sein, schreibe ich Dir gerne mehr dazu.

Davon abgesehen würde ich genau an dem Thema ansetzen, wo Du offenbar doch emotional angreifbar bist - nämlich bei der Partnersuche.

Hab ich das richtig verstanden, dass du deine Gefühle eher im Körper fühlst? Wobei, alles hängt ja mit allen zusammen.

Und über allem steht ja die fehlende Liebe, die bekommt man von keinem Narzissten. Und da selbige sich immer dadurch erhöhen, dass sie Schwächere und Abhängige herabsetzen, reagiert ein intelligentes Wesen damit, keine Gefühle mehr empfinden zu wollen.

Jetzt haben wir den Salat und müssen unsere scheinbar mühsam erworbene Gefühlslosigkeit , neu definieren.

Kann gut sein, dass du dir nur gestattet über Somatisierung fühlen zu wollen. Ist wahrscheinlich sicherer. Vielleicht gestattet du dir mal ein bisschen Schwäche. So ein klitzekleines bisschen Selbstmitleid und Trauer um eine Kinderseele, der man so übel mitgespielt hat und die wenig Liebe erfahren hat.

Ich spreche aus Erfahrung, und traue heute noch nicht wirklich. Allerdings arbeite ich daran, mich selbst zu lieben, denn hier kann ich mir sicher sein, dass nur ich das dann vermasseln kann, oder auch nicht.

Opfer von Narzissten sehnen sich nach Liebe, kennen selbstlose Elternliebe aber gar nicht. Als Kind biste nur darauf bedacht, irgendwie den Anforderungen des Täters zu genügen. Und dafür unterdrückt man ziemlich alles, oder unterwirft sich, oder kämpft, und lebt in Angst und Schrecken. Und ich muss sagen, dabei die Gefühle abzustellen ist wirklich schlau. Sonst erträgst du diese Folter nicht.

Und da du schlau bist, jetzt merkst, Mist bissle zuviel Gefühle geschrottet, kannst du dich ja ganz langsam öffnen. Lass dir Zeit, probiere bisschen rum, und hab Verständnis für dich selbst.

Du hattest echt keine Chance, Kinder von Narzissten werden traumatisiert, da führt kein Weg dran vorbei.

Zitat von Munzi:
Hallo, ich mache seit einem Dreivierteljahr eine Verhaltenstherapie wegen meiner somatoformen Störung. Mein Hauptproblem ist, dass ich fast keine Gefühle wahrnehme, geschweige dem benennen, klassifizieren oder deren Stärke einordnen kann. Liegt nach Erarbeitung der Ursache wohl an meiner Kindheit, da mein ...

Eine Körper Psychotherapie könnte da hilfreich unterstützen.

Körperorientierte Psychotherapie klingt interessant. Es gibt derart viele Angebote - leider alles nicht ganz billig. Hat da jemand Empfehlungen, damit ich nicht an etwas esoterisches gerate? Diese wird nicht von der Kasse übernommen, oder? Wie sieht es mit Achtsamkeitskursen aus? Könnte das helfen? Diese bezahlt meine Kasse.

Ich mache bereits eine Kuscheltherapie und analysiere dabei meine Gefühle. Das mag zwar unkonventionell sein, tut mir aber gut wie sonst nichts - auch wenn ich das nicht direkt in Gefühlen beschreiben kann. Ich merke nur, dass es mir in dem Moment besser geht.
Meine Vermutung ist, dass das meiner Psyche die Zuneigung gibt, die ich als Kind viel zu selten bekommen habe.

Außerdem gehe ich zu Biorelease Mass.. Dort ist auch herausgekommen, dass ich einen Muskelpanzer habe. Alles an mir scheint sich also gegen Gefühle zu wehren.

Habe mir auch so eine Balancierscheibe gekauft - sie soll ja die Koordination der Gehirnhälften und damit die Gefühlswahrnehmung verbessern. Muss man wahrscheinlich dran glauben.

Meine Hoffnung ist auch, dass ich Gefühle nur stark unterdrücke und einfach nur genauer hinsehen muss.

Zitat von Munzi:
Körperorientierte Psychotherapie klingt interessant. Es gibt derart viele Angebote - leider alles nicht ganz billig. Hat da jemand Empfehlungen, damit ich nicht an etwas esoterisches gerate?

Leider übernimmt die Gesetzliche Krankenkasse das nicht, das geht nur als Selbstzahler. Du kannst nur ganz genau hinschauen und erfragen, welche Ausbildung die Therapeuten haben. Meiner hat zB lange in Rehakliniken der BfA gearbeitet, das hat mich überzeugt.

Wenn du mir sagen magst in welcher Gegend du wohnst kann ich meinen Therapeuten gern nach einer Empfehlung fragen.

Ich wohne in Leipzig.
Eine Empfehlung wäre super nett

@Munzi, habe meinen Vorschreiben nichts bei zu fügen. Nur noch diese Idee: hast Du schon mal von Fokussieren gegründet von Eugene Gendlin gehört ? Bestimmt findest Du dazu genug Material im Internet. Beim Fokussieren geht es genau darum, seine Wahrnehmungen und Gefühle gesamthaft kennen zu lernen. Falls Dich die Methode interessiert, empfehle ich Dir das mal erst unter Anweisung ( Fokussing-Therapeuten und/ oder Fokussen-Gruppen etc.) zu erlernen, um es dann später auch selbst praktizieren zu können..

Zitat von Munzi:
Ich wohne in Leipzig. Eine Empfehlung wäre super nett

Leider hat mein Therapeut keinen Kontakt in Leipzig tut mir leid.

Er hat mir als Tipp noch die Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Körperpsychotherapie genannt. Dort gibt es eine Therapeutenliste. In Leipzig ist gibt es da einen Treffer. Kannst du dir ja mal anschauen.

A


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