Ich kann Tattoos nicht leiden. Natürlich schauen Menschen auch sonst danach, dass sie ein möglichst schönes und attraktives Äußeres haben. Warum also das Tattoo ablehnen?
Weil man es eben nicht wie Kleidung, Schmuck oder Schminke ablegen kann. Es ist eine permanente Maskerade. Ein Sich-Größermachenwollen. Einem in dieser Weise Bemalten ist es nicht mehr möglich, seine Haut pur zu zeigen. Die Haut ist ein Organ, das uns mit anderen in Kontakt bringt. Es ist DAS Kontaktorgan schlechthin. Wie nimmt also ein Tattoo-Träger Kontakt auf mit mir? Er zeigt mir seine (meist ungelenke, klischeehafte, wenig ästhetische) Bebilderung und irgendwelche Sinnsprüche, halbverstandene Symbole, fidelis-irgendwas-Kram, der mich schon deshalb abstößt, weil es meinen Intellekt beleidigt, nicht nur aus ästhetischen Gründen. Diese Leute tragen permanent Botschaften zur Schau, statt einfach sie selbst zu sein.
Für mich spricht aus einem Tattoo in erster Linie das Geltungsbedürfnis, dem Anderen eine Botschaft aufdrängen zu wollen, als cool und verwegen gelten zu wollen, modisch und trendy sein zu wollen, und all das ist mir unangenehm bzw. finde ich abstoßend.
Und dann kommen tatsächlich einige Leute ernsthaft mit dem Argument der indigenen Völkern, mit den Piraten, den Goten, etc., die sich ja auch tätowiert haben ...
Richtig. Bei denen hatte das eine Bedeutung! Die hatten ihren magischen Glauben, ihre Verwegenheit, ihre Mutproben! Bei den Goten war es eine Kriegsbemalung, eine Rückversicherung, mit ihren Göttern im Einklang zu sein, eine relevante esoterische Bewandtnis ...
Etwas, was der moderne Mensch, der mit Auto oder Bus zur Arbeit rollt, (leider) nicht vorweisen kann. Wir ziehen in keine Kriege. Wir sind keine harten Hunde. Wir sind nicht durch irgendwelche magischen Zirkel beeinflusst. Hoffe ich jedenfalls. Dann hat man auch nicht die Symbolik dazu zu verwenden. Ist meine bescheidene Meinung.
Ich will das nicht als kulturelle Aneignung bezeichnen, das wäre der Ehre zu viel für diese Schriftzeichen-Epigonen ...
Die Tattoos sind aus meiner Sicht nichts als Getue und Blenden-Wollen. - - - Und es wäre ja auch als Spielerei, die man wieder abwaschen kann, ganz okay. DANN wird aus dem Ganzen nämlich ein Spiel, kein ernsthaftes Es-ist-mir-wichtig!-Gepose.
Tattoos haben für mich in der Tat etwas von Litfaßsäule, Angeberei, Anmaßung, proletarischer Mode, Schilder-Hochhalten, wo man doch mit der Haut echt und offen kommunizieren könnte und, je intimer der Kontakt ist, auch sollte. Ich habe noch nie ein Tattoo gesehen, bei dem ich dachte: Wow, das ist wenigstens künstlerisch anspruchsvoll. Es ist IMMER Affentheater.
Der Drang der Mensch nach Selbstdarstellung ist ja häufig vorhanden. Haben wir alle. Aber wie gesagt, alles andere kann man ja ablegen. Die Tattoo-Schilder bleiben permanent. Und dass das die Leute nicht davor abschreckt, sich irgendeinem Bildchen, Spruch, Gedöns ihr Leben lang anzudienen, ist mir so dermaßen suspekt, dass ich dafür kaum Worte finden kann. Als wäre jemand in eine Douglas-Filiale oder einen Parfüm-Werbespot gefallen und kann nun nicht aufhören, für Douglas Werbung zu machen. So sehen diese Tattoo-Heinis für mich aus.
Sorry, wenn ich da überkritisch und mit sehr viel Abneigung rüberkomme. Doch so empfinde ich es. Ich konnte noch nie jemanden mögen, der ein Tattoo hat. Weil ich es zu affig, unreflektiert und unschön finde.
Heute 08:59 •
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