Bei mir ist vor etwa 1 Jahr ADHS diagnostiziert worden. Konkret: Die Hyperaktivität findet im Kopf und nicht äußerlich statt, also eher der verträumt-verstrahlte Typ. Damit haben sich bei mir zwar nicht direkt alle Fragezeichen in Luft aufgelöst, aber es hat mir geholfen wie und wo ich nach Antworten suchen muss. Es hat mir wahnsinnig gut bei meiner Persönlichkeitsentwicklung geholfen. Die Vorvorgeschichte hiervon war, dass ich lange Zeit unter Depressionen und Ängsten litt, stetig mehr Übergewicht hatte. Antidepressiva wirkten nicht oder verschlimmerten die Lage. Eine Psychotherapie hatte ich, aber mein ADHS habe ich anscheinend gut überspielt. Problem da war, dass ich das dort Erlernte nicht wirklich einsetzen konnte. Jetzt nehme ich ADHS-Stimulanzien die mir sehr gut helfen mehr ich zu sein. Dazu bekomme ich auch typische ADHS-Antidepressiva die mich sehr stützen. Aus depressiven Episoden komme ich schneller und besser raus und ich weiß was mir hilft. Eine autistische Komponente wurde zusätzlich diagnostiziert. Das Resultat eines in diesem Zuge durchgeführten IQ-Tests hat mich überrascht.
Durch das ganze vorige Konstrukt kam ich langsam auf die Idee, dass ich unnötig Menschen helfe die es nicht zu schätzen wissen und habe mich da losgelöst. Ich habe einige wenige Menschen behalten. Schließlich beschloss ich im Januar 2023 dieses Jahr als Jahr des Egoismus fest zu schreiben. Egoismus im gesunden Sinne, nicht mit Ellbogen und Über-Leichen-gehen. Bedeutet: Ich achte auf meine Bedürfnisse, mache das was mir gefällt, stehe für mich ein und lasse einseitige Beziehungen weg, bin aber bereit für Kompromisse um den sozialen Aspekt nicht zu vernachlässigen.
Nun zum aktuellen Punkt:
Die Stimulanzien und Antidepressiva haben mir geholfen mein Übergewicht in Griff zu bekommen. Ich hatte sehr häufig Fressattacken (aus Frust und zur Stimulation). Die finden kaum mehr statt. Dazu habe ich sehr viel Freude an sportlicher Aktivität gefunden. Ich mache 4-5x die Woche irgendwas und bereite mich eigenständig auf einen Triathlon vor. Diese Aktivitäten plane ich dennoch flexibel ein, damit ich auch Zeit für andere Menschen habe. Das starke Übergewicht ist mittlerweile Vergangenheit und ich fühle mich mit mir selbst sehr wohl. Nächstes Jahr will ich eventuell Hautlappen operativ entfernen lassen. Habe meinem Leben Sinn gegeben.
Nun durfte ich mir vom Freundeskreis (behaltene Menschen wie oben ausgeführt) anhören, dass ich mich sehr verändert habe. Diese Bemerkung war nicht wirklich positiv gemeint. Musste da erst schlucken (Rejection sensitive dysphoria). Ich habe vor einigen Wochen nämlich mitgeteilt, dass ich bei Sonnenschein und gutem Wetter keine Lust mehr habe bei jemanden im Wohnzimmer bei Computerspielen zu vegetieren und dass man nach der ganzen Covid-Phase die Zeit genießen soll - ganz nach dem Motto Carpe diem!. Bei schlechtem Wetter kann man sich ja dennoch privat zuhause treffen. Das hat einige Male funktioniert. In den Gesprächen im Freundeskreis ging es auch nur noch um die Arbeit. Ich habe für mich beschlossen, dass ich nach dem Heimweg keinen Gedanken mehr an meine Arbeitsstätte verschwende und die Freizeit genießen will. Daher habe ich langsam aber stetig dieses Thema aus Gesprächen rausgehalten.
Die Situation entwickelte sich so: Ich schreibe, ob man was unternehmen soll und nenne konkrete Vorschläge. Nach vergleichsweise langer Zeit kommt eine Reaktion mit Ich weiß nicht oder ne, das will ich nicht machen. Was mich daran stört (habe ich auch schon mitgeteilt): Wenn mir ein Vorschlag nicht gefällt, sollte ich doch einen Alternativvorschlag machen. Ne, da kommt nichts. Die letzten Wochen ist es mir egal geworden, weil ich mir die Energie als Initiator lieber spare. Jetzt hat mir die Lebenspartnerin von einem Freund geschrieben, wieso ich mich gar nicht mehr melde, er sitzt nur daheim. Habe ihr nur zurückgeschrieben: Du, ich habe mehrere Wochen nacheinander vorgeschlagen dass „man“ etwas unternehmen könnte und erhielt da keine Reaktion die nach Interesse klang. Sie meinte, dass er nach der Arbeit zu fertig sei um etwas zu machen. Aha. Es wird nicht besser wenn man sich nicht bewegt und auf dem Sofa Wurzeln schlägt. Eigene Erfahrung eines ehemals fetten Kloppers.
Nun habe ich mich seit einigen Wochen mit „Initiative ergreifen“ komplett zurückgezogen. Nun kam diese Woche in der Nachrichtengruppe die Frage ob man etwas unternehmen könnte. Ich habe mich gefreut, dass jemand erwacht ist. Habe (bewusst Stunden später) reagiert mit „Hey, tolle Idee. Am Donnerstag und Freitag bin ich nicht vor Ort, aber an den anderen Tagen ist es kein Problem.“ Sehr verzögert kamen die anderen und meinten, dass sie nur Freitag können und ob ich mich da nicht unterordnen könnte. Habe gesagt: Nein, ich bin nicht vor Ort und werde keine Karten stornieren, zudem ich auf den Kosten sitzen bleibe. Wochenlang herrscht Funkstille, aber aus dem Nichts wird wiederum von mir erwartet dass ich mich an anderen orientiere nachdem ich regelmäßig etwas vorgeschlagen habe. Wo ist das Problem mit Samstag oder Montag – ein Feiertag oder die Woche darauf? Ein Restaurantbesuch ist auch unter der Woche am Abend kein Problem.“
Einer meldete sich zurück: „Da habe ich keine Lust und nächste Woche weiß ich nicht was ansteht“.
Ich: „Aha.“
Die anderen meldeten sich gar nicht weiter und spielten nur noch Leser. Es geht mir alles nur noch auf den Keks. Falls man sich sieht, fühle ich mich wie Freud der sich die Klagen über die „schei. Arbeit“ anhören muss und ansonsten passiert gar nichts. Ist ja okay sich auszukotzen. Aber es war dann Dauerthema. Ich selbst habe keine Problem mit dem Alleinsein – für mich eher keine Einsamkeit. Ich kann meine Zeit ganz gut planen. Aktuell habe ich mich zum Erweitern meines „Horizonts“ und Kompensation über Datingplattformen mit Leuten belanglos getroffen, einfach nur in einem Café – ohne etwas zu erwarten oder Sympathien zu haben. Das war für mich anspruchsvoll, weil ich mich eher ungern mit Fremden treffe.
Die guten alten Freundschaften werden zur Last. Ich fühle mich irgendwie verpflichtet und will mich abkoppeln, aber auch wieder nicht. Ich habe diese Leute vorher nicht wirklich gebraucht, weil ich mich ungern abhängig mache und brauche sie jetzt auch nicht. Ich habe mich mit diesen Menschen gerne getroffen aus Sympathie und wegen der guten Gespräche und Erlebnisse. Ich habe auch schon offen gefragt, ob etwas falsch läuft. Habe darauf keine Antwort bekommen. Auch wenn ich der „Einzelwolf“ bin, mag ich soziale Situationen dennoch immer wieder gerne.
Übersehe ich etwas?
28.05.2023 19:58 • • 29.05.2023 #1