Ich bin leider mittlerweile an einen Punkt angekommen, wo ich aufhörte, Menschen zu vertrauen. Ich bin verheiratet, und meiner Frau vertraue ich voll und ganz. Ich würde für sie durchs Feuer gehen und ohne mit der Wimper zu zucken, mein Leben für ihres opfern. Aber alle anderen Menschen... Ich habe großartig keine Freunde (bis auf einen, den ich schon aus meiner Kindheit kenne). Ich will auch gar keine haben. Weil ich weiß, dass ich eh wieder nur enttäuscht werde. Natürlich ist das nicht logisch, und es gibt dort draußen mit Sicherheit auch noch nette und tolle Menschen. Aber dieses Denken steckt einfach tief und fest in mir drin. Leider halte ich Menschen im Allgemeinen für egoistisch und egozentrisch.
Der letzte Mensch, auf den ich mich voll und ganz (außer meiner Frau natürlich) eingelassen hatte, war mein damaliger Partner, mit dem ich mich selbständig gemacht hatte.
Ich lernte diesen Menschen auf meiner damaligen Arbeitsstelle kennen, er fing neu bei uns an. Wir freundeten uns sofort sehr herzlich an. Ich hatte noch nie einen Menschen vorher getroffen, der so warmherzig und offen war wie er. Er sagte stets, was er dachte, und er sagte einem auch mal, wenn er einen wirklich mochte. Er hatte auch keine Probleme damit, einen anderen Mann einmal in die Arme zu nehmen. Nein, er war nicht gleichgeschlechtlich oder so, ganz bestimmt nicht, er hatte nur ein sehr weiches Herz. Er was so wahnsinnig menschlich, wie man es nur selten findet. Unsere Geschichte, würde ich sagen, war die Geschichte einer perfekten Männerfreundschaft, und auch für ihn würde ich jederzeit die Hand ins Feuer halten. Ihm habe ich 100%ig vertraut, ich hätte ihm jederzeit mein Leben anvertraut. Ich weiß, das hört sich vielleicht für manche sehr naiv an, und mittlerweile weiß ich, dass es das wohl auch gewesen ist. Aber um das zu verstehen, muss man ihn gekannt haben.
Auf jeden Fall verloren wir beide fast gleichzeitig unseren Job. Und gemeinsam gründeten wir eine eigene Firma. Es lief auch alles super, nur dass ich schon bald psychisch krank wurde. Das hatte nichts mit der Firma zu tun, das hatte andere Ursachen, die ich an anderer Stelle hier im Forum bereits beschrieb. Mein damaliger Partner bekam mit, wie es mir immer schlechter ging. Oft waren wir bei ihm zu hause, als wir noch kein Büro hatten, und er musste mich dann nach hause fahren, weil es mir nicht gut ging. Er bekam oft mit, wie ich richtig kreidebleich wurde. Aber diese Erkrankung war kein Hindernis für unsere Fima (hofften wir zu dem Zeitpunkt zumindest), und vor allem nicht für unsere Freundschaft. Ich bin Softwareentwickler, und arbeitete eh stets im Hintergrund. Kundenkontakte etc. machte mein Partner.
Alles war gut, bis unsere Firma einen Großauftrag erhielt, von dem jede andere Firma nur geträumt hätte.
Mein ehemaliger Partner hatte von damals noch Kontakte zu einer großen Bank. Und diese Bank fussionierte mit einer anderen großen Bank. Ich werde mal hier die Namen der zwei Banken nicht nennen, aber es ging groß durch die Medien, und vielleicht kommt der ein oder andere ja drauf ^^
Für diesen Auftrag sollten wir zwei nach Frankfurt ziehen, also zumindest in der Woche. Am Wochenende wollten wir dann immer nach hause fahren. Der Auftrag sollte bis zu 3 Jahre dauern. Würde dieser Auftrag 3 Jahre dauern, hätte unsere Firma in dieser Zeit, ob ihr es glaubt oder nicht, knapp 1,5 Millionen Euro verdient.
Trotz des Geldes erwähnte ich bei meinem Partner immer wieder meine Bedenken, wegen meiner Krankheit, wegen meiner Angstzustände. Ich hatte Angst, dass ich das nicht schaffen würde. Und mein Partner sagte immer wieder: Ach, das schaffst du schon, das wird schon!
Immer wieder und immer wieder redete ich auf ihn ein. Ich sagte, geh du nach Frankfurt, repräsentier du dort unsere Firma, ich versuche in dieser Zeit unsere Firma hier aufzubauen, damit, wenn der Auftrag zu Ende ist, du hier ein fertiges Nest vorfindest. Aber das wollte er nicht, weil sich die 1,5 Millionen dann ja auch halbiert hätten.
Also ging ich mit ihm nach Frankfurt. Schließlich hatten mir ja auch alle meine anderen Freunde gesagt: Das schaffst du schon.
Ich hatte es nicht geschafft! Zwei Wochen war ich da. Zwei Wochen in denen ich jeden Tag Angst hatte, dass ich zusammen klappe, zwei Wochen, wo ich jeden Abend voller Angst vor dem nächsten Tag zu Bett ging. Und selbst in diesen zwei Wochen redete ich fast täglich mit meinem Partner, wie schwer das für mich sei. Ach, das schaffst du schon!, sagte er immer wieder.
Und dann, nachdem ich wirklich zusammengeklappt war, saßen wir gemeinsam bei der Bankleitung. Die waren natürlich gar nicht so erbaut darüber, und redeten von Betrug, da ich ihnen nicht gesagt hatte, wie es um mich steht. Mein Partner war natürlich bei dem Gespräch dabei, und natürlich hat er von nichts gewusst, ich hätte ihn ebenso enttäuscht und betrogen.
Ich dachte mir, er wird das vermutlich nur sagen, weil er Angst davor hat, ebenfalls seinen Job in der Bank zu verlieren, also dass unsere ganze Firma von dem Auftrag befreit wird. Ich hatte vollstes Verständnis dafür, dass ich der alleinige Buhmann war. Aber was ich nicht mehr verstand, war: als wir zwei abens alleine waren, erzählte er mir immer noch einen davon, dass er von nichts gewusst habe. Gut, er hatte mal das ein oder andere mitbekommen, aber er hätte doch nicht gedacht, dass das so schlimm sei. Das hätte ich ihm sagen müssen.
Das war meine größte Enttäuschung, die ich je von einem Menschen erfahren habe. Bis heute denke ich noch sehr oft darüber nach. Ich verstehe es einfach nicht. Hinterher sagte er sogar noch zu mir, dass ich ja nur zuhause bleiben wollte, damit er die ganze Arbeit habe, und ich auf der faulen Haut liegen könne.
Geld war für uns nie ein Problem gewesen. Und wie oft sagte er, dass wahre Freundschaften ihm vor jedewedes Geld ginge? Freundschaften seien für ihn wichtiger, als alles Geld der Welt. Das sagte er einmal.
Ich habe das bis heute nicht verarbeitet und verkraftet.
Falls ihr noch wissen wollt, was aus meinem Expartner geworden ist:
Er hat die Firma immer noch, der Auftag läuft mittlerweile sogar über vier Jahre, er arbeitet also immer noch bei dieser Bank. Seine Frau hat ihn verlassen, aber er hat mittlerweile ein großes Haus, ein teures Auto, so weit ich weiß, sechs Mitarbeiter, die alle für ihn bei der Bank arbeiten. Er fungiert dort also quasi als eine Art Leiharbeitgeber, und er dürfte bisher schon weit mehr als diese 1,5 Millionen Euro verdient haben.
Und ich sitze hier, mit einem Einkommen von 0 Euro, weil ich nicht mehr arbeitsfähig bin, und wünsche meinem Expartner alles nur erdenklich schlechte.
Habe ich zu viel geschrieben? Wenn ja, dann sorry. Ich wollte einfach mal erzählen, was bei mir der Auslöser war, keine Freunde mehr haben zu wollen, und den Glauben an die Menschheit verloren zu haben. Nie hätte ich gedacht, dass ich mich so dermaßen in einen Menschen täuschen könnte.
Vielleicht möchtest du ja lieber aufmunternde Worte hier lesen. Dann tuts mir leid, dass ich keine für dich habe.
Außerdem noch eine kurze Sache: Seit dieser Begebeheit bin ich allergisch auf die Wort. Das schaffst du schon!, Das wird schon!. Ich finde, es gibt kaum inhaltleerere, angeblich aufmunternde Worte, als diese. Ich würde diese Worte niemals mehr zu jemandem sagen. Entweder schaffe ich es durch Begründungen jemanden aufzumuntern, oder ich sage nichts, und höre einfach nur zu. Mittlerweile werde ich sogar richtig sauer, wenn das jemand zu mir sagt.
Meine Frau macht im Moment eine Fortbildung. Und auch dort, würde ich nie sagen: Das schaffst du schon! Ich weiß nicht, ob sie es schafft, aber egal was auch passiert, ich stehe hinter ihr, und ich glaube ganz fest an ihre Fähigkeiten.