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Hallo zusammen,
ich war dieser Tage in einem Blog mit teils sehr interessanten Menschen unterwegs. Es ging um den Suizid eines Sportlers und ich habe mich vehement gegen eine Verurteilung ausgesprochen, da ich auch Betroffener bin, insofern als sich mein Bruder ebenfalls umgebracht hat.
Eine wie mir schien sehr lebenserfahrene Borderlinerin fragte mich auf einfühlsame Art und Weise wie ich denn damit umginge...
Ein weiterer Anstoß war ein sehr schön geschriebner Artikel über suizidale Menschen. Mit verblüffend ähnlicher Einfühlsamkeit skizzierte dieser Artikel sowohl die Welt der Suizidalen als auch der Miterlebenden. Sie sprach unter anderem vom Trauma der Mitreisenden und der Lokführer, wenn sich jemand vor den Zug wirft.
Diese beiden Impulse gingen mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Mir fallen doch ein paar Berührungspunkte mit Suizid ein. Einmal habe ich eine Klassenkameradin so lange fesgehalten bis sie keine Kraft mehr hatte, sich mit einem Küchenmesser etwas anzutun. Einmal habe ich einen Mann im Wald gefunden, der sich selbst erschossen hat. Den Selbstmord meines Bruders habe ich quasi vorhergesehen und doch nicht verhindern können. In einem Zug habe ich auch schon gesessen, der dann spät abends wegen Personenschaden auf offener Strecke gehalten hat. Sind das Traumen für mich? (Andere Facetten aus meinem Leben lasse ich jetzt einfach mal weg.)
Die Einfühlsamkeit der o.g. Autorinnen für die Welt der Miterlebenden hat mich ins Nachdenken gebracht. Ich hatte den Eindruck, diese sich ähnelnden Menschen wissen wovon sie reden. Sie wissen, wie tief tief sein kann. Sie kennen eine viel größere Bandbreite an Gefühlen, haben ein hohes Maß an sozialer Intelligenz und zeigen daher viel Gefühl auch für die Miterlebnden wie u.a. auch mich. Sie tun das nicht ab oder schätzen es gering, weil sie selbst in viel extremeren Gefühlslagen unterwegs sind.
Und ich selbst? Agiere ich nicht - wenn auch auf einem viel leichteren Level - wie jemand, der für andere stets sehr stark mitfühlt, dem das Gespür für sich selber jedoch ziemlich abgeht? Ich bin doch jedesmal überrascht, wenn jemand anderes (teils sehr viel) Mitgefühl über meine Erlebnisse zeigt. Nochmal: ich halte mich für einen sehr sensiblen, intuitiven Menschen. Aber mein eigenes Leben sehe ich eher wie ein Beobachter. Ich verstehe jedoch auch, dass das mit der Dauer in irgendeiner Weise schief geht, wenn ich nicht mit der Zeit eine gesunde Peilung für das Eigene entwickele - es muss ja nicht gleich so drastisch sein, wie in den Welten der o.g. Menschen, denen ich ein bisschen zuhören konnte.

22.11.2009 13:58 • 23.11.2009 #1


Zitat:
Aber mein eigenes Leben sehe ich eher wie ein Beobachter.

Weil du bestimmte Gefühle nicht zulassen willst?
Weil du vielleicht Angst hast vor Enttäuschung und Verletzung?
Dein Beitrag finde ich sehr schön geschrieben.

A


(K)ein Gespür für mich selbst

x 3


Gefühle zulassen war bei mir schon sehr früh nicht erlaubt. Andererseits habe ich offenbar schon in sehr jungen Jahren eher die Beobachter-Perspektive eingenommen. Beispiel die Kinder haben heute im Kindergarten..., so habe ich vom Tag berichtet. Dabei war ich doch auch da....
Irgendwann sind die Menschen nicht mehr da, die es einem verboten haben bzw. bestimmte Rahmenbedingungen haben sich geändert.
Ich kann die angemessenen Gefühle in entsprechenden Situationen schon zeigen - eben nur für andere, die oftmals in einer sehr vergleichbaren Situation sind.
Ich tendiere dazu, mein Leben eher als humoristische Anekdote zu erzählen. Als Hintergrund dazu gibt es natürlich auch wenig hilfreiche Glaubenssätze.
Manchmal wünschte ich mir, ich würde irgendwie eine Reaktion zeigen außer der, stoisch weiter meinen Weg zu gehen. Einfach mit offenen Augen mitten durch die Situation durch bis sie vorbei ist.
Oder auch ein Messfühler, der mir sagt das war jetzt objektiv schlimm, wäre nicht schlecht. Ein Therapeut hat mir mal ausgeprägte Resillienz bescheinigt. - Dem Braten traue ich nicht, da bestimmte Eregnisse ja nicht spurlos an mir vorüber gehen (können). Und wie drückt sich das dann eines Tages aus, wenn sich das alles seinen Weg bahnt?

Wäre Deine genaue Lebensbetrachtung und Verarbeitung zu schmerzhaft für Dich?
Zitat:
Und wie drückt sich das dann eines Tages aus, wenn sich das alles seinen Weg bahnt?

Vermutlich befreiend oder was glaubst Du?

ich weiß es nicht, was passiert. Ich denke es wird einen Grund haben, warum dieses Gespür für mich selbst sehr gedämpft ist. (Die Natur macht nur Dinge, die Sinn machen.)
Und so kann ich auch nicht sagen, ob sich da Druck wie in einem Dampfdrucktopf erhöht. (Da wäre ene Mess-Sonde wie erwähnt praktisch.)
Es lebt sich ja grundsätzlich so nicht schlecht. Immerhin lebe ich noch. Das kann nicht jeder von sich behaupten. Und vielleicht komme ich damit ja auch bis zu meinem natürlichen Lebensende ganz gut durch.

Andererseits kommt mir meine Vorgehensweise auch nicht ganz gesund vor. Immerhin gibt es hinreichend Beispiele von Menschen, die dann plötzlich Dinge tun, mit denen keiner gerechnet hat. Sich selber Schaden zuzufügen, ist davon nur eine Spielart. Dazu bin ich ja überhaupt nicht der Typ, da ich ja stoisch und vermeintlich unbeeindruckt funktioniere, für alle da bin, etc. Aber kann ich das deshalb ausschließen?

Interessant finde ich, dass ich zwar bereits über 100h Therapie hinter mir habe, mich also grundsätztlich recht gut auskenne, aber irgendwas lässt mich zögern, diese Büchse der Pandora zu öffnen, von der ich nicht weiß, ob das unspektakuläre Knarzen beim Öffnen vielleicht der einzige Schrecken ist, oder ob sich dahinter was verbirgt. Deshalb würde mich interessieren, wie es anderen mit sowas geht. Deshalb war mir ja die eine sympathische Borderlinerin so ein guter gedanklicher Anstoß.

Ich versteh Deine Angst beim kratzen und öffnen, da kann so einiges zutage kommen, was du vermutlich schon selbst in ungefähr weißt.
Da wird es schon zu einer heftigen Zeit kommen können. aber ich denke mir halt irgendwann sollte der Druck aus dem Topf, denn dann lebt es sich anschließend mit mehr Luft.
Ich glaube, dass Du das schaffen könntest



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