Ich habe schon seit Jahren immer mal wieder mit Depressionen und Ängsten zu kämpfen.
Ich glaube dieses Jahr ist für die meisten für uns hart, aber bei uns in der Familie kommt schon einiges zusammen.
Mein Vater ist psychisch krank seit mindestens 30 Jahren, schwer depressiv, schizoid, er ist im Oktober 90 Jahre alt geworden. Heute mussten wir ihn in ein Pflegeheim bringen, weil der Ambulante Pflegedienst an seine Grenzen gekommen ist und auch wir mit den Nerven vollkommen am Ende sind. Meine Schwester und ich haben unsere Eltern mit Unterstützung eines Pflegedienstes gepflegt. Er ist sehr aggressiv, pöbelt jeden an, jammert im Sekundentakt und verweigert jetzt auch noch Nahrung und Flüssigkeit.
Es ging nicht mehr, wir waren mit unseren Kräften am Ende, als er nun an die Grenze der Bettlägerigkeit kam und quasi vollumfänglich Hilfe benötigt, auch nachts.
Meine Mutter hat ihn lange Jahre betreut, war auch gerichtlich bestelle Betreuerin für ihn. Meine Mutter ist allerdings am Ostersonntag diesen Jahres verstorben. Auch das war sehr traurig. Sie verstarb an einem Herzleiden. Wir haben alles versucht, sie wollte zu Hause sterben, aber am letzten Tag ging es ihr so schlecht, dass wir (zum 5. Mal in einem Jahr) einen Notarzt rufen mussten. Sie verstarb dann unter Corona-Bedingungen im Krankenhaus. Wir konnten nur kurz Abschied nehmen, aber sie nicht begleiten. Sie hatte ein Angstverzerrtes Gesicht, als wir sie besuchten, die Masken und Handschuhe machten ihr wohl noch zusätzlich Angst. vielleicht erkannte sie uns nicht. es war auf so vielen Ebenen traurig. Sie war die gute Seele unserer Familie, ein Fels in der Brandung, die einzigen lieben Worte die ich oft im Monat hörte kamen immer wieder von ihr. Sie ließ uns nie im Stich. Aber nun musste sie uns alleine lassen. Die Pflege war schwierig, denn ihr Charakter veränderte sich im Alter, wir waren oft damit überfordert, sie verstand das nicht mehr. Sie sah leider nicht, dass es mir psychisch nicht gut ging. Obwohl ich es aussprach. Sie verstand nicht, dass man für die Pflege mentale Kraft braucht, die ich längst nicht mehr besaß. Sie wollte keine anderen Menschen. Nur uns. Und wir konnten irgendwann kaum noch Kräftemässig.
Meine Mutter hat einen 5stelligen Betrag angespart für die kommenden Kosten für die Pflege meines Vaters und auch seine Beerdigung. Gestern wollten wir nach diesem Geld schauen, bevor wir ins Heim gehen und stellten fest, dass es nicht mehr da war. Alles weg. Meine Mutter wollte das Geld unbedingt in Bar zu Hause haben. Wie ältere Menschen manchmal sind. Gegen unseren Rat. Versteckt in einem Schrank. Jemand vom Pflegedienst muss es gefunden haben. Wir können dies deshalb so sehr sicher sagen, weil in der besagten Zeit sonst niemand bei uns war. Nichtmal Handwerker oder Schornsteinfeger. Für uns war es ein Schock. Aber wir können natürlich nichts beweisen und vor allem wechselte das Personal dort auch immer wieder. Jetzt kommt also noch eine Odyssee bei der Polizei auf uns zu, die uns wahrscheinlich für dumm erklären wird. Nerven haben wir dafür eigentlich längst nicht mehr. Erfolgsaussichten sind mangels Beweisen gleich null. Ich kann nicht mal meiner Schwester beweisen, dass ich das Geld nicht genommen habe. Sie unterstellt es mir nicht, aber die Unklarheit steht im Raum.
Das heißt ich habe in diesem Jahr fast alles verloren. Meine Mutter verstarb, mein Vater verweigert die Nahrung, das kann kaum noch lange gut gehen, die Ersparnisse sind weg, ich habe keine Arbeit und finde auch keine, (über 1000 Bewerbungen) jetzt durch Corona erst recht nicht, meine Depressionen sind tief wie nie, meine Ängste groß wie nie. Ich muss demnächst ausziehen, weil ich im Haus meiner Eltern nur geduldet war und wir das Haus verkaufen müssen, ich weiß nicht wo ich dann hin soll, ich weiß nicht wie ich das Haus voller Gerümpel leer bekommen soll. ich habe keine Freunde denen ich mich anvertrauen kann, keine Beziehung, bin komplett vereinsamt und alleine und komme langsam an einen Punkt, an dem ich nicht mehr weiter weiß. Umzingelt von Katastrophen und Problemen, die leider sehr real sind und auch nicht nur meinen Ängsten entspringen.
Das waren nur einige der schlimmsten Probleme, es gibt noch eine Menge mehr.
Und diese allgemeine Corona-Weltuntergangsstimmung gibt mir den Rest. Außer einkaufen und Pflege habe ich dieses Jahr noch nichts anderes gesehen. Ich habe dieses Jahr hunderte Telefonate geführt. Aber alle mit Ärzten, Pflegedienst, Krankenkasse, Krankenhaus, Sanitätshaus usw. Mein letzter Urlaub war vor 27 Jahren. Kein Geld dafür. Keine Kraft für Reisen. Keine Energie.
Ich funktioniere nur noch, ich existiere. Aber Leben kann man das nicht mehr nennen.
12.11.2020 22:25 • • 19.11.2020 #1