Mama musste ins KH, um endlich den Port gesetzt zu bekommen, damit nach langer Zeit des Wissens über den Krebs, endlich mal mit der Chemotherapie angefangen.
Ich habe sie noch zu Hause besucht. Sie saß auf ihren heißgeliebten Balkon, den sie so wunderschön gestalten hat. Wie ein kleines Kind, was voller Angst ist, umarmte sie meine Beine und weinte bitterlich. Ich dachte mir nur: „Oh Mann, wie leid du mir tust“. Ein Schauer lief mir den Rücken herunter. Es war genau dieselbe Situation wie früher, wo ich mir weh getan habe und sie mich getröstet hat. Halt nur umgekehrt. Sehr schwer ist es, seine Mama in so einem Zustand zu sehen. Ich habe ihr gut zugeredet und ihr gesagt, wie stolz ich auf sie bin und sie ganz tapfer ist.
Dann ist sie ins KH gefahren. Da wir hier momentan Corona haben, konnte ich sie nichts in KH fahren.
Am Nachmittag hat sie mich angerufen, um mir zu sagen, dass sie den Port und die Chemo nun bekommen hat. Ihr ging es den Umständen entsprechend gut, nur das Setzen des Ports unter örtlicher Bedeutung, hat ihr zu schaffen gemacht.
Am Mittwoch durfte sie dann auch schon wieder nach Hause, da sie die Chemo gut vertragen hat.
Bei der Entlassung wurde ihr allerdings mitgeteilt, dass es wohl nicht mehr viel zu machen ist. Sie hat mir probiert das zu erklären, aber irgendwie habe ich es nicht glauben können, was sie mir sagt.
13.10.2022
Ich weiß, um ehrlich zu sein, nicht, was ich sagen soll. Heute war ein … na ja, wie soll ich sagen? Ein wirklich blöder Tag.
Ich denke eigentlich, dass ich ein starker Mensch bin, aber in Wirklichkeit bin ich es kein Stück. Man soll sich nicht mit anderen vergleichen, aber ich beneide die Leute, die viel besser mit so etwas umgehen können, als ich es kann.
Heute hat Mama einen Termin bei ihrem Hausarzt gehabt, der ein wirklich guter ist. Er ist ein Arzt, der Tacheles reden und nicht unnötig alles schönredet. Halt ein Mann, der weiß, wovon er spricht, ohne jemand zu belügen. Ich dachte mir, ich werde einfach mal mitgehen, um vielleicht besser verstehen zu können, was da jetzt wirklich Sache bei Mama ist. Ich dachte mir, vielleicht ist Mama in Moment so traurig, dass sie nur schwarz sieht und alles noch schlimmer macht, als es vielleicht ist. Es lässt sich etwas böse lesen, aber ich hoffe, ihr wisst, was ich meine.
Wir sind zu dem Arzt rein und das Gespräch fing an. Ich weiß jetzt mehr, aber wünschte mir, es nicht so gehört zu haben.
Der Tumor meiner Mama ist noch gar nicht sehr groß und ich dachte, es kann doch alles nicht wahr sein.
Sie hat einen kleinzelligen Karzinome, eine Metastase und zwei befallene Lymphknoten und das alles auf die Lunge beschränkt. Er ist gerade mal 2,4 cm groß. Eigentlich super gut um ihn zu behandeln, aber dem ist nicht so. Er ist so bösartig, dass er sich in wenigen Monaten so verselbstständigt, dass man ihn nicht wirklich aufhalten kann. Durch das COPD, ist ihre Lunge so schwach, dass eine Operation nicht mehr infrage kommt.
Ich habe dem Arzt gesagt, dass er ihr doch bitte sagt, dass sie noch Jahre damit leben kann. Er schaute mich an und meinte ganz klar: „Der Krebs ist nicht mehr heilbar und die Lebenserwartung bei dieser Art von Krebs ist fast gleich null.“ Er sagte noch: „Dass es ihr letztes Weihnachten sein wird und sie im nächste Jahr an diesem Krebs sterben wird.“ Mir ist alles aus dem Gesicht gefallen. Ich konnte nicht glauben, was er da sagt. Wieso? Wieso nur? Ich hätte es gut gefunden, wenn jemand gekommen wäre, mir eine geknallt hätte und mir gesagt hätte: „War alles nur ein Scherz“. Aber nein, leider wahr es die bittere Wahrheit. Die ganzen Wochen jetzt, habe ich fest daran geglaubt, dass sie noch ein paar Jahre auf dieser Welt sein kann.
Wir sind nun raus aus der Praxis und sind etwas Frühstücken gefahren. Sie probiert sehr stark zu sein und ist es auch. Sie fragte mich, warum sie sich diesen Port legen lassen hat, wenn es doch nur um ein paar Wochen mehr geht. Die Tränen liefen ihr einfach herunter, ohne auch nur einen Gesichtsausdruck. Sie glaubte auch, dass die Chemo ihr helfen kann. Sie wusste auch nicht, dass die Chance so schlecht stehen, noch ein paar Jahre hier zu sein.
Hinzu kommt noch, dass sie ihre Kinder vermisst und drei enttäuschenderweise wenig bis kein Verständnis für sie haben. Meine Mama hat damals viel falsch gemacht und das bekommt sie heute leider zu spüren. Aber sie hat doch selber auch viel durchmachen müssen und war nur deswegen so … zu uns.
Meine aller älteste Schwester, interessiert nichts, was Mama betrifft. Meine mittlere und ich, sind für Mama da. Und meine kleine Schwester hat gerade halt auch viel um die Ohren. Sie wurde am Herz operiert und will gerade nichts mit Mama zu tun haben. Im Gegenteil, die streiten richtig rum. Ich bin jemand, der niemanden böse sein kann, der eh schon auf dem Boden liegt. Hinzu kommt noch, dass sie meine Mama ist und auch immer meine Mama sein wird. Ich liebe sie und kann nicht in Worte fassen, wie sehr mich alles schon wieder belastet.
Ich bin ja auch irgendwie allein mit allem. Habe nicht das beste Verhältnis zu meinen Geschwistern, auch wenn wir gerade eng zusammen sind. Meine zieh Mama ist auch nicht mehr da. Mein Vater ist auch nicht.
Ich bin zu jung, um meine Mama zu verlieren und ganz allein zu sein. Klar, man ist nicht allein und doch fühlt es sich so an.
Wer nimmt mich in den Arm, wenn ich Liebeskummer habe? Wer wischt mir meine Tränen weg, wenn ich traurig bin oder wenn ich Angst davor habe, operiert zu werden? Wer gibt mir Tipps, wie ich damit umgehe, wenn mein Junge mal durchdreht? Wer ist meinem Sohn eine Oma? Wer kocht mir die leckersten Gerichte der Welt? Wer macht mir ein Wadenwickel, wenn ich Fieber habe? Wer sorgt sich um mich, wenn ich nachts noch unterwegs bin? Wer lacht mit mir so bekloppt, wie wir es immer tun? Wer Albert mit mir rum? Wer streitet so mit mir, wie wir es getan haben. Oh man, so viel und noch lange nichts alles gesagt.
Ich heule hier gerade schon wieder vor mir hin und muss aufhören zu schreiben. Ganz still und leise. Sie laufe einfach herunter, dabei möchte ich es gar nicht.
Ich werde wieder schreiben, aber in Moment geht es wohl doch noch nicht so Wie ich gern möchte.
Ich grüße euch ganz lieb.
Was für eine beschissene Krankheit.
13.10.2022 17:54 •
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