Liebe Grace,
Zitat von Grace_99: Bis dann der besagte Urknall in einer Gruppensitzung stationär kam und da bin ich dann komplett ungebremst auf dem Boden angekommen. Mit Schmackes.
Danach wurde ich erstmal wieder medikamentös abgeschossen, weil es mir so schlecht ging, das die Ärztin das so entschieden hat. Und das war auch gut so.
Das kann ich so gut nachempfinden, das ist mir auch schon so ergangen und es erschreckt mich jedes Mal wieder aufs Neue, wie heftig so ein ungebremstes auf-den-Boden-Aufschlagen sein kann.
Und ich bin immer froh, wenn solche Dinge in der Klinik passieren und nicht zu Hause, aber es lässt sich nicht immer vermeiden.
Die heftigsten Aufschläge hatte ich zum Glück in der Klinik, da wurde ich dann auch mit Medikamenten abgeschossen und fand es auch richtig so. Es ging nicht anders, alles andere wäre einfach zu gefährlich gewesen.
Und ich habe auch zu Hause Benzos (Tavor) als Bedarfsmedikament zur Hand, und wenn es nötig ist, nehme ich diese auch. Immer nach dem Motto: so wenig wie möglich, so viel wie nötig.
Ich habe das Gefühl, in den Kliniken, in denen ich bislang war, einen vernünftigen Umgang mit diesen Medikamenten erlernt zu haben. Ich sehe sie als notwendiges Hilfsmittel in schwierigen Zeiten, nehme sie mit Bedacht und Vorsicht, aber ohne innere Widerstände, wenn es nötig wird.
Zitat von Grace_99: Ich glaube danach ging erst die Therapie richtig los, weil ich vorher nur Leid hatte, aber nicht daran arbeiten konnte.
Das sehe ich ganz genauso, war bei mir auch so. Und ist auch immer noch so, ich komme auch nach Jahren immer mal wieder an solche explodierende Schmerz-Kapseln heran, und da ist es auch immer so, dass es sich in Phasen abspielt: Erst den Schmerz zulassen und empfinden, ihm Raum geben, und danach, wenn die Intensität des Schmerzes nachlässt, therapeutisch tiefergehend aufarbeiten. So erlebe/ kenne ich es auch.
Zitat von Grace_99: Ich hatte heute Therapie und zum 1. Mal habe ich angefangen zu begreifen, dass ich noch im Selbstschutzmodus bin und deshalb keinen Menschen an mich ranlassen kann.
Das ist wirklich toll , ich finde solche erhellenden Stunden immer so faszinierend, wenn man fast körperlich merkt, wie einem ein Licht aufgeht, man etwas versteht, was vorher im Nebel lag, wenn man plötzlich Verbindungen sehen kann, wo vorher nur Unverständnis mit dem eigenen inneren Erleben war.
Und ja, es braucht Zeit, die Erkenntnisse zu verarbeiten, wirklich zu verinnerlichen und zu verstoffwechseln. Und dann daraus auch hilfreiche Konsequenzen abzuleiten und umzusetzen, sich dabei selber mit Geduld freundlich zu begleiten , nicht gleich zu viel von sich zu erwarten und auch hier zu akzeptieren, dass nach der Erkenntnis nicht von jetzt auf Gleich alles gut läuft und perfekt funktioniert, dass es Zeit braucht, das neu Erlernte auch umzusetzen. Es ist ein Lernprozess.
Und ich bin auch nach den all den Jahren immer wieder mal überrascht und ungeduldig, wenn ich merke, dass sich eingeprägte Denk-und Verhaltensmuster nur langsam verändern lassen, dass sich hier, wie im Straßenbau, erst neue Denk-Bahnen bzw. Denk-Straßen bilden müssen, die dann aber über die Zeit immer besser ausgebaut werden, je öfter man sie benutzt. Von einem zugewachsenen Busch-Weg hin zu einer gut ausgebauten Autobahn. Und auch zu verstehen, dass die alten Denk-und Handlungsmuster, die man ausgebildet hat, ja jahrzehntelang Zeit hatten, sich zu breiten Autobahnen zu entwickeln, und natürlich fällt es dann erstmal schwer, neue Denk-und Handlungswege zu etablieren, die ja erst noch ausgebaut werden müssen.
Ich wünsche Dir auf jeden Fall ganz doll, dass Du den Weg mutig weitergehst, den Du eingeschlagen hast, und auf diesem Weg noch viele erhellende und hilfreiche Erkenntnisse gewinnen wirst!
Fühl' Dich ganz, ganz lieb umarmt ,
GLG Silver