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seit jahren plage ich mich mit depressionen und einer angeststörung herum, ohne so wirklich den tiefgreifenderen grund dafür finden zu können. mehrere therapien, stationäre aufenthalte in kliniken und ne menge tabletten haben immer wieder linderung geschaffen, aber nie das problem als solches wirklich gelöst.

nun mache ich seit kurzem auf anraten meiner therapeutin (meine eigentliche therapie ist durch und ich bin nur noch in der monatlichen nachsorge) eine ergotherapie. die dortige ergotherapeutin hat ziemlich schnell gemerkt, dass es bei mir unter der oberfläche, die meist reflektiert, kontrolliert, kalkuliert und ruhig daherkommt, doch brodelt. und nach 4 stunden ist mir nun so wirklich bewusst geworden (was ich eigentlich auch schon wusste, aber so deutlich klar ist es nie gewesen bzw wollte ich es mir nicht eingestehen), dass mein größtes problem das krampfhafte unterdrücken von gefühlen jedweder art ist.

vermutlich hat das schon in kindesjahren begonnen. wirklich gestritten wurde bei uns nie, es war eigentlich immer harmonisch in der familie (ich kann mich nur einmal daran erinnern, mal kurz angeschrien worden zu sein von eminem vater, der daraufhin sofort nen einlauf meiner mutter bekam, ansonsten wurde immer alles besprochen, geklärt). natürlich gab es auch mal knatsch, man war beleidigt oder so. aber das türen geknallt sind, sich dinge an den kopf geworfen wurden oder es gar zu handgreiflichkeiten kam - never. auch außerhalb der familie war ich immer auf ausgleich und harmonie bedacht. ich war meist der schlichter, der, zu dem die leute kamen, wenn sie probleme hatten. aber mal selbst so richtig stress gehabt zu haben, mich gar mal geprügelt, auch daran kann ich mich nicht wirklich erinnern. eine ex affäre drückte es mal so aus, ich habe nie gelernt richtig zu streiten. und sie hat recht.

streit bedeutet für mich, es lauert die gefahr jemanden zu verlieren. und die angst, jemanden zu verlieren, ist mittlerweile omnipräsent. begonnen hat es quasi mit dem unvorhergesehenen tod meiner mutter 2004. mit viele zurückweisungen bei dem offenlegen von gefühlen gegenüber frauen (korb bekommen). finanziellen sorgen und den folgen, wenn ich jobs nicht angenommen habe, die mir nicht zusagten.

ich habe es nie wirklich gelernt, so wirklich für mich selbst einzustehen. mich zu lieben und meinen standpunkt komme was wolle zu verteidigen. immer sofort mich in den gegenüber versetzt. vll hat er/sie ja auch recht. und ich liege falsch. nicht sauer und wütend sein. aber auch nicht schöne gefühle zulassen. am besten gar keine gefühle zu.lassen.

momentan merke ich wieder, wie ich gefühle für eine frau entwickle und das macht mir unfassbar angst. angst wieder abgewiesen zu werden. paradoxerweise angst, nicht abgewiesen zu werden, dass die gefühle gegenseitiger natur sind. das sich etwas entwickeln könnte. denn wenn man etwas bekommt, kann man es verlieren sagte ein freund vor kurzem bei dieser thematik zu mir. und er hat recht. doch nicht nur die angst, sie wieder zu verlieren spielt eine große rolle. auch die angst vor dem unbekannten. autonomieverlust (ich war nun jahrelang single). und versuche daher, irgendwie das ganze zu unterdrücken, selbst in dem wissen, dass es schädlich ist. merke ich ja auch. ich schlafe wieder schlechter, gedankenkreisen, angespannt, schwitzen, herzrasen usw.

die gefühle versuchen sich einen weg zu bahnen, ich versuche es aufzuhalten. ein teufelskreis. ich merke richtig, wie mein körper mit cortisol geflutet wird, gestresst ist. doch ich schaffe es nicht, dagegen etwas zu unternehmen, zb sport bzw bewegung. ich versuche ruhig liegen zu bleiben und es auszuhalten. aber da sklappt natürlich nicht. freitag war ein ganz schlimmer tag, ich hab es auch nicht zur arbeit geschafft, sondern quasi den ganzen tag nur im bett bzw auf der liege aufm balkon gelegen und gedöst, geschlafen, nachdem die nacht katastrophal war. und das ganze nachdem sie und ich intensiv am abend vorher gechattet haben.

gefühlt sind gefühle mein endgegner. verrückt.

(sry für die fehlende großschreibung)

27.08.2023 09:07 • 22.09.2023 x 1 #1


10 Antworten ↓


@Maldur Beim Lesen Deines Textes habe ich bei einigen Passagen das Schmunzeln nicht mehr aus dem Gesicht bekommen - die Passagen könnten 1:1 von mir sein. Vielleicht kann ich Dir einige Denkanstöße liefern:

Zitat von Maldur:
dass es bei mir unter der oberfläche, die meist reflektiert, kontrolliert, kalkuliert und ruhig daherkommt, doch brodelt. und nach 4 stunden ist mir nun so wirklich bewusst geworden (was ich eigentlich auch schon wusste, aber so deutlich klar ist es nie gewesen bzw wollte ich es mir nicht eingestehen), dass mein größtes problem das krampfhafte unterdrücken von gefühlen jedweder art ist.

Genauso is es bei mir. Es ist unsere Schutzstrategie, um diesen Glaubenssatz zu kompensieren:
Zitat von Maldur:
streit bedeutet für mich, es lauert die gefahr jemanden zu verlieren.

Mein Glaubenssatz lautet: Streit führt zu Trennung.

Ich habe am Anfang meiner Therapie meine Eltern komplett in Schutz genommen, was meinen Therapeuten manchmal zur Verzweiflung gebracht hat. Es war alles schick, meine Eltern hatten mich lieb, ich bin nie geschlagen worden - Herz, was willst Du mehr. Erst als ich bereit war, mich in dieser Hinsicht zu öffnen, kam für mich die Einsicht, dass das, was meine Eltern abgeliefert haben, durchaus als emotionaler Missbrauch zu bezeichnen ist.

Zitat von Maldur:
wirklich gestritten wurde bei uns nie, es war eigentlich immer harmonisch in der familie


Meine Eltern haben auch sehr selten gestritten. Aber wenn, dann heftig. Und anschließend kamen beide unabhängig zu uns Kindern um uns mitzuteilen, wie schrecklich der jeweils andere ist und dass man darüber nachdenkt, sich scheiden zu lassen. Aber nach außen hin wurde natürlich stets die harmonische Fassade aufrecht erhalten.

Mein Vater hatte zusätzlich wohl auch Probleme, einen konsequenten Erziehungsstil für sich zu finden. In der Zeit, in der ich aufgewachsen bin (bin Jahrgang 1968) war es noch üblich, seine Kinder zu schlagen. Das wollte meine Vater nicht, hat er auch nie gemacht. Aber er hat uns Kinder bei unseren Vergehen sehr unberechenbar mit Liebesentzug gestraft. Für mich als sowieso schon ängstliches Kind war der Gedanke, dass meine Eltern mich nicht mehr lieb haben, die absolut schlimmste Strafe. Es bewirkt, dass das Kind die Schuld bei sich sucht und alles tut, damit seine Eltern es weiterhin lieb haben. Und wenn das auch bedeutet, niemals den Mund aufzumachen, niemals zu widersprechen und lieber still zu sein.

Mein Vater hat bei mir komplett meinen natürlichen Ich-Raum platt gemacht. In der Folge bin ich absolut harmoniesüchtig und unfähig, Konflikte auszuhalten, Nein zu sagen und meine Interessen durchzusetzen. Jegliche Emotion wie Wut, Ärger, Frust, Ablehnung etc. verbiete ich mir und der Druck geht ungefiltert nach innen. Die (natürlich unbewusste) Strategie meines Körpers, um diesen Druck wieder loszuwerden, bestand darin, ihn in den Magen-Darm-Trakt umzuleiten, weshalb ich ständig auf Klo muss, wenn ich das Haus verlasse und Durchfall bekomme.

Falls es Dich interessiert, kannst Du hier nochmal ausführlich nachlesen. Ich bin dem ganzen in einer Körper-Psychotherapie auf die Spur gekommen:
erfolgserlebnisse-f59/mein-tipp-koerper-psychotherapie-bei-somatoformer-stoerung-t106750.htm

Zitat von Maldur:
ich habe es nie wirklich gelernt, so wirklich für mich selbst einzustehen. mich zu lieben und meinen standpunkt komme was wolle zu verteidigen. immer sofort mich in den gegenüber versetzt. vll hat er/sie ja auch recht. und ich liege falsch. nicht sauer und wütend sein. aber auch nicht schöne gefühle zulassen. am besten gar keine gefühle zu.lassen.

Und genau damit hast Du sehr gut den Kern Deiner Ängste beschrieben. Du hast mit Sicherheit auch Strategien entwickelt, um diesen Druck loszuwerden. Die gilt es herauszufinden und zu bearbeiten. Dann legen sich auch die Ängste. Vielleicht kannst Du da nochmal genauer hinschauen.

Ich kann Dir eines noch mit Sicherheit sagen: Medikamente werden Dir, wenn überhaupt, nur eine kurzfristige Linderung verschaffen. Du musst einen Weg finden, den Druck bei Dir aus dem System zu nehmen - das kann kein Medikament der Welt leisten.

A


Angst vor Gefühlen / Kontrollverlust

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Zitat von Maldur:
ich habe es nie wirklich gelernt, so wirklich für mich selbst einzustehen. mich zu lieben

Mein Therapeut pflegt immer so schön zu sagen: Erst wenn Sie ja zu sich sagen, können Sie Nein zu anderen sagen.

Zitat von Maldur:
denn wenn man etwas bekommt, kann man es verlieren

Was bekommt man(n) denn, das man verlieren könnte?

Zitat von Maldur:
gefühlt sind Gefühle mein Endgegner.

Gefühle sind nur dann Gegner, wenn man sich a) mit ihnen identifiziert und b) sie (deshalb) vermeiden will.
Dabei übersieht man gerne, dass das Ablehnen von Gefühlen ein ebenso starkes Gefühl ist wie das Ersehnen von Gefühlen: Man will, was man als angenehm empfindet und lehnt ab, was man als unangenehm empfindet.
Du kannst Gefühlen nicht entkommen, denn dieser Wunsch ist Teil und Wesen des (unangenehmen) Gefühls.
Vielleicht meinst Du aber auch eher Emotionen, das wäre aber eine etwas andere Baustelle...

Zitat von moo:
Was bekommt man(n) denn, das man verlieren könnte? Gefühle sind nur dann Gegner, wenn man sich a) mit ihnen identifiziert und b) sie (deshalb) vermeiden will. Dabei übersieht man gerne, dass das Ablehnen von Gefühlen ein ebenso starkes Gefühl ist wie das Ersehnen von Gefühlen: Man will, was man als ...

man bekommt eine beziehung, eine freundin, wenn es klappt. und die kann man wieder verlieren. bleibt man allein, verliert man nichts.

hm ja gefühle vs emotionen. da muss ich den genauen unterschied auch noch für mich erarbeiten.

Zitat von Maldur:
seit jahren plage ich mich mit depressionen und einer angeststörung herum, ohne so wirklich den tiefgreifenderen grund dafür finden zu können.

Wenn ich Deine Texte lese, habe ich schon den Eindruck, dass Du so etwa weißt, wo Ansatzpunkte
sein können, die Dir das Leben manchmal etwas schwer machen.

Zitat von Maldur:
mehrere therapien, stationäre aufenthalte in kliniken und ne menge tabletten haben immer wieder linderung geschaffen, aber nie das problem als solches wirklich gelöst.

Bedeutet das nicht, an den entscheidenten Stellen ist es Dir noch nicht gelungen, etwas positv, also
zu Deinem Vorteil zu verändern.

Zitat von Maldur:
ist mir nun so wirklich bewusst geworden (was ich eigentlich auch schon wusste, aber so deutlich klar ist es nie gewesen bzw wollte ich es mir nicht eingestehen), dass mein größtes problem das krampfhafte unterdrücken von gefühlen jedweder art ist.

Das kann sein. Ich vermute allerdings dass Du nicht jedwede Gefühle unterdrückst, sondern nur
bestimmte Gefühle. Und das reicht schon, sich nicht richtig frei und unabhängig fühlen zu können.

Zitat von Maldur:
vermutlich hat das schon in kindesjahren begonnen. wirklich gestritten wurde bei uns nie, es war eigentlich immer harmonisch in der familie

Das kann gut sein. Ein Freund von mir hat in seiner Ehe sehr, sehr oft ähnliche Probleme,
weil er auch in seiner Familie nicht gelernt hat, wie richtiges Streiten abläuft.
Zitat von Maldur:
auch außerhalb der familie war ich immer auf ausgleich und harmonie bedacht. ich war meist der schlichter, der, zu dem die leute kamen, wenn sie probleme hatten.

Da hast Du ja einen schönen Charakterzug. Das ist toll.
Und wo gehst Du hin, wenn Du mal Sorgen hast?

Zitat von Maldur:
eine ex affäre drückte es mal so aus, ich habe nie gelernt richtig zu streiten. und sie hat recht.

Zitat von Maldur:
streit bedeutet für mich, es lauert die gefahr jemanden zu verlieren.


Hier scheinst Du etwas grundlegend Falsches gelernt (vermutlich Dir selbst gelernt) zu haben.

Streit bedeutet gar nicht jemanden zu verlieren.
Mit Streit stellt man normalerweise nur die Entfernung zwischen den beiden streitenden Personen her.
Das passiert sehr oft, manchmal täglich oder wöchentlich. Und schlimm ist ein Streit selten.
Vorausgesetzt, man lernt richtig zu streiten.


Im schlimmsten Fall kann das natürlich bedeuten, dass man zu einem Menschen dann den
Kontakt verlieren kann. Bevor man immer mit jemandem in heftigem Streit lebt, ist es manchmal
besser, dem Kontakt abzubrechen.
So trennen sich manchmal Freunde. Manchmal Paare und Ehepaare. Auch ich habe mich mit einem
Bruder so zerstritten, dass wir den Kontakt völlig abgebrochen haben.

Ich vermute Folgendes.
Wenn es Dir möglich ist, den Streit zwischen Menschen häufig als etwas Normales, als etwas
Hilfreiches und nicht mehr als etwas grundsätzlich Negatives zu sehen, sollte sich in Deiner
gesamten Lebenseinstellung etwas zum Vorteil verändern.

danke für die worte. es ist halt nicht so einfach in einem streit etwas normales zu sehen, gar etwas hilfreiches, wenn man es nie wirklich erlernt hat. ich weiß was du meinst, streit kann ja auch in einer gewissen konstruktiven form befreiend sicherlich wirken (weil man endlich mal etwas unausgesprochenes auf den tisch gebracht hat, als beispiel).

ich versuche es zukünftig anders zu sehen (und vll auch mal aus der emotion heraus etwas zu sagen/machen, ohne vorher alles zu verkopfen)

Zitat von Maldur:
es ist halt nicht so einfach in einem streit etwas normales zu sehen, gar etwas hilfreiches, wenn man es nie wirklich erlernt hat.

Geht es uns nicht mit ganz vielen Dingen so? Was man nicht erlernt hat fällt einem meistens ziemlich schwer.

Zitat von Maldur:

ich versuche es zukünftig anders zu sehen

Ja, versuche es mal anders zu sehen.

Zitat von Maldur:
streit kann ja auch in einer gewissen konstruktiven form befreiend sicherlich wirken

Absolut. Im Streit sagt man jemandem, dass man Aggressionen wegen etwas hat.
Und man baut oft diese Aggressionen durch Streit ab.

Streitet man nie, gehen die aufgestauten Aggressionen nur nach innen und schaden häufig
unserer Gesundheit sehr.

Puh wie sich alles entwickelt. Gestern noch dachte ich, nein, Gefühle für eine Frau sind schlecht und das wird nix und alles kacke. Verdrängen. Weniger Kontakt.

Nun sind wir gerade aus dem Bett wieder aufgestanden, sie kocht Abendessen und ich muss erst mal klar kommen

Zitat von Maldur:
Puh wie sich alles entwickelt.

Ist das nicht sehr interessant?
Dir wünsche ich, dass die weiteren Entwicklungen überwiegend in Deinem Interesse laufen.

und nun sind wir zusammen

A


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