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Genau so ist mein Vater auch. Ein Koleriker. Es macht ihm Spaß, andere zu schikanieren. Er fühlt sich aber auch ständig selbst in der Opferrolle und ausgenutzt. Ich vermute bei deinem Vater, ebenso wie bei meinem eine kombinierte Persönlichkeitsstörung.
Fakt ist, du KANNST es ihm gar nicht recht machen und selbst KANNST du es auch gar NICHT falsch machen. Denn es ist deine Entscheidung wie und was du machst. Dein Vater tut dir jedenfalls nicht gut. Die Wurzel deines Übels. Ich bekomme grad nen richtigen Zorn auf solche Menschen.

Dies ist ein eigenes aber trauriges Thema, zu dem könnt ich auch einen Roman schreiben.
Wie man damit umgeht ? jeder anders.
Man geht diesen Weg solange mit bis es wirklich richtig weh tut und dann schneidet dein innerstes diese Nabelschnur durch. ( Ich nenne es Nabelschnur, weil es ja auch der Vater ist ). Dann hast du den Weg geschafft. Dann kann er dir aber auch nichts mehr anhaben.
Du bekommst dann richtiges Gefühl, für Dich.
Es ist ein langer weiter beschwerlicher Weg.
Aber auch du wirst ihn schaffen.

Ab wann ist es wirklich Gewalt ?
Bei mir fängt er an, wenn Hass aus den Augen sprüht.
Dann kommen die Worte / Misshandlungen /
ja und dann geht das ganze seinen Weg.

Befreiung, durch die Mutter ( Gespräche ) die dir den Rücken stärken sollen.
Ja und im Alter, Psychologische Hilfe in Anspruch nehmen und daran arbeiten.

lg boomerine

A


Ab wann ist es Gewalt?

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Hallo decemberist,

lange hat es gedauert. Und nun hast du endlich den Mut gefunden,
hier mal zu erzählen, was Dich seit Jahren so belastet.
Es belastet Dich völlig zu recht. Ich verstehe Dich sehr gut und Du wirst auch von den
anderen hier gut verstanden.
Es ist schon lange Zeit für Dich zu handeln. Immer noch glaube ich, das Dir ein Psychologe am
schnellsten helfen kann.

Zitat:
Mein Verhältnis zu meinem Vater ist kompliziert, weil ich weiß, dass er alles für meine Geschwister und
mich tun würde und dass er uns liebt und immer für uns da ist.


Das sehe ich nicht so. Er hat nicht und er würde auch nicht alles für euch Kinder tun. Vielleicht sagt er euch das.
Wichtig ist aber nie das, was ein Mensch sagt. Wichtig ist immer wie jemand handelt. Hier hat Luna70 recht,
dass Du Deinem Vater sein Verhalten vorwerfen darfst und musst.
Eltern sind keine Götter. Sie haben mal Recht und mal Unrecht. Dein Vater hat
vermutlich ein heftiges Problem mit sich selbst.

Zitat:
In den letzten Jahren habe ich mir angeeignet, einfach gar nicht mehr zu reagieren. Ich höre weg, gehe
aus dem Zimmer, schlucke alles runter. Ich sehe keinen Sinn darin, zu diskutieren.


Alles verständlich, ich hätte das nicht anders gemacht. Leider gibt es bei diesem Verhalten aber eine
gefährliche Nebenwirkung. Und die spürst Du seit langer Zeit.

Zitat:
Es sind eher die ständigen Missverständnisse und die Kritik, die mich fertig
machen. Ich kann nie gewinnen.


Es sind keine Missverständnisse von der Seite Deines Vaters. Er weiß nicht,
wie man mit Kindern umzugehen hat. Respekt und Rücksicht scheinen Fremdworte für Deinen Vater zu sein.
Diese ständige Kritik, die Du bekommst. Und das Du nie in einem Gespräch mit Deinem Vater gewinnen kannst,
haben genau dahin geführt, wo Du heute stehst.
Du darfst Dich also nicht an falschen Stellen schuldig fühlen und auf keinen Fall selbst verletzen, weil Dein
Vater ein Problem hat.

Zitat:
Bei gemeinsamen Familienaktivitäten läuft es fast immer darauf hinaus dass ich am Ende wieder eins
drüber bekomme ... ich habe auch nach 19 Jahren noch nicht gelernt das zu vermeiden. Immer sage
oder tue ich etwas falsches. Oder ich sage bzw. tue nichts, was genauso falsch ist.


Du siehst Deine Situation sehr klar und richtig. Eine Lösung dafür zu finden, ist nur schwierig.
Du kannst es nicht vermeiden, das Du eins drüber bekommst.
Falls Du den Mut aufbringst, kannst Du eventuell mal folgendes versuchen.
Du kannst mal sagen. Vater ich sage Dir meine Meinung dazu nicht. Es war immer alles falsch, was ich gesagt habe.
Selbst wenn ich nichts sage ist es falsch.
Dafür benötigst Du jedoch Mut. Weil Du Deinen Vater mit solch einer Aussage mitten ins Herz triffst.
Und dies hat dann eventuell einen heftigen Wutausbruch zur Folge.
Aber Du beginnst damit mal wieder die Wahrheit zu sagen.
Und wenn Du die Wahrheit sagst, gewinnst Du wieder. Dann muss er nämlich lügen. Weil zugeben wird
er sein schlechtes und falsches Verhalten erst mal nicht.

Schwierig wird es für Dich auch immer bleiben, mit dieser Situation zurecht zu kommen.
Leider kannst Du Deinen Vater nicht erziehen. Dies wird er nicht zulassen.

Schön wäre es, wenn Du Dir überlegst, wie Du ab jetzt anders mit der Situation
und Deinen Eltern umgehst. Fühle Dich nicht immer und an allem schuldig.
Falls Du Ideen und Anregungen brauchst, stelle Deine Fragen hier ein.

Ein schönes Wochenende für Dich

Hotin

Ich bin davon überzeugt, dass meinem Vater nicht bewusst ist, dass ich so sehr unter seinem Verhalten mir gegenüber gelitten habe.
Er hat durchaus öfters gezeigt dass er mir mit meinen Ängsten helfen möchte und dass er versteht dass ich da ein Problem habe. Nur scheint er nicht zu verstehen dass er dieses Problem zu großen Teilen verursacht hat ...

Er versteht mich einfach nicht. Und ich mache es ihm nicht leichter indem ich alles totschweige.

Vielleicht überschätze ich auch ganz einfach mein eigenes Einfühlungsvermögen, aber ich bin mir meist sehr sicher, dass ich genau weiß was in seinem Kopf vorgeht und wie er mein Verhalten interpretiert und wie er mich sieht.

Und ich glaube auch dass er die besten Absichten hat. Er geht nur leider mit wenig Feingefühl vor.
Er sieht dass sein Kind zu weich und zu schüchtern ist und sich immer unterbuttern lässt und um das zu ändern hält er dem Kind einen Vortrag und sagt ihm was es alles ändern muss und warum es sich falsch verhält. Was es natürlich nicht besser macht und das Selbstbewusstsein des Kindes nicht stärkt sondern es noch mehr verunsichert ...

Es ist einfach immer schwer wenn zwei Menschen mit vollkommen verschiedenen Persönlichkeiten aufeinandertreffen. Besonders wenn einer von beiden viel schwächer ist und von dem anderen abhängig ist und noch denkt dass Erwachsene immer recht haben ...

Hallo decemberist,

es kann schon sein, das Du etwas schwach bist, gegen die Meinung Deines
Vaters anzutreten. Nur, ist das verwunderlich?

Zitat:
Und ich glaube auch dass er die besten Absichten hat.


Ich kann mir das kaum vorstellen. Das kannst Du aber leicht austesten.
Du beginnst einfach wieder häufiger Deine ehrliche Meinung zu bestimmten
Dingen und Situationen zu sagen. Und wenn Dich Dein Vater dann kritisiert,
dann sagst du ihm. Sie mal, was macht es für einen Sinn, wenn ich dir sage, wie ich denke. Du
akzeptierst es meistens nicht. Ich werde fast immer überstimmt.
Du solltest unbedingt wieder anfangen, Deinem Vater zu sagen, was Dir
an seinem Reden und Verhalten nicht so gut gefällt.
Aber wie ich schon sagte. Gehe davon aus, das Dein Vater darauf böse reagiert.
Versuche das auszuhalten. Schlimmer kann es ja kaum werden.

Zitat:
Er sieht dass sein Kind zu weich und zu schüchtern ist und sich immer unterbuttern lässt und um das
zu ändern hält er dem Kind einen Vortrag und sagt ihm was es alles ändern muss und warum es sich falsch verhält.


Ich glaube nicht, das er das sagt um Dir zu helfen. Leider wird das einen völlig anderen Grund haben.
Er kann vermutlich nicht akzeptieren, das jemand anders ist und denkt als er. Dies macht er vermutlich
weil er sehr starke Ängste hat.
Und das führt dazu das er versucht Dich so hin zu biegen, damit er keine Angst
haben muss, dass er keinen guten Sohn hat. Das Ergebnis kannst Du an Deinem Verhalten erkennen.
Ein Glück, dass Du begriffen hast, das Du da etwas für Dich machen musst.
Im Prinzip hat er ohne es zu wollen seine Ängste mit Zwang auf Dich übertragen.
So etwas passiert oft. Ob er das absichtlich gemacht hat ist dabei nicht entscheidend.
Er hat Dir geschadet. Und dagegen darfst Du Dich wehren.
Zitat:
Es ist einfach immer schwer wenn zwei Menschen mit vollkommen verschiedenen Persönlichkeiten
aufeinander treffen. Besonders wenn einer von beiden viel schwächer ist und von dem anderen abhängig
ist und noch denkt dass Erwachsene immer recht haben


So ist es. Dem habe ich nichts hinzu zu fügen.
Wünsche Dir ein ruhiges ausgeglichenes Wochenende und mach Dir nicht zu
viele Gedanken darüber. Jetzt wo Du das klar ausgesprochen hast, bin ich sicher, Du kommst gut aus
der Sache raus. Es wird aber ein bisschen dauern. Und Du musst lernen wieder häufiger ehrlich zu sagen,
was Du denkst. Und wenn jemand Deine Aussagen kritisiert, dann sagst Du immer wieder.
Du kannst ja eine andere Meinung haben. Ich sehe das so. Was glaubst Du, warum sehe ich das falsch?
Nach der Antwort kannst Du dann immer noch entscheiden, ob Du Deine Meinung und Dein Verhalten änderst,
oder nicht.
Du wirst sehen, es macht Dich viel selbstbewusster und stärker, wenn Du wieder häufiger das sagst,
was Du denkst.
Nur manchmal ist es klüger nicht überall die ganze Wahrheit zu sagen. Das weißt Du aber sicherlich selbst.
Also immer abwägen, was Du am besten tust.
Je mehr ich von Dir erfahre, um so angenehmer sind die Gespräche jetzt für mich. Mit der totalen
Zurückhaltung hattest Du auch auf mich bei weitem nicht so positiv gewirkt wie Du jetzt auf mich wirkst.
Bleibe so und gehe Deinen Weg. Immer den Kopf hoch und den Rücken gerade halten.

Viele Grüße an Dich

Hotin

Ich würde gerne etwas weiter ausholen ... vielleicht versteht man dann auch meinen Vater etwas besser ...

Meine Kindheit war eigentlich schön bis ich ca. 11 war, nur manchmal stressig weil wir drei Kinder mit nicht sehr großem Altersunterschied waren (1995, 1997, 2001). Meinen Vater habe ich als Kind nur abends gesehen, weil er immer lange arbeiten musste. Abends hat er uns immer Geschichten vorgelesen. Abgesehen davon habe ich ihn nicht oft zu Gesicht bekommen und meine Mutter hat die komplette Erziehung übernommen. Die ältere von meinen Schwestern und ich sind nie in den Kindergarten gegangen weil mein Vater überzeugter Atheist ist und der einzige Kindergarten in der Nähe ein katholischer Kindergarten war und er nicht wollte dass wir da hingehen. Soziale Kontakte hatte ich also die ersten Jahre meines Lebens fast ausschließlich zu meinen Geschwistern.
Als ich zehn war haben meine Eltern ein Haus gekauft. Damit fingen die Probleme an, weil mein Vater ein Jahr später seinen Job verlor (unverschuldet) und meine Eltern nicht wussten, wie sie jetzt das Haus abbezahlen sollten. Meine Mutter ist daraufhin wieder arbeiten gegangen während mein Vater zuhause blieb und sich um uns kümmerte. Was nicht so gut funktionierte weil er andere Erziehungsansichten hatte als meine Mutter, und insbesondere ich bin damit nicht klargekommen. Mein Vater hat dann versucht mit Fortbildungen und kleineren Jobs wieder auf die Beine zu kommen, deshalb war er dann später auch oft selten zuhause. Meine jüngste Schwester war im Kindergarten bzw danach oft bei einer Tagesmutter. Ich erinnere mich dass ich zwischen 11 und 14 viel alleine war (abgesehen von meinen Schwestern). Meine Schwester und ich kamen aus der Schule, haben uns um den Haushalt gekümmert, später hat dann einer von uns unsere jüngere Schwester abgeholt. Mit der älteren hatte und habe ich ein gutes Verhältnis aber unsere jüngere Schwester war und ist nachwievor sehr anstrengend. Sie hat damals ständig die Sachen meiner anderen Schwester und mir kaputt gemacht oder gestohlen, hat lauthals gesungen wenn ich versucht habe Hausaufgaben zu machen, hat alles versucht um Aufmerksamkeit zu bekommen (was nachvollziehbar ist, so aber leider nicht möglich war). Mein Vater war der Ansicht, ich müsse mir den Respekt meiner Schwester verdienen und es sei meine eigene Schuld, dass sie mir so auf der Nase herumtanzt.
Das war die Zeit wo ich mein Selbstbewusstsein verlor und meine Ängste entwickelte. Ich war damals noch nicht in der Lage zu unterscheiden ob ich wirklich etwas falsch gemacht hatte oder ob mein Vater einfach überreagierte weil er augrund der Situation einfach extrem unter Druck stand. Er hat mich damals permanent kritisiert, wegen allem. Hat mir vorgeworfen ich sei egoistisch und würde ihn nicht genug unterstützen. Ich war auch nicht einfach damals. Ich hab wegen jedem Sch*iß direkt losgeheult. Hatte vor allem Angst. Hab mich in meinem Zimmer eingeschlossen weil ich zu den Nachbarn gehen und um etwas bitten sollte. Hab tagelang nicht gesprochen weil ich zu der Einsicht gekommen war dass alles was ich sage sowieso falsch ist.
Wenn meine Mutter da war, habe ich nie ein Problem gehabt. Aber die kam eben immer erst um sieben von der Arbeit. Und meine jüngste Schwester brauchte mehr Aufmerksamkeit als ich.
Ich glaube nicht dass man sagen kann, mein Vater ist schuld, oder meine Mutter ist schuld, oder ich bin schuld. Es ist einfach alles nicht gut gelaufen aufgrund der äußeren Umstände und der verschiedenen Persönlichkeiten, die nicht zusammenpassten.
Mein Vater hat immer versucht alles richtig zu machen, nur für mich war es wohl einfach nicht richtig ... das kann ich ihm nicht vorwerfen.
Ich war damals zu 100% davon überzeugt dass ich alles falsch mache. Immer. Und wollte überhaupt nichts mehr machen, aus Angst, wieder kritisiert zu werden. Damit konnte mein Vater nicht umgehen.
Ich erinnere mich an einen Tag als ich ca. 13 war und ich war mit meinem Vater in der Küche und er bereitete das Essen vor und wir unterhielten uns ganz normal. Bis er dann vorschlug mir Kochen beizubringen. Worauf ich dann sofort abwehrte und meinte, ich würde sowieso alles falsch machen und es nicht hinbekommen. Dann gab es Stress. Weil er mir dann vorwarf, mich immer selbst niederzumachen und nie etwas zu versuchen. Ich erinnere mich nicht daran was genau gesagt wurde, aber ich wollte in mein Zimmer gehen und mein Vater folgte mir und ich fühlte mich eingeengt. Und ich stand an meiner Zimmertür und sagte zu ihm Kannst du mich jetzt bitte in Ruhe lassen? Du störst mich. Mir ist klar wie respektlos das klang. So gemeint hatte ich es nicht ... ich wollte einfach nur alleine sein. Mein Vater hat mich dafür geohrfeigt. Ich bin dann in mein Zimmer gegangen, habe die Tür abgesperrt, mich aufs Bett gesetzt. Und gedacht Wenn ich mir jetzt die Pulsadern aufschneiden würde, das würde niemanden interessieren.
Das war das erste Mal dass ich solche Gedanken hatte. Das war damals schon total überzogen.
Ich denke, das war einfach das Problem. Ein gestresster, überforderter, wenig empathischer Vater, und ein verschüchterter, unsicherer, übersensibler Sohn, der denkt dass er immer alles falsch macht und vor allem Angst hat.
Diese Kombination konnte einfach nicht funktionieren.

Decemberist,
obwohl das alles bei mir nun 30 Jahre zurückliegt, kam mir beim Lesen deines Berichtes meine eigene Erinnerung an meinen Vater wieder hoch.
Mein Vater war einerseits selber extrem empfindlich und oft sogar weinerlich, wenn ihm außerhalb der Familie ( z.B. von Arbeitskollegen) Unrecht geschah. Er hat sich anscheinend nie getraut, seine Meinung zu verteten, seinen Standpunkt zu verteidigen und Kontra zu geben.

Innerhalb seiner Familie war er das genaue Gegenteil: ein cholerisches Ar., das sich nicht bremsen ließ, wenn es erstmal so richtig in Wut geraten war.

Auf mich hatte er es besonders abgesehen. Meine jüngeren Brüder mussten, soweit ich weiß, weniger leiden.
Mein erstes bewusstes, schlimmes Erlebnis mit ihm hatte ich im Alter von knapp 4 Jahren.
Ich bin mit dem gleichaltrigen Nachbarsjungen mit dem Dreirad rumgefahren. Wir fuhren immer weiter und weiter, bis wir die Orientierung verloren hatten.
Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern. Jedenfalls wurden wir irgendwann von einem Polizeiwagen aufgegabelt und nach Hause gebracht - mein kleiner Freund mit seinem Dreirad, ich ohne.
Mein Vater schnappte mich sobald die Polizisten weg waren, legte mich übers Knie und prügelte mich mit seiner Krücke. (Er hatte zu der Zeit irgendeine Verletzung am Bein. Deshalb die Krücke)

Das war der Einstieg. Danach schlug er immer wieder zu. Meistens geschah das in einem bestimmten Raum in unserem Keller (ich vermute, weil dort unten mein Schreien von den Nachbarn nicht gehört werden konnte und weil er da immer einen Gürtel bereitliegen hatte.)

Einmal hatte ich mich vor lauter Angst in meinem Zimmer eingeschlossen.
Weil ich mich weigerte, ihn in mein Zimmer zu lassen, schlug er mit einem Hammer meine Tür ein und gab mir dann solch einen heftigen Faustschlag ins Gesicht, dass ich stark blutete. Meine ganze Matratze war voller Blut.
Die ganze Sache wurde später als Bagatelle dargestellt. Ich bekam eine neue Matratze (ich hatte damals ein sogenanntes Jugendzimmer, bei dem das Bettzeug tagsüber im Bettkasten verschwand und das Bett zum Sofa umfunktioniert wurde) und durfte niemandem erzählen, was mit der alten Matratze passiert war.

Die Rolle meiner Mutter konnte ich nie so recht einordnen.
Sie hat mich nicht beschützt.
Jedenfalls war es ihr sehr wichtig, dass außerhalb der Familie niemand davon erfuhr.
Auch meine kleinen Brüder haben wenig davon mitbekommen.
Zu ihnen war unser Vater zwar streng und oft ungerecht, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass er mit ihnen in den Keller gegangen ist.


Ich bin mit den Worten: Du bist ein Versager und Ich werde von dir immer nur enttäuscht aufgewachsen.
Diese Worte habe ich so stark verinnerlicht, dass ich mein Leben lang an mir und meinen Fähigkeiten gezweifelt habe.

Ich habe mein Abitur und eine Buchhändlerausbildung gemacht und bin von Zuhause ausgezogen.
Über das, was mein Vater getan hat, habe ich mit niemandem geredet.

Im Jahr 2000, also viele Jahre später, habe ich mich dann endlich einem sehr guten Freund anvertraut.
Er riet mir, dass ich mit meinen Eltern über die Vergangenheit reden solle, um endlich damit abschließen zu können.
Da ich mit meinem Vater einfach nicht sprechen wollte, suchte ich das Gespräch mit meiner Mutter.
Ihre Reaktion: Lianna, was bist du gemein. Dein lieber Vater hat nie etwas getan. Wie kannst du soetwas behaupten ... ?
Damit war für mich klar, dass ein Gespräch sinnlos ist.
Ich begann sogar, an mir und der Glaubwürdigkeit meiner Erinnerungen zu zweifeln.
War das alles etwa nur in meiner Phantasie geschehen?

Wenn ich das Thema bei meinen Brüdern ansprechen wollte, wurde sofort abgeblockt.
Später habe ich erfahren, dass meine Mutter vorsorglich die Familien meiner Brüder gewarnt hat: Glaubt Lianna kein Wort.

Mein Vater ist vor einigen Jahren gestorben.

Vor etwa einem Jahr rief meine Mutter mich an, um mir vorzujammern, wie einsam und traurig sie ohne meinen Vater sei.
Ich hab sie daraufhin noch mal mit all dem konfrontiert, was mein Vater mir angetan hat.
Und plötzlich hat sie alles zugegeben.

Ich hab so sehr geheult, dass ich kaum noch Luft bekam und das Gespräch beendet.
Seitdem habe ich den Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen.

Ich glaube, sie ist ganz froh drum, denn nun steht diese Wahrheit im Raum, von der ja keiner (nicht mal die Familien meiner Brüder) erfahren darf.

Gut, dass du dich momentan so öffnest. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen, dass du diese Dinge erzählen kannst. Ich bin wirklich sehr erleichtert, dass du dich wieder gemeldet hast und auch wieder mit uns sprichst. Für einen so jungen Menschen finde ich deine Beiträge außerdem erstaunlich klar und reflektiert momentan.

Wahrscheinlich waren deine Eltern durch die berufliche Situation wirklich überfordert. Drei Kinder, davon das älteste gerade mal 11 und dann beide beruflich unter Druck. Dazu finanzielle Probleme, weil die Raten fürs Eigenheim bezahlt werden müssen. Das ist schwierig und wahrscheinlich hat dein Vater auch sehr darunter gelitten, dass er seinen Arbeitsplatz verloren hatte. Er scheint ein Mensch zu sein, dem Erfolg wichtig ist.

Aber: das ändert trotzdem nichts am Grundproblem. Du hast dich in einer wichtigen Phase deines Lebens (der Pubertät) abgelehnt gefühlt, dir hat die positive Rückmeldung deiner Eltern gefehlt und du hast körperliche Gewalt erfahren. Noch dazu haben sie dir viel zu viel Verantwortung für die kleinen Geschwister aufgebrummt, finde ich.

Sicher hat dein Vater unter Druck gestanden. Das ändert aber nichts daran, dass ein Kind, das ständig weint und sich vor Angst in ein Zimmer einschließt in der Situation Unterstützung gebraucht hätte und keine ständige Kritik. Du hast keine Schuld an der Situation, denn du warst ein Kind.

Ich kämpfe immer sehr damit dass ich zwar einerseits weiß welche Dinge zu meinen Problemen geführt haben, aber anderseits auch weiß, dass meine Reaktion darauf übertrieben ist. Wenn man meine Kindheit mit dem vergleicht was zB Lianna oder Mathias durchmachen mussten, dann hatte ich es wirklich gut. Und trotzdem bin ich so verkorkst. Irgendetwas muss in meinem Kopf falsch sein, dass ich so geworden bin.

Was ich auch nicht verstehe, ist, warum ich diese extremen Schwankungen habe. Letzte Woche war Horror. Ich hab mich fast täglich geritzt, hing ständig überm Klo, hatte extrem destruktive Gedanken. Seit vorgestern ist es plötzlich wieder ok. Ich fühle mich ruhig, habe kein Verlangen mich zu verletzen, habe normal gegessen. Meine Gedanken sind viel klarer.
Ich verbringe oft Stunden damit, Situationen aus meiner Kindheit/Jugend in meinem Kopf durchzuspielen und das triggert mich extrem. Als ich diese Beiträge hier geschrieben habe, habe ich mich nicht schlecht gefühlt. Ich bin komplett ruhig und ausgeglichen.

Hallo decemberist,

Zitat:
aber anderseits auch weiß, dass meine Reaktion darauf übertrieben ist.


Deine Reaktion ist, wie sie ist. Es scheint aber, das der Druck, der sich bei Dir aufgestaut hat jetzt
nachlässt, seit dem Du mal darüber gesprochen hast, was Dich jahrelang so belastet hat.

Zitat:
Irgendetwas muss in meinem Kopf falsch sein, dass ich so geworden bin.


In Deinem Kopf ist nichts falsch. Das ist ein wesentlicher Punkt Deines Problems. Du bist so normal wie andere auch.
Dein Verhalten hat Dich dahin geführt, wo Du heute stehst. Mit einem anderen Verhalten und einer neuen Einstellung
zu Dir und Deiner Vergangenheit wird Dein Leben bestimmt bald wieder mehr schöne Tage haben.
Dies wünsche ich Dir.

Wenn Dich das erzählen beruhigt, dann schreibe es doch hier auf. Du wirst gelesen
und verstanden.

Einen schönen Sonntag für Dich

Hotin

Decemberist,
ich halte dich überhaupt nicht für verkorkst und auch deine Reaktionen auf all die von dir beschriebenen Situationen finde ich völlig normal und einleuchtend.

Obwohl dir einiges an Leid widerfahren ist, gelingt es dir, dich in die Situation deines Vaters hineinzuversetzen, um ihn und sein Handeln verstehen zu können.

Ich finde, damit beweist du eine sehr starke und empathische Persönlichkeit.

Du bist noch sehr jung und deine Kindheit liegt gerade erst hinter dir.
Trotzdem gelingt es dir, das Verhalten aller sehr gut zu analysieren und von verschiedenen Perspektiven zu beleuchten.
Dein Vater hat es nicht leichtgehabt mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes und dem was daraus resultierte.
Aber das alles ist nicht deine Schuld und er hat keinen Grund, sein Unglück und seinen Frust an dir auszulassen.
Ich konnte mich beim Lesen deiner Geschichte sehr gut in dich und dein Verhalten hineinversetzen und alles sehr gut nachvollziehen.
Für mich ist das alles das natürliche Verhalten eines Jungen, der sich verletzt fühlt.
Du hast absolut keinen Anlass, auch nur einen Ansatz von Schuld bei dir suchen zu müssen.

Ich habe diese Art der Schuldgefühle mein Leben lang mit mir herumgeschleppt.
Dadurch dass ich in den Augen meiner Eltern ein Versager war und sie so oft enttäuscht habe, dachte ich, ich habs nicht besser verdient.

Ich habe mit ca. 15 Jahren Bulimie bekommen.
Das ist für mich noch heute eine Sache, wegen der ich mich sehr schäme.
Zum einen, weil ich damals auf der Suche nach Essbarem oft die Vorratskammer zuhause leergeräumt habe und weil ich damals meinen Eltern, meinen Klassenkameraden und sogar meiner besten Freundin mehrmals Geld geklaut habe, um mir Unmengen von Essen kaufen zu können.
Wenn ich an diese Gelddiebstähle denke, fühle ich mich heute noch sehr schlecht.
Das kann ich mir selber wohl nie verzeihen.
Ich weiß durch die Bulimie, wie schwer es ist, aus einer Essstörung herauszufinden und hoffe, dass es dir bald so gut geht, dass du normal essen kannst und auch nicht das Bedürfnis hast, dich zu ritzen.

Lieber Decemberist, ich finde es auch sehr gut, dass du deutlich offener schreibst.

Ich will dir nochmals schreiben, dass ein Vergleich mit anderen Schicksalen dich nicht weiter bringt. Die Tatsache, warum Eltern uns demütigen,schikanieren, misshandeln, ist eigentlich egal. Gründe , warum so gehandelt wurde, gibt es bestimmt genügend.

Darum geht es nicht.

Es geht um uns. Um unsere Gefühle und daraus resultierenden Erkrankungen.

Es hat einen Grund, dieses warum und wieso.

Jetzt heißt es den Versuch zu machen, eine Umstrukturierung zu erlangen. Mit viel therapeutischer Arbeit kann es uns gelingen, diesen Kindheitstraumen eine andere Richtung zu geben.

Dass das keine leichte Arbeit ist, wissen wir alle. Aber ohne die Aufarbeitung hängt man sein Leben lang in dem Kreislauf drin.

Darum heißt es therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, damit man einigermaßen wieder stabilisiert werden kann.

hallo
ich habe nicht alles gelesen, weil mir echt schlecht wird.
Das ist Psychoterror hoch 3.
Den schei. kenne ich auch.
Ich kann Dir nur raten ( wenn es nicht schon andere hier geraten haben, habe ja nicht alles SEiten gelesen, such Dir Hilfe und mach das Du da weg kommst.
Du mußt Dich nicht nur räumlich sondern auch emotional lösen.
Sonst haste Dein ganzes leben was davon.
So wie ich und viele andere auch.

LG
Mondkatze

@Decemberist: Die Szenen mit Deinem Vater, die Du beschreibst, kommen mir alle sehr bekannt vor. Man hat das Gefühl, falsch zu sein, weil man für alles mögliche derb angefahren wird. Weil es keinen würdevollen, maßvollen Umgang miteinander gibt. Das war bei meinem Vater und mir sehr ähnlich. Hinzu kam noch, dass er irgendwann eine neue Frau geheiratet hat, die sich diese Art der Nicht-Kommunikation auch recht schnell angewöhnt hat. Es war wie Mobbing. Ich konnte denen nichts recht machen, bei jedem Schritt musste ich damit rechnen, dass wieder ein Vorwurf aufgefahren wurde. Mir wurde gezeigt: Du bist anders, du bist falsch, schäm dich dafür!

Ich bin mit 17 ausgezogen in eine eigene Wohnung, weil ich es nicht länger ausgehalten habe. Von da an hat sich die Beziehung zu meinen Eltern auch gebessert. Wenn die Chemie nicht stimmt, sollte man Abstand nehmen. Das gilt offensichtlich auch für Eltern-Kind-Beziehungen.

Hallo!

Toll, wie offen du mittlerweile bist!
Was mir sofort aufgefallen ist - du beschäftigst dich permanent mit Gedanken, nicht das Recht zu haben, dich so zu fühlen und Probleme im Allgemeinen zu haben. Noch schlimmer - du vergleichst es. Ich kann dir da nur sagen - jeder Mensch ist anders. Jeder wird mit anderen Gegebenheiten geboren (genetisch sowie was die Umwelt etc. betrifft), was einen Vergleich hinfällig macht. Wenn man streng wissenschaftlich denken würde, dann könnte man den Werdegang aller Menschen streng genommen nicht vergleichen, denn für einen Vergleich darf es nur EINEN Unterschied geben. Da wir aber nicht alle die Version eines Max Mustermanns mit nur einer variierenden Variable sind, ist ein Vergleich also hinfällig. Hör bitte auf, dich deswegen zu verurteilen und unter Druck zu setzen. Du bist, wer du bist. Und das ist genau richtig so.
Ich habe das schonmal gesagt, aber wir sind uns so ähnlich. Echt gruselig langsam
Ich habe in meiner Kindheit nie körperliche Gewalt erfahren. Ich habe eine Mutter, die sich nicht normal verhält, aber auch nicht so krass aus dem Rahmen fällt, dass man das direkt bemerkt. Auf der Oberfläche war bei mir also alles immer tutti. Und trotzdem bin ich der sensibelste, verletzlichste Mensch, den ich (und auch mein Umfeld) kenne. Bei mir ist nie etwas Schlimmes vorgefallen, und trotzdem kann man bei mir 2-3 Etiketten drankleben, sprich, Diagnosen von irgendwelchen Auffälligkeiten. Ich würde sagen, ich bin übersensibel in jeder Hinsicht. Ich kann Schönes, aber auch Schlimmes sehr intensiv wahrnehmen und habe mit Negativem auch deutlich mehr und länger zu kämpfen als andere. Ich weine viel und oft, liebe sehr intensiv und kann schlecht bis gar nicht loslassen. Aber das ist in Ordnung. Ich habe gelernt, diese Eigenschaft an mir toll zu finden, weil ich dadurch das Gefühl habe, total intensiv zu leben. Klar, es wird immer Baustellen geben. Aber das bekommt man früher oder später (ich leider erst 12 Jahre später) in den Griff.
Was ich auch auffällig finde: du nimmst deine Eltern in Schutz. Finde ich toll, und wirklich sehr ehrenwert. Aber ich muss dir ehrlich sagen. Das Verhalten deines Vaters ist nicht okay. Und auch wenn es nach außen wie Kleinigkeiten erscheinen, wenn man immer jemand wer, der sich nicht gut behaupten konnte, unsicher war und Fehler direkt bei sich gesehen hat, ist sein Verhalten das absolut falsche. Und vielleicht ist er sich der Sache nicht bewusst und ich denke auch nicht mal, dass er das gegen dich meint. Aber er benutzt dich, um sich aufzuwerten oder abzureagieren. Und das darf er nicht.

A


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