App im Playstore
Pfeil rechts
1

Wer nie sein Brot mit Tränen aß,
Wer nie die kummervollen Nächte
Auf seinem Bette weinend saß,
Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.

Ihr führt ins Leben uns hinein,
Ihr lasst den Armen schuldig werden,
Dann überlasst ihr ihn der Pein;
Denn alle Schuld rächt sich auf Erden.

(Johann Wolfgang von Goethe, † 22.03.1832)

Ein für mich sehr bedrückendes Gedicht mit zutreffendem Inhalt. Ich mag es. Allerdings bin ich mir unsicher, ob ich den letzten Satz richtig interpretiere.

20.05.2016 09:28 • 15.06.2016 #1


11 Antworten ↓


Hallo Empathie,

Zitat:
Denn alle Schuld rächt sich auf Erden.


Zitat:
Ein für mich sehr bedrückendes Gedicht mit zutreffendem Inhalt. Ich mag es. Allerdings bin ich mir
unsicher, ob ich den letzten Satz richtig interpretiere.



Wie interpretierst Du den Satz denn?

Wenn ein Mensch sein Verhalten falsch ausrichtet, dann erlebt er
genau das; was Goethe beschrieben hat.
Er lebt ein unglückliches Leben.

Ein schönes Wochenende für Dich

Bernhard

A


Wer nie sein Brot mit Tränen aß Goethe

x 3


@hotin:

Ich erkläre es Dir:

Den ersten Abschnitt interpretiere ich so, dass man auch die Schattenseiten dieser Welt (bspw. Hungersnot) nachempfinden können muss, um Götter (himmlische Mächte) zu verstehen. Denn in unserer Welt passiert nicht nur Gutes, sondern auch viel Leid und Elend.

Den zweiten Abschnitt interpretiere ich so, dass man sich diese Welt nicht selber aussucht (Ihr führt ins Leben uns hinein), dass arme Menschen viel eher zu Straftaten tendieren, was sich auch aus ihrer Armut ergibt, für die sie oftmals nichts können (Ihr lasst den Armen schuldig werden) (nicht: Der Arme macht sich schuldig). Mit dem letzten Satz des zweiten Abschnittes ist wohl gemeint, dass es Leute, die sich schuldig machen, immer zurückbekommen werden - allerdings würde diese Interpretation nicht wirklich in meine gesamte Interpretation hereinpassen. Deswegen nehme ich bisher an, dass der letzte Satz eine Art Ironie in sich trägt. Wenn man für etwas bestraft wird, was man nicht hätte anders machen können.

Dir auch ein schönes Wochenende

Hallo Empathie,

danke für Deine Antwort.
In der Interpretation des ersten Teiles stimme ich Deiner Ansicht zu.

Den zweiten Teil sehe ich komplett anders. Ich habe eine anderes Weltbild.

Ich versuche mal zu beschreiben, wie ich das sehe

Ihr Götter führt ins Leben uns Menschen hinein
ihr lasst den Menschen schuldig werden
Und helft ihm nicht bei der Bewältigung seiner Lasten und Leiden
Und so muss er unter seiner Schwäche und Unvollkommenheit oft leiden.


Dies wäre meine Sichtweise des zweiten Teiles.
Du kannst es aber gern anders sehen.

Viele Grüße

Bernhard

@Hotin Hallo,

meine Interpretation dieser Lyrik gleicht nicht exakt meinem Weltbild.

Ich teile Deine Ansicht, dass dem Menschen nicht geholfen wird.
Mein Weltverständnis sieht so aus, dass ein einzelner Mensch als mikromaler Anteil des Gesamten immer schwach sein wird. Ich denke, es gibt genügend Situationen, die nicht zu bewältigen sind und die man einfach nur hinnehmen kann/nicht kann. Jedoch denke ich nicht, dass ein Mensch in derartigen Situationen Schuld trägt. Aber ja, wir sind nicht vollkommen. Wir können uns jedoch Mühe geben, die Welt zu verstehen und versuchen, etwas zu ändern. Allerdings sind sich die Menschen uneinig, in welche Richtung Änderungen vorgenommen werden sollten.

Hallo Empathie,

grundsätzlich teile ich Deine Ansicht.

Zitat:
Allerdings sind sich die Menschen uneinig, in welche Richtung Änderungen vorgenommen werden sollten.


Dies wird immer so sein, da es sehr große Interessens- und Bildungsunterschiede gibt.
Das ist jedoch normal und wird immer so sein.
Daraus ergibt sich allerdings eine große Schwierigkeit. Es führt zu unterschiedlichen
Kräfteverhältnissen und daraus folgen dann Aggressionen, weil oft sachliche Argumente und
die unbedingt erforderliche Toleranz fehlen.

Viele Grüße

Bernhard

@Hotin

Es führt einfach zu noch mehr Leid. Ob es immer so bleiben wird, weiß ich nicht - ich möchte es nicht. Ich weiß aber, was Du mit den Differenzen meinst.

Freundliche Grüße

Hallo Empathie,

Zitat:
Ob es immer so bleiben wird, weiß ich nicht - ich möchte es nicht.


Auch ich vermag nicht zu sagen, ob es immer so bleibt.

Wenn Du möchtest, dass es nicht so bleibt, dann setze alles daran etwas zum positiven zu ändern.
Jeder kann das mindestens in seinem persönlichen Bereich.

Mir gelingt es seit vielen, vielen Jahren positiven Einfluss auf mein direktes
Umfeld zu nehmen. Du spürst förmlich, wie die Leute darauf warten, dass einer
den Anfang macht. Viele möchten etwas verändern. Die wenigsten aber trauen
sich auch. Und viele kleine Veränderungen ergeben ein Großes

Viele Grüße

Bernhard

Hallo Empathie!

Der zweite Absatz ist eine bittere Erkenntnis, und es ist wahr. Nur würde ich diesen Gedanken nicht auf das Materielle beschränken, sondern vielmehr den Armen als den Schwächeren auch und vor allem in zwischenmenschlichen Beziehungen auffassen. Der Schwächere verliert, und um sich abzureagieren tut er manchmal Dinge, die nur ihm selbst schaden, ohne den Verursacher dabei treffen zu können. Somit macht sich der Schwächere schuldig, während der Verursacher und der Stärkere straffrei davonkommt. Genau dieser Umstand hat bei mir Zweifel an der universellen Gerechtigkeit geweckt, an dem Saat-Ernte-Prinzip, an das ich früher felsenfest geglaubt hatte. Heute denke ich, dass das Recht des Stärkeren über dem Saat-Ernte-Prinzip steht. Außerdem kann der Starke auch eine schlechte Ernte leicht verdauen, womit er wiederum die Nase vorn hätte. Ein Schwacher dagegen könnte an einer solchen Ernte zugrunde gehen.

Gruß
Maro

@hotin:
Ja, ich gebe Dir Recht und lebe danach. Ich finde es gut, dass Du das machst. Ich finde, es ist oftmals kein Leichtes.

@maro:

Hallo, der Stärkere hat in der Regel bessere Chancen, ja. Wobei sich hier die Frage stellt, was wirkliche Stärke ausmacht. Unsere Welt ist leider wirklich sehr ungerecht. Ich habe aber auch das Gefühl, dass es den meisten Menschen mehr oder weniger gleichgültig ist, solange sie selbst nicht davon betroffen sind.

Zitat von Empathie:
Wobei sich hier die Frage stellt, was wirkliche Stärke ausmacht.

Eine sehr gute und berechtigte Frage! Ich grüble schon lange darüber nach, über das Wesen von Stärke und Macht. Klar ist zumindest, dass echte Stärke nicht im Äußeren zu finden ist. Das Äußere ist nur ein Beleg dafür, nur eine Spiegelung der unsichtbaren Innenwelt. Es gibt zb auch Leute, die materiell sehr gut aufgestellt sind, deren Persönlichkeit jedoch kaum entwickelt ist, und die deshalb nach Aufmerksamkeit lechzen und in den anderen eine Bestätigung für sich selbst und für den eigenen Wert suchen. Also kommt es wohl auf die Persönlichkeitsentwicklung an. Es gibt viele starke, charismatische Persönlichkeiten, die klein angefangen und sich gegen alle Umstände bis zu ihrer gegenwärtigen Machtposition entwickelt haben. Es gibt aber auch Männer und Frauen, die stets im Windschatten der an vorderster Front agierender Mächtigen verbleiben, die aber eine noch größere Macht auf alle Personen ausüben, die in ihren Einflussbereich gelangen. Und das sowohl im Guten wie im Schlechten. Der Starke kann gut oder böse sein, denn Macht steht über diesen Begriffen, beherrscht sie und lenkt sie ihrem Willen entsprechend. Und sogar noch mehr: die Macht bestimmt, was als richtig und was als falsch angesehen werden soll, denn die Vorstellungen von richtig und falsch sind relativ. Der Starke besitzt die Fähigkeit andere Menschen seinem Willen zu unterwerfen, und überall dort, wo sich zwei Menschen begegnen, findet ein solcher Machtkampf statt, der zum Sieg des Stärkeren und zur Niederlage des Schwächeren führt, was den beiden in den meisten Fällen nicht bewusst wird. Aber ein Beobachter kann das erkennen. So erfüllt sich auch das Wort aus der Bibel, dass dem Schwächeren auch das genommen wird, was er hat - er wird von dem Stärkeren abhängig.

Es macht tierisch Spaß euren Ausführungen zu folgen, auch wenn ich nur einiges überflogen habe weil meine Aufmerksamkeitsspanne heute nicht so weit reicht.

Danke dafür an euch Drei!

A


x 4





App im Playstore