Lebenshymne: Ich dein alles, du mein Nichts. von Marie Bothmer
Das Jahr 1992 war mein goldenes Jahr, aber es hat sehr tiefe Wunden hinterlassen, dadurch wurde dieses Lied eine wichtige Hymne von einem Teil meines Lebens. Bevor ich den Grund erzähle, möchte ich darauf hinweisen, dass ich nur Merle in dieser Zeit geliebt habe, und trotzdem haben sich drei Liebesgeschichten um mich herum abgespielt, die dramatische Folgen hatten, warum ich zum Teil beim Thema Liebe eventuell vieles anders sehe wie andere, weil diese Geschehnisse nie wieder aus meinem Kopf gehen, und sie beherrschen mein Alltag.
Eine davon findet Anklang in diesem Lied. Ich weiß bis heute nicht, warum dieses alles so geschehen ist, dadurch denke ich manchmal, wieso musste dieses Ganze nur so ablaufen. Hätte sich mein Herz für dieses andere Mädchen entschieden, könnte es mit mir eine glückliche Familie geben oder wäre es trotzdem zur Katastrophe gekommen. Solche Fragen sollte man sich nie stellen, weil dieselben einem die Lebenskraft aus Körper und Geist entziehen.
Als ich Ende 1991 in der Jugendpsychiatrie ankam, war ich durch ein Mädchen in der Klasse, die vorab meine Nähe vergeblich gesucht hat, zum Ausgestoßenen geworden ab 1990. Die ganzen körperlichen Misshandlungen sowie die Scheinhinrichtung und die Mordanschläge haben mich nicht so verletzt wie das Gefühl ein Aussätziger zu sein. Ich wollte dieses Gefühl loswerden und fing mich an, immer intensiver zu waschen und so bildete sich ziemlich schnell meine Zwangserkrankung.
Merle, meine große Liebe baute mich auf und ich tat das gleiche für sie, indem ich Merle Geborgenheit schenkte und ein Gehör für ihre grauslichen Erlebnisse (Notzüchtigung) in der Familie. Irgendwie machte dieses ihre Runde und so kamen viele Mädchen zu mir und erzählten mir ihre deprimierenden und schrecklichen Erlebnisse (Notzüchtigung), dabei lernte ich das andere Mädchen kennen. Ich liebte Merle und die andere liebte mich, trotzdem verstanden wir uns sehr gut, obwohl sie wusste, dass ihre Liebe für mich umsonst war.
Ich weiß bis heute nicht genau warum, zu einem gewissen Anteil war Merle einfach meine Heldin, die mir meine Sprache wieder zurückgab. Sie war die erste fremde Person, die einfach nur bei mir blieb, obwohl ich kein Wort sprach. Sie reichte mir ihre Hand, wenn ich für Hilfe empfänglich war. Sie war die weiseste Person, die ich je kennenlernen durfte, so klug und wissend noch dazu adrett, höflich sowie bescheiden, nebenbei war sie auch wunderschön. Das andere Mädchen, deren Name ich weiß, aber natürlich nicht bekannt gebe, war eine sehr sympathische Erscheinung und sie wäre eine wunderbare Partnerin gewesen, aber es gab etwas in mir, dass mich bei ihr erschrak.
Sie bekam durch die vielen Notzüchtigungen eine extreme Borderline Erkrankung und hoffte durch Entstellungen bestimmter Körperteile, dass ihr Vater von ihr ablässt. Als Merle von mir Abschied nahm, versucht sie es noch einmal, sie wollte mir helfen, mit der Traurigkeit klarzukommen und hoffte wohl, dass ich mich doch noch in ihr verliebe. Ich bat sie darum, dass sie erst mal nur an sich denken soll, um wieder gesund zu werden und mich sollte sie besser links liegen lassen.
Vier Jahre später geschah etwas Schreckliches in meiner Abwesenheit, ich war in dieser Zeit wieder in teilstationärer Behandlung. Sie wusste, dass ich in Elmshorn wohne und versuchte mich zu finden, die genaue Adresse bekam sie sehr wahrscheinlich durch ein Telefonbuch heraus. Auf jeden Fall stand sie vor unserer Tür und mein Vater öffnete ihr die Tür, er sagte zu ihr, dass ich zurzeit abwesend bin, obwohl ich zwei Stunden später zu Hause gewesen wäre. Er wollte mich wohl beschützen, was die ganze Sache noch trauriger macht.
Er erzählte mir nichts davon und jetzt nahm das ungeheure Schicksal seinen Lauf. Beide trafen sich eine Woche später im Krankenhaus wieder als Patienten auf der gleichen Station. Ihr erster Versuch, sich das Leben zu nehmen, sorgte für diesen Aufenthalt. Sie sprachen miteinander, ein Tag später war sie nicht mehr aufzufinden, mein Vater fragte bei einer Schwester nach und bekam die Nachricht, dass sie ihr Leben in der Nacht selbst beendet hat. Mein Vater behielt alles für sich, weil er mich beschützen wollte, aber in seinem Sterbebett konnte er nicht anders, er musste sich von dieser schweren Last befreien und erzählte mir alles.
Es gibt drei Gründe, warum ich mich nicht binden möchte. Zum einen sind es die beiden Mädchen von damals, den ich gerne treu bin, obwohl meine Liebe nur Merle gilt, möchte ich auch für das andere Mädchen treu sein, klingt vielleicht verrückt, aber weil sie mich liebte und es mit ihrem Tod zahlen musste, möchte ich zumindest meine Ehrfurcht ihr aufweisen, weil mich dieser Tod sehr beschäftigt und mich mit Traurigkeit und Bitternis übermannt, hätte ich ihr Leben retten können, bin ich schuldig, ich denke ja, und dieses macht mich zu schaffen. Wir hätten in Lübeck zusammenkommen können oder wenn ich gesünder gewesen wäre, hätte mein Vater sie bestimmt hereingebeten, sodass wir uns hätten treffen können.
Zum anderen liegt es an die damalige Situation, ich war 15 Jahre alt und hörte von einem Dutzend Mädchen über deren Notzüchtigungen. Für mich gab es danach eine lange Zeit keine Liebe mehr, denn für mich stand fest, dass jeder Mann auf Erden ein Züchtiger ist. Ich wollte keiner werden und versuchte ihn immer mit einem Messer auf der Toilette abzuschneiden, aber die Angst daran zu sterben, war zu groß. Erst nach vielen Jahren und zig Gesprächen mit meinen Eltern und Therapeuten habe ich es wieder verstanden, dass sich Mann und Frau mit beidseitigem Einverständnis lieben können.
Trotzdem habe ich die Befürchtung, dass ich keiner Frau glauben könnte, dass sie von mir geliebt werden möchte. Deswegen wäre für mich eine platonische Beziehung wünschenswert, ansonsten müsste man einen Therapeuten gemeinsam aufsuchen, damit ich in dieser Sache lerne, dass ihr Ja wirklich ein freiwilliges Ja ist und sie müsste, lernen, wenn es trotzdem nicht funktioniert, es absolut nichts mit ihr zu tun hat. Dieses möchte ich aber selbstverständlich keiner Frau aufbürden, somit verzichte ich gerne, dadurch gehe ich nie aus, ich war z. B. noch nie in einer Diskothek oder Ähnlichem.
Weil ich ansonsten über diesem Punkt mich nicht so gerne äußere, gebe ich immer bekannt, dass ich nicht suche, aber eigentlich wünsche ich mir mit voller Sehnsucht die wahre Minne und am allerliebsten auf platonische Art, allein es soll nicht sein und dass ist, denke ich auch auf einer gewissen Art gut so.
10.11.2022 05:10 •
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