Gut ich traue mich auch
1. Satz
Heute war ich im Wald. Von Susanne05
Heute war ich im Wald.
Schon immer faszinierte es mich, in der Tiefe des Waldes meine Gedanken zu sammeln.
Ihnen einfach mal freien Lauf zu lassen. So auch heute.
Vögel zwitscherten und die Sonne zauberte goldene
Flecke auf den Waldboden.
Ich war so in mir selbst versunken, dass ich nicht einmal bemerkte, dass ich seit
geraumer Zeit schon nicht mehr alleine auf diesem Weg war.
Erst als mich jemand schnell laufend überholte, erschrak ich fürchterlich und
zuckte zurück.
He keine Angst, ich nehme niemanden aus dem Wald mit und wenn,
dann bringe ich ihn zurück rief der Jogger mir winkend und Auge zukneifend zu.
Grinsend winkte ich zurück, konnte mich aber nur schwer von meinem Schreck erholen.
Irgend etwas an diesem Jogger erinnerte mich an etwas, es fiel mir aber nicht ein,
was es war, aber dieser kurze Blick in sein Gesicht, löste etwas in mir aus.
Viele Radfahrer waren in diesem Teil des Waldes unterwegs und ich musste aufpassen
um nicht als Gallionsfigur an einem Fahrrad zu enden.
Daher beschloss ich vom Hauptweg aus in einen der Seitenwege abzubiegen.
Mein Orientierungssinn ist nicht der beste, ich musste mir alles mögliche merken,
um auch wieder zurück zu finden.
Ich genoss die frische, duftende Waldluft, lauschte dem Vogelkonzert und sinnierte
weiter vor mich hin.
Dieser Jogger. Eigentlich kenne ich ihn nicht. Hab ihn hier noch nie gesehen.
Aber da war was. Altersmäßig müssten wir in etwa gleich sein.
Dennoch, ich wusste nicht, warum er mich so zum Grübeln brachte.
Als ich langsam Angst bekam nicht mehr den Weg zurück zu finden, kehrte ich um.
An der Weggabelung Richtung nach Hause begegneten wir, der Jogger und ich,
uns zum zweiten Mal, er kam wohl von seiner Runde zurück.
Er lief lächelnd an mir vorbei um sich wenig später umzudrehen und stehen zu bleiben.
Als ich näher kam, fragte er Kennen wir uns?
Irgendwie glaube ich das, weiß aber nicht woher das sein könnte..
Ich sah ihn an, meine Blicke trafen seine Augen und plötzlich fiel es mir wie Schuppen
aus dem Haar !
Völlig spontan entfuhr mir nur ein einziger Satz : Du kannst abziehen!
Ich erntete zunächst einen völlig verständnislosen Blick,
ich sah förmlich wie es hinter seiner Stirn arbeitete und
sich eine Erinnerung anbahnte.
Er lachte herzhaft und fragte Du bist es also, ich hab dich an deinen Augen erkannt,
nach so vielen Jahren. Ich weiß sogar noch deinen Namen.
Ohja, den seinen wusste ich jetzt auch.
Und wir begegneten uns jetzt nicht zum ersten sondern sozusagen zum dritten Mal.
Beim ersten Mal, war ich 14 Jahre alt. Und sah halt so aus wie man mit 14 aussieht.
Schlaksig, kurzhaarig, vielleicht ein bissel frech.
Wir Mädchen nannten ihn damals Glotzer.
Das bezog sich auf seine riesengroßen blauen Augen.
Wenn man einmal in diese Augen geschaut hat, vergisst man sie nie.
Meine Augen waren auch strahlend blau, daher meinten die Mädels damals wir würden
gut zueinander passen.
Das glaubte ich auch.
Daher kam ich mit Freundinnen überein, dass eine davon ihm sagen soll, dass ich gerne
mit ihm gehen würde.
Er meinte er müsse mich erst mal sehen.
Also ging ich mit einer Freundin zum Sportplatz um mich zu zeigen…..
Er sah mich nur kurz an, warf mir ein kannst abziehen hin, drehte sich lachend um
und ging zu seinen Freunden.
Mich lies er zurück, mit dem ersten Korb meines Lebens, der schlimmer nicht sein
konnte.
Lange hatte ich wirklich daran zu knabbern, ich fand mich seitdem hässlich
und dachte kein Junge der Welt würde je Gefallen an mir finden….
Die Jahre gingen ins Land und zum Glück kam ich später doch ziemlich gut
bei den Jungs an.
Als ich 19 war, war ich mit vielen Freunden auf einem Konzert im Freien.
Indessen war ich nicht mehr schlaksig, hatte weibliche Kurven, trug enge Jeans,
ein helles Top welches meine Bräune zur Geltung brachte.
Ich hatte keine kurzen Haare mehr sondern sie waren hüftlang.
Es war eine tolle ausgelassene Stimmung und es gab leckere Cocktails.
Als ich gerade für Nachschub sorgen wollte, sprach mich jemand an :
Aber Hallo auch, darf ich dich zu einem Drink einladen?
Und ich sah in die selben Augen, in die ich mich vor
über 5 Jahren so unsterblich verliebt hatte.
Deren Besitzer mir so unglaublich weh getan hat…
Nach einer Kunstpause sagte ich mit einem triumphalen Lächeln nur einen Satz :
kannst abziehen .
Er schaute mich an und ich sah ungläubiges Erkennen in seinem Blick.
Ich musste echt lachen, ich konnte fast seine Gedanken lesen.
Ja, schon oft ist aus einem hässlichen Entlein schon sowas wie ein Schwan
geworden, stimmt’s ?
fragte ich ihn immer noch lachend .
Er erschien mir echt ein bissel beschämt, aber dann stimmte er in mein Lachen ein.
Wir redeten eine Weile miteinander über früher und er fragte mich dann
sag mal, könnten wir nicht einfach sozusagen da nochmal anfangen,
bei der Situation damals am Sportplatz? Frag mich doch einfach noch mal
Ich drehte mich um und winkte meinen damaligen Freund und jetzigen Mann zu uns.
Darf ich vorstellen, die Liebe meines Lebens, er ließ mich nicht abziehen ….
Er trug es mit Fassung und wir lachten noch viel zusammen an diesem Abend.
Und nun 47 Jahre später, treffe ich ihn rein zufällig
mitten im Wald.
Schon ein komischer Zufall .
Wir mussten beide lachen, weil wir zwei nun schon zum zweiten Mal in dieser
komischen Situation steckten.
Nach einem kürzeren Gespräch trennten wir uns und gingen in verschiedene
Richtungen in unser Leben.
Dann drehte er sich noch mal um und rief lachend:
übrigens, Alter schützt vor Torheit nicht !
Ist er eigentlich noch bei dir ? Oder auch getrennt ?
Ich lächelte zurück und rief : Jaaa, er ist bei mir!
Und leise zu mir sagte ich, wie gut, dass ich damals abziehen sollte……
10.04.2022 15:22 •
x 4 #31