Hallo am Sonntag Nachmittag ihr lieben Schreiberlinge
Ich lese so gerne eure Geschichten, die hier jeder auf seine unnachahmliche Weise zum
Besten gibt. Und mir gehts ähnlich wie Maha, durch euch ist meine Freude am Schreiben
wieder entfacht worden. Danke dafür
Da ich ja heute den ganzen Sonntag noch alleine bin, hatte ich ja Zeit und habe mich auch
noch am Geisterschloss versucht, ziemlich lang geworden und ich hoffe, dass es euch nicht
allzu sehr langweilt.
Ich wünsche mir jedenfalls, dass dieser Faden nicht so schnell wieder einschläft und noch
viele Erlebnisse per Geschichte mit euch.
Ein besonderes "Hut ab" von mir gilt @Maha meine Güte was kannst du schreiben ️
Nun zum Thema
Das Geisterschloss
Als wir Kinder waren spielten wir oft in einer alten Ruine, die in einem weitläufigen Park stand.
Wir wussten, dass es verboten war, aber umso interessanter war es für uns.
Wir überlegten oft, was das wohl mal für ein Haus war, ahnten aber, dass es wohlhabende
Leute gewesen sein mussten, die einst vor langer Zeit hier lebten.
Denn einige ehemals wohl sehr wertvolle Möbel befanden sich noch dort und dazu noch
mehrere andere Utensilien.
Zum Beispiel stand auf dem Fensterbrett in einem der Zimmer grusliger Weise ein Glas mit
einer verrotteten Zahnprothese. Einige Kleider aus längst vergessenen Zeiten lagen auf dem
Boden eines anderen Zimmers. Auch Bücher in merkwürdigen Einbänden befanden sich in
einem sehr großen Zimmer mit Regalen und einem zerfallenen Kamin.
Ein kaputter Schaukelstuhl lag davor.
Ich stellte mir in meiner Phantasie oft einen, in diese alten Kleider gehüllten Mann vor,
dem die Zahnprothese gehörte und der in diesem Schaukelstuhl Pfeife rauchend die
dicken Bücher las.
Wir waren immer etwas schreckhaft wenn wir uns in der Ruine aufhielten, zuckten bei jedem
Geräusch zusammen und starrten entsetzt in alle Richtungen.
Manchmal hörte man das Knarren einer Tür, obwohl diese Ruine, aus welchen Gründen auch
immer, keinerlei Türen mehr hatte.
Wenn es draußen stürmisch war, klang es, als wenn es irgendwo im Haus ein Wolfsrudel gab,
das lang anhaltend heulte.
Dennoch fühlten wir uns in der Ruine irgendwie zu Hause und sicher, daher trafen wir uns fast
jeden Tag dort und verbrachten immer viel Zeit in den verschiedenen Räumen.
Eines Tages , als wir wieder mal dort durch die Zimmer gingen und schauten, ob wir noch
Neues entdecken konnten, fanden wir, versteckt hinter Gartenstühlen und anderem Gerümpel
eine schwere Holzkiste.
Sie hatte Beschläge aus Metall und auf dem Deckel stand in verschnörkelten Buchstaben
" Folge dem was du nicht sehen kannst."
Heute würde ich diesen Satz so interpretieren, dass ich einfach mehr meiner Phantasie Raum
geben solle. Damals aber dachten wir einfach, wir müssen intensiver nach irgendwelchen Dingen
oder Geheimnissen suchen.
Jemand fand nach langem Stöbern eine etwas längere Eisenstange und es gelang uns, die Kiste
damit zu öffnen.Sie enthielt nur wenige Dinge, wir hatten bei der Größe der Kiste wirklich mehr
erwartet. Sie war innen mit fast blutroten Samt ausgeschlagen und irgendwie schien sie gepolstert
zu sein.
Obenauf lag ein Bilderrahmen, in dem ein vergilbtes altes Foto steckte.
Es zeigte einen älteren Mann der auf eine seltsame Art Ähnlichkeit mit dem hatte, den ich mir
immer auf dem Schaukelstuhl im Kaminzimmer vorstellte.
Und was mir noch viel merkwürdiger erschien, auf dem Foto saß er wirklich drin…
ich sagte aber niemanden etwas davon, ich hatte keine Lust ausgelacht zu werden.
Wir fanden noch einige Steine, einige bunte Kugeln, Federn in verschiedenen Größen und Farben,
sowie eine Spieluhr, die beim Öffnen eine zierliche Tänzerin ans Tageslicht brachte.
Sie hatte ein rotes Kleid an und drehte sich zu einer lieblich klingenden Melodie.
Ich war erstaunt, dass der Mechanismus noch funktionierte.
Später versteckte ich die Spieluhr heimlich unter meinem Pullover und nahm sie mit nach Hause.
Sie war einfach zu schön um in dieser alten Ruine zu verrotten.
Abends spielte ich mir die Melodie mehrmals vor und schlief darüber ein.
In dieser Nacht träumte ich das erste Mal sehr intensiv von der Ruine. In meinem Traum befand ich
mich im Kaminzimmer, saß auf dem völlig intaktem Schaukelstuhl und hielt die Spieluhr in der Hand.
Die Melodie hatte einen irgendwie anderen Klang für mich, vertrauter und eindringlicher.
Im Kamin prasselte ein angenehm wärmendes Holzfeuer.
In dem Zimmer waren alle sonst leeren Regale mit Unmengen von Büchern gefüllt, die jenen ähnelten,
die wir dort ja auch noch vereinzelt fanden.
Zudem befand sich in diesem Raum nun noch ein überdimensional großer Schreibtisch mit
reichhaltigen Schnitzereien.
An diesem Schreibtisch saß ein Mann, der dem auf dem Foto aus der Kiste sehr ähnlich war.
Er saß in einem gepolsterten hohen Lehnstuhl, der sehr bequem aussah und las konzentriert in
einem der Bücher.
Dabei sah er aber zwischendurch immer mal zu mir herüber.
Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass er mich überhaupt auf irgendeine Art und Weise wahrnahm.
Das Zimmer hatte nun eine Tür und schwere Vorhänge an den Fenstern die zugezogen waren.
Es war nur spärlich beleuchtet, lediglich eine große Kerze auf dem Kaminsims und eine Art Lampe
auf dem Schreibtisch, spendeten etwas Licht.
Plötzlich klopfte es an der Tür und fast lautlos erschien eine Frau, die mit einer Art Uniform
bekleidet war, im Zimmer.
In ihren Händen trug sie ein Tablett mit zwei Teetassen und einer kleinen Teekanne aus
anscheinend edlem Porzellan.
Auch ein Teller mit runden, lecker aussehenden Keksen befand sich auf dem Tablett.
Sie stellte es ab, füllte beide Tassen mit duftendem Tee und servierte mit einem vollendeten Knicks
sowohl dem Mann als auch mir diesen Tee und ein paar von den Keksen.
Dann verschwand sie so lautlos wie sie gekommen war.
Ich trank wie selbstverständlich meinen Tee und der Geschmack war mir angenehm vertraut.
Der Mann am Schreibtisch sah mich an sagte zu mir, dass ich nach dem Tee zu meiner
Klavierstunde gehe und meine Spieluhr derweil auf dem Kamin lassen könnte.
Er sprach mich mit "Maria" an.
Komisch, mit einem Namen, der dem meinen so ähnlich war..?
Und Klavierstunde? Ich? Ich denke es gibt wenige Menschen die so unmusikalisch sind wie ich.
Ich erhob mich aus dem Schaukelstuhl, blieb mit meinem Jackenärmel hängen und die
Teetasse fiel mir aus der Hand.
Klirrend fiel sie zu Boden und zerbarst in viele kleine Teile.
Dann erwachte ich und fühlte mich irgendwie komisch. Wie in einer Zwischenwelt gefangen.
Was war das nur für ein seltsamer Traum?
Ich setzte mich auf und grübelte nochmal nach, über all die Dinge die in meinem Traum
passiert sind.
Hat in diesem Haus eine Maria gelebt, die ungefähr in meinem Alter war ?
Und war dieser Mann ihr Vater? Gehörte die Spieluhr ihr ?
Mein Kopf rauchte förmlich und ich bekam plötzlich ein schlechtes Gewissen, dass ich die
Spieluhr mit genommen habe. Sie gehörte schließlich Maria….
Draußen war es noch dunkel, dennoch wollte ich jetzt und sofort die Spieluhr zurückbringen.
An den Ort wo sie hingehörte.
Ich zog mich an, nahm die große Taschenlampe aus dem Flurschrank mit und schlich mich leise
raus. Der Weg zum Park war nicht weit und ich hatte überhaupt keine Angst.
In der Ruine angekommen knipste ich die Taschenlampe an und machte mich auf den
Weg ins Kaminzimmer. Auf dem Weg dorthin kam ich an den alten Kleidern vorbei
und mir fiel auf, das dort etwas lag, was mich sehr an die Kleidung der Frau aus meinem
Traum erinnerte.
Komisch.
Bevor ich zum Kaminzimmer ging, wollte ich die Spieluhr erstmal in die Kiste zurück legen.
Ich ging also zu dem Stapel alter Gartenstühle hinter denen wir die Kiste gefunden hatten
und erstarrte. Die Kiste war total kaputt, der Inhalt überall verstreut und die Polsterung aus
blutrotem Samt lag zerrissen daneben.
Neben dem Foto welches ich schon kannte, lag nun noch ein anderes.
Ob es unter der Polsterung versteckt war? Neugierig nahm ich das Foto und richtete den
hellen Lichtstrahl der Taschenlampe darauf.
Und traute meinen Augen nicht. Auf dem Foto war ein Mädchen an einem Klavier sitzend
zu sehen. Das krasseste an dem Foto war aber, dass sie mir ähnlich war.
Das war eindeutig Maria aus meinem Traum!
Ich überlegte. Die Kiste gab es ja nun nicht mehr. Wo sollte ich jetzt die Spieluhr lassen?
Ich beschloss diese im Kaminzimmer hin zu stellen. Ein Ort von dem ich durch meinen
Traum wusste, dass Maria sich dort aufgehalten hat.
Als ich dort ankam, war mir, als würde der Duft des Tees im Raum zu spüren sein.
Verrückt .
Bloß raus hier, dachte ich und stellte die Spieluhr auf den schiefen Kaminsims.
Als ich mich umdrehte um das Zimmer und die Ruine zu verlassen, spürte ich plötzlich
einen kalten Hauch und das Gefühl als wenn jemand dicht an mir vorbei gelaufen wäre,
fast wie durch mich hindurch…und gleichzeitig trat ich in kleine Scherben die überall in
der Nähe des kaputten Schaukelstuhls verstreut lagen…
wie unheimlich war das eigentlich. Mich fröstelte es.
Mit schnelleren Schritten strebte ich dem Ausgang zu und trat ins Freie.
Ich sah zu den Fenstern der Ruine hoch und ich sah eine schemenhafte Gestalt an
einem der Fenster. Mein Blick klebte daran fest und in meinem Kopf hörte ich eine Stimme,
die mehrmals hintereinander "Danke" sagte.
Ich lächelte und winkte zum Fenster , "bitte Maria" sagte ich in Gedanken und schickte
noch ein " es tut mir leid, dass ich deine Spieluhr mitnahm!" hinterher.
Und ich beschloss ihre Ruhe fortan auf keinen Fall mehr zu stören!