Gute Seelen
Es gibt gute Seelen tatsächlich überall auf der Welt, jedoch werden sie oft nicht gesehen - sogar gemieden als auch gedemütigt. Vor nicht allzu langer Zeit lebte eine von denselben als ein junges Mädchen, nicht fern von Hamburg. Wie es dazu kam, dass sie zu denen gehörte, von denen im Übrigen die Gebrüder Grimms oftmals schrieben, wie bei „Die Sterntaler, „Die heilige Frau Kümmernis, „Die himmlische Hochzeit, „Arme und Reiche, „Marienkind und in vielerlei weiteren Märchen wie Legenden werde ich mit meinen Möglichkeiten versuchen zu schildern. Jene tauchen nicht nur in der Art Märe auf, sondern ebenfalls in der Mythologie sowie in der Bibel als auch in vielerlei anderen Büchern.
Das junge Geschöpf wuchs bei braven Eltern auf und wurde ein wahrhafter Sonnenschein. Nie kam ein böses Wort aus ihrem Mund. Bösartige Handlungen waren ihr ebenso völlig fremd. In Friedsamkeit und Sanftmut war sie eine wahre Königin des Herzens, und in Vergebung wie Nächstenliebe war sie engelsgleich. Sie liebte es, gute Taten aus Herzensgrund zu bewältigen, um anderen zu helfen. Sie mochte jedoch keinen Dank hierfür erhalten, dieses fanden viele als befremdlich. Schon in der Schulzeit fiel sie hierdurch negativ auf. Gleich vorweg hat dieses Mädchen ihren Eltern nie verraten, woher ihr Leid in der Schule herkam. Zum einen nahm sie es durch ihr fehlerhaftes Verhalten einfach an und zum anderen wollte sie alle Personen in Liebe und Vergebung weidlich gerne schützen. Sie half so manchem gehänselten Kind und wurde selbst hierdurch zum Opfer. Sie war schockiert, dass auch vorige Mitschüler, die vorab gepeinigt wurden, sie bestraften, obwohl eben jene von ihr Hilfe bekamen.
Am Anfang waren sie ihr hierfür dankbar, aber weil sie keinen Dank hören wollte und somit nicht empfangen hatte, wurde sie von den gleichen vergleichsweise geschwind missachtet. So waren alle Schüler gegen sie und deren ungeteilter Hass richtete sich wiederum allein auf sie. Als die Schulzeit vorbei war, mit allerlei blauen Flecken, Knochenbrüchen und Verstauchungen sowie Ausgrenzungen, begann alles von Neuem, als sie eine Lehre antrat. Niemand außer ihren Eltern verstand, warum sie keine Anerkennung annehmen konnte und jede gute Tat als eine Selbstverständlichkeit ansah. Alles, was sie tat, war somit unwürdig eines Dankes. Wenn jemand eine redliche Seele besitzt, ist jedes selbstlose, gute Werk seinerseits etwas völlig Normales - jenes begreifen leider allzu wenige Mitmenschen.
Zu der Zeit fühlte sie sich immer zunehmender im Abseits. Ihr wurde klar, bedingt durch den Tod ihrer beiden liebevollen Elternteile, dass ihr Leben an Ort und Stelle so keinen Sinn mehr hatte. Sie nahm ihre bewegliche Habe in der Menge, die sie tragen konnte, und verließ die Stadt in der Dunkelheit. Es war draußen in einer sternklaren Nacht bitterkalt, und sie kam an bitter leidenden Obdachlosen vorbei. Jeder Einzelne sah aus, als ob der Tod bei jedem bald anklopfen würde. Sie bedachte demzufolge jedem, mit etwas Warmem zum Anziehen sowie etwas zu essen. Hiernach erreichte sie einen Bach und sah ein kleines Rehkitz, dem gab sie all ihr Essbares, weil es verhungert aussah. Darüber hinaus war ihre Mutter weit und breit nicht zu sichten. Sie kam in das nächste Dorf, die Kälte kroch ihr überall in den Kleidern hinein, dadurch wollte sie sich an einem Feuer aufwärmen, jedoch wurde sie wie ein Straßenköter hinfort gejagt, dabei verlor sie die letzte Habe. Sie hatte nur noch im Besitz die Kleidung, die sie an ihrem Leib selbst trug. In der nächsten Siedlung durfte sie zwar an einer Feuerstelle verweilen, um sich zu erwärmen, aber sie sah wieder viel Leid um sich herum. Sie konnte nicht anders und so beschloss sie leiderfüllt ihr eigenes Leben aufzugeben, um anderen zu helfen. Sie übergab ihre gesamte Kleidung außer einem kleinen Hemdchen an bedürftige Fremde. Dieselben waren bewusst, dass es ihr Tod sein würde, und wollten die Gaben nicht annehmen. Sie lächelte stets ihnen zu vor Dankbarkeit und Geborgenheit und legte das jeweilige Kleidungsstück sorgfältig neben die Person, die sie bedachte, damit zu beglücken. Sie fühlte sich das erste Mal von Erdenbürgern geliebt, und dieses erwärmte ihr Inneres für einen Moment.
Jene Wärme verschwand sehr schnell und ihr gesamter Körper begann zu zittern wie Espenlaub. Das Herz schlug mit Leibeskräften, doch es wurde allmählich immer schwächer. Es fing an zu schneien, und der Wind lebte auf. Sie fror so weidlich und jeder Schritt schmerzte wie tausend Nadelstiche. Sie hatte nur noch ein Ziel und hoffte, es zu erreichen. Die junge Frau suchte eine Birke auf, um zu erhoffen, dass die Dryade jenes Baumes ihr ein sanftes Sterben ermöglicht. Sie fing an zu lächeln, trotz heftiger Schmerzen wegen der eisigen Kälte, die ihre Knochen steif frieren ließen. Das Fräulein blieb stehen, aufgrund dessen, dass sie im Mondenschein eine Birke erblickte. Sie ging auf diese zu und zog ihr Unterhemd aus, um es der Baumelfe zu reichen. Sie hatte keine Kraft, etwas zu sagen und hoffte, die Gabe reiche. Es lehnte sich sitzend am Baumstamm und machte erschöpft ihre Augenlider zu. Sie fing an zu träumen von ihren lieben Eltern. Es wurde ihr hierbei herrlich warm ums Herz und es breitete sich ein gar wunderbares Lächeln in ihrem engelsgleichen Gesicht aus. Was die junge Frau nicht ahnen konnte: Jemand anders war auf ihr geführtes Leben aufmerksam geworden. Als sie ihre Lider zu machte, kam jene vom Himmelreich herunter und umgab sie mit Wärme. Dieselbe ließ sie friedvoll sterben, begrüßte ihre herauskommende Seele und nahm diese mit ins Jenseits.
Am nächsten Tag fand man ihren leblosen Körper am Baum liegend. Es sah aus, als ob der gefallene Schnee sie zugedeckt hätte, um sie zu erwärmen. Alle erschraken, als sie ihr Gesicht zu Gesicht bekamen. Es schien, dass sie einen freundlich anlacht, so als ob sie friedvoll gestorben sei, was aber nicht sein konnte in dieser eisig frostigen Kälte, außer Maria hätte sie heimgeführt. Man beschloss, jenes anzuerkennen. Hierdurch wäre sie ein ganz besonderes Menschenkind gewesen, sodass man sie für alle Zeit behüten sollte. So wurde sie am Ende ungeachtet dessen von jedermann gut behandelt, in der Umgebung, wo sie gelebt hatte. Sie bekam ein großes Grab und dieses wird bis heute umsorgt und gepflegt.
Dort, wo ihr Herz begraben wurde, wachsen von jeher nach dem Winter viele Kalendertage im Voraus gegenüber allen anderen Blumen drei sommerliche rote Lilien. Wer sie ohne Vorsatz erspäht, wird an diesem Tag mit Fortuna gesegnet. Wer hiernach aber nach Glück strebt und die Lilien mit Absicht sehen möchte, wird mit Pech versehen. Dieser bleibt so lange haften, bis derjenige, ein anderes Wesen, ohne Hintergedanken etwas Gutes vermag zu tun.
In diesem Fall starb eine gute Seele, ohne dass jemand sie außer ihren Eltern liebte. Dergestalt ist es zu meinem Bedauern fast immer: Die Edlen werden oft verspottet und oftmals misshandelt, anstatt dieselben zu mögen. Sie wollen keinen unehrlichen, dahingesagten Dank, statt dessen wollen sie Geborgenheit unter den Menschenkindern, die sie leiderfüllt, allzu selten erhalten. Ach du arme, graue wie bedauerliche Menschenwelt, du könntest so viel paradiesischer sein, wenn man es doch nur möchte, und jenes wäre weidlich einfach.
Seraphim-Chor singt im herrlichen Klang:
In ihrem neuen Heim
ist sie nicht mehr allein.
Dort fühlt sie sich daheim
unter den Engelein,
hier herrscht ein derart Geist
von großer Lieblichkeit.
So wird sie eingekreist
von der Geborgenheit,
die sie auf der Erde
bei weitem vermisst hat.
In der Engelsherde
gedeiht sie zum Herzblatt
unserer lieben Frau.
Ihr Leid wird vergütet,
als wäre sie ein Pfau.
Sie wird gar behütet
von deren Sohnemann,
daran erfreut sie sich.
Schmerzensleiden sodann
erbleichen ewiglich.
Bemerkungen: Damit man den Abschluss richtig versteht, möchte ich den verehrten Lesern drei Hinweise bekannt geben. Unsere liebe Frau ist ein Synonym für Maria; Der Pfau hat im christlichen Mittelalter die Bedeutung von der Auferstehung des Fleisches. Mit Sohnemann ist Jesus gemeint, der sie als Schwester anerkennt und behütet, weil Maria sie als ihr eigenes Kind betrachtet. Somit wird sie von all den Engeln als jemand angesehen, der von den Toten auferstanden ist, obwohl sie es nicht war.
27.01.2024 11:43 •
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