Eisernes Schweigen
Aus dem Fenster sehe ich
den Spielplatz hier vom Kinderheim
und seit Tagen sitzt ein neuer
kleiner Junge ganz allein
auf der Wippe, auf der Kippe
und ich kann von weitem sehen
wie bei diesem kleinen Jungen
immer hoch die Stachel stehen.
„Lasst mich!“ scheint er laut zu sagen
doch kann der Wind kein Wort her tragen
denn gesprochen hat er nicht
ganz verschlossen sein Gesicht.
Manchmal wirft er mit den Steinen
die er aus dem Boden bohrt
jagt Kinder die ihm nahe kommen
durch gezielte Würfe fort.
Nicht das er sie treffen wollte
im Gesicht oder im Bauch
seine Würfe gegen Beine
in die Richtung, tun es auch.
„Lasst mich!“ sagen seine Arme
die er dicht am Körper hält
manchmal hält er sich umärmelt
ist in seiner eignen Welt.
Manchmal schaut er ganz verzagt
hin zu Kinder die da toben
doch nicht ein mal sah ich ihn
graden Blickes, Kopf erhoben.
Er schwankt zwischen heut und gestern
wie ein kleines Blatt im Wind
möchte so gerne sein wie alle,
wie die andern Kinder sind.
Etwas scheint ihn fest zu halten
hindert ihn dran mit zu tun
und er steht mit schlaffen Schultern
ohne dabei auszuruhen.
Das Laub fällt langsam von den Bäumen
es ist Herbst acht Wochen um
und noch immer steht der Kleine
an der Wippe und ist stumm.
Hab noch nie ein Kind gesehen
das so lange eisern schweigt
und mit solcher Inbrunst weiter
dem Spiel die kalte Schulter zeigt.
Heute Mittag dann ganz plötzlich
wie aus einem Traum erwacht
steht er da an seiner Wippe
mit einem andren Kind und lacht ...
Und weint und lacht und ich kann hören
„Oh, ich hab dich so vermißt
und ich wusste ich darf kommen
wenn du nur immer Eisern bist!“
Sagt der andre, größere Junge
und ich kann die Beiden sehen
wie sie dicht gedrängt, zusammen
noch immer bei der Wippe stehen.
Noch etwas fällt gleich ins Augen
Beide sind ganz Semmelblond
Beide haben Sommersprossen
Beide lächeln ganz gekonnt.
Brüder sind es, ohne frage
so etwa 6 der andre 10
konnten sie mit Eisern bleiben
gegen Erwachsene bestehen!