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In der Hoffnung, dass der/die eine oder andere von euch diesem Text auch etwas abgewinnen kann, möchte ich ihn sehr gerne hier teilen. Ich persönlich finde ihn großartig. Bitte lyncht mich nicht, falls er euch zu theoretisch erscheinen sollte



Seelische Gesundheit im humanistischen Sinne ist gekennzeichnet durch die Fähigkeit zu lieben und schöpferisch tätig zu sein, durch die Loslösung von den inzestuösen Bindungen an die Familie und die Natur, durch ein Gefühl der Identität, das sich auf das Erlebnis des Selbst als Subjekt und Urheber der eigenen Kräfte gründet, und durch die Erfassung der Realität im eigenen Ich und außerhalb seiner selbst, das heißt durch die Entwicklung von Objektivität und Vernunft. Das Ziel des Lebens besteht darin, intensiv zu leben, voll geboren zu werden und voll wach zu sein; von den Ideen eines infantilen Allmachtgefühls loszukommen und zur Erkenntnis seiner wirklichen, wenngleich begrenzten Kraft zu gelangen; fähig zu werden, das Paradoxon zu akzeptieren, daß ein jeder von uns zugleich das Allerwichtigste auf der Welt und doch nicht wichtiger als eine Fliege oder ein Grashalm ist; fähig zu sein, das Leben zu lieben und trotzdem den Tod furchtlos zu akzeptieren; die Ungewißheit über die wichtigsten Fragen, mit denen das Leben uns konfrontiert, hinzunehmen - und trotzdem an unser Denken und Fühlen, soweit es wirklich ein Stück von uns selbst ist, zu glauben; allein sein zu können, und gleichzeitig mit den geliebten Menschen, mit jedem unserer Brüder auf Erden, mit allem Lebendigem eins sein zu können; der Stimme des Gewissens zu folgen, jener Stimme, die uns zu uns selber ruft, und trotzdem nicht uns selbst zu hassen, wenn einmal die Stimme des Gewissens nicht laut genug zu hören war und wir ihr nicht gefolgt sind. Der seelisch gesunde Mensch ist ein Mensch, der aus seiner Liebe, seiner Vernunft und seinem Glauben heraus lebt, der sein eigenes Leben und das seiner Mitmenschen achtet.



Fromm, Erich: Wege aus einer kranken Gesellschaft - Eine sozialpsychologische Untersuchung. 5. Aufl. München : dtv, 2006. - ISBN 3-423-34007-X, S. 175

Amerikanische Originalausgabe: The Sane Society, 1955.

11.09.2009 15:50 • 14.02.2010 #1


31 Antworten ↓


Sehr guter, weil einleuchtender Text, finde ich.
Nur diese Aussage ist mir neu und ich kann mir dazu nichts Konkretes vorstellen:
Zitat:
durch die Loslösung von den inzestuösen Bindungen an die Familie und die Natur

Wie muss man sich inzestuöse Bindungen an die Natur vorstellen?

A


Erich Fromm ueber den "seelisch gesunden Mensch"

x 3


Hat sehr wahre Aspekte.
Zitat:
durch ein Gefühl der Identität, das sich auf das Erlebnis des Selbst als Subjekt und Urheber der eigenen Kräfte gründet,

Als Kind nun wohl erlernt, als später Ich erkämpft. (im Zweifel)
Zitat:
voll geboren zu werden und voll wach zu sein; von den Ideen eines infantilen Allmachtgefühls loszukommen und zur Erkenntnis seiner wirklichen, wenngleich begrenzten Kraft zu gelangen; fähig zu werden, das Paradoxon zu akzeptieren, daß ein jeder von uns zugleich das Allerwichtigste auf der Welt und doch nicht wichtiger als eine Fliege oder ein Grashalm ist; fähig zu sein, das Leben zu lieben

Ja, das hat was , natürlich nach der Geburt und das Wachsein im Leben. Des Glückes eigener Schmid.
Zitat:
und trotzdem an unser Denken und Fühlen, soweit es wirklich ein Stück von uns selbst ist, zu glauben; allein sein zu können, und gleichzeitig mit den geliebten Menschen, mit jedem unserer Brüder auf Erden, mit allem Lebendigem eins sein zu können; der Stimme des Gewissens zu folgen, jener Stimme, die uns zu uns selber ruft, und trotzdem nicht uns selbst zu hassen, wenn einmal die Stimme des Gewissens nicht laut genug zu hören war und wir ihr nicht gefolgt sind.

Das ist sehr wahr und gehört gelebt, so meine ich. Wenn die Kraft da ist und das Vertrauen gelernt

Zitat:
durch die Loslösung von den inzestuösen Bindungen an die Familie und die Natur

hat inzestuös nur mit sexuellem zu tun GastB oder auch mit psychischem Mißbrauch. Der das dann vermittelt?

Zitat von GastB:
Wie muss man sich inzestuöse Bindungen an die Natur vorstellen?


Über diese Stelle bin ich auch zunächst gestolpert. Ich glaube, das ist von Fromm ungeschickt formuliert. Mit deiner Frage hast du eigentlich schon alles gesagt - das ist nämlich Quark

Stell dir trotzdem vor, du hättest dich bis heute geweigert, bewusst und selbständig zu denken und zu handeln, und du ließest dich nur von deinen Instinkten, beziehungsweise Gefühlen unreflektiert, leiten.

Nach Fromm wirst du dann nicht deiner menschlichen Existenz und Aufgabe gerecht, die Natur zu transzendieren und bleibst ein Tier (auch: Geschöpf) bzw. wirst nicht deinen spezifisch menschlichen Bedürfnissen gerecht. Dazu müsstest du den Mut aufbringen, deine Freiheit, also Selbstbestimmung zu wollen und aktiv voranzutreiben (wozu, nebenbei bemerkt, insbesondere die Angst vor persönlicher Entwicklung gehört, die typisch menschlich ist). Mit dem bewussten Denken und Handeln gebärst du dich selbst und wirst zum Individuum (= transzendierst die Natur).

Du würdest aber sozusagen von der Natur gelebt, übernähmest nicht Verantwortung, entwickeltest kein Gewissen, keine Vernunft und kein Bewusstsein deiner selbst, wenn du nur(!) deinen tierischen Instinkten folgen würdest und dich der Aufgabe, Mensch zu werden, verweigertest. Damit hättest du eine inzestuöse Bindung an die Natur und wärest nicht entsprechend deiner spezifisch menschlichen Natur und Bedürfnisse entwickelt. Nicht zuletzt wärest du dann manipulierbar (das Gegenteil von frei).

Der Mensch wird also geboren, frei zu werden. Ist er voll wach (was laut Fromm eher wenigen zuteil wird), dann ist er ganz frei.

Ich würde das also so interpretieren: Inzestuös in diesem Sinne ist die Bindung an die Natur, wenn man nicht die Verantwortung für sich selbst übernimmt und nicht selbst denkt und handelt, weil es eine moralische Verpflichtung ist, der eigenen Natur gerecht zu werden, wozu das eben unbedingt dazugehört.

Da inz. aber klar definiert ist, ist eigentlich nur eine nicht-altersgerechte Bindung an die Familie inzestuös und das auch nur im übertragenen Sinne. Diese Bindung an die Familie ist ein Spezialfall der (von Fromm beschriebenen) allgemeinen Bindung an die Natur. Der Speziallfall Familienbindung ist inzestuös - der allgemeine Fall Naturbindung ist das wohl eher nicht.

Hmmm ... Mir kommt diese Erklärung irgendwie zu kompliziert vor. Vielleicht stimmt sie, das will ich nicht bestreiten.

Es gibt doch aber viele Menschen, die sagen, dass sie sich in der Natur am wohlsten fühlen, die sich oft in die Natur flüchten usw.
Ob das etwas mit der inzestuösen Bindung an die Natur zu tun haben könnte? Dass man sich sozusagen immer wieder an den Brust von Mutter Natur flüchtet und damit die vielleicht nicht gelingenden erwachsenen Beziehungen zu Menschen kompensiert?

Man könnte mal unsere Experten hier fragen, was sie zu dem Passus meinen. Das muss doch bei Psychologen mal thematisiert worden sein, Erich Fromm ist doch ein Klassiker.

Zitat von GastB:
Hmmm ... Mir kommt diese Erklärung irgendwie zu kompliziert vor.

Das wundert mich gar nicht.

Zitat von GastB:
Vielleicht stimmt sie, das will ich nicht bestreiten.

Es geht aus Fromms Text so hervor, wie beschrieben, nur habe ich es mir einfach gemacht , indem ich nicht auch noch Zitate gebracht habe. Sonst wäre es sicherlich deutlicher geworden.

Zitat von GastB:
Es gibt doch aber viele Menschen, die sagen, dass sie sich in der Natur am wohlsten fühlen, die sich oft in die Natur flüchten usw.
Ob das etwas mit der inzestuösen Bindung an die Natur zu tun haben könnte?
(schnipp)

Das klingt trotzdem sehr einleuchtend. Kompliment für diese Interpretation.

Zitat von GastB:
Man könnte mal unsere Experten hier fragen, was sie zu dem Passus meinen. Das muss doch bei Psychologen mal thematisiert worden sein, Erich Fromm ist doch ein Klassiker.

Ich habe eine sehr sympathische, psychiatrisch erfahrene Krankenschwester kennenlernen dürfen, die dich dazu möglicherweise gefragt hätte: Wer ist Man? Ist ja auch nicht das Thema.

Mich würde allerdings auch eine Expertenmeinung dazu interessieren!

Zitat von chicken83:
Zitat von GastB:
Es gibt doch aber viele Menschen, die sagen, dass sie sich in der Natur am wohlsten fühlen, die sich oft in die Natur flüchten usw.
Ob das etwas mit der inzestuösen Bindung an die Natur zu tun haben könnte?
Mich wundert's, dass du dabei ausgerechnet den Brust der Natur nicht mit zitiert hast. Der ist doch nun wahrlich inzestuös!

Zitat von chicken83:
Zitat von GastB:
Man könnte mal unsere Experten hier fragen, was sie zu dem Passus meinen. Das muss doch bei Psychologen mal thematisiert worden sein, Erich Fromm ist doch ein Klassiker.

Ich habe eine sehr sympathische, psychiatrisch erfahrene Krankenschwester kennenlernen dürfen, die dich dazu möglicherweise gefragt hätte: Wer ist Man? So hast du das aber wohl nicht gemeint.

Doch, genau so habe ich es gemeint! Zuerst hatte ich da ich stehen, dann dachte ich, mir wäre es lieber, wenn es jemand anders machen würde, und da ist eigentlich ein gewisser man(n) sehr naheliegend.

Zitat:
Mich würde allerdings auch eine Expertenmeinung dazu interessieren!

Siehsse! Wusst ich's doch!

Warum fühle ich mich bloß so manipuliert

Zitat von chicken83:
Warum fühle ich mich bloß so manipuliert

Tust du das? Kann man dich ohne deinen Willen manipulieren?

Du lenkst ab.

Zitat von chicken83:
Du lenkst ab.

Wovon?

Interessante Frage.

Wer manipuliert hier wen?

Du wolltest doch, dass ich ich schreibe und also auch selber frage - oder nicht? Du wolltest mir also nicht das Recht lassen, selber zu entscheiden, ob ich das selber machen will oder nicht.
Oder?

Was du damit machst, ist doch deine Sache. Das ist meinerseits keine Manipulation. Bemerkenswert - für dich - kann aber sein, dass du dich manipuliert fühlst.

Zitat von GastB:
Zitat von chicken83:
Du lenkst ab.

Wovon?

Unter anderem jedenfalls davon, dass du einen Experten fragen wolltest Wenn ich wüsste, wie, käme ich deinem Wunsch aber gerne nach. Du hättest mich aber auch direkt bitten können.

Du stimmst mehr mit Freud überein, oder? Brust der Natur ist ja eindeutig libidolastig. Kreativ, aber leider wenig fromm. Den Brust fand ich so schön, dass ich ihn gleich für mich behalten habe, anstatt ihn wieder mit zu zitieren.

manipuliert hatte ich in Anführungszeichen gesetzt

Na gut, ich gestehe, dass mich der Brust der Natur sogar freudig erregt hat.

Äh - spielerisch?
Zitat:
Unter anderem jedenfalls davon, dass du einen Experten fragen wolltest Wenn ich wüsste, wie, käme ich deinem Wunsch aber gerne nach. Du hättest mich aber auch direkt bitten können.

Wenn ich es gewollt hätte, hätte ich es so geschrieben und auch getan.
Und wenn ich dich hätte darum bitten wollen, hätte ich es auch getan.
Kannst du mich nicht einfach das sagen und tun lassen, was ich sagen und tun will, ohne mein Verhalten dauernd korrigieren zu wollen? Ich dachte, wir wollten uns hier über den Frommschen Text unterhalten?

Brust von Mutter Natur war von mir nicht kreativ, das ist eine stehende Redewendung. Von Goethe entweder erfunden oder verwendet:

Ich saug an meiner Nabelschnur
Nun Nahrung aus der Welt.
Und herrlich rings ist die Natur
Die mich am Brust hält.



Mit kreativ meinte ich aber nicht den Brust der Natur als stehende Redewendung, sondern deine Verwendung im Zusammenhang mit der inzestuösen Beziehung zur Natur.

Ich frage mich, was du unter manipulieren denn eigentlich verstehst. Mir macht der Austausch Spaß, und vielleicht fehlen dir nur die Argumente. Deshalb wirfst du mir vor, ich würde dich manipulieren oder korrigieren. Das Wort manipulieren habe ich ins Spiel gebracht. Aber dass du jetzt darauf herumreitest finde ich unangemessen und wiederum unkreativ.

Deshalb gefällt mir dein Hinweis sehr gut, dass wir doch eigentlich über den Frommschen Text unterhalten wollten. Eigentlich hattest du ja gefragt, wie du dir das mit dem inzestuös vorstellen solltest. Wir haben beide dazu eine Interpretation formuliert. Mir würde das genügen, obwohl eine Dritte Meinung (ob Experte oder nicht) die Sache noch interessanter machen würde.

Also fragst du jetzt einen Experten oder nicht? Mir ist das, ehrlich gesagt, nicht wichtig genug, um darüber zu schwafeln, sich zu manipulieren, korrigieren oder wie du es auch immer nennen willst.

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Zitat von chicken83:
Mir ist das, ehrlich gesagt, nicht wichtig genug, um darüber zu schwafeln, sich zu manipulieren, korrigieren oder wie du es auch immer nennen willst.

Verstehe nicht, warum du das Manipulieren dann überhaupt angebracht hast. Und was Interessante Frage! dann bedeuten sollte ... Das empfand ich als manipulativ.

Schade, dass aus der harmlosen Erörterung eine so anstrengende wurde.

Zitat von GastB:
Verstehe nicht, warum du das Manipulieren dann überhaupt angebracht hast.

Ich hatte dich auf das Man aufmerksam gemacht. Daraufhin hast du geschrieben, eigentlich hättest du zuerst ich geschrieben, warst aber dann der Meinung, dass man(n) fragen sollte. Als ich, oder? Das hast du ja auch bestätigt. Das Wort man so zu verwenden ist das Paradebeispiel für manipulative Kommunikation. Erwischt. Nicht schlimm, passiert mir auch oft genug, ohne dass ich es mir hinterher zurechtbiegen muss Und du hast dich darüber gewundert, dass ich ausgerechnet den Brust der Natur nicht mitzitiert habe hatte. Das ist suggestiv, mein(e) liebe(r) GastB und insgesamt abwehrend, was ich als latent aggressiv empfunden habe. Ich habe es in erster Linie so empfunden, ja richtig. Was dabei in dir wirklich vorging kann ich ja nicht wissen.

Zitat von GastB:
Und was Interessante Frage! dann bedeuten sollte ... Das empfand ich als manipulativ.

Mit deiner Frage, ob ich mit eigenem Willen manipulierbar sei, hast du das Thema Manipulation benutzt, ob noch weiter abzulenken. Anstrengend im Form vieler Beiträge kann es natürlich werden, wenn viele Fragen gestellt werden. Und damit unterstelle ich wirklich keine Absicht, sondern fand es amüsant.


Dir ging es also anders?
Zitat von GastB:
Schade, dass aus der harmlosen Erörterung eine so anstrengende wurde.


Was daran jetzt anstrengend war verstehe ich leider nicht.

Zitat:
Das Wort man so zu verwenden ist das Paradebeispiel für manipulative Kommunikation

In diesem Zusammenhang bedeutet das Wort für man, dass es Jeder für sich entscheiden kann. Dabei ist keine einzelne Person gemeint, (ich) sondern die Allgemeinheit. Die jeder für sich selbst bestimmen kann und darf.

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