crazy030
Bei mir fing es im Januar 2009 mit einer Panikattacke an und völlig überraschend beim Kochen in der Küche. Zu der Zeit war ich berufstätig, Single, nahm gerade seit wenigen Monaten Blutdrucktabletten und Betablocker (die ich nicht gut vertrug), in meiner Nachbarschaft gab es neue Nachbarn, die jede Nacht bis in den frühen Morgen Party feierten.
Wahrscheinlich war alles etwas zu viel und die Psyche meldete sich in Form von Panikattacken.
Das ging dann einige Monate und die Panikattacken wurden mehr und sie kamen überall. Auf Arbeit, in der U-Bahn (etc.), allein zu Hause, mit Besuch, einfach in jeder Situation. Es begann eine Art Ärztemarathon, inklusive 1 Woche Krankenhaus, 6 Wochen psychiatrische Tagesklinik und 2010 noch 8 Monate kleine Psychotherapie.
Internistisch wurde alles untersucht, ich bin körperlich gesund.
Ich will jetzt hier keinen Roman schreiben, weil es könnten Seiten werden mit Einzelheiten.
Sagen möchte ich aber ganz deutlich, was aus psychologischer Sicht meist standardmäßig empfohlen wird, half mir nicht, im Gegenteil. Mir ging es erstmal schon besser ohne Arbeit, so schräg das auch klingt, ist aber so. Ich hab mehr oder weniger immer gearbeitet, empfand es aber immer mehr als Last und weil man sich eben finanziell Wünsche erfüllen wollte etc. Selbst wenn es am Anfang Spaß machte, es wurde schnell öde.
Ich war eigentlich nie ein Stubenhocker, aber schon 2009 in der Tagesklinik redete die Psychologin ständig auf mich ein, ich soll (soll!) mir wieder eine Beziehung suchen, viel unternehmen etc. Das tat ich, keine Beziehung, aber halt viel unternommen, wie eben etwa alle 14 Tage Kino, wöchentlich 1-2 mal Restaurant, Zoo und halt sonstige Unternehmungen. Leute hatte ich in der Zeit auch neue kennengelernt.
Der Effekt war aber gegenteilig. Mir ging es nicht Stück für Stück besser, sondern immer schlechter, vermehrte Panikattacken etc., es ging in die depressive Richtung, Tinnitus etc.
Anfang 2010 dann in der Psychotherapie sagte dann die Psychologin nach einigen Sitzungen, sie kann es sich nicht erklären, warum ich Panikattacken hab, ich sei ein absolut untypischer Angstpatient. Nach 8 Monaten endete die Therapie und die Psychologin meinte, sie kann eigentlich nicht mal einen Bericht schreiben, weil sie auch nach 8 Monaten nicht wisse, was ich hab und warum. Kann man kaum glauben, ist aber so. Sie sagte nur noch, am ehesten kann es ein Tick von allem sein, also eine Priese Depression, einen Schuss Panikstörung und ein Stück Persönlichkeitsstörung. Aber nichts richtig. Im Prinzip war sie ratlos. Und es war keine Anfängerin, nein, sie war schon 15 Jahre in der Charité Berlin.
Dann sagte eine Psychiaterin noch zu mir, sie kann da auch nichts erkennen an Auslösern, jedenfalls nichts aktuelles und sie meinte, ob ich nun arbeiten gehe, ne super tolle Beziehung hätte, es würde wohl nichts ändern und aus ihrer Sicht liegt das Problem in der Kindheit, ob ich schon mal an ADHS dachte. Nö, meinte ich, holte mir dann aber über die Charité Berlin mal einen Termin.
Ich hatte dann 4 Termine und beim 5 Termin bekam ich das Ergebnis. ADS im Erwachsenenalter. Da war dann also die Sache mit dem Grund in der Kindheit. Und das führt dann eben unbehandelt im späteren Erwachsenenalter nicht selten zu Depression, Panikstörung, Zwangsstörung und mehr. Muss nicht, logisch, kann aber.
Auch wenn es zu der Thematik immer noch Zweifler gibt (sogar manche Ärzte), in meinem Fall ist es die einzige Erklärung für die Beschwerden und eigentlich für den ganzen Verlauf meines Lebens bisher. Wen es betrifft (selbst oder Kinder), ich kann nur sagen, man sollte es sehr ernst nehmen.
Darum brachte auch die Psychotherapie bei mir absolut nichts, weil die normalen Ansätze dort bei mir genau das Gegenteil bringen.
Die Panikattacken und das ist ja mit das Wichtigste, weil sie eben sehr beeinträchtigen, bin ich quasi los seit gut 1 Jahr schon. Und wie gesagt, es hat nichts mit Therapie zu tun. Medikamente hab ich auch nie wirklich genommen, ausser mal 6 Wochen oder testweise paar Tage etwas.
Ich hab es also eigentlich allein geschafft und will mal sagen, was ich für sehr wichtig halte:
- macht was euch gut tut, entscheidet selbst und lasst euch nicht unter Druck setzen
- nehmt die Panikattacken an und sagt euch immer wieder es ist nur im Kopf, mir passiert nichts, selbst, wenn die körperlichen Symptome es schwer machen
- versucht, euch wenig damit zu befassen, nicht täglich immer die selbe Leier im Internet etc., weg von solchen Diskussionen und wenn, dann nicht ständig
- nicht immer und immer wieder von Arzt zu Arzt rennen
- so schwer es auch fällt, NICHTS vermeiden. Also: Heute Panik im Bus, morgen gleich wieder fahren
- versucht es ohne Medikamente, aber man kann sich eine Art Krücke schaffen (Ich hab z.B. immer 2 Tavor dabei in der Hose/Pillenbox. Musste sie unterwegs etc. noch nie nehmen, aber sie zu haben, beruhigt. Ist quasi ein Placeboeffekt.)
- gebt der Sache Zeit, es kann dauern, bis es besser wird
- wenn es mal schlechter geht, dann verfallt nicht gleich wieder in alte Verhaltensmuster, also nicht gleich wieder nur im I-net mit Leuten zu dem Thema austauschen, nicht googeln etc.
- versucht, nicht alles auf Teufel komm raus zu ändern, sondern lernt, mit Situationen umzugehen (Das Leben ist nun mal nicht immer ein Kuschelzoo)
Mir hat es zumindest alles geholfen. Ich hab zwar noch einige Beschwerden und die würden auch ein AD notwendig machen, aber zumindest hab ich schon länger keine Panik mehr und das ist a schon viel wert.
Viel Erfolg.
28.05.2011 14:10 • • 29.05.2011 #1