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Selbst befriedigung

Unter Selbst befriedigung versteht man gemeinhin autosexuelle Fantasien und Handlungen, die darauf abzielen, Geist und Körper hinsichtlich sexueller Bedürfnisse Linderung zu verschaffen. Es steht außer Frage, ob ein solcher Vorgang dauerhaften, verlässlichen Frieden erzeugen kann. Die Notwendigkeit, derlei regelmäßig wiederholen zu müssen beweist vielmehr das exakte Gegenteil. Studien belegen zudem seit langem, dass guter Sex (also: für gut befundener Sex) meist dazu führt, ihn immer öfter praktizieren zu wollen. In der Sexualtherapie nennt man das wohl: Die Lust am Sex steigert sich.

Für den, der ein wenig hinter das vordergründig schöne Gefühl beim Sex hinausblicken und -verstehen möchte, sind die folgenden Betrachtungen gedacht.

Auch hier im Forum wird öfter über Selbst befriedigung, Por nokonsum, Partnersex etc. gesprochen. Sofort fällt auf, dass die Bewertung hierüber meist in Bezug auf das Befriedigungspotenzial der verschiedenen Sexvarianten stattfindet. Da wir hier allerdings den psychischen Kontext betonen, geht es bei uns natürlich nicht so sehr um Raffinesse bzw. maximalen Lustgewinn sondern um die Rolle unserer Sexualität hinsichtlich der Zufriedenheit mit unserem Leben bzw. Sozialleben. Viele sind z. B. der Ansicht, dass guter Sex ihr Leben bereichert. Manche behaupten gar, das Ende ihrer Libido wäre auch ihr Ende. Es mag sich überspitzt anhören, aber ich glaube, letztere Behauptung deutet auf eine ziemlich zutreffende Wechselwirkung hin.

Um nun den Fokus auf das m. E. Wesentlichere zu richten, möchte ich den Sex dahingehend relativieren, indem ich ihn lediglich als einen groben (und dementsprechend auffälligen) Versuch bezeichne, uns Befriedigung zu verschaffen. Jegliche Befriedigung setzt allerdings - und das wird gerne übersehen - einen gefühlten Mangel voraus: Wo kein Mangel herrscht, gibt es keinen dem Mangel dienenden Erleber desselben.

Und wer (oder was) ist dieser Erleber?

Ihn als Ich oder Wir zu bezeichnen liegt zwar nahe, jedoch dürfte jeder von uns schon die (Lebens-)Erfahrung gemacht haben, dass Ich keine klar umrissene und dementsprechend verlässliche Entität darstelle. Das Erleben selber ist zwar nicht widerlegbar aber der Erleber wandelt sich ständig. Und hier kommt das Ego ist Spiel: das Gefühl, jemand zu sein. Und mit Jemand ist ein stabiles Ich gemeint.

Das Ego speist sich jedoch aus den Sinneseindrücken, aus Gefühlen (die diese Sinneseindrücke beantworten), aus (Für-)Wahrnehmung, aus geistigen Gestaltungen und aus dem, was in der Folge als Bewusstsein interpretiert wird. Dieser ständige sich stets unterschiedlich gewichtende Mix führt dazu, dass ein Ich in der Welt erlebt wird - mit allen Konsequenzen, die damit einhergehen:

Wie ein Perpetuum mobile bedingen sich Ego und Welt nun gegenseitig. Das Eine kann nicht ohne das Andere sein. Auf dieser Wechselwirkung, auf dieser Ab- und Anhänglichkeit baut unser Leben letztendlich auf - ob wir das erkennen (wollen) oder nicht.

Die unmittelbare Folge daraus ist ein Gefühl der Verletzlichkeit. Nicht erst seit der Machtübernahme der Natur- und Geisteswissenschaften ist klar: Alles ist fragil, vergänglich, unstet. Anstatt sich jedoch mit diesen Tatsachen auseinanderzusetzen, folgt das Ego eigentlich ununterbrochen einem Wohlerfahrungssuchlauf bzw. einer Leidensfluchtneigung: wir versuchen, Angenehmes zu erleben (zu erschaffen) und Unangenehmes zu vermeiden (abzuschaffen). Der Antrieb unseres Lebens ist also, wenn man es recht bedenkt, ein purer Konflikt. Stets besteht Handlungsnotwendigkeit.

Sex ist, wie oben bereits erwähnt, nur ein ziemlich grobes Unterfangen, angenehme Gefühle zu erzeugen. Die Bandbreite im Bereich des Wohlerfahrens ist riesig: von fantastisch bis äußerst subtil kann Angenehmes erlebt werden. Das ist verlockend.

Auch das (vermeintliche!) Gegenteil, das Leidvolle, Unschöne - also Unangenehme - bietet dieses nahezu unermessliche Spektrum: von grausamen körperlichen und geistigen Scherzen bis hin zu lediglich leichter Unpässlichkeit bietet das Dasein eine reiche Palette an Unannehmlichkeiten. Das ist abstoßend.

Verlockung und Abstoßung, Wollen und Nichtwollen, Gier und Aversion, Liebe und Hass, Erfolg und Niederlage, Gewinn und Verlust, Ansehen und Verachtung - all diese Polaritäten bilden letztendlich das Ego. Es ist wie eine elektrische Spannung, die anliegt, um als Strom zu fließen bzw. ins Fließen zu kommen. Das Fließen steht hier sinnbildlich für das schlichte Erleben: Ich bin, Ich existiere.

Die allermeisten Menschen fügen sich in diese Polarität und sie spielen das Spiel mit - manche sogar gerne: Ich liebe das Leben. Andere entwickeln hingegen immer mehr Skepsis hinsichtlich dessen was allenthalben geradezu eingefordert wird: der Lebensfreude. Sie möchten nicht mehr leben, hassen es (oder sich) sogar.

Auch diese beiden Haltungen sind letztendlich nur Egovarianten. Die o. g. Wechselwirkung ist unverändert gleich: Der der sein will und der, der nicht sein will unterscheiden sich überhaupt nicht. Sie spielen in der selben (Ego)-Liga.

Selbst befriedigung ist ergo ein Widerspruch in sich. Ein Selbst, das Ego kann niemals befriedigt oder gar befriedet werden. Es ist also letztlich unerheblich, ob wir uns selbst befriedigen oder zusammen mit einem Partner - alles zielt nur auf eine Bestätigung des Egos ab. Und wird damit nie geeignet sein, Freiheit und damit Frieden zu erzeugen.

20.08.2024 06:46 • 20.08.2024 x 4 #1


4 Antworten ↓

Zitat von moo:
Selbst befriedigung ist ergo ein Widerspruch in sich. Ein Selbst, das Ego kann niemals befriedigt oder gar befriedet werden. Es ist also letztlich unerheblich, ob wir uns selbst befriedigen oder zusammen mit einem Partner - alles zielt nur auf eine Bestätigung des Egos ab. Und wird damit nie geeignet sein, Freiheit und damit Frieden zu erzeugen.


Das ist deine persönliche Sichtweise und unabhängig davon ob ich die teile oder nicht, ist (zumindest mir) unklar, was du möchtest. Möchtest du eine Diskussion und einen Austausch zu diesem Thema, d.h. interessiert es dich wie andere über dieses Thema denken? Oder ist das eine Kritik an der Gesellschaft und konkret an den Menschen, die sich selbst befriedigen. Oder ist es eine allgemeinere d.h. über die SB hinausgehende Kritik worauf u.a. das Zitat unten hindeutet und was wäre dann deiner Meinung nach die richtige Ansicht um nicht in derselben „(Ego)-Liga” zu spielen?

Zitat von moo:
Die allermeisten Menschen fügen sich in diese Polarität und sie spielen das Spiel mit - manche sogar gerne: Ich liebe das Leben. Andere entwickeln hingegen immer mehr Skepsis hinsichtlich dessen was allenthalben geradezu eingefordert wird: der Lebensfreude. Sie möchten nicht mehr leben, hassen es (oder sich) sogar.

Auch diese beiden Haltungen sind letztendlich nur Egovarianten. Die o. g. Wechselwirkung ist unverändert gleich: Der der sein will und der, der nicht sein will unterscheiden sich überhaupt nicht. Sie spielen in der selben (Ego)-Liga.

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Selbst befriedigung - Befriedung des Selbst?

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Ich würde es nicht ganz so psychologisch betrachten und auf das Ego beziehen.

Es fehlt das animalische, triebhafte, die grundlegende Konditionierung der Existenz auf Fortpflanzung.

In diesem Zusammenhang ist interessant, dass auch Tiere sich selbst befriedigen.
Warum machen die das?

National Geographig schreibt zu diesem Thema über eine Studie aus England, die im Fachjournal Proceedings of The Royal Society B veröffentlicht wurde.
Dabei sind Forschende nun dem Ursprung der SB auf den Grund gegangen. Das überraschende Ergebnis: Sie erfüllt einen evolutionären Zweck.

Es gibt da 2 Theorien.
Sb ein Männchen direkt vor dem Sex ohne zu ejakulieren, steigert es so seine Erregung und vollzieht anschließend den Paarungsakt schneller. Das ist vor allem von Vorteil für Tiere, die nicht ganz oben in der Rangordnung stehen: Sie werden beim Sex oft von Rivalen unterbrochen bevor sie zum Samenerguss kommen und das Weibchen befruchten können. Für sie gilt: Je schneller der Akt vollzogen ist, desto besser.
Die These besagt außerdem, dass Sb mit Ejakulation männlichen Primaten hilft, minderwertiges Sper. auszuscheiden – und das erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Befruchtung.

Die Studie zeigt außerdem, dass männliche Sb mit einer hohen Belastung durch sexuell übertragbare Krankheiten einherging. Das stützt nach Angaben der Forschenden die „Pathogen-Vermeidungs-Hypothese“. Diese geht davon aus, dass männliche Sb das Risiko einer Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit nach der Kopulation verringert, weil das Ejakulat die Harnröhre durchspült.

Wenig neue Erkenntnisse konnten die Forschenden unterdessen zum Thema weibliche Sb liefern. Sie komme zwar häufig vor, für aussagekräftige Statistiken fehlen jedoch schlicht Daten über das Sexualverhalten weiblicher Tiere.

Letztlich sind Menschen auch Primaten und diese ganze Ego-Kopfsteuerung kam wohl erst mit der Intelligenzentwicklung der Menschwerdung dazu.

Wenn man sich so allgemein mit anderen unterhält, dann wird als Grund meist Mangel an geeigneten Sexualpartnern genannt, man findet niemanden oder der vorhande Partner, kann aus diversen Gründen nicht seinen Beitrag dazu leisten, deshalb ja auch die Bezeichnung Ersatzbefriedigung.
Es bringt auch zum Ausdruck, dass man, für einen mehr oder weniger langen Zeitraum seinen Frieden mit seinem Sexualtrieb findet.

So empfinde ich es jedenfalls.

Zitat von Chris_ohne_BBBB:
Das ist deine persönliche Sichtweise

Ich denke, in einem Forum äußert jeder seine (aktuell) persönliche Sichtweise. Sicherheitshalber befindet sich jedoch schon seit längerem auf meinem Profil ein entsprechender Disclaimer.

Zitat von Chris_ohne_BBBB:
Möchtest du eine Diskussion und einen Austausch zu diesem Thema, d.h. interessiert es dich wie andere über dieses Thema denken?

Es ist mein Beitrag zur Begrifflichkeit und erweiterten Verständnismöglichkeit der SB. Dies wie immer mit dem Anspruch, durch einen etwaigen nachfolgenden Austausch Einsichten auf beiden Seiten zu provozieren bzw. zu vertiefen.

Zitat von Chris_ohne_BBBB:
Oder ist es eine allgemeinere d.h. über die SB hinausgehende Kritik worauf u.a. das Zitat unten hindeutet und was wäre dann deiner Meinung nach die richtige Ansicht um nicht in derselben „(Ego)-Liga” zu spielen?

Nicht oder sondern auch, ja. Allerdings habe ich den Begriff Liga wohl etwas unglücklich gewählt, denn er suggeriert für gewöhnlich Auf- und Abstiegsmöglichkeiten... Hier wären wir bereits wieder im dualen System (Gewinn und Verlust, s. o.), also ligenintern .

Es geht mir auch nicht um richtige oder falsche Ansichten sondern um das Prinzip Ansichten generell.

Zitat von Logo:
Ich würde es nicht ganz so psychologisch betrachten und auf das Ego beziehen.
Es fehlt das animalische, triebhafte, die grundlegende Konditionierung der Existenz auf Fortpflanzung.

Ich würde die grundlegende Konditionierung der Existenz auf Fortpflanzung als durchaus psycho-logisch bezeichnen. Körper und Geist wirken wechselseitig. Insofern stellt dieser Trieb die gefühlte Notwendigkeit der Selbst-Bestätigung und Selbst-Erhaltung dar. Nur ein Selbst will sich fortpflanzen (und dergestalt erhalten bleiben).




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