Servus @hereingeschneit ,
herzlichen Dank für Deine Gedanken hierzu. Ich möchte allerdings schon meinen, dass Gefühle dem geistigen Aspekt des Erlebens zuzuordnen sind.
Zitat von hereingeschneit: Welche Gefühle weckt das Umfeld in mir. Heilsam oder Unheilsam.
Gehe ich dann richtig in der Annahme, dass Du unter heilsam die Erzeugung
angenehmer Gefühle und unter unheilsam die Erzeugung
unangenehmer Gefühle verstehst?
Wenn(!) dem so ist, dann akzeptierst Du jedoch das
Diktat Deiner Gefühle und bist idF deren Spielball, indem Du so lebst, dass Du angehme Gefühle erzeugst und unangenehme Gefühle vermeidest... Also: voll drin im Sturm und Drang
Auch über die komplette geistige Komponente des Erlebens habe ich einen etwas längeren Text verfasst. Hier wird insbesondere den Gefühlen besonderes Augenmerk geschenkt. Wenn Du mal viel Zeit und Muße hast...(den Part A. kannst Du eigentlich überspringen, aber ich habe ihn der Vollständigkeit halber mit eingefügt):
A. Körper (Form, Materie)Was macht einen Menschen materiell aus? Wieviel kg brauche ich, um mich gut zu fühlen? Woraus besteht mein Körper?
Ist der Frühstücksbrei da ein Teil von mir oder erst, wenn ich ihn gegessen habe? Gehe ich ins Kino oder gehen da auch meine Hose, meine Socken, der Darm- und Blaseninhalt mit oder blieben letztere daheim auf'm Klo? Bin ich
weniger nach einer Amputation des Armes? Bin ich mein Gehirn oder das Blut das es versorgt?
Egal ob man en gros oder im Detail hinschaut: Eine
feste Grenze oder Ort ist
nicht auszumachen.
Gehört mir vielleicht aber der Körper? Kann ich ihn steuern nach Belieben? Ihn gesund sein lassen nach Belieben? Kann ich seine Lebensdauer nach Belieben verlängern?
Ist es nicht eher so, dass der Körper alles andere als autonom existent ist und ich
ihm offenbar ausgeliefert bin? Der Körper funktioniert weitgehend ohne jeglichen Einfluss seines Eigentümers.
Bin ich deswegen also frei, unabhängig vom Körper? Mitnichten...
Sind
wir also im oder der Körper oder sind wir außerhalb oder beides oder weder-noch?
Wie beständig und unabhängig ist der Körper? Wie lange bleibt er physikalisch lebendig ohne Sauerstoff, Atmung, Blutdruck, Nahrung, Flüssigkeit, UV-Strahlung?
Je genauer wir den Körper betrachten umso klarer wird seine
unpersönliche, vergängliche, abhängige Natur. Können wir uns auf ihn wirklich als unseren Körper verlassen?
Ich glaube nicht! Und deshalb zeugt es eher von
natürlicher Weisheit, wenn wir uns zumindest unterschwellig stets
Sorgen wegen dem Körper machen. Wir haben ihn einfach nicht in der Gewalt und das
ängstigt uns.
Die o. g. Körpernatur ist der erste
existenziell-erkennbare Grund für Angst, Unsicherheit, Sorge - kurz: für Leiden.
Wir leiden aufgrund des Körpers, der wir normalerweise (!) meinen, zu sein.
Das Leiden würde weniger, wenn wir schlicht die o. g. direkt erlebbaren Fakten
sehen und akzeptieren.
B. GeistDem Geist wird sowohl in der Philosophie als auch in den Religionslehren deutlich mehr Aufmerksamkeit zuteil. Ist ja auch sinnvoll, denn wenn ich über etwas rede, das Raum und Zeit überdauern soll, muss ich mich sehr bald vom Körper abwenden.
Ich möchte, um es gleich vorwegzunehmen,
das unabhängig existierende Ich als Illusion, als entscheidenden Verblendungs- und Leidensfaktor bezeichnen. Nichts destoweniger ist diese Illusion aber
vorhanden. Genau deshalb ist eine Diskussion über das Ich-Gefühl so schwierig.
Eine gute Möglichkeit besteht allerdings darin, unser Ich-Erleben aufzudröseln in seine (fünf) Bestandteile oder Faktoren:
1. Sinnesorgane und das jeweilige Bewusstsein:
Man kann mit den Augen etwas erblicken, aber zum Sehen gehört das (dahinterstehende) Sehbewusstsein.
Gleiches gilt für Hören, Riechen, Schmecken, Tasten (Berühren) und - Denken.
Zu einem Sinneskontakt der seinen Namen auch verdient, gehören also jeweils drei Komponenten: Objekt, Sinnesorgan, Sinnesbewusstsein.
2. Gefühle
Die Gefühle sind ein so entscheidender Faktor, dass wir ihn später eingehender betrachten müssen. Hier genügt vorerst die Feststellung, dass es
zwei verschiedene Gefühle gibt: Angenehm und Unangenehm. Die Emotionen sind hier nicht einzuordnen, denn sie sind bereits Produkte der Ich-Illusion. Eng verbunden mit den beiden Gefühlen sind die jeweiligen automatischen und zumeist unbewussten
Bewertungen (angenehmes Gefühl = gut / unangenehmes Gefühl = schlecht).
3. Wahrnehmung
Wahrnehmung bestimmt bzw. identifiziert alles, was über die Sinneskontakte in den Geist gelangt. Sie stellt Bezüge her, Kategorien und ist bereits durch die o.g. Bewertungen vorgefärbt! Ebenso wie die Gefühle ist die Wahrnehmung ein
dualisierender Faktor - keine Instanz! Sie teilt ein (innen, außen, Ich, Welt, meins, gut, schlecht etc.) und grenzt aus. Sie be-stimmt: Erhebt die Stimme über die Dinge.
4. Gestaltungen
Gestaltungen sind der aktiv agierende und vor allem reagierende Faktor. Sie bilden Meinungen, Überzeugungen; schmieden Pläne, setzen Perspektiven. Hier entstehen vor allem auch die
Grundtendenzen des Menschseins:
Das Wollen und das Nicht-wollen.5. Bewusstsein
Wie der Name schon sagt, ist dies die
Bewusstheit, zu sein. Es ist jener Faktor, dem die meisten Menschen (auch Wissenschaftler und Philosophen, Mystiker und Schriftgelehrte) seit langem die Heimat oder gar feinstoffliche Substanz des Ichs, des Geistes, der Seele etc. zuordnen.
Ich bin! sagt sich das Bewusstsein, doch faktisch ist das Bewusstsein ein letztlich
unpersönliches Ergebnis aus den anderen vier mentalen Faktoren und sogleich Treibstoff bzw. Baumaterial für das
unaufhörliche Weiterzusammenwirken sämtlicher Faktoren. Das Bewusstsein ist der perpetuumobilisierende Aspekt des Daseins.
Das sind also die beiden Bereiche, in denen das Ich zu suchen wäre: Körper und Geist.
Schon bei oberflächlicher Betrachtung dürfte auffallen, dass es aufgrund der ständigen Bewegung und Veränderung beider Bereiche sehr schwierig sein dürfte, ein
eigenständiges, unabhängiges Ich, ein Selbst, eine Seele auszumachen.
Trotzdem kann nicht von der Hand gewiesen werden,
dass Ich-Erleben stattfindet!Ich möchte darauf hinaus,
dass es dieses Ich-Erleben ist, welches als Selbst missinterpretiert wird und somit unser menschliches Leid erschafft und endlos am Laufen hält.Um nun ein Gespür für das Entstehen und Aufrechterhalten der Ich-Illusion zu bekommen, betrachten wir nun eingehender das Ineinander-Wirken und Gegenseitig-bedingen dieser
Fünf Geistes-Faktoren:
1. Sinneskontakt
2. Gefühle
3. Wahrnehmung
4. Gestaltungen
5. Bewusstsein
Obwohl sie nummeriert sind, ist es
kein chronologischer Ablauf der hier stattfindet. Wir neigen dazu, ein Schema oder eine Struktur erkennen zu wollen. Das ist hier schlechterdings unmöglich. Es ist vielmehr eine Art gleichzeitige Verflechtung oder besser Verfilzung. So wie beim Filzen aus einzelnen Fasern z. B. ein Tassenuntersetzer entsteht, wird aus den 5 Geistesfaktoren ein Ich, ein Selbst
ge-wirkt (- von Wirken!).
(Wir dürfen hier nicht den typisch menschlichen Fehler machen, sofort zu fragen: Von
wem denn gewirkt? Diese automatische Reaktion entspringt bereits wieder der Ich-Illusion (ich nenne sie ab hier mal der Einfachheit halber das Ego). Das Ego kann gar nicht anders, als von einem Zentrum - nämlich sich selbst - auszugehen).
Aufgrund dieser Verflechtung kann man seine Untersuchung an fast jedem beliebigen Faktor (1.- 5.) beginnen, denn wie bei einem Hologramm wird sofort die Wechselwirkung ersichtlich. Jeder Faktor wirkt auf die anderen ein und wird gleichzeitig von ihnen beeinflusst.
Da die Gefühle (2.) den Bereich darstellen, an dem bei der Geistesarbeit
echte Veränderungen erreicht werden können (und müssen), fange ich mal dort an.
Im folgenden Beispiel werde ich nun immer die jeweiligen Faktoren nummerieren, damit es übersichtlich bleibt:
Irgendeine Behauptung eines Bekannten (1.) löst einen Gedanken (1.) bei uns mit aus. Denken (4.) und Gedanken (1.) sind zwei verschiedene Dinge - nichtsdestotrotz gehen sie Hand in Hand. Diese Unterscheidung ist wichtig für das Verständnis der Geistesfunktion. Am Denkvorgang (4.) sind neben den Gedanken(objekten) (1.) idR immer auch Gefühle (2.) und damit verbundene Bewertungen (3.) beteiligt. Ebenso bilden und verändern sie die Wahrnehmung (3.) und das Bewusstsein (5.).
Das Bewusstsein (5.) beinhaltet u. a., dass sich irgendeine Sache (1.) so und so verhält - es wurde eine Meinung (3.) gebildet welche für richtig (3.) gilt.
In Wirklichkeit ist aber diese Meinung rein subjektiv - sie hat mit der objektiven Lage der Dinge überhaupt nichts zu tun.
Obgleich der letzte Satz bestimmt einleuchtet, verhält sich das Bewusstsein (5.) völlig anders, da nämlich die
Gefühle (2.) nun ihren großen Auftritt haben: Im Fall von gegensätzllichen Behauptungen anderer entstehen (automatisch und unbewusst) Gefühle (2.) unangenehmer Art (das Ego fühlt sich bedroht). Hingegen im Fall von bestätigenden Äußerungen von außen entstehen (ebenfalls automatisch und unbewusst) Gefühle (2.) angenehmer Art (das Ego fühlt sich bestätigt).
Unmittelbar mit den Gefühlen (2.) entstehen die o. g. Bewertungen (3.).
Gefühl bedingt automatisch Bewertung! Unsere (Für-)Wahrnehmung (3.) ist bereits von diesen Bewertungen (3.) gefärbt und somit alles andere als neutral oder objektiv. Das alles ist der
passive und idR
unbewusste Part des Vorgangs.
Der
aktive Part sind - und jetzt kommt´s - oftmals sogar
bewusste Reaktionen (4.). Diese Reaktionen (4.) können in dreierlei Gestalt erfolgen: Erneutes Denken, Rede und/oder Taten. Sie kann mehrgestaltig auftreten, aber niemals ohne Denken.
Wenn man nun ganz genau hinschaut, erkennt man dass diese Reaktionen (4.) eigentlich eine Art Kompensations- oder Zwangshandlung (4.) darstellt. Wir wollen (müssen!) (4.) uns dazu äußern. Das ist auch der Grund, weshalb viele Psychologen sagen dass wir unserer Meinung Luft machen sollen indem wir sowohl verbal als auch körperlich Klartext reden. Das Bewusstsein (5.) ist also eigentlich ständig
getrieben! Getrieben von was? Von den Sinneseindrücken (1.) und der unbewussten, passiven, automatischen (internen) Beantwortung durch Gefühl (2.), Bewertung (3.) und Gestaltungen (4.). Und dies seit anfangslosen Zeiten, wie wir später noch besprechen werden.
Das Ego setzt sich aus diesem o. g.
unbewussten Ablauf zusammen.
Aus diesem unbewussten Wirkens-Komplex entsteht das Ego. Es ist ein Nebenprodukt dieses Vorgangs und nährt und erhält sich selbst durch ständige Wiederholung. Das ganze Erleben ist durch das Ego Ich-gefärbt, die Welt wird ins Verhältnis zum Ich gesetzt,
alles wird vermeint. Hier liegt das ganze Problem begründet.
Aus diesem Ich-Bewusstsein heraus leben wir unser (vermeintliches) Leben, bilden unser Weltbild, unseren Glauben, politische Überzeugungen, ethische Einstellungen etc.
Ein deutscher Buddhist der alten Zeit (Paul Debes) nannte das Ego auch programmierten Wohlerfahrungssuchlauf. Denn das Ego will immer bestätigt werden. Es will angenehme Dinge erfahren und unangenehme Dinge loswerden. Und das deswegen, weil der o. g. Ablauf unbewusst erfolgt. Diese drei Fakten nennt man im Dhamma (die Buddha-Lehre) lapidar Gier, Hass und Verblendung.
Man darf nun nicht der Ansicht verfallen, dass diese 5 Geistesfaktoren irgendwie an sich unheilsam sind. Es sind lebensnotwendige Werkzeuge, denen wir uns bedienen müssen.
Den Unterschied zwischen angemessener und unheilsamer Handhabung macht jedoch das Wissen über deren Wirken.Mir ist bewusst, wie trocken und theoretisch das vielleicht zu lesen ist. Aber man kann dies bei nahezu jeder Regung des Geistes mal nachprüfen, wie frei denn unsere Aktionen (besser: Reaktionen) in der Regel sind.
Von der existenziellen Notwendigkeit abgesehen, ist ein Verständnis der Geistesfaktoren eigentherapeutisch m. E. äußerst wertvoll hinsichtlich Ängsten, Phobien, Zwängen, Traumen, Depressionen etc. Derlei Krankheiten sind nichts anderes als (sichtbare)
pathologische Entwicklungen des Egos. Von Schuld kann man hier jedoch nicht sprechen. Es spielen m. E. auch karmische Entwicklungen mit rein. So komplex bei vielen von uns die Gemengelage sein mag: Eine Veränderung kann (!) bewirkt werden!