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@Kruemel_68 auch von mir mal ein liebes Dankeschön für deinen Post und die Beiträge hier.
Auch ich erkenne mich in vielem wieder, auch dass mir dieses „den Körper mitnehmen“ am meisten hilft.
Aber auch, dass ich zwar schon kleine Schritte gemacht habe, aber noch einen weiten Weg vor mir habe.
Liebe Grüße und danke

Zitat von WayOut:
@Kruemel_68 auch von mir mal ein liebes Dankeschön für deinen Post und die Beiträge hier. Auch ich erkenne mich in vielem wieder, auch dass mir ...

Oh, dass ist ja lieb von Dir

Ich möchte heute mal wieder ein Update von mir posten – und ich denke, diesmal wird es das letzte sein. Ich bin jetzt schon relativ weit gekommen auf meinem Weg und ich merke, dass mir das Forum nicht mehr wirklich guttut, da es mich gedanklich immer wieder in Themen zurückzieht, die für mich nicht mehr relevant sind. Und ich habe auch das Gefühl, dass die meisten hier mit der Art meiner Therapie nicht wirklich etwas anfangen können. Es nervt mich auch sehr, dass hier immer wieder verzweifelt nach ultimativen „Tipps und Tricks“ gesucht wird, um schnell wieder ins alte Leben zurückkehren zu können – aber die wenigsten sind bereit, wirklich etwas dafür zu tun oder sich seinen Dämonen zu stellen. Und wenn man sich dann die Mühe macht, und eine ausführliche Antwort verfasst, kommt oft gar nichts mehr zurück oder nur ein „Das wirkt bei mir nicht“, ohne überhaupt weiter darüber nachgedacht zu haben. Ich glaube ganz fest daran, dass jede Depression und jede Angst- und Panikstörung eine Ursache hat, die tief in jedem von uns begraben liegen. Diese Erkrankungen kommen nicht plötzlich, und auch Panikattacken kommen nicht einfach so aus dem Nichts. Aber ich schweife ab.

Meine Therapie lief in 2023 sehr gut, aber ich bewegte mich in immer dem gleichen „Sch.weinezyklus“ – mir ging es durch ein äußerliches Ereignis wieder schlechter, ich drehte mich da richtig rein, mein Therapeut pulte mich mit einer neuen Atem-, Energie- oder Wahrnehmungsübung da wieder raus, ich war begeistert, war innerhalb einer Therapiestunde symptomfrei, konnte das ein paar Tage halten, dann bröselte das Leben wieder rein und ich rutschte wieder langsam den Berg runter, da ich (glaubte ich) allein zu Hause den Zustand nicht halten konnte. Wenn mein Therapeut dann mal zwei oder drei Woche nicht da war, weil er einen Kurs abhielt oder in Urlaub war, eskalierte es bei mir komplett. Die Themen aus meiner Vergangenheit, meine Glaubenssätze und Druckmuster etc. hatten wir zu dem Zeitpunkt alle bearbeitet.

Bis er mich eines Tages komplett auf den Poller laufen ließ. Ob mir eigentlich klar sei, dass meine Seele wieder mit sich im Reinen und zufrieden sein, da ich bereit und mutig genug gewesen sein, wirklich überall hinzuschauen. Das es jetzt nur noch der Zensor in meinem Kopf sei, der mich immer wieder zurück in die alten Muster zieht.

Ich hatte das Gefühl, als klatschte ich mit 180 frontal gegen eine Wand. Ich hatte doch reale Symptome, mir ging es wirklich schlecht. Das war doch nicht alles eingebildet! „Nein,“ meinte er, „natürlich bilden Sie sich das nicht ein. Und ich nehme auch wahr und glaube Ihnen, dass es Ihnen schlecht geht. Aber Sie müssen jetzt den Fokus verschieben. Sie kennen jetzt X verschiedene Tools und Möglichkeiten, um Ihr vegetatives Nervensystem runterzuregulieren, sich Erholung zu verschaffen und zu beruhigen. Aber jetzt geht es nicht mehr ums Beruhigen. Sie haben einen überkritischen, perfektionistischen und extrem starken Denker im Kopf. Der hat bei Ihnen das Sagen und sitzt am Steuer. Sie können noch so stark dagegen arbeiten – wenn der sagt, sie packen das nicht, dann packen Sie das nicht. Deshalb müssen Sie jetzt Ihren Fokus darauf legen, den Denker auf den Beifahrersitz, oder noch besser auf den Rücksitz zu verbannen. Sie können ihn nicht abstellen, aber sie können ihn leiser drehen. Indem Sie sich vertrauen. Indem Sie Ihre innere Klarheit wiederfinden. Indem Sie ihm sagen: „Ich habe das jetzt so entschieden“, indem Sie nicht ständig mit ihm diskutieren. Je weniger klar sie mit sich selbst sind, desto mehr Symptome werden sie quälen.“

Ich war erst ziemlich wütend. Und baff. Und es dauerte ein paar Wochen, bis ich bereit war, diese neue Marschrichtung mitzugehen. Aber tief in mir drin wusste ich, dass er Recht hat. Ich hatte es ja schon mehrfach beim Absetzen vom Mirtazapin gesehen. Ich kroch, gebeutelt von krassen Absetzsymptomen über seine Türschwelle, überzeugt, direkt in die Psychiatrie zu müssen. Er leitete mich in einer Energieübung an und ich verließ sein Haus völlig entspannt und symptomfrei. Ich übte zu Hause weiter, und nach spätestens zwei Tagen pirschten sich die Symptome wieder an. Einen klareren Beweis gibt es ja eigentlich nicht.
Im Januar 2023 war ich mit dem Absetzen vom Mirtazapin durch und ich schluckte meine letzte Dosis am 11. Januar. Stolz wie Bolle feierte ich das mit meinem Therapeuten richtig ab und schob ihm als Symbol für meinen Sieg meine übrig gebliebenen Tabletten über den Tisch. Um dann 14 Tage später komplett abzurauschen wie noch niemals zuvor. Der Rebound war mörderisch. Ängste, Durchfall, Blasendruck, Kopfschmerzen, Magenschmerzen, Übelkeit, Schwindel, brennende Schmerzen im Rücken, motorische Unruhe. Mein Schlaf verabschiedete sich endgültig – ich hatte das Gefühl, ich werde überhaupt nicht mehr müde. In diese Phase fiel auch noch, dass ich in Kurzarbeit musste sowie das Studienende und berufliche Neuorientierung von meinem Sohn. Das Ganze zog sich dann noch über mehrere Wochen hin, in denen zusätzlich auch noch mein Therapeut über mehrere Wochen am Stück nicht da war und somit meine letzte Rettungsleine entfiel.

Irgendwann im März kroch ich nur noch über seine Türschwelle und brach in der Therapiestunde komplett zusammen. Die Tränen brachen aus mir raus wie aus einem Vulkan. Ich hatte bis zu dem Zeitpunkt noch nie in der Therapiestunde geweint. Jetzt konnte ich gar nicht mehr aufhören. In dieser Stunde machte mir mein Therapeut klar, was mir immer wieder die Füße weghaut. Ich genüge nicht. Niemals. Nicht mit Medikament und nicht ohne. Nicht mit weniger und nicht mit mehr Kilos auf den Rippen. Sobald ich mich ein bisschen aufgerichtet und den Kopf wieder ein Stück über der Tischpatte hatte, zog mich das, was mir mein Vater eingetrichtert hatte, wieder runter. Du bist nicht gut genug. Du hat so zu funktionieren, wie ich das will. Nach drei Jahren Therapie muss es Dir doch wohl endlich mal besser gehen (das kam immer wieder von meinem Mann). Plus das Rollenbild der Frau, das meine Mutter mir eingetrichtert hatte – immer schön brav sein, sich bis zur Erschöpfung für andere aufopfern, alles runterschlucken und bloß keine eigene Meinung äußern – Modell „Teflonpfanne“.

„Sie müssen da jetzt endlich über Bord schmeißen“, sagte mein Therapeut. „Sie müssen begreifen, dass sie so sein dürfen, wie sie sind. Ja, sie wissen gerade keinen Ausweg. Müssen Sie auch nicht. Sie dürfen krank, schwach und mutlos sein. Und die anderen sollen und müssen Ihnen da beistehen und sie müssen sich nicht erklären. Sie dürfen sich anderen zumuten, so wie Sie sind. Und das ist der Druck, der sich in Ihnen mehr und mehr aufbaut. Sie können diesen nur auf eine Weise rausnehmen – indem Sie Ihre Emotionen zulassen. Sie haben sich immer im Griff. Heute haben Sie es zum ersten Mal zugelassen, dass Ihre Emotionen die Überhand nehmen. Ich warte jetzt schon seit ein paar Wochen, dass Sie an diesen Punkt kommen. Diesen Druck, den das auf uns macht, kann man natürlich auch chemisch mit Medikamenten plattmachen. Die meisten entscheiden sich dann irgendwann dafür, lebenslang ein Medikament einzunehmen, weil dieser Druck schwer aushaltbar ist und sich x. anfühlt. Aber wenn man da einmal durch ist, ist man durch. Und Sie sind jetzt durch. Der Deckel ist vom Vulkan geflogen, jetzt gehen wir in die Feinarbeit.“

Um es abzukürzen – das war ein weiterer, entscheidender Wendepunkt. Es gab dann noch viel Auf und Ab. Viele Schleifen die ich gedreht habe. Es war kein linearer Weg da raus. Er verlief in Schlangenlinien und vielen Windungen. Aber es wurde sukzessive besser. Schrittchen für Schrittchen.

Der nächste entscheidende Wendepunkt kam dann im Sommer. Da ließ mich mein Therapeut das nächste Mal auf den Poller laufen. Er sagte in einer schwierigen Phase mehrere Termine ab, so dass ich für längere Zeit auf mich allein gestellt war. Ich bin fast ausgerastet, vor allem, als er mir anschließend sagte, dass er das bewusst gemacht hatte, weil er im Vorfeld wusste, dass mir zu Hause eine schwierige Phase bevorsteht. Er hatte meinen Fall in der Supervision besprochen, und die andere Therapeutin war der Ansicht, dass ich auf jeden Fall soweit sei, um das Fliegen zu lernen. Dann kommt die Phase, in der der Therapeut den Patienten wie ein Adlerküken aus dem Nest schubst. Die Unterstützung wird zum großen Teil eingestellt, die alten Muster und das Jammertal wird nicht mehr vom Therapeuten unterstützt. Da das Küken niemals von selber das Nest verlässt, muss es geschubst werden.

Ich war noch nie in meinem Leben so wütend. Wie konnte er nur? Da ich in meinem bisherigen Leben niemals Wut, Ärger und Zorn zugelassen hatte (das könnte ja zu Streit und Trennung führen und dazu, dass man nicht mehr geliebt wird), überrollten mich meine Emotionen. Ich rannte wochenlang wie Rumpelstilzchen durch die Gegend. Die beiden Lernschritte waren zum einen, dass ich mehr Selbstvertrauen in mich und meine Fähigkeiten bekomme und dadurch die erhöhte Position, in die ich meinen Therapeuten gehoben hatte, auf Augenhöhe angleiche – und zum anderen, dass ich im geschützten Rahmen der Therapiestunde lerne, Wut zuzulassen und vor allem auch zu thematisieren und anzusprechen. Und dann zu lernen, dass nichts Schlimmes passiert. Und das sozusagen als Übung und Blueprint nutzen kann, um auch mal mit meinem Mann in die Konfrontation gehen zu können. Und mein Therapeut machte mir klar, dass ich eigentlich nicht auf ihn wütend bin – sondern auf meinen Vater, der mir diese toxischen Muster ungefragt aufgedrückt hat. Dass ich nichts dafür kann, dass ich so bin wie ich bin. Dass ich nicht zu blöd oder zu doof bin für diese Welt, sondern dass andere die Wichen für mich gestellt haben. Puh, das waren wirklich harte Wochen.

Aber ich habe auch gemerkt, wieviel Kraft in der Emotion „Wut“ liegt und wie man sie nutzen kann. Dass es nicht gut ist, in ihr zu versinken und sich da reinzudrehen, sondern dass man sie nutzen kann, um alte Muster loszulassen, Menschen oder Situationen einfach mal innerlich den Mittelfinger zu zeigen, mit alten Mustern abzuschließen und neue anzulegen. Und dass es bei mir in wichtigen Situationen einfach diese Eskalationsstufe braucht, damit ich was ändere. Sonst komme ich nicht in den Quark.

Seit September dieses Jahres merke ich, dass viele Dinge wieder besser funktionieren. Dass meine Blase und mein Darm plötzlich nicht mehr spinnen, wenn ich unterwegs bin. Dass ich ein für mich ungewohntes Vertrauen in mir spüre: „Du schaffst das schon!“ Ich kann immer besser einordnen, was mir gerade wieder die Füße weghaut und wie ich gegensteuern kann. Und mit diesem Pfund im Rücken kann ich jetzt in die Konfrontation gehen und die Angst vor der Angst bekämpfen, die jetzt in bestimmten Situationen noch da ist. Das muss ich jetzt einfach üben – immer und immer wieder.

An dem Punkt „Vertrau Dir! Steh zu Dir und dem, was Du bist!“ hänge ich noch heute fest. Das umzusetzen ist wirklich schwierig. Aber ich merke, wie ich langsam ein anderer Mensch werde. Dass ich mich mehr mag. Dass ich mich mehr akzeptiere, auch wenn ich nicht funktioniere. Dass ich besser Grenzen setzen kann. Dass ich mir mittlerweile wichtiger bin wie andere. Dass meine Emotionen langsam wieder zurückkommen und ich mir auch erlaube, wütend oder zickig zu sein.

Und, das Wichtigste, dass ich endlich lerne, meinen Mann einzugrenzen, der unbewusst in die Schneisen reingrätscht, die meine Eltern geschlagen haben. Er selbst ist absolut nicht bereit, seine Druckpunkte anzuschauen – ich glaube, er weiß noch nicht einmal, wo die liegen. Aber er nutzt mich, um seine Druckmuster zu regulieren. Und lastet mir damit einen unglaublichen Druck auf. Seit ich dieses Muster durchschaut habe, kann ich besser darauf reagieren – wenn ich es ihm gegenüber auch noch nicht benennen kann. Ich steige auf diese Spielchen nicht mehr ein und gebe ihm damit die Verantwortung für sich selbst zurück. Das ist eine unglaubliche Entlastung.

Und in dem Maße, wie ich mit Zug um Zug aus den alten „Strickmustern“ befreie, geht auch meine motorische und innere Unruhe zurück und ich kann tendenziell wieder besser schlafen. Wie gesagt, es ist kein linearer Weg und es gibt immer mal wieder schlechte Phasen. Aber sie ziehen mich nicht mehr komplett runter. Im Moment z.B. habe ich drei Wochen Urlaub plus die Feiertage – eine Kombination, die mich bisher immer mit 100%iger Sicherheit zum Absturz gebracht hat. Jetzt weiß ich warum, und ich kämpfe seit zwei Wochen darum, nicht wieder abzustürzen, weil ich jetzt weiß, wie ich es anders machen kann. Ich nehme Tag für Tag, und es läuft bis jetzt ganz gut. Nicht perfekt, aber aushaltbar. Das ist schon ein großer Erfolg für mich.

Und auch das ist ein Tipp oder Trick oder wie immer man es nennen will – einen Minischritt nach dem anderen zu gehen. Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht. Und mit einem Seepferdchen-Abzeichen kann man nicht den Ärmelkanal durchschwimmen. Das braucht sehr, sehr viel Geduld, Verständnis und Akzeptanz für sich selbst. Das ist wahrlich nicht einfach.

Aber es funktioniert. Man kann da rauskommen. Vielleicht nicht zu 100%. Aber doch so, dass man ein gutes und zufriedenes Leben führen kann. Und das wünsche ich auch allen hier für das neue Jahr und die, die darauf folgen. Gebt Euch nicht auf, glaubt an Euch, habt den Mut, Euren Dämonen auf den Grund zu gehen und sie zu entlarven. Und schaut auch mal rechts und links neben den Medikamenten und der Verhaltenstherapie – denn da gibt es machtvolle Dinge, die uns helfen können.




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