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Die Sache mit dem Regieführen im eigenen Kopf erweist sich als bleibende Herausforderung. Erstaunlich schnell habe ich gelernt, nicht mehr zu meiden und zu verweigern. Okay: Das in den Spiegel gucken bleibt außen vor, aber das ist halt grade so. Wenn ich dünn bin, kriege ich das hin. Bis dahin muss das Bild vom Fetzenrock taugen.

Ich genieße, dass die Momente, in denen mich der Liebste besorgt und traurig angesehen hat, deutlich seltener geworden sind. Er lacht viel öfter und immer wieder lasse ich mich von diesem Lachen auch anstecken.

Das ist manchmal schön und befreiend. Aber es gibt Tage - so wie heute - das fühlt es sich fremd und falsch an. Es ist, als würde ich es inszenieren, es - artig meiner Regieanweisung folgend - in das Szenario hineinkonstruieren. Dabei hat der Impuls mich tatsächlich zum Lachen gebracht, aber noch während ich ihm folge, schmeckt es schal und künstlich. Und diese Tage, an denen ich mir von outta space zusehe, häufen sich.

Während ich das wahrnehme, fallen mir Sätze ein. Jetzt gerade ist es Sie zog ihr Lachen an wie eine Uniform. Genau dieses Bild formt sich vor meinem inneren Auge und ich sehe mir zu, wie ich aus einem imaginären Spind ein Lachen hervorzerre und es mir einverleibe. Mich gruselt bei dem Anblick und mir wird spontan kotzübel.

Mag sein, dass es mir gerade gelingt, die Protagonistin in meiner eigenen Inszenierung zu sein, aber das habe ich mir definitiv nicht so vorgestellt. Bin ich überhaupt noch ich? Ich frage es laut und verfolge den Klang meiner Stimme aus der gleichen merkwürdigen Distanz, die mich das Lachen anziehen ließ. Die Worte hängen wie in einer Sprechblase in der Luft, und ich betrachte sie wie ein fremdes Insekt, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob es mir gefährlich werden kann. Erlebe ich gerade das, was man Depersonalisation nennt? Oder drehe ich einfach nur ab?

Die Frage stelle ich mir jeden Morgen beim Rasieren, holt mich der Eheholde zurück auf den Boden. Und dann sag' ich: I bims vong Anblick her, weil ich hab' 1 Bartstoppel. Ich pruste los. Ganz echt und völlig distanzfrei diesmal. Mit der Entdeckung des kreativen Potentials der aktuellen Jugendsprache ist bei meinem Schatz - seines Zeichens Journalist und Wortakrobat - zumindest verbal die Spätpubertät eingetreten. Mit 70 ein klein wenig entwicklungsverzögert, aber immerhin.

Für den Augenblick ist meine Laune gerettet, aber das Thema lässt mich nicht aus den Krallen. Ich schmeiße das Rechenzentrum an. Der Analytiker ist noch im warm-up-Modus und braucht ein Weilchen, bis er ausreichend hochgefahren ist, um sich des Problems anzunehmen. Ich blicke auf die letzten Wochen zurück - mit bewusster Distanz diesmal.

Sie sind gekennzeichnet von einer Menge Aktivitäten. Ich habe in dieser Zeit mehr unternommen, als in den letzten Jahren. Nicht, weil ich Lust darauf hatte, sondern weil ich Veränderung will. Der Liebste war Motor und Taktgeber, während ich die Fehlzündungen und Rhythmusstörungen in Schach gehalten habe. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg, aber immerhin. Wie zur Bestätigung hopst mein Herzchen ein bisschen. Ich registriere es quasi aus den Augenwinkeln.

Mir wird plötzlich bewusst, dass etwas fehlt. I bims, den Angst, meldet sich der anscheinend neuerdings ebenfalls spätpubertierende Archivar zu Wort. Ich sehe großzügig über die Schnoddrigkeit hinweg und gebe ihm - fast ein wenig erstaunt - Recht. Die Kavallerie hat aufgehört, bei jedem Fanfarenstoß loszugaloppieren. Ich bin nicht angstfrei - beileibe nicht. Aber so ein paar Reiz-Reaktions-Muster sind offensichtlich auf der Müllkippe gelandet. Gut so. Da sollen sie ruhig auch bleiben. Auf Recycling kann ich in diesem Fall generös verzichten.

Ich registriere das vertraute Knirschen einrastender Rädchen im Hauptrechner. Werde ich mir fremd, weil es nicht mehr die Angst ist, die mich ausmacht? Komme ich mir deswegen wie eine drittklassige Schauspielerin vor, weil ich mit dem Rollenwechsel nicht klar komme?

Und ist das jetzt ein Zeichen von Heilung oder sind es die Vorboten eines neuen Absturzes in die Tiefen meiner bescheuerten Psyche? Ich fühle in mich hinein, finde aber nix Aufregendes. Vor meinem inneren Auge schaue ich auf mich, wie ich in mich hineinschaue und dabei den oberen Teil des Schädels aufklappe. Du BIST definitiv gaga, konstatiert Miss Ratio und rümpft das Näschen.

Naja, das ist so neu nicht. Vielleicht ist es grade an der Zeit, eine neue Seite meines abgedrehten Selbst zu entdecken. Ein wenig Schiss habe ich bei dem Gedanken schon. Die Angst ist eine alte Vertraute. Ich hoffe, ich kann leiden, was an ihre Stelle tritt.

Mischgefühlig jetzt.

Zitat von Calima:
Die Euphorie von gestern ist verflogen. Bin heute Nacht aufgewacht und habe wieder mein Herz stolpern gefühlt. Es ist mir gelungen, wieder einzuschlafen, aber heute Morgen läuft der Systemcheck wie gehabt.Mir ist leicht schwindlig und auch ein wenig übel. Ich bewege mich extrem vorsichtig, um mein Herz nicht zu weiteren Stolperern zu provozieren. Am liebsten würde ich aus diesem Grund auch das Duschen vermeiden, aber dann denke ich, dass ich im Falle eines Herzinfarkts ins Krankenhaus muss und da nicht ungewaschen aufschlagen möchte. Hypochonderhirn, meiniges.Es ist Samstag, Zeit für das ...



Genau das gleiche geht in mir vor.
Du redest mir so aus der Seele. Ich kämpfe hier so sehr in Kroatien zwischenzeitlich gewinne ich den Kampf. Bei dieser Krankheit heißt es wirklich mit dem eigenen Körper krieg zu führen

A


Mein erfolgreicher Weg aus der Hypochondrie

x 3


Den Kampf gegen die Hypochondrie führe ich auch schon viele Jahre.
Manchmal bin ich obenauf,manchmal nicht.
Ich habe diesbezüglich schon viele Jahre Therapie hinter mir,habe angefangen zu meditieren,mache Fitness usw.
Wenn ich in eine solche Phase reinrutsche,nutzt das aber alles nichts.
Die Angst vor Krankheit+Tod wird jeden Tag stärker und stärker.

So ein Zustand kann schon mal 6-8Wochen dauern.
Irgendwann gewinnt dann das rationale Denken wieder und der Zustand schleicht sich aus.
Habe auch lange Medis genommen,aber das Ergebnis war das Selbe.
Nehme seid einem Jahr nichts mehr.

An Krankheiten hatte ich die Ganze Palette an Krebs.
Das ist so mein Steckenpferd.
Alles Andere beschäftigt mich nicht.
Wenn ich so eine Phase hinter mir habe,denke ich immer..ey..das passiert dir nie wieder,jetzt weißt du wie du das zu handeln hast.
Aber...es passiert doch wieder.

Die Geschichte begleitet mich seid meiner Kindheit und wahrscheinlich bis zu meinem Tod.
Irgendwie glaube ich nicht,dass das mal komplett weg geht.
Wahrscheinlich wäre ein Weg zu sagen,das gehört zu mir,aber ist schon nicht so einfach manchmal.

Huhu,

ich habe mich auch mal bei dir reingeblickt und quer gelesen, da du bei mir kommentiert hattest.
Du schreibst sehr kurzweilig und amüsant Wirklich klasse!

Weisst du denn mittlerweile warum du die Panik bekommen hast? Du hast ja auch Hashimoto. ich habe uebrigens seit 2013 satte 20 Kilo zugenommen, davon jetzt habe ich seitdem die Angst bei mir erneut ausgebrochen ist (ich hatte ja viele Jahre Ruhe) wieder vier Kilo runter, da ich immer Angst habe dass Lebensmittel bei mir die Zustande auslösen. Das ist zwar gut fürs abnehmen, da ich es vorher nie geschafft habe. Aber trotzdem wäre es mir am liebsten wenn ich einfach wieder normal wäre. Ich bin den ganzen Tag am grübeln was diese Zustände auslöst . Sind es die Hormone (ich nehme ja keine Schildruesentabletten) , ist es doch das Herz, sind es Unverträglichkeiten und Allergien, B,utdruckschwankungen oder doch nur die Psyche ? Ich habe aber immer das Gefühl das irgendwas dahintersteckt. Eine Kollegin, die auch Hashimoto hat, meinte sie hätte auch unglaubliche Angst gehabt,
Ich glaube, dass ich morgen nochmal Blut abnehmen lasse,,,,,
Respekt dass du so viel abgenommen hast, Geht es dir wirklich wieder besser? Hast du diese sch... Angst und Panik gar nicht mehr? Ich hatte es ja auch schonmal geschafft..... aber diesmal habe ich das Gefühl dass es nicht mehr weg geht ;(

Zitat von Aaron70:
Den Kampf gegen die Hypochondrie führe ich auch schon viele Jahre.Manchmal bin ich obenauf,manchmal nicht.Ich habe diesbezüglich schon viele Jahre Therapie hinter mir,habe angefangen zu meditieren,mache Fitness usw.Wenn ich in eine solche Phase reinrutsche,nutzt das aber alles nichts.Die Angst vor Krankheit+Tod wird jeden Tag stärker und stärker.So ein Zustand kann schon mal 6-8Wochen dauern.Irgendwann gewinnt dann das rationale Denken wieder und der Zustand schleicht sich aus.Habe auch lange Medis genommen,aber das Ergebnis war das Selbe.Nehme seid einem Jahr nichts mehr.An Krankheiten hatte ich die Ganze Palette an Krebs.Das ist so mein Steckenpferd.Alles Andere beschäftigt mich nicht.Wenn ich so eine Phase hinter mir habe,denke ich immer..ey..das passiert dir nie wieder,jetzt weißt du wie du das zu handeln hast.Aber...es passiert doch wieder.Die Geschichte begleitet mich seid meiner Kindheit und wahrscheinlich bis zu meinem Tod.Irgendwie glaube ich nicht,dass das mal komplett weg geht.Wahrscheinlich wäre ein Weg zu sagen,das gehört zu mir,aber ist schon nicht so einfach manchmal.

Mir geht es wie Dir. Sitze gerade beim Arzt um das 4 mal dieses Jahr meine Brust checken zu lassen. Jedes Mal danach denke ich so jetzt höre ich auf mit diese Kontrolle bis das nächste Symptom kommt. Ich habe auch nur Angst vor Krebs. Aber es liegt einzig und allein an uns selbst. Manchmal würde ich mir wünschen dass die Ärzte zu mir sagen dass sie mich nicht mehr untersuchen, aber davon Leben sie nun mal. Wir müssen selbst die Verantwortung für unser Handeln tragen. Ich habe ein sehr empfehlenswertes Buch Angst ist die andere Seite von Liebe. Da geht's zwar um Panikatacken, aber der Sinn dahinter ist auf jede Angst übertragbar. Ich glaube man muss sich so richtig mit sich selbst auseinandersetzen und sich einfach trauen loszulassen. Ich habe es heute nicht geschafft, aber aufgeben werde ich nicht.

Zitat von Sarahh:
Mir geht es wie Dir. Sitze gerade beim Arzt um das 4 mal dieses Jahr meine Brust checken zu lassen. Jedes Mal danach denke ich so jetzt höre ich auf mit diese Kontrolle bis das nächste Symptom kommt. Ich habe auch nur Angst vor Krebs. Aber es liegt einzig und allein an uns selbst. Manchmal würde ich mir wünschen dass die Ärzte zu mir sagen dass sie mich nicht mehr untersuchen, aber davon Leben sie nun mal. Wir müssen selbst die Verantwortung für unser Handeln tragen. Ich habe ein sehr empfehlenswertes Buch Angst ist die andere Seite von Liebe. Da geht's zwar um Panikatacken, aber der Sinn dahinter ist auf jede Angst übertragbar. Ich glaube man muss sich so richtig mit sich selbst auseinandersetzen und sich einfach trauen loszulassen. Ich habe es heute nicht geschafft, aber aufgeben werde ich nicht.


Leidensgenossen.

Es wäre nett, wenn ihr eure eigenen Themen in einem anderen Thread diskutieren würdet, um das Tagebuch hier nicht zu sehr zu zerreißen. Danke!

Ein neuer Plan gärt und brodelt: Ich gehe Wandern. Mitten im Winter. Während Deutschland Karneval feiert, werde ich mich auf den Weg machen. Acht Tage sind der Plan. Allein.

Ich habe das dringende Gefühl, ein Weilchen Zeit mit mir selbst verbringen zu müssen. Die erste Idee - ein Kloster - hat nach einigem Ringen gegen das Wandern verloren. Ich will mich bewegen, will die Sicherheit festigen, meinem Herzchen vertrauen zu können. Gleichzeitig will ich meine heimische Sicherheitszone verlassen. Und weil ich anscheinend immer nur ganz oder gar nicht kann, verzichte ich sowohl auf die Begleitung der Freundin als auch auf die schützenden Klostermauern.

Der Entscheidungsprozess wühlt mich auf, verstört mich, macht mir Angst. Meine Symptomatik - in letzter Zeit angenehm gemildert - gewinnt seit 3 Tagen mehr und mehr an Boden. Ich werde mitten in der Nacht schweißgebadet wach, das Herz rast und ich schnappe nach Luft. Es kostet mich alle verfügbare Energie, am Morgen aufs Laufband zu steigen. Ich tue es trotzdem, heulend und fluchend.

Alle Schweinehunde sind los. Warum tust du dir das an? winselt es. Du merkst doch, dass du nicht stabil genug bist! Du hast es so weit geschafft, warum setzt du jetzt alles auf's Spiel wegen einer bescheuerten Idee? In meinem Kopf ist die Hölle los und mein Herz liefert die Trommelwirbel dazu. Ich gerate ins Zweifeln. Will ich zu viel? Riskiere ich tatsächlich einen Rückschlag? Gerade eben hatte ich ein Plateau erreicht, auf dem ich ein wenig ausruhen konnte. Jetzt geht es in meinem Hirn und meinem Körper her wie seit Monaten nicht mehr.

Als ich das Wort Plateau denke, melden sich wohlvertraute Reibegeräusche in meinem Hirn. Plateaus sind Hochebenen. Ich bin erfolgreich zu einer solchen hochgeklettert, habe den Ausblick genossen, mich ausgeruht. Das war schön. Ich spüre ein bisschen dem Gefühl dieses Erfolgs nach. Mach' ein Foto und kleb's in dein Album, ätzt es mitten in meine Betrachtung. Der Gipfel ist weiter oben. Peng! Erwischt. Das Knirschen in meinem Kopf hört auf, und ich spüre den Mechanismus einrasten.

Ich bin noch nicht an meinem Ziel. Und ein Teil in mir hat das erkannt und treibt mich weiter. Lässt nicht zu, dass ich mich auf meinem netten Plateau häuslich einrichte. Na hoffentlich ist es einer von den gesunden Teilen! brummelt der Analytiker. Wer hoch steigt, fällt tief gackern die Hühner. Und die Schweinehunde hecheln mich sabbernd an. Aber einen Vorteil hat es. ein alte Schachtel zu sein: Ich kenne mich ziemlich gut, auch wenn ich nach wie vor prima darin bin, mich zu verwirren. Eben jetzt spüre ich, dass ich mir auf der richtigen Fährte folge.

Dass die Angst an den Ketten reißt, gehört wohl ebenso dazu, wie dieser kurze, klare Moment der Gewissheit, dass ich tun muss, was ich vorhabe. Stillstand ist Rückschritt!. Ach Papa, gerade bist du willkommen in meinem Kopf. Sein Gesicht taucht vor mir auf. Der Stolz in seinen Augen, als ich das erste Mal ohne Stützräder radle und ihn dabei fast über den Haufen fahre. Ich war Fünf, aber das Bild ist klar, als wäre es eben geschehen. Ebenso klar taucht die Erinnerung daran auf, wie er mich nicht in Ruhe gelassen hat, wenn ich gestürzt bin. Oft durchaus liebevoll - aber immer fordernd und alternativlos. Und immer auch mit der unerschütterlichen Gewissheit, dass ich es schaffen würde.

Später haben wir auf diese Weise Berge zusammen bestiegen. GIPFEL erreicht.

Und da will ich jetzt hin. Und so stelle ich meine Route zusammen und beginne zu packen. Die Rhön ist mein Ziel, und ich plane, zumindest einige Nächte im Zelt zu verbringen. Es sind zwei Wochen bis zum Start, und ich beginne damit, meine Füße mit Hirschtalg einzucremen, um die Haut geschmeidig zu machen. Ein Ritual aus alten, wirklich guten Zeiten. Neu sind allerdings meine Wanderstiefel, und so erweitert sich mein Sportprogramm um tägliche Ausflüge, um sie einzulaufen.

Etwas Erstaunliches passiert: Die Aufregung wächst - aber die ANGST wird weniger. Meine Nächte beruhigen sich, meine Träume noch nicht. Ich verlaufe mich, versinke im Schnee, verliere meinen Rucksack. Im Inszenieren von Katastrophenszenarien bin ich wohl auch im Schlaf unschlagbar.

Aufbruchstimmung.

Wirklich wahnsinnig inspirierend was du schreibst und ich fiebere richtig mit wie es weiter geht.
Schreib weiter so.

Morgen werde ich aufbrechen. Meine Route ist geplant, aber nicht festgelegt. Ich werde den Hochrhöner begehen, einen Wanderweg, der - so ist zumindest dem Routenführer zu entnehmen - gut beschildert und ausreichend mit Schutzhütten versehen ist. Zwar ist der Winter gemäßigt, aber damit rechnen, quasi über Nacht im tiefen Schnee zu stehen, muss ich dennoch.

Ich habe ausreichend Berg- und Wandererfahrung, um Gefahren realistisch einschätzen zu können. Meine Stiefel sind gut eingelaufen, die Haut an den Füßen geschmeidig. In den letzten Tagen bin ich täglich mehrere Stunden gewandert - teils mit Gepäck - und habe bei der Gelegenheit auch mein brandneues GPS ausprobiert. Das Garmin e-trex ist etwas gewöhnungsbedürftig, wenn man die schnellen Reaktionszeiten von Handy-Apps als Vergleich nimmt, aber dafür wird es mich auch dann führen, wenn das Smartphone keinen Empfang kriegt oder der Akku die Grätsche macht.

Eigentlich mag ich auch Papierkarten, aber die brauchen Platz und werden nass. Da ich auf einem markierten Weg unterwegs bin und nicht in der kanadischen Wildnis, ist das GPS ohnehin nur das Backup für Notfälle. Trotzdem wandert ein zweiter Satz Lithium-Batterien in den Rucksack, sicher ist sicher. Der Monk in mir grinst. Ich grinse zurück.

Neben dem Wandern ist meine zweitliebste Beschäftigung das Optimieren des Gepäcks. Mein erster Packversuch vor zwei Wochen bringt 14,8 Kilo auf die Waage - entschieden zu viel. Ich will wandern, keine Aufnahmeprüfung als Sherpa bestehen. Und so räume ich rein und raus und raus und rein und wieder raus. Als ich heute zum letzten Mal alles im Rucksack verstaut habe, hat er noch 8,4 Kilo. Das ist für einen Wintertrip gut.

Die Packliste: Ultraleichtzelt ZPacks Duplex, Daunenschlafsack im Kompressionssack, Therm-a-rest ultraleicht Matte, mein alter Coleman-Multifuelkocher samt Ersatzfuel, 400ml Titantasse, Löffel-Gabel-Kombi aus Titan, Victorinox-Huntsmanmesser, Mini-Schwamm und Mini-Schwammtuch, Mini-Feuerzeug, Mülltüten, Microfaserhandtuch und -waschlappen, aufblasbares Kissen, Petzl-Stirnlampe, Sicherheitsnadel, Nähnadel und Faden, Flicken für Therm-A -Rest, Wasserentkeimer mit Batterien, Faltflasche 2l,Titanschaufel, Schilddrüsenmedis, 2 Aspirin Effekt, 4ml Jod, Blasenpflaster, Pflaster, Rettungsdecke, sterile Kompressen, Verband, Zeckenhaken, Zahnbürste, Zahnpasta, Flüssigseife, Shampoo, Hirschtalgcreme, Toilettenpapier, 1 Satz Skiunterwäsche, 2 Slips, 1Paar Wandersocken,1 T-Shirt, Daunenjacke, Travel-Fertignahrung, Energieriegel. GPS, Handy, Powerbank, Ladekabel.

Ich ziehe probeweise noch mal die Klamotten für morgen an und setze den Rucksack auf. Ich kann mich gut bewegen, aber auch die 8,4 Kilo sind irgendwie sch.eiße schwer. Noch mehr raus geht aber nicht.

Als ich in den Spiegel schaue, ob der Rucksack gut sitzt, stelle ich zum ersten Mal fest, dass ich nicht mehr unförmig bin. Noch keine Gazelle, bei weitem nicht. Aber auch kein fettes, aufgequollenes Monster mehr. Ich drehe mich ein paar Mal hin und her, kann es eigentlich nicht wirklich glauben. Bin ich das wirklich? Mir wird bewusst, dass ich bereits einen kompletten Satz neuer Klamotten trage, weil ich aus den anderen rausgeschrumpft bin.

Seltsam. Das habe ich bei der Anprobe offensichtlich komplett verdrängt. Könnte daran liegen, dass du dabei wie immer nicht in den Spiegel geschaut hast, meldet sich flapsig mein selbstkritisches Ich. Es hat recht. Meine Fresse. Dieses Fett-Sein hat ganz schön was angerichtet, scheint mir. Ich riskiere noch einen Blick, diesmal ohne Rucksack, dafür ein wenig näher. Kann ich leiden, was ich sehe? Eigentlich schon. Aber begreifen tu ich's dennoch nicht wirklich.

Ich schaue mich weiterhin an. So viel Zeit habe ich in den letzten 5 Jahren nicht an vor dem Spiegel verbracht. Plötzlich fange ich an zu heulen. Ich verstehe nicht warum, aber es überkommt mich wie eine Sintflut. Ich kann mich nicht rühren, starre auf mein Spiegelbild und sehe mir beim Weinen zu.Toller Anblick, japst meine Kritikerin, aber mehr kriegt sie nicht raus.

Bammel vorm eigenen Mut? fragt in diesem Moment der Herzliebste und streichelt mir über den Rücken. Nein. Ich schüttle den Kopf, reiße mich von meinem Anblick los und schnappe mir die Klopapierrolle zum Naseputzen. Naja, vielleicht ein bisschen, bessere ich nach. Es stimmt zwar nicht, ist aber die einfachere Antwort. Ich will mich grade nicht erklären.

Das packst du schon! Der Eheholde drückt mir einen fetten Schmatz ins nassgeweinte Gesicht.

Ja. Werde ich.

Gehört nicht ganz ins Thema aber - hast du mal genau gelesen was und vor allem wie du schreibst? Dein Stil ist lebendig, wortgewandt und erfrischend. Er regt zum Weiterlesen an und macht Spaß. Hast du mal überlegt eine Geschichte/Buch zu schreiben?

Vielleicht auch um etwas zu erreichen, was du nie hattest? Es muss hier nicht alleine um Materielles gehen, vielleicht einfach eine Berufung. Wir wissen ja alle, das Angststörungen auch daher kommen können, dass man ungelöste Konflikte hat oder nicht tut was man eigentlich tun möchte.

Ich meine das ganz Ernst, hast du schon drüber nachgedacht eine Geschichte/Buch zu schreiben?

Ich würde es kaufen und lesen!

Es regnet, als ich aufbreche. Ich fahre mit dem Taxi zum Bahnhof, weil ich Abschiede an Bahnhöfen nicht leiden kann. Dazu muss ich einen guten Kilometer bis zum Ort marschieren, denn ein Fahrzeug ohne Allrad hat bei den Wetterbedingungen keine Chance, durch den Matsch zum Haus zu gelangen. Es ist 5.45 Uhr und stockfinster, und obwohl ich den Weg gut kenne, tut meine Stirnlampe gute Dienste.

Ich bin aufgeregt, und seit Längerem meldet sich auch mein Herz mal wieder deutlich zu Wort. Es rennt und hüpft, als befände es sich im Wettlauf mit mir. Will ich mir das wirklich antun? Noch ist Zeit, umzukehren und alles abzublasen. Fast automatisch beginnt mein Hirn zu organisieren: Dem Taxifahrer Geld für die ausfallende Fahrt in die Hand drücken und einfach wieder nach Hause ins kuschlige Bettchen zu schlüpfen erscheint mir als prima Option. Pfeif auf das Zugticket.

Tickst du noch ganz richtig, du blöde Kuh? Der Charme meines Schweinehundbändigers hat tatsächlich jedes Mal etwas ungemein Einnehmendes. Wochenlang planen, jede Menge Geld ausgeben und dann kneifen? Wie bescheuert kann man sein? Der Charme ist offensichtlich steigerungsfähig. Du musst überhaupt NIEMANDEM etwas beweisen! Ich kann nicht genau unterscheiden, ob meine innere Emanze oder doch eher eine der Schweinehündinnen die Charmeoffensive beantwortet. Auf jeden Fall kann ich die Großbuchstaben hören. In meinem Brustkorb sticht es zweimal hintereinander heftig, und ich muss ein bisschen nach Luft schnappen.

Regen tropft schwer von den Bäumen, ich rutsche aus und lande um ein Haar im Dreck. Der Rucksack drückt schon jetzt übel auf meine Schultern und bringt mich aus dem Gleichgewicht. Der Schreck lässt mein Herz noch schneller schlagen und ich fange trotz der Kälte an zu schwitzen. Du blödes Hypochonderhirn! Nicht schon wieder! Ich gehe mal eben ein Stückchen durch den Wald und das blöde Teil führt sich auf, als wäre ich auf einer Selbstmordmission. Wer weiß? orakelt es von irgendwo hinten rechts, aber ich höre nicht weiter hin. Die Lichter des Dorfes tauchen vor mir auf, und ich erkenne die abgeblendeten Scheinwerfer des Taxis, das am Ortsrand auf mich wartet.

Rotkäppchen oder Lara Croft? grinst der Taxifahrer hinter einer minimal runtergelassenen Scheibe. Alles was tropft in den Kofferraum! fordert er mich auf und bleibt dabei entspannt sitzen. Wird ein bisschen eng für mich, kommentiere ich von hinten, als der Rucksack verstaut ist. Darf ich trotzdem mit? Als Antwort fliegt die Beifahrertür auf und ich klettere auf den Vordersitz.

Das Universum hat anscheinend ausgeschlafen und mir den einzigen gut gelaunten Taxifahrer geschickt, den es an diesem nassen Morgen auftreiben konnte. Wir plaudern locker über meine Wanderpläne, und meine Angst verabschiedet sich mit jedem Kilometer ein Stückchen mehr. Als ich am Bahnhof aussteige, bin ich aufgewärmt und gut drauf. Ich hole mir einen großen Cappuccino und ein Croissant. Die Zeit im Zug verfliegt und ist angefüllt mit Vorfreude. Mein Herz hüpft noch ein wenig, aber es hat sich wohl damit abgefunden, erst mal in meiner Brust zu bleiben.

In Bad Kissingen erwartet mich das Portal des Hochrhöners in der Grünanlage gegenüber des Bahnhofs. Um 9.10 Uhr tue ich den ersten Schritt auf meinem Wanderweg.

Aufbruch.

Ok, verstanden. Du bist ein Profi, zumindest hat es für mich den Anschein.

Super, dass Du es getan hast und ich freue mich auf den nächsten Erfahrungsbericht und hoffe nur das Beste für Dich !

Hab mir mal die Zeit genommen und das komplette Tagebuch nachgelesen.
Ich finde es toll, wie authentisch Du bist und wie innerlich jung Du Dich gehalten hast.
Ich musste mich jedenfalls immer wieder daran erinnern, dass hier eine 60-jährige Dame schreibt, ich aber beim Lesen selbst immer das Gefühl habe, Du bist erst höchstens 40

Ich freue mich auf mehr von Dir

Bin gerade dabei mich hier wieder auf den neusten Stand zu lesen. Es ist einfach nur köstlich - im wahrsten Sinne des Wortes.

Denn anstelle von:

Zitat von Calima:
Bratwurst mit Brötchen: 570 Kalorien meldet mein Diätassistent, der offensichtlich aus der Schockstarre erwacht ist.


Habe ich gelesen Schokostarre - ohne Scherz


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Ich lasse die Stadt zügig hinter mir und arbeite mich durch kalten Nieselregen voran. Der Rucksack drückt schmerzhaft auf Schultern und Schlüsselbeine und ich ruckle dauernd an Trägern und Hüftgurt herum, um den Sitz zu optimieren. Als ich mal wieder die Daumen zwischen Gurt und Schlüsselbeine stecke, um den Druck ein wenig wegzunehmen, taucht ein Bild vor meinem geistigen Auge auf:

Ich streife mein Schlafshirt über, als mein Blick auf den Spiegel fällt und unter dem Hemd zwei deutliche Knubbel erkennt, die vor Kurzem noch nicht da waren. Ich ziehe den Ausschnitt des Shirts zur Seite und entdecke, dass ich Schlüsselbeine habe. Anatomie: Eins, konstatiert mein innerer Biolehrer lakonisch, kann aber nicht verhindern, dass mich eine heiße Welle des Glücks überflutet. ICH HABE SCHLÜSSELBEINE. Jahrelang war da nur eine einheitliche Fettmasse. Jetzt zeichnen sich deutlich erkennbar zwei zarte Knochen unter der Haut ab. Ich kann es kaum fassen, muss sie mit den Fingerspitzen berühren, um zu be-greifen, was ich sehe.

Ich ziehe die Daumen unter den Rucksackträgern hervor, und der Schmerz holt mich zügig ins Hier und Jetzt zurück. Unterm Speck hätten die Dinger nicht so gelitten, ätzt es von einem der billigen Plätze. Ich muss grinsen. Um nichts in der Welt will ich meine Schlüsselbeine wieder hergeben. Sollen sie doch rumzicken.

Trotzdem ist mir ungemütlich. Durch das ständige Geruckel an meinem Rucksack finde ich nicht in einen gleichmäßigen Schritt und stolpere mehr vor mich hin, als ruhig und stetig Fuß vor Fuß zu setzen. Überhaupt fühle ich mich kein bisschen im Gleichgewicht. Weder äußer- noch innerlich. Der Weg führt inzwischen merklich bergan. Ich eiere vorwärts, zerre an meinen Gurten und wische mir zunehmend genervt das Regenwasser aus dem Gesicht. Schließlich bleibe ich japsend stehen.

Mein Herz pumpt unter Hochdruck, ich schnaufe wie eine Dampflok, und als ich anhalte, beginnt es in meiner Brust zu stolpern und zu rumoren, als würde das Herz eine Ausbruchsversuch machen. Panik beginnt mich zu fluten. Mir wird schwindlig und speiübel. Die Welt dreht sich, dann kommt mir der Boden entgegen und ich lande auf der Seite. Bevor ich Aua! denken kann, muss ich kotzen. Der Kaffeegeschmack der morgendlichen Cappuccino ist definitiv noch zu identifizieren. Beim Croissant bin ich mir nicht sicher.

Ich würge ein Weilchen vor mich hin, dann scheint alles draußen zu sein. Der Regen schwemmt meinen Mageninhalt gnädig den Weg hinunter. Ich registriere, dass ich auf allen Vieren knie. Vermutlich sehe ich aus wie eine Schildkröte mit meinem Hubbel auf dem Rücken. Können Schildkröten eigentlich kotzen? Yepp! beantwortet die Tierärztin die Frage, deren Beantwortung mich gerade eigentlich kein bisschen interessiert.

Mein Nervensystem ist damit beschäftigt, diverse Systemschäden an die Zentrale zu übermitteln und benötigt die gesamte Rechnerleistung. Die Akutmeldung kommt von meinem rechten Knie, und ich wuchte mich graziös wie eine überladene Antonow im dritten Startversuch auf den Hintern, um den Schaden zu betrachten. Die Hose ist glücklicherweise heil. Ich versuche ächzend, mich weit genug nach vorn zu beugen, um das Hosenbein hochzukrempeln und ich brauche zwei Fehlanläufe, bis mir einfällt, dass ich den Rucksack abnehmen könnte. Yeeehhhaaaa!

Das Knie ist böse aufgeschürft und blutet so stark, dass der Regen kaum mit dem Abwaschen hinterher kommt. Sein Bruder hat hingegen nur eine unbedeutende Schramme. Meine rechte Hüfte schmerzt ebenfalls und auch der rechte Ellbogen scheint verstimmt. Echt gelungener Start in eine mehrtägige Wanderung. Ich registriere, dass mein Herz sich offensichtlich ausreichend erschrocken hat, um wieder in den Normalbetrieb zurückzukehren. Wenigstens etwas.

Ich schaue mich um, ob sich irgendeine Form von Regenschutz findet, aber außer schwer tropfenden Bäumen ist nichts zu sehen. War ja irgendwie auch klar. Fluchend zerre ich meinen Rucksack heran. krame mit klammen, nassen Fingern das Erste-Hilfe-Set aus der Seitentasche und verarzte meine Wunde. Wenigstens nähen muss ich nicht. Es gelingt mir sogar, das Pflaster schnell genug aufzukleben, bevor die Haut zu nass von Regen und Blut ist. Gelernt ist halt gelernt, befinde ich zufrieden, ziehe mich wieder an, packe das Set zurück und rapple mich vom Boden auf. AUA! sagt die Hüfte. Klappe! antworte ich und wuchte den Rucksack zurück auf meinen Rücken. Aua! sagen die Schlüsselbeine. Klappe! antworte ich ein zweites Mal. Ich war schon entschieden eloquenter.

Dann konzentriere ich mich auf meinen Weg. Das GPS meldet mir 6 Kilometer bis zum ersten Etappenziel. Die will ich hinkriegen, ohne ein zweites Mal auf die Nase zu fallen. Nach einer Weile fällt mir auf, dass sich das Gehen anders anfühlt. Obwohl es an diversen Körperteilen weh tut, habe ich jetzt den ruhigen, gleichmäßigen Tritt gefunden, der mir bis vorhin nicht gelungen ist. Meine Hände schwingen locker neben meinem Körper und lassen sowohl den Rucksack als auch die Regentropfen in meinem Gesicht in Ruhe.

Anscheinend musst du immer erst mal auf die Fresse fallen, bevor du was lernst. Keine Ahnung, welcher meiner inneren Begleiter diese Weisheit von sich gibt. Ich denke darüber nach, ob er recht hat. Das beschäftigt mich eine Weile, und als ich wieder auf's GPS schaue, weil sich der Weg gabelt, stelle ich fest, dass ich direkt oberhalb meines Tagesziels bin. Es ist erst kurz nach Eins. Ich überprüfe kurz meine relevanten Körperfunktionen. Bis auf die Auas fühlt sich alles gut an. Eigentlich könnte ich gut noch ein Stückchen weiter laufen. Noch während ich denke, biege ich in den Weg ein, der in Richtung meines zweiten Etappenziels führt.

Die Strecke verläuft jetzt weitgehend eben und der Regen hat aufgehört. Ich tropfe im Wechselrhythmus mit den Bäumen vor mich hin. während der Weg unter mir dahinläuft. Aus dem Grau taucht eine Holzbank auf, und als hätte er auf die passende Gelegenheit gewartet, beginnt mein Magen zu knurren. Das Gefühl, als der Rucksack von meinem Rücken plumpst, ist göttlich. Ich stelle mir vor, wie das wohl wäre, wenn all das Fett, das ich bisher verloren habe, auch auf einmal abgefallen wäre. Vermutlich hätte ich mir eingebildet, fliegen zu können. Das Bild mit den beiden aus den Schultern sprießenden Engelsflügeln schubse ich schnell beiseite.

Da es von oben trocken ist, kann ich gemütlich meine Brotzeit auspacken. Ich futtere genüsslich zwei dick mit Schafskäse belegte Vollkornbrote, eine kleine Salatgurke, zwei Tomaten und eine Handvoll Studentenfutter. Dazu trinke ich fast einen Liter Wasser. Der Vorteil dieser Jahreszeit ist, dass man nicht ganz so viel Flüssigkeit braucht. Ich bin aber eh ein Kamel und komme problemlos auch mit einer Tasse Kaffee am Tag aus, wenn es sein muss. Nach einer halben Stunde sattle ich wieder auf und gehe weiter.

Irgendwann beginnt es erneut zu regnen, aber das stört mich nicht mehr. Zwei Stunden später habe ich dann aber doch genug vom Gehen. Es wird bereits deutlich dämmrig im Wald, und Zeit, mein Lager aufzuschlagen. Ich sehe mich im Gehen nach einem geeigneten Platz um, und das Universum öffnet einen schmalen Seitenweg. Ich folge ihm, bis mir die Entfernung zum Hauptweg weit genug scheint. Es wird jetzt zügig düsterer, und so räume ich an der nächsten lichten Stelle grob die Zweige vom Boden und baue mein Zelt auf.

Da ich das zuhause ausreichend oft geübt habe - im Hellen, wie im Dunklen - geht das zügig vonstatten. Ich bedanke mich bei meinem inneren Monk für die Planung, krieche nur 10 Minuten später bis auf die Unterwäsche ausgezogen ins trockene Zelt und mache den Reißverschluss zu.

Dann mache ich ihn wieder auf und krabble hinaus, weil ich noch mal pinkeln muss. Hmpf. Soviel zur Planung.

Zurück im Inneren schlüpfe ich in Leggins, Schlafshirt und Daunenjacke, werfe den Kocher an und mache Wasser fürs Abendessen heiß. Es gibt Trekkinnahrung in Form von Couscous mit Gemüse. Nach 8 Minuten Quellen in der Tüte ist die Mahlzeit fertig und tatsächlich richtig lecker.

In alter Manier packe ich meinen Rucksack so, dass ich jederzeit aufbruchbereit bin. Ich befinde mich im Naturschutzgebiet und darf hier eigentlich nicht campen. Und auch, wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass mich um diese Jahreszeit jemand hier aufstöbert, habe ich genügend fluchtartige Aufbrüche von diversen Schlafplätzen hinter mir, um für solche Eventualitäten gewappnet zu sein.

Aus der Gute-Nacht-Nachricht an den Liebsten wird mangels Netz nichts. Ich küsse ihn aus der Ferne und kuschle mich in meinen Daunenschlafsack. Draußen plätschert, rauscht und tropft es vor sich hin. Die Natur singt ein Schlaflied.

Nacht, du Welt da draußen.

Seher schön geschrieben Calima,schreibe doch mal ein Buch....

Zitat von Calima:
Bin ich überhaupt noch ich?

Wenn man so lange und intensive ein andere Rolle gelebt hat, durch Gewohnheit, Symptomatik o.ä., dann kann der Schritt zurück zum eigenen Ich-Gefühl eine Herausforderung sein.

Auf der einen Seite denkt man sich Ich war früher xyz, auf der anderen kann es sich fremd anfühlen. Die Vorstellung an das Ich von früher und das zurückkehren zu ihm, halte ich emotional für zwei verschiedene Dinge.
Und dann war da ja noch das gewohnte, dysfunktionale Ich, was emotional zwischen dem Ursprung und dem Ziel steht.

Eine Brücke über das Zwischendrin....

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