wie viele von euch, hatte auch ich vor einiger Zeit den Weg hierher gefunden, weil etwas mit mir nicht mehr stimmte. Mein Körper und meine Empfindungen haben sich gegenüber meiner Umwelt und äußeren Einflüssen verschoben. Krankenhausaufenthalte und Arztbesuche schlossen organische Ursachen aus. Da jeder, der hier unterwegs ist, nachvollziehen kann wie quälend es ist, an etwas zu leiden was objektiv nicht greifbar ist, möchte ich mit meinem Bericht anderen Menschen hier Mut machen und zeigen wie ich dieses Problem in den Griff bekommen habe. Als ich selbst noch in der Findungsphase über meine Zustände war, war ich über jeden Beitrag dankbar, der mir einen rationalen Lösungsweg zeigen konnte, auch wenn er letzten Endes vielleicht nicht der richtige Weg für mich war. Aber er half mir und das möchte ich in dieser Form ebenfalls über meine Geschichte zur Verfügung stellen. Am Ende beschreibe ich noch ein paar Ansätze, die mir zusätzlich in Situationen geholfen haben oder mir dabei geholfen haben die eigenen Ängste zu verstehen.
1. Was ist passiert?
Bis zum Frühling 2013 war ich ein ausgeglichener Mensch der sich keine Sorgen über Gesundheit, Familie, Finanzen oder anderen Dingen machte. Es war nicht alles perfekt, aber gemessen an den Problemen die man haben könnte, hätte es viel schlimmer sein können. Gesundheitlich war (und bin ich) seit jeher mit hoher Widerstandsfähigkeit gesegnet. Eine echte Grippe hatte ich noch nie. Während andere sich in meinem Umfeld mit allem was saisonal bedingt ist anstecken, geht der Kelch zu 99,9% an mir vorüber. Gelegentlich mal Kopfweh oder eine leichte Erkältung zähle ich jetzt nicht zu ernsthaften Krankheiten. Dementsprechend habe ich mich immer schwer getan zu erkennen wann ich krank bin. Ich bin das absolut nie gewohnt gewesen. Eines Abends lag ich im Bett und fühlte mich etwas benommen. Instinktiv fühlte ich nach meiner Halsschlagader um meinen Puls zu fühlen und fand keinen. In dem Moment brandete ein nie dagewesenes Angstgefühl in mir hoch. Ich dachte mein Herz wäre stehen geblieben.
Eine schwallartige Panik überfiel mich. Ich weckte meine Frau auf und ich war völlig unfähig mich zu beherrschen. Mein Herz fing an zu rasen als gäbe es keinen Morgen mehr. Ich glaubte in der Nacht zu sterben und meine Gedanken spielten verrückt. Sofort sind wir ins Krankenhaus gegenüber gegangen und wurde direkt stationär aufgenommen. Eine direkte Blutabnahme mit sofortigem Test zeigte an, dass kein Herzinfarkt oder eine der Vorstufen vorlag. Ich kam dann auf die Intensiv-Station weil woanders keine Betten frei waren. Ein Langzeit-EKG sowie eine 24h-Blutdruckmessung wurden mir angelegt. Medikamente bekam ich keine. Am nächsten Tag ging es mir wieder besser. In den nächsten Tagen wurde ich mehrfach untersucht, auch ein Herzultraschall wurde gemacht und ein Ultraschall des Bauchraums. Ich wurde dann mit dem Ergebnis entlassen, dass alles in Ordnung ist und ich kerngesund bin. Trotzdem wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass ich eine Panikattacke hatte.
Panikattacken…. Etwas wovon man sonst immer nur gehört hat, aber sich nie vorstellen konnte wie sich sowas anfühlt. Aber dass so etwas so derart fies sein kann, hätte ich nicht gedacht.
Die nächsten Monate verliefen mehr oder weniger unauffällig. Anfang 2014 jedoch begann ich eine schleichende Veränderung wahrzunehmen. Es war nicht fassbar, an nichts fest zu machen. Es war plötzlich da und auch so schnell wieder weg. Zunächst war es im Abstand von sechs Wochen, dass ich mich einen Tag lag total matschig fühlte. Mir war leicht schwindelig, ich fühlte mich krank, wie benommen. Ich bekam Atemprobleme oder Muskelzuckungen. Die Abstände wurden immer kürzer. Über die nächsten Wochen häuften sich diese Beschwerden. Hinzu kam ein permanentes Spüren meines Herzschlags. Jeder Schlag war akut wahrnehmbar. Es machte mich wahnsinnig. Ich begann Google nach Symptomen zu befragen, was absolut keine gute Idee war. Immer häufiger kamen die panikartigen Zustände wovon nochmals zwei ausgebrochen sind. Einmal war es abends vor dem Rechner beim Spielen und ein weiteres Mal während einer Autofahrt. Das ging so weiter bis ich eines Abends, als ich allein Zuhause war so dermaßen in Angst verfallen war, dass ich freiwillig wieder ins Krankenhaus gefahren bin. In der Notaufnahme setzte dann die Panik erneut ein. Mein Herz raste und das Gerät an dem ich angeschlossen wurde, zeigte eine Herzfrequenz von über zweihundert an. Über einen Katheter wurde mir ein Mittel gegeben um die Herzschläge zu drosseln. Trotzdem dauerte es nahezu dreißig Minuten bis er wieder unter einhundert Schläge war. Auch dieses Mal wurde ich dabehalten. Doch seit dem Abend hat sich das ganze völlig geändert. Mir ging es seit diesem Abend jeden Tag schlecht. Alle Untersuchungen ergaben nichts. Unter anderen wurden zusätzlich noch die Halsschlagadern per Ultraschall untersucht, als auch die Nieren, da eine eventuelle Zyste den Hormonhaushalt stören kann und so zu diesen Beschwerden führt. Gefunden wurde allerdings nichts. Lediglich ein leicht erhöhter Blutdruck im Mittel von ca. 138/82. Organisch war ich gesund.
Ab hier wurde der Weg dann steinig…
2. Was ist mit mir geschehen?
Die Wochen nach diesem zweiten Krankenhausaufenthalt waren nicht sehr angenehm. Die Symptome häuften sich:
- Allgemeines Unwohlsein
- Beklemmungsgefühle
- Benommenheit
- Kontinuierlich spürbarer Herzschlag. Vor allem nach dem Essen.
- Gelegentliche Atemnot
- Ein Druckgefühl im Halsbereich
- Ein hoher Pfeifton auf dem linken Ohr
- Nervosität
- Missempfindungen von Taubheit im linken Fuß oder an willkürlichen Körperstellen
- Subjektives Empfinden schnell aus der Puste zu sein
- Kurz vor dem Einschlafen ein Gefühl plötzlich zu fallen oder ein gefühltes Beben am ganzen Körper
- Kloßgefühl im Hals
- Extrasystolen (seit Anfang 2017)
Über alle Symptome recherchierte ich im Internet. Und je mehr ich las, desto nervöser wurde ich. Die Symptome wurden nicht besser. Ganz im Gegenteil. Mit der Zeit lernte ich, dass das keine gute Idee war, aber manchmal war der Leidensdruck so groß, dass ich es nicht ausgehalten habe und trotzdem Dr. Google um Rat fragte. Gleichzeitig traten durch diese Symptome immer mehr Gedanken in meinen Alltag ein, die sich minütlich nur um meine Gesundheit drehten. Jedes Symptom weckte Zweifel daran, dass ich gesund wäre und vermutlich haben die Ärzte nur etwas übersehen. Habe ich den Bogen überspannt, meldete sich die Panikattacke wieder zu Wort. Meine Angst davor wurde so groß, dass ich mir eine Erwartungsangst vor der nächsten Attacke angewöhnt habe. Es entstand ein Teufelskreis. Ich fühlte mich elendig und der Gedanke, dass der Rest meines Lebens so aussehen sollte machte mich depressiv und wütend. Wochen später bin ich, nachdem ich es nicht mehr aushielt zu meiner Hausärztin gegangen. Blutdruck weiterhin bei ~140/85, EKG sowie Belastungs-EKG und Blutuntersuchung nach wie vor ohne Befund.
Sie verschrieb mir einen leichten Betablocker für den Notfall, von der ich allerdings nur eine einzige Tablette jemals einnahm. Ich bemerkte mit der Zeit, dass neben meiner Sorge und Angst vor der nächsten Panikattacke, eine zweite Baustelle mir Angst machte. Mein Herz. Durch die Panikattacken, war das Herz das Organ das spürbar im Vordergrund stand und durch den andauernd fühlbaren Herzschlag entwickelte sich eine Sorge, so dass sich neben der Angst vor der Angst auch eine Herzangst manifestierte.
3. Wie kam es zu diesen Ängsten?
Dazu muss ich etwas vorgreifen. Gesundheitlich hatte ich vor meinem ersten Krankenhausbesuch bereits erste Zweifel ob mein eingeschlagener Lebensstil gut für mich ist. Ich habe einen Bürojob, trank viel Kaffee, hatte damals geraucht (an die 30 Stück am Tag). Ich ernährte mich fast nur von Fastfood und trank jeden Tag nur Cola. Mein BMI lag knapp über meinem Idealgewicht. Sportlich war ich nicht. Rückblickend kann ich sagen, dass diese Bedenken die damals aufkeimten über die Zeit mit verantwortlich dafür wurden, dass ich an dem besagten Abend in Panik verfiel.
Im Alter von 17 Jahren verlor ich meine Mutter. Sie starb an akutem Herzversagen. Ich hatte damals diese Nacht miterlebt in der es passiert ist und habe ihren Todeskampf miterlebt. Vom Anfang, bis zum Zeitpunkt als sie zusammenbrach und langsam blau angelaufen ist, bis zum Eintreffen des Notarztes und den Abtransport mit dem Krankenwagen.
Die genaue Todesursache ist unbekannt, da sie nicht obduziert wurde. Aber anhand der Schilderungen der Ärzte, war es anscheinend kein direkter Herzinfarkt. Zu erwähnen ist, dass dieser plötzliche Tod mehrere Ursachen haben könnte. Sie war deutlich übergewichtig, durch die Arbeitslosigkeit beider Elternteile finanziell in Schwierigkeiten. Dazu war sie spielsüchtig und warf die monatliche Stütze in die nächste Spielbank, statt den Haushalt zu finanzieren. Dazu mangelnde Bewegung. Geraucht hatte sie ebenfalls und trank literweise Kaffee. Gesundheitlich hatte sie auch schon lange mit akutem Bluthochdruck zu kämpfen. Der Spitzenwert mit dem sie mal ins Krankenhaus eingeliefert wurde lag bei 320/205.
Dieses Wissen um den Tod meiner Mutter und all der Umstände schien bei meinen Ängsten eine Rolle zu spielen. Eine familiäre Vorbelastung kann daher relevant sein. Ich fing an mich mit der Psychosomatik zu beschäftigen. Ich habe viel gelesen über Herzangst, wie sie entsteht, welche Faktoren eine Rolle spielen. Ebenso begann ich über Panikattacken zu lesen und habe auch dort erst richtig verstanden, was mich damals ins Krankenhaus gebracht hatte. Beide Ängste hatten von nun an einen Namen. Ich erzählte meiner Hausärztin davon und sie hielt es durchaus für möglich, dass ich unter somatoformen Störungen leide. Ihr Rat, dass ich aufpassen muss nicht in einen Strudel zu geraten war hingegen wenig hilfreich, denn ich war bereits drin. Letztlich empfahl sie mir den Versuch, mich in einer psychotherapeutischen Praxis vorzustellen. Doch die Wartezeiten sind lang.
4. Fortschritte und Rückschläge
Wie bei vielen psychischen Belastungen, erfuhr ich auch mit der Zeit, dass es Tage gab an denen ich nahezu völlig beschwerdefrei war und dann wieder Tage an denen ich mir am liebsten gewünscht habe, einfach abzutreten. Ich versuchte herauszufinden warum ich mich genau an diesem Tag schlecht fühle und an einem anderen wiederum nicht. Objektiv war es von mir nicht messbar. Eine Rolle spielte auf jeden Fall die Beschäftigung mit den Ängsten. Es gab Tage da stand ich auf und dachte sofort an den schrecklichen Vortag und sofort fingen die ersten Beschwerden wieder an. Waren sie einmal da, ließen sie mich den ganzen Tag nicht mehr los. Schaffte ich es einmal nicht direkt daran zu denken, konnte ich den Zustand eine Zeit lang halten. Im Laufe des Tages wird man trotzdem wieder in irgendeiner Form daran erinnert. Sei es der Alltag, ein bestimmter Geruch oder das Öffnen der Browserzeile, die sämtliche Links offenbarte, die etwas mit meinem Problem zu tun hatten.
Fühlte ich mich benommen oder verspürte Nervosität dachte ich direkt ein einen erhöhten Blutdruck. Ich fing also an mich offline ohne Google selbst zu diagnostizieren. Darüber hinaus erfuhr ich einiges an Kuriositäten. Ich bildete mir ein, dass etwas mit meinen Nieren nicht stimmt weil mein Urin von Zeit zu Zeit milchig wirkte. Natürlich wurde darüber intensiv gegoogelt und schon hatte ich eine weitere Sorge. Dabei war es nicht so. Es war der Lichteinfall in die Toilette der das so wirken ließ. Das Pfeifen auf dem Ohr wurde von Zeit zu Zeit lauter. Sofort dachte ich ebenfalls an Hörsturz oder zu hohem Blutdruck. Trotzdem bin ich nie zum HNO-Arzt gegangen. Mit der Zeit verschwand es wieder.
Des Weiteren gibt es das Phänomen, dass bei Männern das Ejakulat mit etwas Blut gemischt sein kann. Mir passierte das von Zeit zu Zeit einige Male und ich war vor Jahren (noch vor der ersten PA) bereits beim Urologen. Dr. Google sagte zwar, dass dies kein Hinweis auf eine ernste Erkrankung darstellt aber trotzdem schwang seitdem immer ein wenig Sorge um Hodenkrebs mit. Diese Geschichte verschwindet wieder von selbst und rückte über die Zeit auch wieder in den Hintergrund. Ich komme darauf zu sprechen, weil wir seit längerem versuchen ein Kind zu bekommen und es einfach nicht klappt. In dem Zuge musste ich dann zum Urologen. Ich wurde untersucht und es wurde ein Spermiogramm gemacht. Alles war bestens. Kein Krebs, keine niedrige Spermienzahl. Auf meine Frage nachdem Blut im Sper. sagte der Urologe, dass er jede Woche min. vier Patienten da Sitzen hat, die sich deswegen Sorgen machen und dass es absolut harmlos ist.
Jedes dieser Dinge (und einige mehr), die hin und wieder auftreten, einem auffallen, reißen dich wieder zurück aus einem vermeintlichen Fortschritt zu akzeptieren, dass all das entweder harmlos ist oder psychisch bedingt ist. Ich war sogar eine Zeit lang so weit, dass ich nicht mal mehr in Jahren vorausgeplant habe, weil ich nicht der Meinung war so lange zu leben. Allerdings gab es auch Phänomene die positiv waren. Beispielsweise waren alle psychosomatischen Beschwerden immer verschwunden sobald ich am Wochenende mit Freunden unterwegs war oder am Wochenende weggefahren bin. Auch im Urlaub waren die Symptome wie fortgespült. War ich wieder Zuhause fing sofort wieder an. All das zeigte mir, dass all diese Beschwerden nichts Körperliches sein können. Eine organische Krankheit macht keine Pausen, nur weil man im Urlaub ist. Ich habe erlebt, dass Ablenkung guttut. Aber so viel Ablenkung kann es gar nicht geben. Also was tun?
5. Die Psychotherapie
Anfang 2016 rief ich in meiner Gegend so gut wie jede Praxis für Psychotherapie an. Ich habe auch die Krankenkasse um Hilfe gebeten und dort noch einige weitere Adressen erhalten. Wie erwartet waren die Wartelisten lang und Plätze rar. Dennoch hatte ich im Sommer dann zu meiner Verwunderung einen Anruf erhalten, dass ich einen Termin bekommen würde. Die erste Stunde verlief ohne Anwendungen. Man musste sich erst mal kennen lernen. Die Therapeutin war jung. Für mich schon etwas problematisch, da ältere Therapeuten mehr Erfahrung besitzen und einiges erlebt hatten. Trotzdem wollte ich eine Therapie nicht davon abhängig machen. In der darauffolgenden Woche, wurde ich angerufen. Die Therapeutin wäre erkrankt und ich solle auf einen neuen Anruf zur Terminvergabe warten. Das Ganze zog sich dann etwa sechs Wochen hin, mit dem Ergebnis, dass diese Therapeutin nicht mehr wiederkommt. Ich bekam dann eine neue. Die Frau war über 60 und eigentlich schon in Rente, aber aufgrund des Personalmangels hat sie sich bereiterklärt zum Übergang die Patienten der anderen zu übernehmen.
In der Therapie bei ihr lernte ich verschiedene Entspannungs- und Visualisierungstechniken und zu meinem Verblüffen, fühlte ich mich meist auch nach den Stunden und in den nächsten zwei bis drei Tagen tatsächlich besser. Es gab auch Wochen wo das nicht ganz so geklappt hat. Dazu sollte ich ein Tagebuch führen mit Dingen die ich erlebt habe und welche Symptome in der Zeit so aufgetreten sind. Ende 2016 wurde mir dann mitgeteilt, dass nun eine neue Therapeutin in der Praxis anfängt und meine derzeitige wieder in den Ruhestand zurückkehrt. Ich war ein wenig verärgert darüber, denn gerade Angstpatienten brauchen ein Stück Zuverlässigkeit, gerade um das angeknackste Vertrauen in sich selbst wieder aufbauen zu können und wenn dauernd der Therapeut abhaut ist das schon belastend.
Aber die Show muss weitergehen. Die neue Therapeutin war ebenfalls jünger. Ich brauchte einige Zeit um mit ihr warm zu werden, da sie noch stark nach Lehrbuch vorgegangen ist und sich vieles wie auswendig gelernt anhörte. Das legte sich aber nach einiger Zeit. Ich konnte offen vor ihr sprechen. Für sie stellte sich die Situation etwas anders dar als von mir eingeschätzt. Es geht nicht um Angststörung oder Panikstörung (Diagnose der Vorgängerin) sondern eher in Richtung Hypochondrie. Dementsprechend wurden Modelle erarbeitet, die über die Bewertung einer Veränderung im Körper, über die Reaktion und Aufrechterhaltung dieser Annahme, dass etwas nicht stimmt bis zur Vollendung des Teufelskreises gingen. Sie versuchte auch einige Tricks um mir zu demonstrieren wie der Körper nur aufgrund der Vorstellungskraft imstande ist zu reagieren. Leider wirkte das bei mir nicht so gut, denn ich war zu tief in dem Thema eingelesen und wusste dies bereits. Das ist wie bei Kartentricks. Wenn du weißt wie es geht, ist es nicht mehr überraschend und spannend.
Zeitgleich mit Beginn bei der neuen Therapeutin fingen bei mir Extrasystolen an. Gerade als Herzangst-Patient sehr belastend. Ich war mittlerweile 35 Jahre alt und konnte das von der Krankenkasse angebotene Checkup-Angebot in Anspruch nehmen. In dem Zuge konnte sich meine Hausärztin auch gleich die Extrasystolen anschauen. Wie zu erwarten kam nichts raus. Es wurde im Langzeit-EKG 800 VES aufgezeichnet, keine SVES, monomorph, optimale und gleichmäßige Sinuskurve. Blutdruck wie immer zwischen 130 - 140/80 - 90. Überzeugt davon, dass mein Herz gesund ist war ich trotzdem nicht, denn jetzt macht es Dinge die es vorher nie gemacht hatte. Dieses Thema bestimmt seitdem auch die Therapie. Nebenher befragte ich wider besseren Wissens Dr. Google nach Extrasystolen und ich bekam haufenweise Schauermärchen zum Thema VES zu lesen. Das Netz ist voll von Artikeln, die mittlerweile schon lange veraltet oder widerlegt sind. Auch hier im Forum wird immer noch hin und wieder erzählt, dass VES die gefährlichen sind und SVES harmlos. Durch diese neue Belastung bemerkte ich eine Veränderung. Ich spürte den normalen Herzschlag nicht mehr. Den eigenen Herzschlag sollte man sowieso im Optimalfall nur unter körperlicher Anstrengung merken. Alle anderen Symptome traten ebenfalls in den Hintergrund. Allerdings kamen sie wieder, sobald ich keine spürbaren ES hatte. An Tagen ohne ES, hatte ich wieder eine erlesene Auswahl der Symptome. In der Therapie wurde nun darauf abgezielt, zu ergründen in wieweit es problematisch für mich wäre, wenn diese spürbaren ES nun mein Leben lang bleiben. Ich meine, wer hat sowas gern freiwillig? Vor allem wenn man nach wie vor nicht überzeugt war, dass das harmlos ist?
Ich hatte Tage an denen ich im Sekundentakt ES verspürte, dann gab es Tage oder Wochen an denen ich keine einzige hatte. Der Zweifel darüber ob sie harmlos sind, ging aber nicht weg. Das leidige Thema Fortschritt und Rückschritt. Da ich subjektiv davon überzeugt war, dass da was nicht stimmt, habe ich einen Termin beim Kardiologen gemacht, in der Hoffnung, dass ich endlich akzeptieren kann, dass es wirklich harmlos ist. Drei Monate später war es soweit. Ich war extrem nervös und ich hatte ES ohne Ende während des Praxisaufenthalts. Die Blutdruckmessung ergab 170/110. Kein Wunder. Das EKG zeigte nichts. Beim Herzultraschall hat der Arzt den einen oder anderen Hüpfer gesehen, aber ansonsten bescheinigte er mir, dass alles absolut prima ist. Er war äußerst verständnisvoll und schärfte mir mit völliger Überzeugung ein, dass ich definitiv nicht wegen den ES sterben kann. Das folgende Belastungs-EKG zeigte genau eine ES.
Der Arzt machte mir klar, dass ich mir das nicht einbilde und ich nun noch ein Langzeit-EKG bekommen soll, damit er sich das näher anschauen kann. Zusätzlich sollte ich 10 Tage vorher jeden Morgen und Abend meinen Blutdruck messen. Knapp sechs Wochen darauf war der Termin. Meine Blutdruckmessungen ergaben im Mittel ca. 135/80 (min: 121/78, max: 147/90). Durch die Vorgeschichte mit meiner Mutter stand ich seit jeher auf Kriegsfuß mit dem Blutdruck. Sobald ich auch nur ein Messgerät sehe, steigt er. Vor Allem die erste Messung über die 10 Tage machte mich extrem nervös. Das legte sich später. Das Ergebnis war, dass ich VES hatte. Der Arzt sagte mir zwar nicht wie viele aber ich konnte es am Monitor ablesen. Es waren ca. 1400. Monomorph. Zwei Couplets. Ansonsten regelmäßiger Sinusrhythmus ohne Auffälligkeiten. Der Arzt beriet mich dann dahingehend, dass ich die ES, sofern sie mich über allem Maße stören, mit Medikamenten behandeln könnte. Er würde es nicht tun, aber die Entscheidung überließe er mir. Ich habe es ebenfalls abgelehnt. Ich bekomme Ende Oktober nochmal ein Langzeit-EKG und zwei Wochen danach noch einen kompletten Check-Up. Rein zur Kontrolle. Das dient mehr meiner Beruhigung als medizinische Notwendigkeit.
Meine Therapeutin war anfangs nicht begeistert von der Idee zum Kardiologen zu gehen, weil sie befürchtete, dass ich den typischen Hypochonder-Weg einschlagen könnte, mir bei jedem Zipperlein eine ärztliche Absicherung zu holen. Ich habe dagegen argumentiert, dass man zumindest als Herzangst-Patient einmal einen dedizierten Facharzt aufsuchen sollte. Seitdem ging es mir wesentlich besser. Ich vertraue zwar meiner Hausärztin, aber sie ist eben keine Kardiologin. Durch diese Zweitmeinung senkte sich spürbar meine Angst vor den ES. Die Therapie selbst läuft noch.
6. Wie geht es mir heute?
Ich glaube der echte Durchbruch um meine Ängste zu besiegen bestand aus mehreren Dingen. Zum einen war es die Therapie. Auch wenn ich sagen muss, dass eine Therapie nicht das ist, wie man es sich ausmalt oder wie es im Internet plakatiert ist. Es gab bei mir bisher nie einen Punkt, wo man einen Knoten platzen spürte. Es ist viel mehr die Regelmäßigkeit, sich aktiv mit seiner Gefühlslage auseinander zu setzen. Die zweite Sache ist, dass ich angefangen habe meinen Ärzten zu trauen. Zwei Krankenhäuser und zwei Ärzte bescheinigten mir, dass ich gesund bin. Ich musste einfach, entgegen der körperlichen Beschwerden akzeptieren, dass es so ist. Man muss sich nur vor Augen führen, was die Alternative wäre. Regelmäßige Arztbesuche bei denen nichts herauskommt? Das bringt nichts und zusätzlich hält es den Angstkreislauf aufrecht.
Die wichtigste Sache die mich dahin gebracht hatte, war die direkte Konfrontation mit meinem Körper. Durch die Panikattacken und der daraus resultierenden Herzangst, fühlte ich mich nicht belastbar. Ich hatte Angst mein Herz könne keine Anstrengungen verkraften. Ich hatte eine Schonhaltung angenommen von der ich wusste, dass sie schädlich ist. Das verstärkte meine Angst vor Belastung zusätzlich.
Nach der ganzen medizinischen Abklärung, habe ich mich über Zeit dazu gezwungen den Worten der Ärzte zu vertrauen. Wenn Symptome auftraten gab ich mich nicht mehr einfach hin, sondern rief mir immer wieder meine bescheinigte Gesundheit ins Gedächtnis. Das benötigt Willenskraft und Ausdauer, da die Symptome nicht einfach so wieder verschwinden. Aber mit jedem Tag wurde es weniger und stattdessen stieg mein Vertrauen in meinen Körper. Zwar langsam, aber stetig.
Im Sommer dieses Jahres waren wir in den Bergen auf Wanderurlaub. Wie unter „Fortschritt und Rückschritt“ beschrieben, waren meine Symptome weg. Körperlich war ich völlig untrainiert und die zu erwartende Belastung machte mich nervös. Gehe ich das Risiko ein? Was ist, wenn mir was passiert? Die Alternative war ja lediglich nichts zu machen und somit seine Ängste zu bestätigen. Also stieg ich jeden Tag an die 700 – 800 Höhenmeter rauf und wanderten zwischen 10 – 20km durch die Berge. Mein Herz pumpte was das Zeug hält, aber in diesen Momenten spürte ich weder Angst, noch Nervosität. Es war unfassbar anstrengend. Diese neue Erfahrung, dass Belastung mir nichts anhaben kann beruhigte mich ungemein. Ich kam viel erholter aus dem Urlaub zurück.
Kaum Zuhause begannen wieder die ersten Symptome. Die ES meldeten sich auch zurück. Für mich war von nun an klar, der Alltag in dem ich meine Ängste jeden Tag erlebt habe ist der Grund warum ich mich so fühle. Er ist an Erinnerungen geknüpft. Ich habe die gewonnene Zuversicht aus dem Urlaub dazu genutzt um Veränderung herbeizuführen. Seitdem mache ich jeden zweiten Tag Ausdauersport. Bei schlechtem Wetter auf dem Crosstrainer daheim, bei gutem Wetter nehme ich mein Bike. Ich merkte wie ich von Woche zu Woche immer ausgeglichener wurde. Die Kondition stieg, ich konnte immer länger durchhalten und die stetige Bestätigung, dass ich auch diese Trainingseinheit ohne Probleme überstanden habe, schenkte mir mein Vertrauen in meinen Körper zurück. Heute laufe ich 60 Minuten auf dem Crosstrainer, mache Radtouren von 40 – 50km bei mit durchschnittlich 25km/h. Das hätte ich vor drei Monaten nicht für möglich gehalten. Umso größer ist der Effekt, dass ich mittlerweile fast vollständig Symptomfrei bin. Ich fühle mich nicht mehr abgeschlagen, ausgelaugt oder benommen. Das einzige was geblieben ist, sind die ES. Allerdings habe ich überhaupt keine Angst mehr vor ihnen und das Auftreten ist stark zurückgegangen. Ich würde schätzen, dass ich höchstens noch 100 – 200 am Tag habe.
Ich hoffe, dass diese Geschichte die Angst bei dem einen oder anderen etwas mindern konnte. Vielleicht sorgt sie auch für das Quentchen Motivation seine Probleme aktiv anzugehen.
Ich wünsche euch allen dabei viel Erfolg.
7. Tipps und Anregungen
Hier möchte ich noch ein paar Gedanken und Anregungen vorstellen die mir persönlich geholfen haben, die ich in dem Bericht nicht vollständig ausformulieren konnte. Diese beziehen sich natürlich primär auf meine Situation, sind aber vom Ansatz her universell anwendbar. Ich gestalte den Bereich als Frage/Antwort-System, da man dort freier beschreiben und Zusammenhänge heranziehen kann ohne eine spezielle Thematik nicht zu verlassen. Ich erhebe keinen Anspruch auf wissenschaftliche Richtigkeit. Ich bin nur ein ganz normaler Mann mit ganz normalen Problemen so wie die meisten Menschen auch und beschreiben lediglich meine eigene Meinung. Manche Erklärungen die ich liefere, entnahm ich verschiedenen Quellen die ich im Laufe der Zeit durchgearbeitet hatte. Ich bitte das im Hinterkopf zu behalten. Die folgenden Fragen und Antworten sind kein Ersatz für eine gesicherte ärztliche Diagnose. Das folgende richtet sich speziell an die Menschen, die bereits untersucht und für gesund befunden wurden, aber Probleme damit haben ihre Ängste und Sorgen zu überwinden.
Was mir geholfen hat, muss nicht zwangsläufig anderen helfen, trotzdem kann schon ein kleiner gedanklicher Stubser schon bei dem einen oder anderen ausreichen, um einen neuen Ansatz zu bekommen. Es ist sehr wichtig, dass Rahmenbedingungen beschrieben werden, denn gerade bei uns Angstpatienten fehlt häufig der Vergleich zur Verhältnismäßigkeit. Meiner Erfahrung nach ist genau das der Grund, warum man sich bei körperlichen Beschwerden oder Situationen so irrational verhält.
Kannst du dich einmal beschreiben, damit ich einen Vergleich zu mir selbst ziehen kann?
Ich bin 36 Jahre alt und männlich, 1,87m groß und wiege derzeit 93kg. Seit ca. drei Monaten bin ich sportlich aktiv. Davor habe ich ca. 18 Jahre keinen aktiven Sport mehr gemacht. Ich arbeite beruflich als Anwendungsentwickler. Das Rauchen habe ich vor zweieinhalb Jahren aufgegeben. Allerdings habe ich auch erst spät, mit etwa 22 damit angefangen.
Ich bin verheiratet und stehe finanziell gut da. Schulden habe ich keine. Meine berufliche Laufbahn war bisher sehr konstant. Keine Zeitarbeit oder befristete Arbeitsverhältnisse. Im aktuellen Unternehmen arbeite ich seit vier Jahren, im vorherigen waren es acht Jahre.
In deinem Erfahrungsbericht steht, dass du häufiger nach Krankheiten gegoogelt hast. Würdest du dies rückblickend nicht mehr machen?
Absolut. So gut wie jeder Angstpatient weiß, dass Internetrecherche schlecht für die Psyche ist und die meisten machen es trotzdem. Einerseits ist es verständlich, weil man vielleicht schnell wissen müsste, ob eine Bedrohung vorliegt. Andererseits werden im Internet fast immer nur Extremfälle gezeigt. Man kann als Laie überhaupt nicht bewerten ob Symptom XY gefährlich ist oder nicht, weil man keinerlei Einblick in Krankheitsverläufe besitzt, von Wahrscheinlichkeiten und Rahmenbedingungen mal abgesehen. Zu vielen Krankheiten gehören sehr spezifische Beschwerdebilder. Ein einzelnes Symptom sagt also überhaupt nichts aus. Deswegen ist die Selbstdiagnose sehr gefährlich und schürt Ängste wo keine sein müssten. Der Gang zum Arzt ist die sicherste Methode, sowohl für die Gesundheit als auch die Psyche.
Ist der häufige Gang zum Arzt ratsam?
Gerade Hypochonder geraten schnell in die Abhängigkeit sich immer wieder die Bestätigung zu holen, dass sie gesund sind. Ein häufiger Gang zum Arzt führt zu abnehmender Wirkung der Diagnose und führt im Extremfall dazu, dass man sein Lebensgefühl davon abhängig macht. Irgendwann befriedigt einen die Diagnose nicht mehr. Dadurch werden Probleme nicht verarbeitet, sondern nur vor sich hergeschoben.
Ich habe mir selbst oft die Frage gestellt, wie ich überhaupt noch unterscheiden kann, ab wann ich wirklich zum Arzt müsste. Eigentlich ist es ganz einfach. Ich kenne z.B. niemanden der Angst vor einem Schnupfen hat oder einem Hautausschlag. Krankheitsanzeigen die im Allgemeinen visuell sichtbar sind, sind auch die weswegen man den Arzt aufsucht. Bei Hypochondern z.B. besteht die Angst vor einer schwerwiegenden Krankheit. Jedes der Symptome findet sich in irgendeinem Krankheitsbild wieder welches tatsächlich ernst sein könnte. Aber so einfach ist das mit dem ernsthaften Erkranken gar nicht. Als Beispiel wäre die Atemnot. Es gibt keine pathologische Atemnot. Sie hängt immer als Begleitsymptom mit einer organischen Krankheit zusammen, zu der auch eine Reihe ganz anderer Symptome zählen. Im Internet liest man häufig, dass eines oder mehrere Symptome, aber nicht unbedingt alle auf eine Krankheit hinweisen. Aber es gibt meines Wissens nach, keine Krankheit der inneren Organe, die nur aufgrund eines einzelnen Symptoms diagnostiziert werden kann. Das wäre wissenschaftlich auch gar nicht seriös. Eine Ärzte-Odyssee hilft dir in den meisten Fällen gar nicht, sondern verschlimmert es am Ende nur.
Ich habe körperliche Beschwerden aber mein Arzt sagt ich bin gesund. Ich schaffe es nicht ihm zu glauben. Was tun?
Dir sollte klar sein, dass da ein Fachmann sitzt, der dich anhand gesicherter Methoden untersucht hat und bei dir keine organische Ursache feststellen konnte. Natürlich kann es sein, dass was übersehen worden ist. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert ist sehr SEHR gering. Bei einer ernsthaften Erkrankung hätte er bereits bei den einfachen Untersuchungen etwas bemerkt und hätte weitere Maßnahmen eingeleitet. Wie ist es denn bei anderen Fachmännern? Kannst du denen vertrauen? Wenn ja, warum? Und wieso kannst du einem Arzt nicht das gleiche Vertrauen entgegenbringen? Du musst dich von dem Gedanken verabschieden, dass du die eine medizinische Sensation darstellst und nur bei dir irgendwas nicht erkannt worden ist. Du bist ein ganz normaler Mensch wie alle anderen auch. Stattdessen solltest du deine Energie dafür aufwenden, zu realisieren was die Diagnose „organisch gesund“ eigentlich bedeutet. In der heutigen Zeit ist sie nämlich gar nicht mehr so selbstverständlich wie man meint. Millionen Menschen würden vieles dafür geben, wenn sie das von ihrem Arzt zu hören bekämen.
Wenn du wirklich krank bist, dann erkennst du das auch. Du kannst dir eine Menge vorstellen, aber erst, wenn du es hast, weißt du wie es ist. Viele Menschen verstehen psychische Probleme wie unsere nicht, sie können es sich nicht vorstellen. Und so geht es uns auch mit unserem Körper. Wir stellen uns Dinge vor die wir nicht kennen. Wenn du Atemnot hast, aber nicht umkippst, liegt es nicht am Herz-Kreislaufsystem, denn du bekommst ja genug Sauerstoff. Anderenfalls würdest du ja sonst bewusstlos.
Wenn ich doch gesund bin, warum fühlt es sich nicht so an?
Es ist manchmal schwer zu begreifen, aber die Psyche hat einen sehr großen Einfluss auf den Körper. Anders würden wir wahrscheinlich in der heutigen Form gar nicht existieren. Ein akutes Angstgefühl wird durch eine Bewertung deines Bewusstseins ausgelöst. Man reagiert mit Angst. Es bewahrt uns vor Bedrohungen. Gleichzeitig setzt diese Emotion körperliche Prozesse in Gang. Die Atmung wird flacher und schneller, der Blutdruck steigt, die Herzfrequenz erhöht sich, Adrenalin wird ausgeschüttet. Das sind alles Prozesse, die der Körper braucht um in einer Angstsituation zu reagieren. Es wird kurzfristig Energie freigesetzt um entweder kämpfen zu können oder zu flüchten. Das brauchten wir in vergangen Jahrtausenden um zu überleben.
Setz dich mal in einem ruhigen Moment hin und stelle dir vor, wie du in einem fremden Raum am Tisch sitzt, vor dir eine Zitrone. Du nimmst das Messer vor dir und fängt an sie in Scheiben zu zerteilen. Danach stellst du dir vor wie du eine der Scheiben in den Mund nimmst und darauf beißt. Wenn du dir die Situation konzentriert vorstellst und dich darauf einlässt, wirst du merken wie in deiner Kiefermuskulatur ein Ziehen entsteht. Die gleiche Reaktion geschieht auch wenn du in eine richtige Zitronenscheibe beißen würdest. Diese Methode wurde bei mir in der Therapie angewandt und ja, es funktioniert.
Für den Körper macht es so gut wie keinen Unterschied ob etwas real geschieht oder nur in der Vorstellungskraft. Es gibt unter anderem wissenschaftliche Studien darüber, dass es möglich ist, seinen Körper zu trainieren ohne auch nur eine Einheit Sport gemacht zu haben: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mens ... 68959.html
Was bedeutet das jetzt für dich? Unangenehme Beschwerden wie z.B. Atemnot, Benommenheit, Unwohlsein, Nervosität, Extrasystolen sind ein Ausdruck unseres Unterbewusstseins. Es signalisiert, dass du unter Belastung stehst und möchte sich darüber bemerkbar machen. Es ist ein Warnsignal. Ist körperlich sonst alles gesund, solltest du dringend in Erwägung ziehen, dass es dir seelisch nicht gut geht.
Okay. Ich verstehe, dass mein Kopf solche Sachen auslösen kann. Aber wie schaffe ich es mich daraus zu befreien?
Grundsätzlich würde ich zuerst zu einer Psychotherapie raten, genauso wie ich zu einem Arztbesuch rate, wenn du länger nicht warst und Beschwerden auftreten. Auch wenn die Wartezeiten lang sind, kann dir ein geschulter Therapeut effektiv zur Seite stehen um deine seelischen Probleme aufzuarbeiten. Er hat auch mehr Erfahrung darin, aufzuspüren wie sich deine Ängste und Sorgen zusammensetzen. Aber auch du kannst was tun. Statt zu überlegen ob Symptom XY gerade eine tödliche Krankheit sein könnte, stell dich gedanklich neben dich und bewerte die Situation rational. Was hast du in den letzten 15 Minuten getan? Ein hoher Puls kann vom Treppensteigen kommen, Muskelzuckungen von zu wenig Schlaf oder Magnesiummangel. Die meisten Symptome sind harmlos erklärbar. Und wenn nicht, dann besinne dich auf deine Diagnose. Du bist gesund. Punkt. Es ist ein Prozess der Zeit braucht. Du musst begreifen, dass du dir über einen langen Zeitraum ein Fehlverhalten antrainiert hast, welches du wieder verlernen musst.
Nicht jeder Tag verläuft gut, aber auch nicht jeder läuft schlecht. Rückschläge passieren immer wieder. Man darf sich davon einfach nur nicht herunterziehen lassen. Ich habe auch nicht jeden Tag gute Laune und manchmal muss man einfach schlechte Tage haben um zu wissen wie sich die guten Tage anfühlen.
Ich versuche das jetzt schon lange, aber irgendwie hilft nichts.
Im Erfahrungsbericht habe ich beschrieben wie ich meine Herzangst aufgelöst habe und es gibt nahezu zu jeder Art von Angst einen Ansatzpunkt wie man sie empfindlich treffen kann. In der Psychotherapie arbeitet man z.B. viel mit kognitiver Verhaltenstherapie. Das bedeutet, dass man sich bewusst mit seinen Ängsten und Sorgen konfrontiert, damit das Unterbewusstsein lernt, dass die Bewertung nicht zur Situation passt. In meinem Fall war das sogar recht klassisch. Sorgen um die eigene Gesundheit + familiäre Vorbelastung + Herzangst + kein Sport. Also was hilft am besten? Der Sport. Durch das Training sinkt der Blutdruck, das Herz-Kreislaufsystem wird trainiert, man tut seinem Körper etwas Gutes. Man beweist seinem Unterbewusstsein, dass die Angst unberechtigt ist. Menschen die unter anderen Phobien als Krankheitsangst oder Herzangst leiden, haben da sogar einen Vorteil. Sie können eine Situation die sie ängstigt einfach vermeiden in dem sie gar nicht erst in die Situation kommen. Das macht es aber je nach Angst nicht lebenswerter. Bei Menschen mit Angst vor Krankheiten geht das leider nicht so einfach, denn das wovor man Angst hat, schleppt man ja mit sich herum.
Es geht ja gerade darum, dass man eine Situation bewältigt statt sie zur Seite zu schieben. Bei ersterem gewinnt man schließlich eine neu gewonnene Freiheit zurück. Es gibt auch keine Wundertabletten die einen medikamentös davon heilen können. Antidepressiva sind ein Hilfsmittel um sich temporär eine angstfreie Zeit zu schaffen (wenn es denn wirkt), die man dann dazu nutzen sollte die Probleme anzugehen die einen belasten. Nutzt man die Zeit nicht, ändert sich auch nichts. Das ist wie mit Alk. oder Dro.. Ich habe noch keinen Menschen kennen gelernt, der durchs Saufen seine Probleme gelöst hat. Entspannungstechniken sind auch eine gute Sache, allerdings lösen sie ähnlich wie Tabletten oder Alk. keine Probleme. Du lernst lediglich deinen Körper etwas besser zu kontrollieren. Man muss sich auf die Suche begeben nach dem einen Problem und diese Ursache beseitigen.
Ich bin mir sicher, dass es für jede Art von Problemen einen Konter gibt. Bei mir war es der Sport. Bei anderen vielleicht ein beruflicher Wechsel, ein Umzug, eine neue Beziehung, verändertes Sexualleben, Schuldenabbau.
Ich wünsche jedem alles Gute und viel Erfolg im Kampf gegen die eigenen Gedanken.
Grüße
17.08.2017 14:47 • • 08.09.2024 x 63 #1