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Grüße an die Psychic-Gemeinde!

In letzter Zeit erlebe ich sehr schmerzhaft, wie es sich anfühlt, wenn mein Geist sich verunreinigt. Obwohl ich mich schon lange mit dem Geist und seiner Position im Erlebensgetriebe des Menschen beschäftige und auch aktiv an so etwas wie geistiger Autonomie arbeite, muss ich feststellen, dass man auch auf diesem Gebiet mitunter ordentlich strauchelt. Manche Lebensumstände führen zu Situationen, die nur schwer zu bewältigen sind und man buchstäblich mit seinem (theoretischen) Latein am Ende ist.

Meine Hoffnung in dieser Phase war und ist immer noch: So unschön und strauchelnd es sich anfühlen mag - vielleicht ist es genau diese aktuelle Lage, die meine Einsicht weiter fördert. Und tatsächlich bin ich nun, nach inzwischen 20 Monaten Krise an einem Punkt, wo ich glaube, es tut sich was.

Der Grund, warum ich dieses Thema hier angehe: von Zeit zu Zeit eröffnet sich mir mitten im Dickicht meiner Gedanken sowas wie ein weises Auge, das erkennt: moo, das Problem bist wirklich nur Du selbst!. Und mit Du ist mein Geist gemeint, bzw. seine Inhalte, Ausrichtungen, Erwägungen, Pläne, Verurteilungen etc. Ich merke in diesen lichten Momenten ein Stück weit, wie alles zusammenhängt, zusammenwirkt, wo was ist und wo es herkommt, hinführt(e) usw.

Ich denke, viele hier ahnen, was ich damit andeuten will, denn konkret formulieren kann ich es mit Sicherheit nicht. Und vielleicht ist das auch gut so, denn wie oft zerredet man die Wirkung einer Einsicht, bevor sie sich im Erleben auswirken und auf unsere Zukunft einwirken kann.

Als Dreh- und Angelpunkt einer heilsamen geistigen Entwicklung sehe ich das an, was ich persönlich gerne als Geistige Hygiene bezeichne.

Immer dann, wenn Klarheit im Geist herrscht, wird auch unser Erleben - und damit folglich unser Handeln - klarer. Wer mag, kann also für Hygiene auch das Synonym (geistige) Klarheit verwenden.

Ich wünsche mir in diesem Thread unsere Gedanken hierzu:

- Spürt Ihr manchmal, wie unhygienisch/unklar Euer Geist ist?
- Spürt Ihr, wenn Klarheit, Reinheit in Eurem Geist ist?

- Könnt Ihr erkennen, was von Außen oder welche Regung von Innen zur Verunreinigung führt?
- Seht Ihr Zusammenhänge zwischen Unordnung im Geist und Unordnung in der (materiellen und geistigen) Umgebung?
- Oder ist es allein der Geist, der Unordnung insofern begründet, indem er sich letztlich lediglich nach Ordnung (Kontrolle!) sehnt?

- Ist dieses Sehnen nach geistiger Klarheit ein (Denk-)Fehler oder eine natürliche Grundlage für ein potenziell mögliches sinnvolles Leben?

usw.

Um zu treffen, schieße daneben! lautet der Spruch eines alten Zen-Meisters des Bogenschießens. Und diese Fragen sollen als Orientierung für´s Danebenschießen dienen.

Alle Gedanken sind willkommen, egal ob rational, emotional, philosophisch oder religiös, ausführlich oder knapp, provokant oder jammernd, in Form von Gegenfragen oder mutigen Behauptungen. In SH-Gruppen habe ich gelernt, von den Äußerungen Anderer und dem folgenden Dialog sehr zu profitieren. Vielleicht bringt uns auch dieses Thema hier ein Stück weiter.

26.11.2023 08:07 • 11.12.2023 x 8 #1


66 Antworten ↓


Zitat von moo:
Spürt Ihr manchmal, wie unhygienisch/unklar Euer Geist ist?
- Spürt Ihr, wenn Klarheit, Reinheit in Eurem Geist ist?

Aufgrund der Erfahrungen in den letzten Tagen würde ich jetzt spontan dazu sagen, dass Wissen oder Können für Klarheit sorgen und Unwissenheit, nicht können für Unklarheit.

Bei mir ist es so, dass wenn ich etwas tue und ich dabei an meine Grenzen komme, entweder aus Kraftmangel oder Wissensmangel, dann geht es eher in die Verzweiflung, als an die Suche nach Lösungen. Die geistige Klarheit, womit ich davor die Arbeit ausführte, ändert sich.

Ebenso kann Unwissenheit lähmend wirken, z. B. bei Krankheiten. Man weiß einfach nicht, was richtig oder falsch ist. Man muss Entscheidungen treffen ohne die letztendlichen Konsequenzen zu kennen.

A


Geistige Hygiene - was, wie und warum?

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@moo Eine Krise, in der man sich strauchelnd fühlt, ist, glaube ich, ein Ausdruck davon, dass in einem innerlich etwas gärt. Es ist etwas in Bewegung, aber klärt sich lange nicht, es reift noch. So etwas empfinde ich als einen zutiefst unklaren und auch verunsichernden Zustand – deshalb sprechen wir davon wahrscheinlich auch von Krise.

Die Frage ist vielleicht, wie klar einem in der Situation ist, dass man tatsächlich im Unklaren ist. Meist denkt man wohl, das sei jetzt schon (leider) normal und einfach nur blöd und anstrengend.

Klar wird einem das, glaube ich, erst retrospektiv, wenn man dann eben einmal einen klaren Moment hat, sowas wie einen Geistesblitz (In dem Moment zeigt sich dann auch Sinn Zweck der Gärphase). Diese neu gewonnene Klarheit spürt man dann auch. Und ja, ich denke, es ist ein erstrebenswertes Ziel, in dieser Klarheit zu bleiben.

Der Wunsch nach Ordnung und Kontrolle ist sicher legitim und passt dazu. All das sollte man wahrscheinlich aber nicht zu verkrampft erstreben und auch nicht erwarten, dass das jemals absolut erreichbar ist. Ein gewisses Maß an Unsicherheit und Unklarheit werden wir als Menschen immer haben, wir sind nicht allmächtig. Ein Streben danach wäre kontraproduktiv, weil zum Scheitern verteilt.

Im Ergebnis dieser Überlegungen ist ein gesundes Maß an Klarheit, bzw. der Wunsch danach, sicher eine natürliche Grundlage für ein potenziell mögliches 'sinnvolles' Leben. Es schenkt etwas Sicherheit Kontrolle, damit Handlungsfähigkeit und die Chance für das Erleben von Selbstwirksamkeit, was wiederum gut ist für den Selbstwert und das Gefühl, sich selbst annehmen zu können.

Äußere Einflüsse erlebe ich selbst als stark beeinflussend auf das Gefühl von Klarheit/Unklarheit. Je chaotischer, ungeordneter das Außen ist, umso mehr verunsichert und beunruhigt es mich. Ich erlebe das schon, wenn nur Unordnung im Raum ist; eine mit Blick auf das Weltgeschehen verbundene, sich gefühlt immer weiter steigernde kognitive Dissonanz kann das Ganze noch eskalieren.

Also: Klarheit ist gut, ist ein gutes Ziel, ein stärkender Zustand. Was dazu helfen kann, ist, klare Momente (nach langer Unklarheit) bewusst wahrzunehmen, ihnen nachzuspüren, sie sich sehr bewusst zu machen und versuchen, in dieser Klarheit zu bleiben. Zudem, die (oft nicht vermeidbaren) Verunsicherungen im Außen zumindest bewusst als im Außen befindlich zu begreifen, um ihnen nicht die Chance zu geben, in uns einzudringen und uns damit selbst zu verunsichern.

Zitat von talbewohner:
Die Frage ist vielleicht, wie klar einem in der Situation ist, dass man tatsächlich im Unklaren ist. Meist denkt man wohl, das sei jetzt schon (leider) normal und einfach nur blöd und anstrengend.

Guter Punkt! Die Schlussfolgerungen (blöd und anstrengend) überholen quasi die Gegenwärtigkeit... Dann wäre es wohl gut, wenn wir frühzeitig erkennen, dass Unklarheit herrscht und anstatt sofort ein wie auch immer geartetes Fazit (Urteil) zu ziehen?
Zitat von talbewohner:
Klar wird einem das, glaube ich, erst retrospektiv, wenn man dann eben einmal einen klaren Moment hat, sowas wie einen Geistesblitz (In dem Moment zeigt sich dann auch Sinn Zweck der Gärphase). Diese neu gewonnene Klarheit spürt man dann auch. Und ja, ich denke, es ist ein erstrebenswertes Ziel, in dieser Klarheit zu bleiben.

Ich erlebe beide Zustände abwechselnd: Geistesblitz und Rückfall (in die Unklarheit). Diesen Wechsel mitzukriegen, hat, so entmutigend es sich manchmal anfühlt, auch was Beruhigendes: erlebte Instabilität als Beweis der letztlichen Unkontrollierbarkeit des Daseins - ein Mythos verblasst...
Zitat von talbewohner:
Äußere Einflüsse erlebe ich selbst als stark beeinflussend auf das Gefühl von Klarheit/Unklarheit. Je chaotischer, ungeordneter das Außen ist, umso mehr verunsichert und beunruhigt es mich. Ich erlebe das schon, wenn nur Unordnung im Raum ist; eine mit Blick auf das Weltgeschehen verbundene, sich gefühlt immer weiter steigernde kognitive Dissonanz kann das Ganze noch eskalieren.

Exakt so erlebe ich es auch. Hier möchte ich Abhilfe schaffen - vielleicht in Form einer Mischung aus Bemühen im Innen (Geistesarbeit) sowie im Außen (sofern mir überhaupt möglich).
Zitat von talbewohner:
Also: Klarheit ist gut, ist ein gutes Ziel, ein stärkender Zustand. Was dazu helfen kann, ist, klare Momente (nach langer Unklarheit) bewusst wahrzunehmen, ihnen nachzuspüren, sie sich sehr bewusst zu machen und versuchen, in dieser Klarheit zu bleiben. Zudem, die (oft nicht vermeidbaren) Verunsicherungen im Außen zumindest bewusst als im Außen befindlich zu begreifen, um ihnen nicht die Chance zu geben, in uns einzudringen und uns damit selbst zu verunsichern.

Schön formuliert - und gewissermaßen mein aktuelles Etappenziel. Herzlichen Dank!

Zitat von hereingeschneit:
Aufgrund der Erfahrungen in den letzten Tagen würde ich jetzt spontan dazu sagen, dass Wissen oder Können für Klarheit sorgen und Unwissenheit, nicht können für Unklarheit.

Ja, kann ich bestätigen. Sehr mühsam ist es auch, im Laufe des Prozesses zu erkennen, dass das vorhandene und angewendete Wissen/Können eher unzureichend war. Hier weiter auf Spur zu bleiben und nicht in die Entmutigung oder gar Selbstverurteilung zu gleiten, ist dann die andere Seite der Medaille.

@moo Ja, frühzeitig zu erkennen, was passiert, ist gut. Dann kann man ein Abgleiten in die Unklarheit bestenfalls noch verhindern. Noch besser wäre es freilich, sich immer seines Zustands bewusst zu sein, das geht wahrscheinlich aber einfach nicht immer.

Aber selbst, wenn man nur den Wechsel mitbekommt, ist das immer eine Gelegenheit, sich des eigenen Zustands gewahr zu werden und dann gegebenenfalls darauf zu reagieren.

Ich denke, am wichtigsten ist es, sich gut zu beobachten und herauszufinden, was genau das Abgleiten in Unklarheit (und das bedeutet meist eben auch Angst) jeweils verursacht und solche Trigger möglichst abzustellen. Und sich zu merken, was hilft, um in die Klarheit zurückzukommen im Sinne von Skills, die man dann im Fall des Falles dann versuchen kann anzuwenden.

Zitat von moo:
Spürt Ihr manchmal, wie unhygienisch/unklar Euer Geist ist?
- Spürt Ihr, wenn Klarheit, Reinheit in Eurem Geist ist?

- Könnt Ihr erkennen, was von Außen oder welche Regung von Innen zur Verunreinigung führt?
- Seht Ihr Zusammenhänge zwischen Unordnung im Geist und Unordnung in der (materiellen und geistigen) Umgebung?

Tut mir furchtbar Leid, aber ich verstehe nur Bahnhof. Ich habe keine Ahnung, was du damit meinst. Kannst du vielleicht konkrete Beispiele für diese Verunreinigung geben?

Wie @Schlaflose konnte ich mit Verunreinigung auch nicht so viel anfangen.

Erste Assoziation war Unreine Gedanken, also unanständig, falsch, verurteilend o.ä.

Vermutlich meinst du eher inkonsistente Gedanken, formale Denkstörungen, Gedankenkreisen ohne Ziel?

Du sprichst spezielle Lebensumstände/Situationen an. Hast du Probleme im Rahmen dieser konkreten Situationen, also dass du diese Situationen gefühlt nicht verarbeiten kannst oder stellst du einen Zusammenhang fest, dass mit diesen Situationen dein gesamtes Denken eingeschränkt ist?

Du schreibst, dass du das Problem nicht konkret formulieren kannst. Kannst du es nicht im Forum (wegen Öffentlichkeit) formulieren oder kannst du das Problem allgemein nicht formulieren?

Ein paar Beobachtungen von mir:

Eines meiner Ziele ist/war, meine Gedanken zu exportieren: Wenn ich in der Lage bin, meine Gedanken in schriflicher, bildlicher oder verbaler Form festhalten zu können, optimalerweise so, dass jemand anders (oder ich selbst unvoreingenommen) sie rekonstruieren und anwenden kann, dann habe ich etwas verstanden.

Ich musste feststellen, dass ich dies oft nicht hinbekomme.

1) Meine Gedanken sind teils sehr kompakt, einiges läuft parallel, einiges ist unterbewusst, ich habe eine gute Intuition, aber nicht die Fähigkeit in sich logische Schlüsse zu beweisen.

2) mein symbolisches, verbales Gedächtnis bzw. Verarbeitungsvermögen ist beschränkt.

Dementsprechend stelle ich fest, dass obwohl ich oft gefühlt Klarheit habe, auf Rückfragen, oder wenn es um die praktische Umsetzung geht, sich Lücken auftun. Interessanterweise kann ich diese Lücken in Gegenwart von anderen Personen schnell schließen, wenn ein vertrauensvoller und konstruktiver Gedankenaustausch stattfindet.

Hilfsmittel: Schreiben, Zeichnen und Mindmaps, Gespräche und Mut zu Fragen, die mich ggf. bloßstellen.

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Ich erkenne einen Zusammenhang zwischen gefühlter Klarheit der Gedanken und dem Berg auf meinem Schreibtisch, wobei alleiniges Aufräumen des Schreibtisches nicht zwingend die Gedanken aufräumt. Andersrum scheint nachhaltiger.
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Unter anderem eure Kommentare und Ratschläge in meinen Themen haben mir geholfen, dass ich entspannter damit umgehe, wenn ich Gedankenchaos empfinde. Ob ich hier inzwischen etwas zu nachlässig bin, zeigen die nächsten Tage. Bestes negativbeispiel hier ist für mich ein Mann den ich kennengelernt hatte, der Buddhismus praktiziert, grinsend durch die Weltgeschichte medierte und gefühlt alles sowohl beruflich als auch privat schleifen liess. (Er war wohl irgendwo Beamter oder sowas und die Buddhismus Events die er organisierte hatten undichte Zelte, unklare Termine und ähnliches)

Ich kenne keinen „unreinen“ und „reinen“ Geist, aber einen unruhigen und ruhigen. Die Vorstellungen von Reinheit sind m. E. falsche Vorstellungen und Ziele, die nie erreicht werden und nur zu Problemen führen können. Siehe Missbrauch in der Kirche zum Beispiel. Es kann keinen „reinen“ Geist im Menschen geben, denn mit dem ersten Herzschlag befindet er sich in der Welt, die die Buddhisten Samsara und Eckhart Tolle die Welt der Formen nennt. Allein schon all die Erinnerungen können nicht rein sein. Geschweige denn, die anderen Gedanken. Aber der Geist kann zur Ruhe kommen und wirkt dann „rein“, wie ein stiller Bergsee. Vielleicht meinst du das.

Es gibt häufig Situationen, wo ich nicht in der Lage bin, einen Sachverhalt nach aussen hin so darzustellen, wie ich es empfinde, weil ich mit einem einzelnen Wort oder einer kleinen Formulierung unzufrieden bin. Mir ist das jüngst in einer Situation aufgefallen wo ich einer Person schriftlich mitteilen wollte, was ich für sie empfinde. In meinen Gedanken ist dies eine sehr kleine Informationseinheit. Die Verbalisierung wirkte dann entweder viel zu ernst oder alternativ beinahe abwertend. Die Beschreibung des Sachverhaltes wie ich es meinte hätte eine Seite gefüllt und war nur zum Zeitpunkt wo ich es verfasste plausibel. Fazit: die Person wird nie erfahren, was sie mir wirklich bedeutet.

Ich beschäftige mich aktuell oberflächlich etwas mit künstlichen neuronalen Netzen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass mein Bewusstsein die eine oder andere Zwischenschicht eines solchen neuronalen Netzes abbildet und mir dementsprechend manchmal einige diffuse schwammige Zwsichenergebnisse erscheinen.

(Btw. während ich diesen Text verfasst habe ist mir des öfteren passiert, dass mir im Währenden eine bessere Formulierung eingefallen ist. Während ich vorne den Satz entsprechend anpasste ist mir das entsprechende Wort wieder entfallen. Soviel zur messerscharfen Abbildung meiner Gedanken in Textform...)

Vielen Dank für die letzten Beiträge!

Zitat von talbewohner:
Aber selbst, wenn man nur den Wechsel mitbekommt, ist das immer eine Gelegenheit, sich des eigenen Zustands gewahr zu werden und dann gegebenenfalls darauf zu reagieren.

Ja, stimmt. Den Wechsel bekomme ich lebhaft mit und das ist schon mal eine gewisse Einsichtskonstante.

Zitat von Azure:
Du schreibst, dass du das Problem nicht konkret formulieren kannst. Kannst du es nicht im Forum (wegen Öffentlichkeit) formulieren oder kannst du das Problem allgemein nicht formulieren?

Vielleicht kam mein Bezug nicht eindeutig rüber. Es ging nicht um die Beschreibung (m)eines Problems sondern um die nachfolgend skizzierte Erkenntnis:
Zitat von moo:
Der Grund, warum ich dieses Thema hier angehe: von Zeit zu Zeit eröffnet sich mir mitten im Dickicht meiner Gedanken sowas wie ein weises Auge, das erkennt: moo, das Problem bist wirklich nur Du selbst!. Und mit Du ist mein Geist gemeint, bzw. seine Inhalte, Ausrichtungen, Erwägungen, Pläne, Verurteilungen etc. Ich merke in diesen lichten Momenten ein Stück weit, wie alles zusammenhängt, zusammenwirkt, wo was ist und wo es herkommt, hinführt(e) usw.

Dieser letzte fettgedruckte Satz ist das, von dem ich glaube, dass viele ähnliche Erfahrungen haben aber konkret könnte ich nicht sagen, was denn die Einsicht (inhaltlich) wäre. Ich weiß nur, dass es das Erleben eines klaren Geistes ist, eine Ruhe und Abgeklärtheit, die - in meinem Fall - das Ego leiser werden lässt. In diesen Momenten erkenne ich ganz klar, dass nur ich (das Ego) es war, das sich in etwas hineingebracht hat und erst dadurch ein Problem (mit-)entstand.

Tja, jetzt habe ich es wohl doch irgendwie halbwegs stimmig (für mich) formuliert. Ich bezweifle allerdings, dass jemand anderes damit was anfangen kann...

Und mich hätte interessiert, ob Ihr ähnliches kennt und ob und welche Schlüsse ihr daraus ziehen und formulieren könnt.

Zitat von Azure:
Eines meiner Ziele ist/war, meine Gedanken zu exportieren: Wenn ich in der Lage bin, meine Gedanken in schriftlicher, bildlicher oder verbaler Form festhalten zu können, optimalerweise so, dass jemand anders (oder ich selbst unvoreingenommen) sie rekonstruieren und anwenden kann, dann habe ich etwas verstanden.

Menschen die so etwas weitestgehend können, bewundere ich dafür. Ein paar glaube ich zu kennen und diese Menschen nehmen sich als Person meiner Erfahrung nach stark zurück - sie dienen eher als reines Übertragungsmedium, verschwinden hinter der Mitteilung.

Zitat von Azure:
1) Meine Gedanken sind teils sehr kompakt, einiges läuft parallel, einiges ist unterbewusst, ich habe eine gute Intuition, aber nicht die Fähigkeit in sich logische Schlüsse zu beweisen.
2) mein symbolisches, verbales Gedächtnis bzw. Verarbeitungsvermögen ist beschränkt.

Ich sehe mich ähnlich, jedoch glaube ich hinsichtlich der logischen Schritte (wie Du sie nennst) sanfte Fortschritte zu machen. Ich hätte nicht geglaubt, welch umfangreiche Baustelle das ist...
Was das hier geschilderte Verarbeitungsvermögen angeht: einerseits versuche ich, mich mit meinen beschränkten Mitteln zu arrangieren, andererseits gelingen ab und an doch formulierbare Einsichten, die ich behalten und - halbwegs erfolgreich - in manchen Fällen transferieren kann. Und ich glaube, in dieser Bemühung befinden wir beide uns in Waffenbruderschaft..!?

Zitat von Azure:
Dementsprechend stelle ich fest, dass obwohl ich oft gefühlt Klarheit habe, auf Rückfragen, oder wenn es um die praktische Umsetzung geht, sich Lücken auftun. Interessanterweise kann ich diese Lücken in Gegenwart von anderen Personen schnell schließen, wenn ein vertrauensvoller und konstruktiver Gedankenaustausch stattfindet.

Ja, gut erkannt. Der Gedankenaustausch kann den geschilderten Versuch für beide Gesprächspartner erfolgreicher machen! Auch gerade jetzt und hier erlebe ich eine gewisse Erkenntnissymbiose durch unseren Dialog.

Zitat von Azure:
...Fazit: die Person wird nie erfahren, was sie mir wirklich bedeutet.

Zitat von Azure:
(Btw. während ich diesen Text verfasst habe ist mir des öfteren passiert, dass mir im Währenden eine bessere Formulierung eingefallen ist. Während ich vorne den Satz entsprechend anpasste ist mir das entsprechende Wort wieder entfallen. Soviel zur messerscharfen Abbildung meiner Gedanken in Textform...)

Beides gute Beispiele dafür, weshalb Worte ihre Grenzen haben, sowohl intern (als Definition für mich) als auch extern (um richtig verstanden zu werden).

Zitat von Reconquista:
Ich kenne keinen „unreinen“ und „reinen“ Geist, aber einen unruhigen und ruhigen. Die Vorstellungen von Reinheit sind m. E. falsche Vorstellungen und Ziele, die nie erreicht werden und nur zu Problemen führen können.

Reinheit und Hygiene sind in der Tat riskante Begriffe, besonders in unserem hiesigen Metier . Doch ich persönlich habe damit kein Problem. Für mich sind - geistbezogen - Reinheit, Ruhe und Klarheit miteinander gleichzusetzen. Doch ich verstehe Deine Vorbehalte gegen Reinheit - insbesondere als katholisch erzogener Bayer...
Zitat von Reconquista:
Aber der Geist kann zur Ruhe kommen und wirkt dann „rein“, wie ein stiller Bergsee. Vielleicht meinst du das?

Korrekt - Ajahn Chah drückte es ähnlich aus... Vielleicht könnte man auch sagen, der ruhige Geist wirkt reinigend.
Die meisten deutschen Adjektive können in ihr Gegenteil umgestaltet werden (z. B. rein - unrein, ruhig - unruhig etc.). Die Reinheit oder Hygiene von der ich spreche, steht außerhalb jeglicher Gegensätzlichkeit.

Zitat von moo:
Die Reinheit oder Hygiene von der ich spreche, steht außerhalb jeglicher Gegensätzlichkeit.

Ich lasse dazu jetzt einfach mal meine Gedanken laufen, vielleicht kann da jemand was damit anfangen und wenn nicht, dann eben nur für mich.

Wenn es keinen Gegensatz gibt, dann ist es immer so, wie es ist.
Als hier in dem Thread die Frage kam, wie das gemeint ist, stellte ich mir es folgendermaßen bildlich vor.
Man steht auf einem Gipfel und hat rundum freien Blick. Man sieht alles. Das war für mich der reine/klare Gedanke. Wenn jetzt aber Nebel herrscht, dann ist der Blick versperrt, aber trotzdem hat sich an der Umgebung nichts verändert, sie ist genauso, wie sie vor dem Nebel war. Das war für mich der unreine/unklare Gedanke.

Wenn man oben auf dem Gipfel steht und alles sieht, dann kann man sich entscheiden, wohin man denn jetzt gehen möchte. Dort zu dem grünen Wald oder doch lieber zu dem See, in ein Dorf....... Die Entscheidung wird vermutlich dadurch gefällt, indem wir das, was wir sehen, bewerten und dann ein Ziel ansteuern, wo uns die meiste positive ! Energie erwartet.
Wenn jetzt aber der Nebel die Sicht versperrt, dann müssen wir uns für einen Weg entscheiden ohne zu wissen, wo wir ankommen. Wir müssen alles so annehmen, wie es ist, ohne zu wissen, ob wir letztendlich doch an einer Stelle rauskommen, wo eine positive Energie ist.
Der Nebel nimmt uns somit eine Entscheidungsfreiheit. Wir können nicht mehr unser Ziel wählen (die aber alle trotzdem da sind). Wir können nicht erst bewerten/einordnen und dann versuchen dahin zu kommen, sondern wir müssen einfach ins Ungewisse laufen.

Ich persönlich komme somit wieder an bei: Bewertungen.
Bei freier Sicht können wir zuerst bewerten und dann uns eine Richtung auswählen. Um das Ziel zu erreichen, nehmen wir auch Strecken in Kauf, wo wir vermutlich als Ziel nicht ausgewählt hätten. Das Ziel gibt uns die Kraft durchzuhalten. Bei Nebel ist das deutlich schwieriger.
Wenn wir jetzt aber bei freier Sicht gar nichts bewerten, dann können wir auch kein Ziel festlegen, dann würden wir uns im Kreise drehen, unschlüssig, wohin man jetzt gehen soll. Dann steht man im Prinzip im Nebel, ohne dass einer da ist. Es ist alles gleich gut oder gleich schlecht. Die einzige Entscheidung, die man fällen kann, ist, ob man läuft oder ruht.

Wir fühlen uns also nur im Nebel, weil wir alles bewerten, einteilen in gut und schlecht. Weil wir ein Ziel anstreben möchten, das wir als gut einstufen. Würden wir kein Ziel brauchen, dann ist alles gut, so wie es kommt. Alles was ich auf dem Weg erleben darf ist weder gut noch schlecht. Wenn ich es schaffe das so zu sehen, dann lichtet sich der Nebel immer mehr und die Sicht wird klarer. Ich brauche sie aber gar nicht, weil ich kein Ziel brauche.

@hereingeschneit Ich konnte den letzten beiden Absätzen nicht so ganz folgen. Den Unterschied den Du bezüglich bewerten, freier Sicht und Nebel machst, erschliesst sich mir nicht ganz, er liest sich für mich etwas widersprüchlich. Aber vielleicht kann mein Geist dem auch einfach heute Abend nicht mehr richtig folgen.

Jedenfalls erinnert es mich daran, dass ich den größten Teil meines Leben den Satz Der Weg ist das Ziel nicht verstanden habe. Ja, so ist es, ich habe einfach nicht kapiert, was damit gemeint sein könnte. Für mich war Ziel immer etwas in der Ferne, ein klares, konkretes Ziel weit weg eben.

Irgendwann ist mir dann aufgefallen, dass, wenn ich verkrampft nur dieses Ziel in den Blick nehme (wie man das in unserer erfolgsfixierten Leistungsgesellschaft/Meritokratie eben so beigebracht kriegt), ich also rechts und links alles ausblende und mit aller Macht nur versuche, dieses Ziel zu erreichen, eben genau deshalb keinen einzigen Schritt weiter komme.

Der in die zukünftige Ferne fokussierte Blick hat – um im Bild zu bleiben – den Blick nach rechts und links in der Gegenwart völlig vernebelt, wodurch ich all die alternativen/planabweichenden Chancen, vorwärts zu kommen (die sich ganz sicher geboten haben), völlig übersehen habe.

Manchmal erreicht man Sachen eben nur über Umwege, manchmal ist das Ziel auch viel zu konkret (über-)formuliert und blendet gleichwertige oder gar bessere Alternativen völlig aus.

Zugleich wächst bei dieser letztlich erfolglosen Fixierung in die Ferne der Frust über den fast zwingend eintretenden, anhaltenden Misserfolg und führt zu einem derartigen Druck, dass man unter der selbst gesetzten Anforderung nur noch zusammenbrechen kann.

Viel später habe ich dann erst begriffen, was Der Weg ist das Ziel bedeutet. Statt nur klar auf das eine einzige Fernziel zu fokussieren und alles andere im Nebel versinken zu lassen, bedeutet es, Hauptsache mit offenen Augen loszulaufen. Dabei ist dann wirklich nichts im Nebel. Und wenn das Ziel dann vielleicht einfach wäre, im Jetzt bewusst zu leben und einen Schritt bewusst nach dem anderen zu tun, dabei immer auch darauf zu achten, was einem selbst gut tut, dann wäre man in jedem Moment sehr klar und würde wahrscheinlich eben deswegen, die Chancen, die sich einem auf diesem Weg bieten viel eher wahrnehmen und so am Ende gar weit weg von dem zunächst krampfhaft fixierten Fernziel landen. Man würde vielleicht nicht am genau gleichen Ort landen, aber an einem, der mindestens genauso wertvoll wäre. Und der Weg dorthin wäre in jedem Fall viel weniger stressig und deutlich bereichernder.

Vielleicht meinst Du sowas?

Zitat von talbewohner:
Vielleicht meinst Du sowas?

Ich denke, das kommt dem schon ziemlich nah. Was für dich widersprüchlich klingt, ist für mich eine neue klare Sicht. Vielleicht hast du dir auch noch nie Gedanken darüber gemacht, wie viel Einfluss unsere Bewertungen, unser Einordnen in gut und schlecht, falsch und richtig auf uns und unsere Gefühle hat. Es hat ebenso Auswirkungen auf unser Wollen und nicht wollen
Ich beobachte das bei mir schon länger....

Aber ich möchte dir anhand deines eigenen Beispiels, also anhand deiner bereits eigener Erfahrung versuchen noch etwas zu verdeutlichen.


Zitat von talbewohner:
Jedenfalls erinnert es mich daran, dass ich den größten Teil meines Leben den Satz Der Weg ist das Ziel nicht verstanden habe.

Also warst du bezüglich dieses Satzes lange Zeit im Nebel. Du konntest den Sinn dahinter nicht erkennen, er verbarg sich dir.

Irgendwann kam aber der Zeitpunkt, wo du darin nun doch einen Sinn gefunden hast.

Zitat von talbewohner:
Statt nur klar auf das eine einzige Fernziel zu fokussieren und alles andere im Nebel versinken zu lassen, bedeutet es, Hauptsache mit offenen Augen loszulaufen. Dabei ist dann wirklich nichts im Nebel.

Du hattest auf einmal gefühlt freie Sicht. Du hast etwas erkannt, dass deine Einstellung verändert hat und dadurch vermutlich mehr innere Ruhe in dir einkehren konnte.


Zitat von talbewohner:
Und wenn das Ziel dann vielleicht einfach wäre, im Jetzt bewusst zu leben und einen Schritt bewusst nach dem anderen zu tun, dabei immer auch darauf zu achten, was einem selbst gut tut, dann wäre man in jedem Moment sehr klar und würde wahrscheinlich eben deswegen, die Chancen, die sich einem auf diesem Weg bieten viel eher wahrnehmen und so am Ende gar weit weg von dem zunächst krampfhaft fixierten Fernziel landen. Man würde vielleicht nicht am genau gleichen Ort landen, aber an einem, der mindestens genauso wertvoll wäre. Und der Weg dorthin wäre in jedem Fall viel weniger stressig und deutlich bereichernder.

Genau an der Stelle war ich auch und versuchte ein Ziel zu finden, das für mich erstrebenswert ist. Ich dachte: Damit es einen Weg gibt, damit ich eine Richtung habe, brauche ich ein Ziel.
Vielleicht war ich nicht diszipliniert genug, was vielleicht daran liegt, dass ich nichts erreichen möchte, oder ich habe meine Ziele nicht priorisiert genug, so dass ich ans abarbeiten ran ging, oder?

Irgendwie bin ich nicht voran gekommen. Gegenwärtig sein ist ja auch nicht so einfach, die Gedanken schwirren ja immer irgendwo anders rum......

Dadurch, dass ich hier jetzt selbst es in Worte fassen wollte, ich ein Sinnbild erschaffen habe, habe ich für mich erkannt, dass ich nur dachte freie Sicht zu haben, aber eigentlich voll im Nebel stand.
Ich habe erkannt, dass ich auf dem Gipfel stand, mich umsah und versuchte nichts zu bewerten. Ich hatte also kein Verlangen irgendein Ziel anzustreben. Ich wollte weder den Wald erkunden, noch mich am See erfrischen oder suchte ein Dorf um mich mit anderen Menschen auszutauschen.....
Ich fühlte mich verloren, obwohl ich doch alle Möglichkeiten hätte. Ich drehte mich im Kreis, unschlüssig, wie es weiter geht. Jetzt habe ich für mich erkannt, dass ich kein Ziel brauche um einen Weg zu haben.

Ich würde sozusagen den Spruch umschreiben in: Der Weg ist der Sinn des Lebens. Es gibt kein Ziel, wir sind schon da.

Allerdings vermute ich, dass mit diesem Spruch nicht so viele etwas anfangen könnten, ihn nicht verstehen würden. Mit dem Originalem dagegen schon. Er hilft sehr vielen Menschen ferne Ziele etwas lockerer zu lassen, auch offen zu sein für andere Möglichkeiten. Er hat ja auch mir geholfen auf meinem Weg.

Aber meine Erkenntnis, die sich vermutlich für viele sehr widersprüchlich anhört, ist eben mein Weg, der wieder ein bisschen mehr innere Ruhe in mir einkehren lässt.

Um mein Sinnbild im Moment zu vervollständigen. Ich denke, wir stehen immer im Nebel und nur durch das Gehen können wir immer wieder Neues entdecken/erfahren/erkennen.
Der klare Gedanke (freie Sicht) oder der unklare Gedanke (Nebel) entstehen nur dadurch, dass wir alles einordnen und bewerten.

Ich sage jetzt, wir stehen immer im Nebel, aber für mich fühlt sich diese Erkenntnis an wie freie Sicht.

Jetzt etwas klarer, oder habe ich damit wieder am Ziel vorbei geschossen.

Vielen Dank, @hereingeschneit, jetzt ist es mir klarer, was Du meintest, dann habe ich Dich ja doch auch richtig verstanden. Und ich kann das voll unterschreiben.

Noch eine kleine Korrektur, Du hast es ja aber trotzdem richtig verstanden. In meinem Beitrag fehlte einmal ein nicht:

Zitat:
Und wenn das Ziel dann vielleicht einfach wäre, im Jetzt bewusst zu leben und einen Schritt bewusst nach dem anderen zu tun, dabei immer auch darauf zu achten, was einem selbst gut tut, dann wäre man in jedem Moment sehr klar und würde wahrscheinlich eben deswegen die Chancen, die sich einem auf diesem Weg bieten, viel eher wahrnehmen und so am Ende gar nicht weit weg von dem zunächst krampfhaft fixierten Fernziel landen.


Aber das nur der Vollständigkeit halber.

Ja, ich sehe das mit dem Bewerten auch so. Gerade, wenn es um das Bewerten von Zukünftigem geht – also von Dingen, über die wir ja doch eigentlich gar keine Kontrolle haben, engt uns das ein. Denn wir schließen dabei konkrete Ziele und damit oft auch Wege von vorneherein aus, ohne wissen zu können, ob unsere Bewertung überhaupt stimmt.

(Ein Beispiel für das, was ich mit einem konkreten (zu konkretem) Ziel meine: du willst Werkschef bei VW werden. Vielleicht wäre es genauso gut für dich, den Posten bei Mercedes zu haben, vielleicht sogar noch besser. Das kannst du aber heute gar nicht wissen. Indem du dich auf VW fixierst, verlierst alle anderen Möglichkeiten aus dem Blick – und bist am Boden, wenn es bei VW nicht klappt.)

Um im Bild zu bleiben: Wir erzeugen rund um das gewählte, als gut bewertete Ziel ganz viel Nebel, räumlich betrachtet bis zu uns selbst zurück, alle alternativen Wege und Ziele blenden wir damit aus. Stellt sich dann heraus, dass wir das fixierte Ziel nur schwer oder gar nicht erreichen, sind wir mittendrin in diesem Nebel und spüren Hilflosigkeit und Kontrollverlust. (Mist, Ziel verfehlt, da bin ich wohl selbst dran schuld, hab' versagt, oder mir das falsche Ziel gewählt, keine Ahnung, was ich jetzt machen soll, ich krieg' mein Leben nicht auf die Reihe, bin ein schlechter Mensch, unfähig.)

Ich denke, dass das Kontroll-Bedürfnis (Erwartung: Kontrolle = Sicherheit) auf diese Art genauso toxisch, respektive vernebelnd wirkt wie das Bewerten (Erwartung: Bewerten = Sicherheit, das Richtige zu tun). Und ich denke, dass beides oft im Tandem auftritt. Ich habe aufgrund von traumatischen Hilflosigkeits- und Totalverlusterfahrungen als Kind persönlich ein starkes Bedürfnis nach Kontrolle, wobei freilich die Bewertung stets der Kompass ist, der entscheidet, was es wie zu kontrollieren/zu erstreben/zu vermeiden gilt.

Für mich kann ich – paradoxerweise – sagen, ich bin davon ausgegangen, dass ich Handlungsfähigkeit/Selbstwirksamkeit mit Hilfe der Bewertung (Wohin soll es gehen?) erreiche, um aus der erlebten Hilflosigkeit mittels Kontrolle auszubrechen. Oder anders gesagt, ich habe gedacht, dass Bewertung und Kontrolle die besten Begleiter aus den Kindheitserfahrungen heraus in das Erwachsenenleben seien, um endlich die Fremdbestimmtheit zu überwinden. Natürlich will man in diesem Moment ja auch selber kontrollieren, wohin es jetzt geht. Und bewerten muss man da ja auch, um zu entscheiden, welchen neuen Weg man einschlagen will (bloß raus aus dem alten Kindheitssetting).

Diese Entwicklung erscheint mir erstmal auch logisch. Und da das ja eine sehr bewusste Überlegung war, dachte ich auch immer, dass damit Klarheit einherginge. Es klingt ja auch erstmal so. Klare Werte, klares Ziel.

Nun habe ich eine Zutat nicht gehabt, die es ebenfalls braucht, um seinen eigenen Weg zu gehen. Nämlich das Vertrauen in sich selbst – man kann ja schlicht nicht alles kontrollieren. Wenn man so eine Kindheit hatte, wie ich, hat man aber ungefähr null Urvertrauen. Das habe ich versucht, krampfhaft zu kompensieren durch Kontrolle und Bewertung. Das geht aber eben nicht, wie ich heute weiss, das ist kein Ersatz. Ohne Vertrauen in sich selbst, kommt man keinem Ziel nahe. Das hat mich regelmäßig scheitern lassen und gefühlsmäßig in einen Nebel versetzt, aus dem ich keinen Ausweg gesehen habe. Ergebnis sind eine Retraumatisierung, Angst und Panik, denn das fühlt sich dann alles genauso an wie als Kind.

Das Vertrauen in sich selbst braucht man also einerseits, um mittels Bewerten/Kontrollieren einen nebligen Weg zu gehen, andererseits aber noch viel mehr, wenn man sich ohne (Halt gebendes, durch Bewertung und Kontrolle angestrebtes) Ziel einfach auf den Weg macht. Für diese einfach Loslaufen können braucht es sehr viel Vertrauen in einen selbst (Du kannst doch nicht einfach loslaufen, ohne zu wissen, wohin, wer weiss, was da passieren kann, wenn Du es nicht vorher zu Ende denkst, alle Eventualitäten in Betracht ziehst und versuchst zu kontrollieren!)

Heute denke ich, dass beim sich einfach auf den Weg machen am meisten Klarheit herrscht. Man ist dabei nämlich in der Gegenwart, nicht gedanklich in der Zukunft, die man mit einem fixierten Ziel anstrebt. In der Gegenwart kann man sich selbst viel klarer wahrnehmen, seine Möglichkeiten, seine Grenzen, man ist sich selbst bewusster. Erst in diesem Zustand macht es überhaupt Sinn, etwas unverkrampft für gut oder schlecht für einen selbst zu befinden, nicht kategorisch, sondern jeweils für den gegenwärtigen Schritt auf diesem Weg. Und auch erst dann hat man tatsächlich so etwas wie bewusste Kontrolle über eben den einen gerade gegenwärtigen Schritt. Man ist sich sich selbst bewusst – das bedeutet für mich Klarheit.

Der Nebel kommt nach dieser Theorie dann also immer dann auf, wenn wir uns von unserem gegenwärtigen Sein entfernen. Wenn wir uns nicht selbst im jeweiligen Moment bewusst sind und auf uns vertrauen können. Wenn wir statt dessen über Gebühr in die Zukunft (Ziel!) abschweifen, die immer unsicher ist und dadurch immer potenziell Angst macht.

Ich würde also denken, je gegenwärtiger, je bewusster, desto klarer.

Und ja, die Varianten des Spruchs finde ich schön:

Zitat von hereingeschneit:
Jetzt habe ich für mich erkannt, dass ich kein Ziel brauche um einen Weg zu haben.

Zitat von hereingeschneit:
Der Weg ist der Sinn des Lebens. Es gibt kein Ziel, wir sind schon da.

Zitat von hereingeschneit:
Ich denke, wir stehen immer im Nebel und nur durch das Gehen können wir immer wieder Neues entdecken/erfahren/erkennen.


Wichtig scheint mir nochmal, aus der eigenen Erfahrung, der Gedanke mit den Chancen. Die ergeben sich im Leben sekündlich. Wir können jederzeit entscheiden, Chancen, die sich bieten, zu ergreifen. Eben auch solche, die uns (hätten wir eins formuliert) unserem Ziel näherbringen würden. Wir müssen sie nur überhaupt sehen/wahrnehmen. Und das geht mit dem aufs Ziel gerichteten Tunnelblick nicht. Das geht nur, wenn man bewusst im Moment lebt mit etwas Selbstvertrauen. Dann sieht man überhaupt erst.

Seit ich es aufgegeben habe, krampfhaft ein Ziel zu verfolgen, habe ich in meinem Leben unglaublich viele Chancen überhaupt erst bemerken können. Ich habe Dinge getan/gelernt, die ich mir nie hätte vorstellen können. Ich lebe heute von etwas komplett anderem als vor zehn Jahren und verbringe Zeit mit Leuten, mit denen ich mir das nie hätte vorstellen können. Von vielen dieser Sachen hätten mich Zielfixierung und Bewertung kategorisch abgehalten.

Insofern finde ich heute, dass der Sinn darin besteht, sich einfach auf den Weg zu machen, dabei immer in der Gegenwart zu bleiben, sich selbst zu vertrauen bei jedem Schritt (bei nur einem Schritt ist das auch nicht so schwer ). Das bewusste Gehen jedes Schrittes im Jetzt ist dann wiederum eigentlich Klarheit.

PS: Das klingt jetzt alles vielleicht so logisch und einfach, das ist es leider aber gar nicht, sonst würde ich ja nicht in diesem Forum schreiben. Ich denke, ich selbst muss bei dem Ganzen noch sehr viel an den zwei Zutaten im Jetzt sein und Selbstvertrauen arbeiten.

Sehr viele weise Worte @talbewohner meiner Meinung nach.
Ganz besonders das:
Zitat von talbewohner:
Das klingt jetzt alles vielleicht so logisch und einfach, das ist es leider aber gar nicht,

viel zu oft hängt man in alten Mustern, aber gerade solche Themen wie dieses, helfen uns wieder uns zu erinnern und den Weg Schritt für Schritt fortzuführen.

Danke @talbewohner, ein Kommentar noch zu deinen Ausführung bzgl. den Zielen. (Keine Ziele mehr zu setzen; evtl. ist es auch bei dir eher ein nicht auf Ziele fiieren?)

Ich selbst erlaube mir, dass ich meine Ziele umzudefinieren darf.

Somit habe ich dennoch grob einen Plan was ich mache, dass mein Wwg nicht zu ungerade wird. Fernziele sind bei mir sehr allgemein gehalten und beinhalten grob, dass ich mich innerhalb meiner persönlichen ethischen Bahnen bewege. Dann habe ich Jahres-, Monats- und Wochenziele. Die ich einmal pro Woche ganz kurz überfliege. Ändern kann ich sie jederzeit.

Auch habe ich gelernt, dass ich bei meinen persönlichen Zielen weniger ein konkretes Ergebnis erreichen will, sondern dass ich eine konkrete Tätigkeit bestmögluch durchgeführt haben will. Dies habe ich mehr unter Kontrolle.
Sponsor-Mitgliedschaft

Zitat von talbewohner:
Irgendwann ist mir dann aufgefallen, dass, wenn ich verkrampft nur dieses Ziel in den Blick nehme (wie man das in unserer erfolgsfixierten Leistungsgesellschaft/Meritokratie eben so beigebracht kriegt), ich also rechts und links alles ausblende und mit aller Macht nur versuche, dieses Ziel zu erreichen, eben genau deshalb keinen einzigen Schritt weiter komme.

Für mich steht der Weg ist das Ziel als Metapher für die Auflösung der Dualität (Ich und Welt).

Zitat von hereingeschneit:
Viel zu oft hängt man in alten Mustern, aber gerade solche Themen wie dieses, helfen uns wieder uns zu erinnern und den Weg Schritt für Schritt fortzuführen.


Ja, @hereingeschneit, das stimmt und es ist eine tägliche Aufgabe. Und ja, deshalb bin ich auch dankbar für dieses Thema, @moo, es erfordert geradezu, sich wirklich Gedanken zu machen.

Zitat von moo:
Für mich steht der Weg ist das Ziel als Metapher für die Auflösung der Dualität (Ich und Welt).}

Könntest Du das noch etwas illustrieren, wie Du das genau meinst? Wo genau beginnt für Dich die Welt?

A


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