Ich wollte Euch gern mal an meinen Erlebnissen der letzten Wochen teilhaben lassen - vielleicht ist das für die ein oder andere von Euch auch hilfreich.
Nachdem ich meine Ängste durch die Therapie eigentlich schon gut im Griff hatte und auf einem guten Weg beim Ausschleichen vom Mirtazapin war (das mir nie geholfen hat), sind im Oktober plötzlich meine Ängste komplett eskaliert. Wir waren zu Besuch bei Bekannten und morgens vor der Rückfahrt ging es los. Panik überrollte mich, mein Körper spielte verrückt, ich konnte mich kaum auf dem Beinen halten. Mein Mann hat mich mit Mühe und Not nach Hause bekommen.
Anschließend ging bei bei kaum noch was, ich hatte echt Probleme, das Haus zu verlassen und selbst zu Hause, wo es mir bisher eigentlich immer gut ging, überrollte mich die Panik. Das wurde dann bis in den November rein etwas besser, aber die Panik außer Haus blieb.
Dann bekam ich einen grippalen Infekt. Ganz normal, mit Schnupfen, Husten, erhöhter Temperatur. Und kurz danach brach bei mir alles zusammen - körperlich wie seelisch. Extreme innere Unruhe und inneres Zittern, das Herz ballerte wie bekloppt, Puls war permanent erhöht, ich habe nur noch gefroren, das Gehirn war permanent wie im Nebel, null Konzentrationsfähigkeit, ich kam kaum noch die Treppe hoch, Wellen von Übelkeit. überrollten mich, jedes Geräusch, jeder optische Reiz war zu viel für das Gehirn. Wenn ich was gegessen hatte, wurde es etwas besser, aber nur kurzzeitig.
Ich habe echt nur noch gedacht: Lieber Gott, wenn das jetzt so bleibt will ich nicht mehr leben. Ich sah mich schon in der nächsten psychiatrischen Klinik - mein Bauchgefühl sagte mir aber auch, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass meine Psyche derart entgleist. Ich fühlte mich wie jemand, der vor einem Buffet verhungert (komisches Bild, ich weiß, aber dass war die ganze Zeit in meinem Kopf).
Bevor ich jetzt neue schwere Geschütze mit einem weiteren Antidepressiva auffahre, wollte ich erst nochmal körperlich alles was geht abklären lassen. Die Hausärztin tippte auf einen entgleisten Blutzuckerspiegel und wollte nochmal ein Blutbild machen. Leider dauerte es 1,5 Wochen bis zum Termin für die Blutentnahme und dann nochmal eine Woche,, bis die Werte da sind (sind wohl auch spezielle dabei, die so lange dauern?) - daher bekomme ich das Ergebnis da erst nächsten Freitag. Ich habe auch eine Überweisung zum Kopf MRT bekommen - das wird aber Januar/Februar, bevor ich da einen Termin bekomme.
Ich bin dann auch nochmal zur Frauenärztin, ich hatte sowieso einen Termin für den jährlichen Check-up. Die hat dann mal einen kompletten Hormonstatus gemacht und festgestellt, dass mein Östrogen komplett abgerauscht war (ich bin jetzt 54 und hatte letztes Jahr im Juli meine letzte Periode und bin somit offiziell in der Menopause). Sie meinte, dass das durchaus in meine Angstgeschichte reinspielen kann und riet mir zu einer Hormon-Ersatz-Therapie mit bioidentischem Östrogen (Gel). Progesteron nehme ich schon seit einiger Zeit.
Dienstag Abend habe ich dann mit dem Gel angefangen. Es wird einfach auf einen Arm aufgetragen.
Eine Stunde später war das innere Zittern und die Unruhe weg. Am Donnerstag hatte ich das Gefühl, aus einem Nebelfeld aufzutauchen. Am Freitag konnte ich locker, ohne Ängste ins Büro fahren, konnte mich in der Besprechung konzentrieren und musste nicht mehr ständig aufs Klo rennen und konnte wieder lachen, so richtig, von Herzen. Am Samstag bin ich mit meinem Mann auf dem Weihnachtsmarkt gewesen, ohne Anstrengung, ohne ständig über das nächste Klo nachzudenken. Das wäre Montag noch nicht denkbar gewesen. Und ich schlafe wesentlich besser. Das Gedankenkarussel wird weniger. Das Gehirn ist ruhiger.
Ich bin echt völlig fassungslos.
Vielleicht ist es auch nur der Placebo-Effekt - keine Ahnung. Aber wenn es so ist, genieße ich das jetzt gerade ungemein. Es fühlt sich einfach nur toll an. Ich bin wieder ich, ich bin wieder in mir zu Hause. Und ja, es kann sein, dass bei der Blutuntersuchung noch was bei rum kommt - man kann ja durchaus Flöhe und Läuse haben. Dann habe ich jetzt aber wieder etwas Kraft, das anzugehen. Und ich kann mir gerade wieder vorstellen, spazieren zu gehen und Yoga zu machen - das war die letzten Wochen undenkbar. Ich bin gerade einfach nur glücklich,
Daher mein Rat für alle, bei denen die Ängste/Depressionen erst so ab Anfang/Mitte 40 losgegangen sind und die jetzt noch nicht allzu lange in den Wechseljahren sind - denkt da mal dran. Lasst Euren Hormonstatus checken und besprecht Euch mit dem Frauenarzt/ärztin bevor Ihr Antidepressiva ausprobiert. Ich hatte es nie für möglich gehalten, was die Hormone alles beeinflussen können.
Und vielleicht noch ein Buchtipp zu dem Thema - ich habe mir das Buch Fabelhafte Wechseljahre von Dr. med. Sheile de Liz besorgt und mir ging echt nicht nur ein Licht auf, sondern ein ganzer Weihnachtsbaum.
Euch noch einen schönen 2. Advent!
04.12.2022 17:53 • • 02.05.2024
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