ich habe hier mal den ein oder anderen Beitrag durchgelesen und mich in vielen davon wiedererkannt.
Oder zumindest mein ehemaliges Ich.
Daher dachte ich mir, ich schreibe euch mal ein paar Zeilen wie es bei mir damals dazu kam und wie ich es wieder in den Griff bekommen habe.
Das ganze wird ein längerer Text werden. . . .
Alles fing etwa im November 2002 an.
An sich lief damals alles gut für mich. Ich hatte einen guten Job, war seit kurzem verlobt und hatte vor, mit dieser Frau zusammen zu ziehen.
Dann aber kam der Abend, der alles verändern sollte.
Ich traf mich an diesem Abend mit einem Arbeitskollegen, welcher mir dann eine längliche, selbstgedrehte Zig. unter die Nase hielt.
Ich denke mal, jeder weiß welche Art Zig. ich hier meine. . . .
Wir gingen also nach draußen und rauchten die besagte Zig..
Zuerst war alles ok, mir wurde ein bischen schwummerig. . . aber nichts, was mich beunruhigt hätte. Aber dann !!
Mit einem mal fing mein Herz an zu rasen, immer schneller und schneller. . . . ich hatte das Gefühl, das es mir gleich aus der Brust zu springen drohte.
Vor meinem geistigen Auge sah ich bereits den Rettungswagen vorfahren und einen Sanitäter mit Defibrilator herausspringen.
In diesem Moment hatte ich eine Todesangst, ich dachte gleich ist es aus mit mir !!
Ich ging mitten auf der Straße auf die Knie, packte mir an die Brust und rief meinem Arbeitskollegen zu man mach was, ich geh drauf !!
Nach ein paar Minuten ging es dann wieder, aber ich war total fertig und hatte das gefühl, als würde ich wie auf Eiern laufen.
Alles um mich rum war total schwammig, wie in Watte gepackt.
Meinem Arbeitskollegen schien das ganze weniger in Panik zu versetzen als mich.
Er versuchte mich zu beruhigen, nahm mich am Arm und führte mich zurück in die Wohnung zu meiner Verlobten.
Dort saß ich dann in der Küche, zitterte am ganzen Leib. . . die nächste Attacke bahnte sich an. Natürlich wusste ich das zu diesem Zeitpunkt noch nicht, für mich war es irgendwas am Herzen.
Von meiner Verlobten hörte ich auf mein schatz, ich glaub ich krieg nen Herzinfarkt nur ein jaja, is ja guuuuut.
Weder sie noch mein Arbeitskollege nahmen die Situation besonders ernst und ich fühlte mich in diesem Moment ein wenig im Stich gelassen.
Die beiden meinten Du bist einfach nur High (glaubt mir, vom Gefühl her passt das Wort High keinesfalls zu diesem Zustand !!).
Um mich wieder runter zu kriegen, wurde ich mit Süßigkeiten vollgestopft.
So neigte sich der Abend dann langsam dem Ende.
Ich legte mich ins Bett und schlief auch irgendwann ein.
Am nächsten Tag war alles wieder so wie früher. Und auch am Tag danach war alles ok.
Aber am dritten Tag. . . . . ich saß gerade auf der Arbeit, hatte die Situation von vor 3 Tagen schon wieder vergessen, bekam ich plötzlich wieder das gleiche Gefühl wie an jenem Abend.
Ich wurde plötzlich, ohne jeden Grund nervös, bekam Herzrasen und Schweissausbrüche.
ich wurde total blass, packte mir wieder an die Brust und ein heftiger Herzstolperer riss mich zu Boden.
Im Büro herrschte daraufhin heillose Aufregung.
Ich wurde in eine Decke gepackt, auf den Boden gelegt und binnen weniger Minuten war der Notarzt vor Ort.
Der sah mich dann kurz an, kontrollierte den Blutdruck sowie Puls und meinte danach nur Hm. ist doch alles in Ordnung.
Dann gab er mir eine Valium, damit ich mich wieder beruhigte.
Ich wurde vom Vater meiner Verlobten abgeholt und heimgebracht.
Ab diesem Tag konnte ich dann fast die Uhr nach den Attacken stellen.
Pünktlich alle 3 Tage ging es immer wieder von vorne los.
Ich rannte von Arzt zu Arzt, ließ alles untersuchen: Herz mit Belastungs-EKG, Langzeit-EKG, Neurologe, Schilddrüse. Aber nichts wurde gefunden.
Immer wieder hörte ich die Ärzte nur sagen Hach, so ein Herz/so eine Schilddrüse hätte ich auch gern.
Und was dachte ich mir dann ? Was sind das für Ärzte ? Da muss definitiv was kaputt sein, warum finden die das nicht ??.
Inzwischen hatte ich eine riesen Angst vor einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall.
Vor lauter Angst hörte ich von einem Moment auf den anderen mit dem Rauchen auf.
Denn das schädigt ja das Herz. . . und wir wollen ja nichts herausfordern.
Inzwischen wurde ich von meiner Hausärztin 2 Wochen krankgeschrieben.
Die 2 Wochen verbrachte ich daheim, allein mit meinen Attacken.
Die kamen inzwischen täglich und zwar mehrfach.
In gut 3 Wochen wollte ich mit meiner Verlobten zusammenziehen, es gab also noch eine Menge zu planen. Verträge unterschreiben, Möbel aussuchen etc.
Ich quälte mich also zu einem schwedischen Möbelhaus und lief gute 2 Stunden mit meiner Verlobten durch selbiges.
In dieser zeit hab ich sicher 10 Liter Flüssigkeit in Form vom Schweiss verloren.
Ich ließ mir dann einen Termin beim Psychologen in einem Krankenhaus in meiner Nähe geben.
Auf dem Weg zu diesem Termin hatte ich während der Autofahrt dahin wieder eine Panikattacke.
Gott allein weiß, wie ich Unfallfrei dort angekommen bin.
Blass, total Panisch und leicht weinerlich kam ich beim Therapeuten an, welcher sofort Nägel mit Köpfen machte und mich flugs in die offene psychiatrische Abteilung einwies.
BUMM!! jetzt bin ich also ein Psycho ging es mir durch den Kopf und meine Welt zerbrach in winzig kleine Teile.
Unter Tränen rief ich meine Mutter an, welche mir dann ein paar Sachen ins Krankenhaus brachte.
Dort blieb ich etwa 3 Wochen. Ich ging wieder durch alle möglichen Untersuchungen, EKG's, Schädel-CT's.
Nichts körperliches wurde gefunden.
Nervlich war ich inzwischen ein totales Wrack. Ich traute mich kaum mehr, aufzustehen geschweige denn zu laufen.
Nach 3 Wochen (und einer Einstellung auf ein Medikament namens Seroxat) wurde ich aus der Klinik entlassen. Ich zog mit meiner Verlobten zusammen, ging wieder auf die Arbeit.
Aber es war nichts mehr so, wie früher.
Ich war nur noch unsicher, alles bereitete mir unbehagen.
Immer wieder meldete ich mich morgens krank zur Arbeit und blieb daheim.
Bis ich schließlich die Kündigung bekam. Natürlich nicht weil ich so oft gefehlt hätte, sondern angeblich wegen anderer Dinge.
Während meine Verlobte also tagsüber arbeiten ging, stellte ich das normale Leben ein.
Ich stand am frühen Vormittag auf, nur um mich gleich wieder auf die Couch zu legen.
So wenig bewegung wie möglich. Jede bewegung könnte ja das Herz belasten und mich sofort in den Tod reissen !!
Also tat ich garnichts mehr. Ich lag einfach nur auf der Couch, schaute DVD's an oder beschäftigte mich mit meiner Spielekonsole.
Meine Verlobte musste also inzwischen für 2 leben.
Das ging dann etwa 2 Monate so. Jeden Tag rief ich meine Verlobte oder meine Mutter an, um ihnen mein Leid zu klagen oder darüber zu informieren, das ich sicher gleich einen Herzinfarkt bekommen würde.
Eines Abends brach meine Mutter am Telefon unter Tränen zusammen.
So hatte ich sie noch nie erlebt.
Sie könne das nicht mehr so mitmachen, habe keine Kraft mehr dafür.
Ich fühlte mich in diesem Moment total verarscht.
Hallo ? Schließlich war ICH es doch, der bald ganz sicher an einem Herzinfarkt sterben würde !
Die ganze Familie versuchte, mich da irgendwie rauszubekommen.
Aber keiner schaffte es, konnte mich dazu bewegen mal das Haus zu verlassen.
Ich konnte nicht mal den Müll rausbringen oder in die Küche gehen um etwas zu kochen.
Ich brauchte bloss aufzustehen und sofort war mir schwindelig, ich hatte Herzrasen. (Kein Wunder. . . wenn man nichts isst und mit 1,83m Körpergröße nur noch 55 KG wiegt).
Im Juni 2004 beschloss meine Familie, das es so nicht mehr weitergeht.
Ich wurde wieder in eine Klinik eingewiesen, die Klinik zum Heiligen Geist in Frankfurt/Main.
Für mich war das wieder ein Tiefschlag. Obwohl. . . . viel tiefer konnte ich ja kaum noch sein.
Dort sollte ich dann 12 Wochen verbringen.
In dieser zeit bekam ich alle möglichen Therapien.
Konfrontationstherapie, Musiktherapie, Gesprächstherapie, Zeichentherapie. . . das volle Programm. Ich wurde auf ein anderes Medikament namens Paroxetin eingestellt.
Aber diesmal zeigte die Therapie langsam wirkung.
Ich konnte mich wieder halbwegs frei Bewegen.
Nach den 12 Wochen hatte ich mich also wieder halbwegs im Griff.
Die Attacken wurden weniger und ich traute mich wieder vor die Tür.
Kurz nachdem ich aus der Klinik raus war, verließ mich dann meine Verlobte.
Inzwischen hatte sie gut 2 Jahre mit mir und meinen Attacken ausgehalten, aber nun konnte sie nicht mehr.
Um nicht wieder völlig den Boden zu verlieren, ging ich nochmals für 3 Monate in eine Tagesklinik.
Da ich dazu jeden Tag das Haus verlassen musste, denke ich, das mir diese Tagesklinik von allen Therapien wohl am meisten brachte.
Inzwischen war es 2005 und ich war körperlich wieder halbwegs hergestellt.
Die letzte Panikattacke war gut 3 Monate her und ich lernte langsam, eine ankommende Attacke schon im Keim zu ersticken !
Es fühlte sich einfach nur gut an, endlich wieder Dinge machen zu können, die mir so lange verwehrt geblieben waren.
Im August 2005 find ich dann eine Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker an.
Ein Job, der körperlich teils sehr anstrengend ist.
So konnte ich mir selbst beweisen, das ich körperlich wohl doch nicht sooo zerbrechlich und Infarktgefährdet war, wie ich mir es 2 Jahre lang dachte.
Tja. . . . . was soll ich sagen ?
Im Juni letzten Jahres beendete ich meine Ausbildung, sogar mit vorgezogener Prüfung !
Die letzte richtige Attacke ist inzwischen *grübel grübel* bestimmt 2 Jahre her.
Ich gehe ohne Angst aus dem Haus. Ich war im letzten Jahr auf Rock am Ring.
Das hätte ich mir zu meinen Panikzeiten niemals erträumt, zwischen so einer Menschenmasse zu stehen und zu FEIERN !! Ohne Angst !
Für dieses Jahr sind Rock am Ring, Wacken und M'era Luna geplant.
Inzwischen habe ich die Medikamente seit über einem Jahr abgesetzt.
Ich kann zwar nicht behaupten, das ich komplett Beschwerdefrei bin. . . . aber ich lasse mir mein Leben nicht mehr von diesen Attacken bestimmen.
Was will ich mit diesem Posting in epischer Länge nun sagen ?
Die Quintessenz dieses Beitrags ist: LASST EUCH VON DEN ATTACKEN NICHT DAS LEBEN VERSAUEN !!
Wenn ich das geschafft habe, dann ist es für jeden von euch möglich.
Ich bin sicher kein Mensch, der vor Selbstbewusstsein nur so strotzt oder eine übermäßige mentale Stärke besitzt.
Ganz im Gegenteil.
Ich war mein ganzes Leben lang unsicher, schüchtern, unauffällig.
Durch das überwinden dieser Attacken habe ich mir ein Stück Selbstbewusstsein aufgebaut.
Also, lasst es nicht zu das euch die Angst in die Schranken verweist.
Ich bin mir sicher, jeder von Euch ist stärker als er glaubt.
Und jeder hat die Möglichkeit, sich selbst aus diesem Teufelskreis heraus zu holen.
Es mag nicht einfach sein, aber es ist möglich !
So. . . . jeder, der diesen Beitrag bis zum Ende gelesen hat: Glückwunsch !! Ehrlich gesagt, habe ich hier noch einiges Abgekürzt, aber ich denke es ist auch so schon lang genug geworden
Ich freue mich über jegliches Feedback. Und wer Fragen hat, sich von mir Hilfe verspricht: JEDER DARF MICH GERN ANSCHREIBEN !
Soweit ich kann, werde ich versuchen Hilfestellung zu geben.
Natürlich ersetze ich in keiner weise eine professionelle Therapie. . . . aber vielleicht kann ich ja dem einen oder anderen ein wenig helfen.
Liebe Grüße
Sven
01.02.2009 02:04 • • 01.07.2009 x 3 #1