Hallo Strand,
Bei mir war es so dass ich in die Angsterkrankung quasi hinein gerutscht bin. Fünf Monate vor meinem Abi fiel mein Papa kurz vor Heiligabend plötzlich ins Koma und starb 3 Tage später dann. Das war so unerwartet und kam so plötzlich, es war ein richtiger Schock. Ich konnten icht verstehen wieso er einfach so urplötzlich aus dem Leben gerissen wurde, und diese Erfahrung von unmittelbaren Tod hat mir riesen Angst gemacht dass mir selbst oder anderen lieben Menschen das auch passieren könnte. Richtig verarbeiten konnte ich den Tod auch nicht, denn das Abi stand ja vor der Tür und ich hatte enormen Leistungsdruck und viel Stress. Dann fing es an mit Herzstolpern, Schwindel, heftigen Kopfschmerzen, und etwa einen Monat später hatte ich meine erste Panikattacke, und ab da ging dann gar nix mehr. Ich konnte zwar zur Schule gehen, denn komischerweise fühlte ich mich dort sicher und war natürlich gut abgelenkt, aber Zuhause überkamen mich oft die Angstattacken, teilweise gleich am Morgen oder im Schlaf, oder einfach nur so, oder auch im Supermarkt an der Kasse oder wenn ich mit Freunden weg war
Die Angst war mein ständiger Begleiter, und ich beobachtete meinen Körper immer mehr weil ich immer weniger verstand was mit mir los war - der klassische Teufelskreis eben.
Ich bin aber nie komplett aus dem Leben ausgestiegen, also nur noch Zuhause geblieben und hab mich dort versteckt wie es vielen Angstpatienten geht. Das konnte ich mit dem Abi ja gar nicht und heute bin ich echt froh drum, denn ich hatte wenigstens einige Konstanten im Leben, wenn ich auch ständig Angst hatte. Aber diese Konstanten gaben mir Halt.
Ich hab dann sehr schnell eine Therapie beginnen können, und kam mit meinem Therapeuten super zurecht. Medikamente hab ich keine genommen, denn er meinte es läge auch größtenteils am Lernstress und am Leistungsdruck, und der wär ja bald vorbei. Die Gespräche haben mir gut getan, und ich hab gelernt mit der Angst zu leben. Gelernt die Attacken auszuhalten, meinem Körper wieder zu vertrauen. Sport half mir dabei sehr, auch wenn ich, wie du, bei jedem schnelleren Herzschlag Angst hatte ich kipp um. Allerdings ist das nie passiert, und das hat mir dann gezeigt dass es eben doch ganz gut geht und dass mein Körper viel stärker ist als ich immer dachte. So nach und nach kam dann mein Vertrauen in den Körper zurück und ich dachte nicht mehr jedes Herzklopfen und jeder Atemzug müsste beobachtet werden. Das Abi hab ich auch geschafft, wenn auch unter Höllenqualen. In Deutsch hatte ich wirklich 6h lang NUR Angst, ich war leichenblass und verschwitzt, und die Lehrer wollten mich schon Heim schicken, aber das Abi war mir wichtiger als jede Angst. Und dadurch hab ich erkannt dass die Angst mir im Grunde absolut gar nichts kann. Sie bestimmt nicht, sondern ich.
Mit diesen Erfolgserlebnissen und dem bestandenen Abi ging es dann total steil bergauf. Attacken wurden weniger, die Angst zog sich zurück, ich war wieder richtig gesund. Nur einmal nach Abschluss meiner Therapie hatte ich noch eine Attacke. Das war bei einem Musical in dem riesigen voll gestopften stickigen Raum, da kam die Angst. Aber sie ging auch wieder. Bzw. es wird keine Attacke mehr daraus, weil ich inzwischen den Kreislauf erkannt hab und ihn einfach unterbrechen kann wenn ich will. Neulich war ich auch sehr aufgeregt und nervlich am Ende (wegen Papas Todestag und einer Präsentation in der Uni) und da begann mein Herz auch zu rasen, aber es wurde keine Attacke, ich konnte mich sofort wieder beruhigen. In ganz extremen Situationen kommt das noch, denn ich denke der Körper hat sich gemerkt wie er auf sich aufmerksam machen kann und wendet es dann an. Aber es beeindruckt mich so absolut gar nicht mehr inzwischen. Ich denke aber auch dass das nie verschwinden wird. Man kann ja keinen Knopf drücken, so nach dem Motto: Reset. Aber man kann lernen damit zu leben und es als Angst zu sehen, nicht mehr als Bedrohung.
Ich studiere inzwischen übrigens Lehramt!
Die Angst jedenfalls war ich relativ schnell wieder los, aber an Papas Tod hab ich jeden Winter erneut zu knabbern. Letztes Jahr war es nicht so schlimm, aber dieses Jahr hat er mir richtig gefehlt. Außerdem hing ich die letzten zwei Jahre immens an meiner Familie. Papas Tod hat uns alle ganz eng zusammen rücken lassen, aber ich weiß nicht ob das auf Dauer gesund ist dass man so aneinander klebt. Ich glaube für mich als Studentin nicht mehr
Liebe Grüße und ein erholsames Wochenende,
Bianca
21.01.2011 11:35 •
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