im Laufe des letzten Jahres hab ich immer mal wieder kleine Posts verfasst über den Verlauf meiner Generalisierten Angststörung.
Kurz die Vorgeschichte:
Bis Juli 2009 war ich nicht in Therapie, hatte aber schon seit 2001 mit meiner Angst-Störung zu tun. Konnte kaum bis gar nicht mehr arbeiten oder überhaupt die Wohnung verlassen. Im Winter 2008 auf 2009 kam dann noch das Globussyndrom hinzu, bis es mir im Sommer 2009 gereicht hat und ich mir eine Therapeutin gesucht habe - Verhaltenstherapie ohne Medikamente.
Der Verlauf der Therapie:
Dass ich überhaupt zur Therapie bin war schon eine riiiiiesige Überwindung, obwohl sie gerade mal zu Fuß ca. 20min, mit dem Rad keine 10 Min und mit dem Auto keine 5min weg war - aber erstmal überhaupt an einen fremden Ort gehen...zudem war Hochsommer, heiß, Schwindel, Übelkeit usw. viele hier kennen das ja.
Ich hab mich aber überwunden, und bin hin, hatte eine kleine Angstattacke während der Therapie die aber schnell dank der Therapeutin verschwand.
Zu meiner ersten Hausaufgabe gehörte dass ich täglich erstmal 20min am Hometrainer fahren sollte, um wieder etwas mehr Vertrauen in meinen Körper zu bekommen, da ich gerade im Sommer oft heftige Schwindelanfälle bekam und kaum Luft (zumindest dachte ich mir das) bekam wegen des Globussyndrom, von der Angst im freien ganz zu schweigen, Übelkeit, Bauch/Magenschmerzen etc. bis zur Panik.
In der zweiten Woche kamen tägliche Entspannungsübungen (die ich bis heute mache) hinzu und in der dritten musste ich täglich mindestens eine halbe Stunde spazieren gehen.
Was die erste wirklich große Hürde war - und ich ohne meine Freundin oft wohl auch umgedreht wäre oder gar nicht erst raus gegangen wäre. Aber mit der Zeit kam ein Ehrgeiz es durchzuhalten und gesund zu werden.
Für Ende Oktober war ich als Taufpate für meinen Neffen bestimmt, also 2 Monate Zeit um es zu schaffen in der Kirche ca. 45 Minute auszuharren und auch noch eine Rolle dabei zu übernehmen, in der kleinen Kirche vorne am Altar zu stehen und ihn dort zu halten. Ein Ziel das ich unbedingt schaffen wollte, vor allem auch weil ich meine Schwester nicht enttäuschen wollte, weil sie mich seit der Kindheit immer schon als Taufpate für ihre erstes Kind haben wollte.
So vergingen die Wochen mit täglichem Spazierengehen und Entspannungsübungen, das Hometrainerfahren habe ich auf jeden zweiten Tag abgebaut. Dann kam die Taufe und ich hatte schon eine Woche vorher schlaflose Nächte deswegen. Alle Eventualitäten wurden durchgedacht, beim Taufgespräch mit dem Pfarrer hab ich ihm schliesslich auch davon erzählt, einer der ganz wenigen Menschen ausserhalb der Familie die Bescheid wussten, dass es möglich sein kann dass ich während der Taufe rausgehe ich aber versuche wieder reinzukommen, usw.
In der Woche habe ich verstärkt noch Entspannungsübungen gemacht, mich auf regelmäßige und natürliche Atmung konzentriert (was gar nicht so einfach ist mit Globussyndrom) und letztendlich habe ich es geschafft.
Das hat mir sehr viel Kraft gegeben sodass ich im Winter also nochmal 2 Monate später ca. wieder regelmäßig Arbeiten ging (mit der Firma war das alles abgsprochen die waren da sehr sehr sehr gut zu mir).
Auch im Winter musste ich als nächstes Ziel wieder mind. 2x die Woche in ein Geschäft. Das war anfangs wirklich die Hölle, ich dachte nicht nur einmal das ich drinnen sterben würde, oder mich übergeben muss oder aufs Klo muss. Aber ich habe es allermeistens durchgehalten.
Später bin ich auch immer öfter alleine einkaufen gegangen, allein um meiner Freundin es abzunehmen - die letzten 7 Jahre musste eh immer ausschliesslich sie fahren, ich konnte nur ganz selten mit.
Bald darauf bekam ich auch wieder Einkaufszentren hin, anfangs hab ich mich immer gleich in Geschäfte verzogen in denen ich mich lange umsehen kann nach sachen die mich interessieren (in erster linie bücherläden oder mediamarkt etc.). Dort lies es sich ganz gut aushalten meistens. 1x die woche war das einkaufszentrum dran, 2x die woche der supermarkt.
Mit der Zeit und eisernem Wille und vielen verlorenen Nerven wurde es langsam wieder normal. Insgesamt vom ersten Mal in einen Laden bis ich hab keine Angst mehr davor sind aber sicherlich auch 3-4 Monate vergangen.
Im März/April diesen Jahres habe ich beschlossen auf jeden Fall Sport zu betreiben, da ich vor der Angststörung viel Sport betrieben habe ich mich aber halt nicht mehr raus getraut habe. Also hab ich mir Laufschuhe gekauft und später ein neues Fahrrad, schön teuer damit ich es auch ganz sicher nutze
Seitdem mache ich nun schon regelmäßig Sport immerhin schon 4-5 Monate, jeden zweiten tag gehts aufs Rad oder zum Joggen. Mein Körper hat relativ schnell wieder Muskeln aufgebaut vor allem in den Beinen, was mir sehr großes neues Vertrauen ihn in geschenkt hat. Die Schwindelgefühle sind seitdem absolut weg. Der Kreislauf ist wieder gut in Forum sowie auch meine Muskeln.
Rückschläge gab es immer wieder, klar. Manchmal gings mir wieder in nem Laden schlecht, manchmal sogar beim Radfahren am Radweg, wenn ich gezweifelt hab ob ich es noch zurückschaffe weil ich doch heute weiter gefahren bin als sonst zb.
Manchmal konnte ich auch wieder nicht zur Arbeit oder hatte keinen ganzen Tag ausgehalten.
Der größte Fehler ist aber das Vermeiden und der Rückzug - dass war so in meinem Hirn eingebrannt dass ich es immer weniger und weniger gemacht habe und angstsituationen völlig neu zu beurteilen lernte.
Mein negatives Denken, meine negative Beurteilung zu Situationen haben sich absolut gedreht.
Von Anfangs das klappt nie - mir ist doch jetzt schon übel oder ne, heute geht gar nix, ich muss zuhause bleiben bis später ich versuchs zumindest - garantiere es aber nicht, bis letztendlich na klar geht das, ging schon öfter, was soll schon passieren
Auch das war aber harte Arbeit, vor allem harte Arbeit an mir selbst. Negative Gedanken sofort wegzudrängen und durch positive ersetzen ist schwierig wenn man es nicht mehr gewohnt ist oder auch nicht wirklich daran glaubt. Aber das kommt wieder umso mehr man erstens positives erlebt - und das geht nur in dem man auch schwierige sachen REGELMÄßIG tut und sie durchsteht.
Vor allem haben mir auch die Entspannungsübungen sehr gut getan, die mache ich bis heute und werde sie auch nicht absetzen. Habe mir im Laufe der Zeit sehr viele Cds von Rüdiger Dahlke gekauft - die ich sehr gerne mag - des weiteren sage ich mir oftmals positive Sätze vor oder beim Aufstehen denke ich mir jetzt mittlerweile schon automatisch heut ist der allerschönste tag (das hab ich von Spongebob Schwammkopf ehrlich der hat ein Lied gesungen das so heißt - schuat mal auf youtube das macht sofort laune und immer wenn man dran denkt wird man dann auch fröhlich^^)
und ehrlich, das hilft - ich denk jetzt nicht mehr oooh wann ist der tag endlich vorbei oder wann bin ich endlich aus dem laden raus ich denk mir eher wieder ein schöner tag an dem ich soviel sachen machen kann oder auch was könnt ich mir alles schönes im laden kaufen oder abends freue ich mich auf die 30min entspannungsübung.
Auch während der Arbeit mach ich mal 5min Atemübungen wenns stressig wird - und freue mich dass mein körper und geist sich so schnell wieder entspannen.
Ich hab mal zu meinem Vater gesagt, ich seh die Welt jetzt wieder hell und klar, vorher wars grau und nebelig. Und das stimmt bis heute. Als hätte sich alles um zwei drei Lichtnuancen aufgehellt.
Jetzt macht mir nur noch das Globussyndrom zu schaffen, aber nicht mehr großartig, es ist nervig, aber ich arbeite daran, vor allem weil ich weiß wann es verstärkt wird, nämlich die selben dinge die meine Angst verstärkt haben, weils die nerven angreift:
Streß (auch hausgemachter), Kaffee (generell Koffein), Nikotin (leider rauche ich noch - arbeite aber daran meine Einstellung weiterhin so zu ändern dass ich keine Zig. mehr brauche), Alk. (gut den trinke ich nur alle paar monate mal), und Ärger/Wut/Zorn und vor allem auch Langeweile oder Unterforderung.
Bei all den Dingen ist meine Kehle schnell mal zu, der Kehlkopf schleimig. Löst sich allerdings auch meistens wieder ganz gut wenn ich entspanne, was mache dass mir richtig spass macht, beim Sport wenn ich meine Atmung gar nicht mehr soooo kontrollieren kann sondern ich wieder natürlich atme, usw. bei allem was einem so gut tut, könnte man sagen.
Soweit bin ich nach einem Jahr Therapie (die ersten 2-3 Monate relativ regelmäßig 1x die Woche, bis später nur noch alle 4-6 Wochen 1x) sogut wie geheilt - wobei lt. meiner Therapeutin und auch Büchern, etc. muss man wenn man mal darunter gelitten hat, sein Leben lang aufpassen dass man nicht wieder in dieses Muster fällt.
Die Zukunft
Für mich absolut wichtig geworden ist, an mir zu arbeiten, ich neige noch sehr zu selbstgemachten Streß, zu raschem Ärger und Wut, auch das Rauchen will ich unbedingt abstellen - es passt so gar nicht mehr zu mir, ich achte sehr auf mich und umso mehr ärgert es mich dass ich noch n Päckchen am Tag rauche...aber ich bin zuversichtlich.
Weiterhin will ich den Sport und die Entspannungsübungen beibehalten und mich zukünftig schwierigen Situationen stellen als sie zu vermeiden und natürlich auch die Einkäufe, Restaurantbesuche (die mir als einziges noch manchmal wirkliche Probleme bereiten) beibehalten.
Vorher habe ich auch 1-2 Päckchen geraucht war am liebsten vorm pc, weil man dafür nicht raus muss, hab zu allen unternehmungen gleich mal nein gesagt, hab mir nichts mehr zugetraut, hatte kein Vertrauen mehr in mich und meinen Körper, hab nur noch so dahinvegitiert, hatte kaum noch Appetit usw.
Mein abschliessendes Fazit: Es klappt wunderbar ohne Medikamente, Sport und Bewegung helfen sehr, ebenso Entspannungsverfahren (da findet jeder was anderes gut denk ich mal - auch unliebsame Stimmen auf Cds mögen schnell zu abneigung führen - probiert noch ne andere), und vor allem viel Arbeit und Überwindung an einem selber.
Es gibt nur den Weg des Tuens, wenn man ohne Medikamente raus will aus der Angst - und man muss vor allem auch erstmal einesehen dass man sich sehr limitiert wenn man nichts dagegen tut - das war bei mir jahrelang ein problem, ich dachte anfangs noch es wär ganz ok und war halbwegs zufrieden damit...schlimmer Fehler - verzögert die Umgewöhnung zum normalen Leben nur.
Man sollte auch nicht denken der Therapeut macht die Arbeit für einen, nein, er gibt vielleicht hinweise, und anfangs ist man enttäuscht dass nicht mehr kommt - man erwartet einen Trick mit dem man ruck zuck geheilt ist - aber den gibt es nicht. Man ist die Angst usw. gewohnt - evtl. sogar jahrelang gewohnt wies bei mir der Fall war - und Heilung dauert, Muster umstrukturieren dauert - aber nichts lohnt sich mehr ... vertraut euch selber - es ist zu schaffen und hinterher fragt ihr euch wie ihr davon nur Angst haben konntet.
12.08.2010 09:50 • • 06.01.2011 #1