Huhu Stella,
Zuallererst: Die Beschreibung deines Gemütszustandes erinnert mich schwer an eine Depression. Nimmst du Tablette, bist du in Behandlung?
Wenn nein, dann wäre es vielleicht mal eine Idee. Denn Depressionen kann man sehr gut behandeln; gerade im Winter ereilen sie die Menschen massenhaft.
Dann: Hör auf, dich mit Anderen zu vergleichen. Das führt zu nichts, außer dazu, dass du dir selber weh tust.
Jeder Mensch ist für sich selber einzigartig, jeder Mensch ist anders, und jeder geht seinen Weg so, wie er es kann, in seinem Tempo und mit seinem Erfolg. Manche schaffen es, direkt durchzustarten und sich von Nichts beirren zu lassen. Andere kriegen vom Leben ein paar Stolpersteine hingelegt und tun sich sehr schwer. Sie brauchen länger, müssen vielleicht Umwege gehen. Das ist nichts Schlimmes.
Jeder Mensch ist anders.
Ist doch egal, was die Anderen haben und was die Gesellschaft von dir verlangt. So lange du jeden Morgen aufstehen und vor dir selber gerade stehen kannst, ist Alles okay.
Du hast letztes Jahr deinen Job verloren. Damit teilst du dein Schicksal mit 3,5 Millionen anderen Menschen in Deutschland. Du hast es gewagt, eine Umschulung zu machen das erfordert viel Mut und dafür gebührt dir Respekt!
Manchmal hat man das Gefühl, dass Alles ganz schlimm ist und dass das Schicksal gerade dir, nur dir allein, richtig eins auswischen will. Das dachte ich auch, als letzte Weihnachten mein Papa gestorben war. 5 Monate vor meinem Abitur. Ich hatte Pläne, ich wollte, dass er mir beim Umzug hilft, dass er mir meine Möbel ins Wohnheim fährt, vielleicht sogar in meine erste WG oder in eine kleine Wohnung. Ich wollte mit ihm zusammen renovieren und Streichen und kleistern. Ich wollte mit ihm mein Abi feiern und er sollte mir Glück wünschen und mich einfach feste drücken, wenn ich Morgens aus dem Haus und zu den Prüfungen gehe. Aber dann war er auf einmal tot. Das Schicksal ereilt jeden, es macht keinen Urlaub und kennt keine Feiertage.
Du bist arbeitslos geworden na und? Das sind 3,5 Millionen andere Deutsche auch. Mein Freund hat sein Diplom an der Uni mit 1,1 bestanden und bereits erste wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht, er bekommt Anfragen zu seinen Arbeiten aus den USA, Kanada, Korea und Dänemark und sogar er ist im Moment arbeitslos. Ich selber überlege, mein Studium abzubrechen, damit könnte ich erst im Alter von 23 Jahren wirklich mit dem beginnen, was ich eigentlich machen will na und?
Ich muss über ein halbes Jahr warten, bis ich wieder an die Uni gehen kann. Das fand ich am Anfang entsetzlich. Allein der Gedanke, dass ich tatenlos rumsitzen muss! Ich hab mich ja wie der allerletzte Loser gefühlt. Jetzt hab ich mich für einen Sprachkurs eingeschrieben, den ich immer im Leben mal machen wollte. Ich wollte nämlich immer schon Italienisch lernen, und dann in zwei Jahren will ich gemeinsam mit meiner Schwester nach Italien fahren. Ich hab mich für ein Praktikum beworben. Ich kann jetzt meine gewonnene Zeit in die Studentenproteste stecken, die mir sehr am Herzen liegen. Ich kann mich so besser politisch engagieren. Und ich kann wieder im Tierschutz mithelfen, da bin ich aus Zeitdruck ausgestiegen.
Ich hatte im Leben schon etliche Stolpersteine zu überwinden, und ich hab gelernt, dass jedes Ereignis, und mag es noch so negativ erscheinen, immer auch eine Chance ist.
Eine Chance, Neues zu entdecken und sich weiter zu entwickeln.
Mir fallen auf Anhieb dutzende Aktivitäten ein für dich, und jede einzelne ist besser als dass du Daheim sitzen und dir selber leid tun musst.
Denn dazu hast du keinen Grund. Es läuft im Moment vielleicht nicht Alles perfekt aber das tut es nie im Leben. Man muss das Leben nehmen, wie es kommt.
Wenn du dich wie deine Freundin auch gerne weiter entwickeln würdest dann tus. Deine Weiterbildung ist doch jetzt schon der erste Schritt, einen Freund musst du jetzt vielleicht noch auftreiben.
Das, was du als Negatives aufzählst, das sind Alles keine Schicksalsschläge, sondern das sind Dinge, die du ändern kannst.
Sieh nicht all das Schlechte im Leben und bau dir Zuhause eine dunkle Höhle draus, aus der du nicht mehr raus kommst. Zähle mal Alles auf, was du am Leben hast. Was du schon erreicht hast. Und schreib das nieder. Auch Dinge, die dir vielleicht alltäglich erscheinen, es aber garn icht sind. Gesund sein, keine Schmerzen haben, sich selbstständig waschen und essen können, ein Dach über dem Kopf zu haben, sich jeden Tag Essen kaufen zu können, in einem Land zu leben, in dem kein Krieg herrscht, und und und.
Und dann les dir das durch, jeden Tag dreimal. So hab ich es damals geschafft, nach Papas Tod nicht komplett abzustürzen.
Ein Jobverlust ist noch lange kein Beinbruch.
(Und selbst ein Beinbruch ist ein verschwindend kleines Problem, ich spreche da aus Erfahrung.)
Nutze die Chance, die neugewonnene Zeit. Nutz das für dich und sinnvolle Aktivitäten.
Verkriech dich nicht Daheim und fühl dich schlecht. Damit tust du dir doch nur selber weh. Schmeiß die Ängste über Bord.
Du bestimmst selber, wie dein Leben läuft. Das ist in einem Boot oder einem Flugzeug. Du bist der Kapitän, du sitzt am Steuer.
Wenn du Angst hast zu versagen dann ist es wahrscheinlich, dass dir das auch passiert.
Wenn du aber positiv nach Vorne schaust, dann ist die Chance sehr groß, dass du auch Erfolg haben wirst.
Mir hat folgender Trick zu einem positiveren Blickwinkel verholfen:
- Mal dir zuerst aus, was das Schlimmste ist, das passieren könnte.
(Bei mir was es: Fast ein Jahr lang nichts zu tun zu haben.)
- Dann versuch, es dir vorzustellen und dich damit anzufreunden.
(Schwer, ich weiß.)
- Und dann such nach Möglichkeiten, eben genau das zu verhindern.
Sieh die Situation als Chance, nicht als Problem.
Wir wachsen nur an unseren Problemen, niemals an Erfolgen.
Liebe Grüße,
Bianca
05.01.2010 02:24 •
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