Gegen Einsamkeit hilft wie gegen jedes ernsthafte psychische Problem eigentlich nur die große Keule, wenn man es wirklich lösen will.
Man sucht sich jemand Professionellen, mit dem man das irgendwie angehen kann. Der die ganzen verkrusteten Glaubenssätze, mit denen man sich zu klein redet, zu Tage fördert und durch die Mangel dreht. Das ist ein langwieriger Prozess und eine Verbesserung kann man nicht nach ein paar Monaten erwarten. Aber: Wenn diese Person gut ist und man sich auf ihre Vorschläge einlässt, wird es ganz langsam besser.
Was meiner Erfahrung nach nicht hilft sind in der Regel so Allgemeinplätze wie Zeit heilt alles oder Geh einfach unter Leute oder Sprich jemanden auf der Straße an. Damit meine ich nicht, dass zumindest die letzten zwei nicht die Lösung darstellen, aber sie taugen nichts in der Praxis, solange man nicht ebendieses Problem vorher gelöst hat. Wer einsam ist, ist dies nicht ohne Grund. Meistens fehlen der Person die Skills auf einem tieferen Level, um Kommunikation sicher zu meistern. D.h. also, die Einsamkeit ist die Folge von anderen Probleme, die auf Sozialphobien, ÄVPS (Ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung) oder ein fehlendes Bewusstsein für Normen der Kommunikation zurückgehen können. Manchmal ist Einsamkeit sogar eine sich damit wechselseitig verstärkende Folge fehlenden Selbstbewusstseins. Man empfindet sein Alleinsein dann als schamvoll oder peinlich und entwickelt ein umso stärkeres Verlangen nach seiner Kompensation.
Auch das kann man nur beheben, wenn man sich in langen und intensiven Auseinandersetzungen über die Ich-Entwicklung mit mindestens einer qualifizierten Person Gedanken macht und darauf aufbauend Lösungsstrategien entwickelt, die in Schritte untergliedert sind. Wichtig ist, dass diese Schritte so klein wie möglich gehalten werden, weil sie oft weit zurückreichende Persönlichkeitsstrukturen überwinden müssen - das kostet natürlich jede Menge Kraft und Energie.
Was einem dabei oft passiert - und da nehme ich mich auf gar keinen Fall aus - ist, dass man sich in seinem eigenen Elend suhlt, anstatt konstruktiv zu sein. Ggf. prokrastiniert man nur und erlaubt sich nicht mal, an sich zu arbeiten. Oder man weiß, was zu tun ist, aber drückt sich ständig davor. Eine geregelte Tagesstrukturen und sog. Habit Stacking könnten helfen: Dabei verbindet man notwendige eingeübte mit notwendigen Aktivitäten, die eine Neuerung in der Persönlichkeitsentwicklung darstellen und vor denen man Angst hat. Es erscheint sinnvoller, z.B. das Ansprechen von Personen durch das Wiederholen von Sprüchen oder Formulierungen zunächst zu routinisieren, anstatt auf den einen Moment zu warten, wo du einer Person die große Liebe gestehen willst (z.B.). Das wirst du dann eher auch aufschieben, denn: Übung macht halt den Meister.
25.08.2022 02:21 •
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