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Hallo an alle,

eigentlich sollte nach der Therapie (Depressionen, Ängste etc.) ja alles besser werden bei mir (m, 44) und ich bin auch guter Hoffnung gewesen, daß dies tatsächlich so kommen würde. Heute, knapp 4 Jahre später stehe ich wieder an dem selben Punkt wie damals. Ich habe zwar viel Wissen über mich und meine Störungen erlangt, habe auch gelernt, wie man mit ihnen umgeht, doch auf die Dauer gelingt es mir nicht, immer und immer wieder die Kräfte zu sammeln, die es braucht, den Alltag zu bewältigen.

Vor 17 Jahren habe ich angefangen, mich mit mir selbt auseinanderzusetzen, habe Selbsthilfegruppen besucht, bin zu Therapeuten gegangen, habe Klinikaufenthalte absolviert. Nichts davon hat mich umpolen können. Ich ticke immer noch so, wie am Anfang: Minderwert, Antriebsschwäche, Ängste. Ich bin völlig frustriert. Mein Tag sieht so aus, daß ich arbeiten gehe (zum Glück geht das noch) und dann in ein Loch falle: Fernsehen, Computer, zu viel Nikotin und zu viel Alk..

Meine sozialen Kontakte haben sich nach und nach aufgelöst. Nicht, weil ich mich so zurückgezogen habe, sondern, weil mein Freundeskreis komplett die Stadt verlassen hat. Ich komme mir vor, wie der übrig gebliebene. Neue Kontakte zu knüpfen fällt mir schwer. Früher war das alles kein Problem, aber heute traue ich mich kaum noch in den Supermarkt: alles ist laut und stresst mich. Wenn ich mal das Haus verlasse, dann nur, weil ich es muss.

Ich weiß, was ich habe und ich kenne die Lösungen und genau da liegt mein Problem: ich bekomme es nicht hin, das Gelernte umzusetzen. . Es ist deprimierend.

War jemand von euch auch schonmal in so einer Situation und hat sie bewältigen können?

Ich weiß eigentlich gar nicht genau, warum ich das alles hier hinein schreibe. Vielleicht suche ich ja immer noch jemanden, der/die mich rettet. Vielleicht lehne ich ja immer noch die Verantwortung für mich ab. Mein Selbstmitleid kotzt mich an, aber ich kriege es nicht besser hin zur Zeit.

Wie auch immer... danke für eure Antworten.

17.10.2014 15:38 • 28.10.2014 #1


7 Antworten ↓


Hallo Fugazi,
erst mal danke das du deine Geschichte mit uns teilst.
Du leidest also schon länger an Ängsten und hast auch vor Jahren eine Therapie gemacht um zu lernen damit umzugehen.
Hattest du über Haupt das Gefühl das die Therapie hilfreich war? Konnte dein Umfeld eine Veränderung fest stellen?
Gibt dir deine Familie denn Rückhalt oder bist nur noch du da?


Ich versteh dich, mit grad noch so auf die Arbeit gehen aber danach keinen mehr hören und sehen wollen..... hoffe das hab ich richtig interpretiert.
Seit mehreren Jahren in einer ähnlichen Situation, nach der Schule keinen Sozialen Kontakte außer meiner Familie. Oft schaffe ich es nicht mich aufzuraffen und nach der Schule einzukaufen.
Ich mache seit gut 2 Monaten eine Therapie das hilft mir.
Und erst seit dem Zeitpunkt wusste ich erst das ich an einer Angststörung leide.


ich find es toll das du es versuchst, denn alleine ein Versuch ist viel wert.
Versuch vielleicht Kleinigkeiten zu ändern nicht alles auf mal, das ist zu viel. Ein schritt nach ein anderen. z.B das du wenn du von der Arbeit kommst noch 5 min länger draußen bleibst. Und das du anstatt TV zugucken die Menschen aus dem Fenster heraus beobachtest die die Straße entlang gehen.
Ich hoffe du versteht was ich meine? Das ist kein Wettkampf wie schnell du dein Ziel erreichst. setze doch kleinere Etappenziele fest. Und feier dich und sei stolz auf dich, wenn du sie erreicht hast.
ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen helfen. Meine Tipps sind nur Tipps du entscheidest und weißt vielleicht am besten wie du den Beschwerlich weg auf dich nimmst.

ganz liebe Grüße
Morgenröte

A


Viel wissen und nichts können

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Zitat von Fugazi:
War jemand von euch auch schonmal in so einer Situation und hat sie bewältigen können?

Ja, ich würde meine Situation als sehr stark vergleichbar mit der deinigen beschreiben. Und ja und nein, ich habe sie teilweise gut und teilweise kaum bewältigen können. Ich isoliere mich weiterhin ziemlich stark (teilweise sogar mehr als früher), aber ich kann mit fast allem (wie du beschrieben hast: Minderwert, Antriebsschwäche, Ängste) irgendwie trotzdem besser umgehen, als früher, und ich habe meine selbstzerstörerischen Tendenzen (vergleichbar mit Alk. und Nikotin) viel besser im Griff. Ich will noch möglichst lange leben ud das dann so gesund wie möglich.

Leider habe ich keine eigene Familie aufbauen können, das vermisse ich sehr. Und mein Freundeskreis ist reduziert, weil ich mit Oberflächlichkeiten nicht zurecht komme und auch sonst eher einfühlsame Menschen um mich herum haben möchte, wenn schon Nähe. Das sind dann ganz schön wenige. Und trotzdem bin ich teilweise am Ende doch sehr viel glücklicher geworden.

Vielleicht ist mein großes Glück, dass ich mich auf meiner Arbeit sehr gut bewähren kann und ich mich dort sehr gut durchsetzen und wertvoll einbringen gelernt habe, ohne andere abzubügeln. Viele fühlen sich von mir aufgebaut und unterstützt, und das gibt mir wiederum glaube ich viel Kraft. Meine Therapien und Erlebnisse haben mich dort in der Richtung ziemlich weitergebracht: Ich reagiere kaum noch neurotisch auf andere, dafür menschlich und mit viel Humor aber auch mit viel Einsatzkraft für Projekte, ohne mich aber darüber profilieren zu wollen. Ja, ich glaube, das ist wirklich mein größtes Glück, weil mir das auch ein aus Teamarbeit bestehender, abgesicherter und mit überwiegend angenehmen und vertrauten Kollegen bestehender Arbeitsplatz möglich gemacht hat.

Manches ist wahrscheinlich wirklich auch Glück.

Hallo Morgenröte

Ja... ich denke schon, daß ich von der Therapie - zumindest eine ganze Weile - profitieren konnte. Ich würde sogar fast behaupten, daß ich danach gestrahlt habe aber dann habe ich einen großen Fehler begangen. Ich habe mich in eine sehr zerstörerische Beziehung zu einer Frau begeben, die mir alles abverlangt hat. Mein Verhalten in dieser Beziehung hat mich dahin gebracht, wo ich heute stehe (oder zumindest trägt diese Zeit einen Großteil zu meinem jetzigen Zustand bei, wie ich glaube). Ich gebe nicht dieser Frau die Schuld, nein. Ich war es, der nicht gut mit sich umgegangen ist und da sind wir dann auch schon beim Kern der Sache: gut mit mir umgehen, gut zu mir sein, mich selbst so weit lieb haben, daß ich mir nicht dauernd schaden muß... das bekomme ich schon Zeit meines Lebens nicht hin und so langsam verzweifle ich daran, daß ich es über all die Jahre nicht geschafft habe, am Kern der Sache nicht wirklich etwas geändert zu haben.

Zu meiner Familie habe ich keinen Kontakt. Der Zug ist auch endgültig abgefahren, nachdem ich es immer wieder probiert habe und mir dann doch wieder eine blutige Nase geholt habe. Einzig meine Tochter (16), welche bei ihrer Mutter lebt sehe ich ein paar Mal im Jahr, wenn sie mich besuchen kommt oder ich zu ihr fahre. Das sind dann wirklich schöne Momente.

Ich habe gerade das Gefühl, mich hier selbst zu bejammern und komme mir dämlich vor.

@Fenni:

Ja... Oberflächlichkeiten... damit habe ich auch so meine Probleme. Es ist mittlerweile ganz schön schwer geworden, Menschen kennenzulernen, die nicht ständig auf irgendein Display starren und dir nur halbherzig zuhören.

Ich hoffe, daß diese Phase mal bald ein Ende nehmen wird und ich wieder die Kraft finde, etwas für mich zu tun. Denn eigentlich lebe ich ganz gerne, es ist nur leider zur Zeit so tief vergraben

Ich danke euch für eure einfühlsamen und wertschätzenden Antworten!

Hallo Fugazi,

ich bin genauso alt wie Du, und ja, es geht mir ähnlich wie Dir. Ich rutsche auch immer weiter in die Isolation. Es hat angefangen damit, dass ich auf Arbeit abgebrochen bin (was natürlich auch eine Geschichte hat) und seitdem nicht mehr mit den zwischenmenschlichen Spannungen zurechtkommt, irgendwie ist das, was man so mitbekommt an Energie eines Tages verbraucht, wenn immer nur genommen wird. Also arbeite ich jetzt stundenweise auf Minijobbasis von zu Hause aus. Was auch keine Lösung ist, aber immerhin. Doch dadurch komme ich viel zu wenig vor die Tür, und nach einigen Umzügen habe ich immer weniger Anschluß gefunden, d.h. inzwischen kenne ich seit Jahren niemanden mehr hier in der Gegend (außer meinen Mann natürlich). Unsere Familien wohnen weiter weg und Kontakte zu früheren Bekannten sind längst abgerissen. Ich weiß auch nicht, wie ich das ändern kann. Normalerweise würde ich sagen, rausgehen und arbeiten, aber ich habe so viele Anläufe genommen und mit den Jahren gemerkt, dass es immer wieder dasselbe Muster ist und ich einfach viel zu dünnhäutig geworden bin um das unbeschadet zu überstehen. Therapieversuche habe ich seitdem versucht, aber nach einer Odyssee von Therapeuten habe ich mir gesagt, dass ich meine Energie nicht mehr dafür verschwende, weltfremden Damen und Herren in schmucken EFH hinterherzulaufen nur um weitergereicht zu werden oder mir anhören zu können, dass ich doch inzwischen auch nicht mehr die Jüngste sei und mal an Rente denken sollte.

Fazit: Ich stehe auch an einem Punkt, wo ich nicht so recht weiß, was ich tun soll, und das seit Jahren, unangenehm, weil es ist alles Lebenszeit.

Während bei mir beziehungstechnisch alles gut läuft und bei Dir nicht, so habe ich das Kreuz mit der Arbeit, wo ich einfach nicht zurechtkomme.

Danke für deinen Beitrag. Ich drücke dir die Daumen, daß du deinen Weg findest.

Hallo Fugazi
Mir geht es ähnlich. Ich weiss so viel über meine Erkrankung, habe mich auch richtig ins Leben zurück gekämpft mit Therapie, Klinik und Reha. Aber ich bin nicht mehr die ich war. Viele Freunde und Bekannte sind auf meinem Weg abhanden gekommen. Entweder wollten sie nicht mehr oder ich.
Geblieben ist eine Handvoll Freunde, die ich auch alle gerne hab.
Ich habe nach meiner schwersten Phase angefangen vermeindliche Freunde auszusortieren. Ich möchte meine Zeit nicht mehr mit Leuten verbringen, die wie Du so schön schreibst nur auf ein Display starren und nur halbherzig zuhören.
Das Gefühl das Du hast, glaube ich zu kennen. Mir ist auch vieles zu laut und zu hektisch.
Du hast noch Deinen Beruf, das ist schön. Ich habe mich in einem Schachclub angemeldet, da ist es auch schön ruhig. Ausserdem geh ich jetzt zum Yoga (da sind übrigens auch viele Männer, was ich gar nicht so erwartet habe). Es hat sich so eingebürgert dass wir nach der Stunde noch in netter Runde einen Kakao oder so trinken gehen. Ich kämpfe auch mit mir und meiner Antriebslosigkeit, aber ich mag nicht aufgeben...denn ich hab nur dieses eine Leben und das will ich mir so schön wie nur möglich machen, auch wenn das nicht so einfach ist.
Alles Gute für Dich
Hola

Hallo Fugazzi,
ich wage mal einen Versuch, zu Deiner Situation etwas zu sagen.
Zunächst glaube ich nicht, das Du wieder an dem Punkt stehst, wie vor 4 Jahren. in den letzten Jahren hast du
mit Sicherheit vieles gelernt und verändert. Vieles wird dir jedoch nicht so bewußt sein. Bitte versuche nicht, Dich
umzupolen. Das geht nicht. Bestimmt bist Du so ok, wie du bist. Das Du die Lösungen wirklich kennst, glaube
ich kaum. Schwierig ist es vielleicht auch geworden, weil Du wenig Bock hast, Dich auf Neues im alltäglichen
Leben einzustellen. Ist immer einfach, nicht zu versuchen etwas zu ändern (kann ja schief gehen, das wäre
schlimm). Im Leben gibt es aber nichts umsonst. Wichtig ist ständig zu lernen, wie wir Menschen uns verhalten.
Und Wichtig ist auch sich kleine, e r r e i c h b a r e Z i e l e zu setzen. Kraft hast du sicherlich genug. wenn Du
jedoch für Dich keine Ziele entwickelst, kannst Du Deine Kraft auch nicht bündeln. Dies gibt Dir den Eindruck.
Ich habe ja gar keine Kraft. Das wäre etwa so, als wenn Du 200 € hast, davon dann 20 € in den Geldbeutel
steckst und die restlichen 180 € in Deiner Wohnung gut verteilst. Nach längerer Zeit wirst Du überzeugt sein,
ich habe gar nicht soviel Geld und außerdem ist mir das jetzt viel zu mühsam alles wieder zusammen zu suchen.
Ich kauf das dann ein anderes mal.
Vieles gäbe es noch dazu zu sagen, ich glaube ich kann das meiste gut nachvollziehen. Falls du tatsächlich
jemanden suchst, der Dich rettet, dann schau mal in einen S p i e g e l. Hilfe kommt vor allem von Dir selbst.
Nur Du weißt, was Du wirklich möchtest. Allerdings es muß erreichbar sein.

Ich wollte immer Millionär werden. Hat leider nicht geklappt - bin trotzden zufrieden.
Über 30 Jahre habe ich mich mit dem Thema Angst befasst. Kann heute gut damit umgehen.

Viel Erfolg für Dich.
Viele Grüße
Hotin





Dr. Reinhard Pichler
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