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Ha, ich habe mein Profilbild geändert, werde es höchstwahrscheinlich bald erneut ändern. Dazu ist dieses Foto zu schlecht. Ich meine, es zu behalten. Und nicht mit Photoshop aufgehübscht.

Herrje, muss das sein. Ich hatte wieder so einen erhellenden oder demaskierenden Traum, wie er mir leider alle paar Nächte oder zumindest alle paar Wochen passiert. In dem mein mir verhasster älterer Bruder vorkam. Ich ging auf ihn zu - es war auf einem Parkplatz hinter einer Gastronomie (oder so ähnlich), und dieses Lokal (oder was es war) im Hintergrund ... schwer zu beschreiben, es kam mir bekannt vor und war gleichzeitig gesichtslos. Wie die Verkörperung aller Empfindungen, die ich je hatte gegenüber Cafés, Restaurants und Bars, wie sie vielleicht in der Einkaufszone einer Nordseeinsel vorkommen; Empfindungen wie das unangenehme Gedrungen-Sein des Gebäudes, gleichzeitig ein Schutzwall, gleichzeitig Zugänglichkeit, wenn nicht sogar wohlige Gastfreundlichkeit (Blechschild mit You are welcome-Aufdruck); und hinter dem Gebäude beginnt vielleicht die Strand-Promenade, mit weitem Blick auf ein beständig niedrige Wellen ans Land werfendes unendliches graues Meer. Vielleicht war es auch nur das Café, in dem die Trauerfeier der Beerdigung meiner Mutter stattfand. Es war eine Mischung aus allem, wie so oft im Traum zwar dem Bewusstsein erkennbar, aber dennoch nicht wesentlich, nicht greifbar. - Hinter diesem Café oder was immer es war ging ich auf meinen verhassten Bruder zu. Ich wollte ihm die Meinung geigen. Was ich von ihm hielt und wieso ich Hass für ihn empfinde. Ich brachte zwei, drei Sätze hervor, genau das, was ich sagen wollte; wie erwartet beeindruckte ihn das, von einem kurzen, spürbaren Erschauern auf seiner Seite abgesehen, nicht groß und wie üblich versuchte er sofort, mein Verhalten ins Lächerliche zu ziehen. Zudem hatten wohl ein paar der Gäste, die in der Gastronomie im Hof zu Tisch saßen, also auf unserer Parkplatzseite - ich hatte sie vorher nicht bemerkt oder glaubte mich in einem ausreichenden Sicherheitsabstand zu ihnen -, meine Sätze aufgeschnappt und wiederholten sie halb spöttisch, halb als wollten sie sich über die Zumutung beschweren, die Szene aufgedrängt bekommen zu haben. Sie sahen dabei natürlich nicht zu mir herüber, sondern mokierten sich untereinander, zueinander, in gegenseitiger höhnischer Verstärkung, wie diese typischen spießigen Biergärtentouristen, Handwerkergruppen und Stammtischkumpels es eben zu tun pflegen, die ja von Häme und niederträchtiger Schadenfreude zu leben scheinen. Ihr Spott stützte natürlich die Position meines älteren Bruders, der gar nichts weiter sagte, zu sagen brauchte und mit leichten Mitteln wieder den Sieg in unserem Duell davontrug.

Das Ganze hatte etwas Kafkaeskes, vielleicht hat sich meine Schloss-Lektüre ein wenig in meine Art der Wahrnehmung hineingemischt, oder aber, noch wahrscheinlicher, ich nehme die Realität, meine Konflikte ähnlich wahr, wie Kafka seine beschreibt. (Die Art dieses Autors geht mir nah.)

Der Punkt ist: Ich habe mir die Auflehnung und den Konflikt mit meinem Bruder nie zugetraut. Sein Verhalten ist/war einer der Gründe, weshalb ich meine Kindheit als schwierig und zum Weglaufen empfand. Er ist mein älterer Bruder, und ich kenne von ihm nichts als Verachtung, Prügel (wobei die nie schlimm waren), Demütigungen, Herabsetzungen und Veräppelung. Ich erzählte mal die Szene, in der ich mich beinahe erstickt hätte. An Weihnachten z. B. mochte ich nie zur Feier im Wohnzimmer runtergehen, weil dort die geballte Energie meiner Geschwister und meiner Eltern darauf wartete, sich gegen mich zu wenden. So kam es mir jedenfalls vor. Was nicht heißt, dass es nicht auch gute Momente gab. Doch ich fühlte mich nie wirklich wohl. Hielt immer den größtmöglichen Abstand zu meinem älteren Bruder. Ich nahm daran teil, war aber nicht wirklich vorhanden. Erzählte nie was von mir. Und ich habe mir damals übrigens die Methode angewöhnt, die Geschenke, die ich (durchaus freudiger Moment!) bekam, gleich an mich zu raffen, und mich damit nach Möglichkeit auf mein Zimmer zu verfrachten, um sie dort allein und für mich gesichert auszupacken. Es gab dann immer ein Minimum an Geschenken, das ich vor den anderen auspacken musste, das erwartet wurde. So ein bisschen gemeinsam feiern wurde von oben herab verordnet. Aber mit dem Rest durfte ich mich verziehen. Das Alleine-Auspacken gefiel mir deutlich besser, es waren schöne und köstliche Momente, in denen ich die Geschenke wertschätzen und genießen konnte. Noch heute habe ich das, dass ich anderen gerne kleine Geschenke mache, wenn es mir denn mal gelingt und ich daran denke, noch lieber unheimlich gerne kleine Geschenke bekomme, immer davon gerührt bin, mich zurückziehen möchte und die Freude riesengroß darüber in mir ist. Weil das Geschenk bedeutet, dass man ja irgendwie doch gemocht und respektiert wird. Weil ich mir im Grunde kaum vorstellen kann, dass jemand durch die Einkaufszone streift und sich Gedanken ausgerechnet über MICH macht, was ich vielleicht gerne hätte. Sogar meine mir ebenfalls nicht wirklich sympathische zweitälteste Schwester schenkte mir mal eine besondere Schallplatte, die ich unbedingt haben wollte und mich sehr erfreute; sehr aufmerksam von ihr; sie tat das allerdings nicht, ohne damit ein bisschen aufzutrumpfen und anzugeben, wie aufwendig es gewesen war, die Platte zu besorgen. Angeben - ist vielleicht eine Übertreibung, ich tue ihr Unrecht; aber meine Schwester rückt sich gerne ein bisschen in den Mittelpunkt, bekommt von mir vielleicht auch nicht den Dankessturm - obwohl ich mich immer sehr bedanke, es reicht nicht -, den Dankessturm und Applaus, den sie haben möchte.

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Tagebuch-Notizen aus meinem bescheidenen Leben

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Komisch, mein Beitrag von vorhin ist nicht durchgegangen, nicht da. Habe ich nicht richtig abgesendet? Dann schreibe ich ihn nochmal hin. Stand ohnehin nicht viel drin. Seit Sonntag bin ich ziemlich depressiv. Habe auf nichts Lust, bin total angespannt und ohne Antrieb. Immerhin, meine Musik kotzt mich (noch) nicht an, das ist ein Indikator dafür, dass es nicht mein schlimmster Zustand ist.
Eigentlich interessieren mich auch noch Geistesdinge. Besser kann ich es nicht ausdrücken. Besser muss ich es nicht ausdrücken. Interessiert ohnehin niemanden, was oder wie ich hier formuliere. Das kommt noch hinzu zur depressiven Verstimmung, dass ich die Relevanz von ALLEM anzweifele. Ob ich ein bisschen Sport mache oder zu mir komme oder den Nobelpreis in Unerheblichkeit gewinne, ist doch ohnehin komplett gleichgültig.

Das erinnert mich an meine schlimmste Phase 2017. Als ich schizophrene Tendenzen hatte. Das führe ich jetzt aber nicht auch noch an. Ich bin nicht in Gefahr, schizophren zu werden. Das war mal kurz vorhanden gewesen und ich habe es überwunden. Vielleicht war es auch eher eine Art leichter Realitätsverlust und sehr viel Entscheidungsunfähigkeit. (Wenn man die Dinge zu Ende denkt, ist eigentlich ALLES im Leben unerheblich und belanglos.) Bin davon kuriert. Das ist schön. Vielleicht nicht vollkommen und für alle Zeiten, doch ich weiß, wüsste, wie ich zur Not den inneren Zensor wiederfinden würde.

Ich möchte etwas erzählen, es ist ziemlich banal, doch weil ich ein bisschen unter Schock stand, vielleicht immer noch nicht dieses kleine Erlebnis verarbeitet habe ... Es geht darum, dass ein älterer Typ (ich) sich beim Bergsteigen übernommen hat.

Vielleicht sollte ich doch einen Trigger setzen. Für Leute mit Höhenangst und/oder Angst vor Bergen/Abhängen etc. ist das Nachfolgende keine empfehlenswerte Geschichte.

Trigger

Diese Geschichte steht unter der Überschrift: Wie dumm kann ein 57jähriger sein?!?. Manchmal denke ich, ich habe einfach null Peilung. Selbst dann, wenn ich glaube, alles im Griff zu haben, mich auszukennen, halbwegs erfahren zu sein - - - mir ist am Dienstag auf einer Urlaubsreise in die Alpen etwas so Saudämliches passiert ...
Und ich habe leider Lust, die ausführliche Version zu schreiben. Das wird alle, die sich durch meine Zeilen mühen, langweilen. Ich MUSS das ausführlich schreiben, weil ich mir einbilde, es mir selbst zu schulden; der Sache auf den Grund gehen zu müssen; vorrangig deswegen, damit mir so etwas nicht noch mal passiert.

Ich bin gegen 9 Uhr in Benediktbeuren angekommen, dem Ausgangspunkt meiner Tagestour. Falls jemand die Gegend nicht kennt; dort beginnen die Alpen mit ein paar Hügeln und Vorbergen, wenn man von München aus nach Süden fährt. Übrigens eine sehr schöne grüne Landschaft. Ich habe oft darüber nachgedacht, weshalb es mir in den Bergen gefällt und der Kern der Sache ist, glaube ich, dass Gebirge uns aufzeigen, dass die Natur über dem Menschen steht. Oder dass wir jedenfalls nicht über der Natur stehen. Auch der Massentourismus hat bislang nicht den für mich unheimlich wohltuenden Anblick ramponieren können, dass in den Alpen ein anderer Takt schlägt, eine Form des inneren Friedens und der Erdverbundenheit, die uns in unseren Städtebunkern mehr oder minder abhanden gerät. Hebe ich den Blick zu einem Gipfel oder einer höheren Bergflanke, weiß oder ahne ich, was dort oben zu spüren, zu erleben, zu begehen ist, wie frei dort Wind und Wetter wehen, und das ist über die menschlichen Probleme, über die Engstirnigkeit unserer Denkweisen erhaben. Es lindert mein Fernweh, Berge zu sehen und die andere Zone dort oben zu erahnen. Der Kontrast zwischen Natur und Zivilisation ist spürbar, wie auch am Meer; mit dem Unterschied, dass uns das Meer Weite suggeriert, Unendlichkeit; die Berge hingegen zeigen uns Grenzen und Widerstand. Es braucht Anstrengung, Geduld, Demut und auch Mut manchmal, in diese höheren Gefilde aufzusteigen. Vielleicht sollte ich diese Vorrede reduzieren auf: In den Alpen spüre ich die Umgebung, die Kraft der Natur. Und nichts bringt mich schneller in Urlaubsstimmung als das Läuten von Kuhglocken!

Ich steuerte in Benediktbeuern den Supermarkt an, in dem ich das letzte Mal vor drei Jahren im Oktober war, und mir schien es, als würde ich mich an jedes Regal dort erinnern. Ich kaufte ein paar Kleinigkeiten, die Kassiererin wirkte akkurat, nett und zugleich ein wenig abweisend oder am Kontakt zu den Kunden desinteressiert, und das empfand ich als stimmig und in Ordnung. Hingegen war der Parkplatz für die Bergwanderer eine Katastrophe. Man hatte mittlerweile neue Bezahlsäulen aufgestellt anders als früher, an denen nur noch fehlte, dass sie bunt blinkten und vibrierten bei Berührung ... Ich hatte keinen Bock, die 6 Euro Tagesgebühr zu blechen, zumal ich nicht sofort hinter das Zahlungssystem stieg. Also fuhr ich ein Stück zurück in Richtung Ort, parkte vor dem Hotel, das wir damals gebucht hatten. Ich bequatschte tatsächlich die Frau an der Info-Theke, ob ich ausnahmsweise auf dem Hotel-Parkplatz stehen bleiben könnte und hatte Erfolg damit. Im gesamten Ort stellt man sich wegen der Parkplätze sonst ziemlich an; was einerseits verständlich ist, weil sonst die Tagesurlauber alles zustellen; andererseits ist es nahe dran an einer Unverschämtheit, wie gierig die in den letzten Jahrzehnten die Parkgebühren hochschrauben.
Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass ich genug Wasser für mehrere Tage im Supermarkt eingekauft und im Auto hatte. Ich war nur zu bequem, mehrere Flaschen mitzunehmen.
Die Beschreibung meiner Bergwanderung wäre unvollständig, wenn ich hier meine Fassungslosigkeit über mein Fehlverhalten nicht umfassend schildere. Als hätte ich den Verstand verloren. Nur fiel mir das in keiner Stunde des Aufstiegs auf. Das ist das eigentlich Frappierende an der Sache. Ich dachte, ich trinke vorher fast eine ganze Flasche und nehme dann nur noch anderthalb Liter mit. So was kann gut reichen bei drei, vier Stunden, aber nicht bei einer Tagestour und an einem sehr warmen Tag. Im Tal hatte es 25° C, weiter oben kühlte es zwar merklich ab, doch es ging kein Wind und die Sonne brannte unentwegt. Ich hatte natürlich Sonnencreme aufgetragen, war aber wiederum zu bequem, noch welche in meinem Rucksack mitzunehmen. Es musste ja wohl auch so gehen. Ich dachte allen Ernstes, ich laufe da mal eben die 4,5 Stunden hoch und komme doppelt so schnell wieder runter. Nach zwei Dritteln der Strecke ungefähr gibt es die Tutzinger Hütte, die eine ziemlich gute Wirtschaft aufweist, wo ich zur Not ja hätte nachtanken können.
Falls ich das noch nicht erwähnte, ich wollte zum ersten Mal auf die Benediktenwand rauflaufen. Die Berge südlich von Benediktbeuern sind nicht sonderlich hoch; die Benediktenwand allerdings ragt zumindest 1.800 Meter hoch und zeigt zur Nordseite hin eine beeindruckende Felswand oberhalb der Ebene, auf der die Tutzinger Hütte bei ca. 1.300 Metern steht. Die Tour über die Ostflanke ist für erfahrene Bergsteiger ein Klacks, ist nicht anspruchsvoll, auch wenn man hier und da trittsicher sein sollte und der Weg vom Ort unten aus ziemlich lang ist. Man braucht wie angedeutet 4 bis 4,5 h für den Aufstieg.
Interessanterweise schaffte ich es auch in genau dieser ausgeschriebenen Zeit, trotz einiger Pausen; die Frage ist allerdings, WIE ich es schaffte. Bis zu der Hütte war alles kein Problem. Ich schwitzte sehr stark, was für mich nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen ist, und am steilsten Stück, wo der Weg in spannenden Serpentinen den Wald hochgeht, musste ich ein oder zwei Mal verschnaufen.
Aber ich kam relativ locker an dieser Hütte an, so dass ich gleich weiter ging. Und je höher ich stieg, desto dünner kam mir plötzlich die Luft vor. Nun ist das einerseits logisch, denn zum Gipfelanstieg waren es ja noch ca. 500 Höhenmeter; aber ich hätte niemals gedacht, dass ich so schnell so extrem abbauen würde. Liegt vielleicht auch am Alter. Daran, dass ich keine 40 mehr bin, schon lange nicht mehr. Zumal ich kein bisschen akklimatisiert war. Ich dachte, meine Jogging-Kondition wird für diesen Trip schon reichen. Außerdem war ich gar nicht so verbissen darauf, den Gipfel zu erreichen. Ich hatte mir vielmehr ein Zeitlimit gesetzt, dass ich nach 4,5 h auf jeden Fall umkehren würde. Und bis zu diesem Limit, dachte ich, könnte ich ja bummelig weitergehen.
Erst musste ich nur alle paar Minuten kurz verschnaufen. Je weiter es raufging, über einen kleinen Sattel im Osten, wo man dann nach Norden hin einen Blick bis zum Starnberger See und bei gutem Wetter bis nach München gewinnt, und weiter hoch zur Südseite, desto kurzatmiger wurde ich. Eigentlich hatte ich das Gefühl, alle zehn Meter stehen bleiben zu müssen. Spätestens in dem Moment hätte ich begreifen müssen, das ist heute nicht mein Tag. Gib mal besser auf. Aber ich hatte immer noch eine Stunde Zeit bis zur Umkehr und dachte mir nichts dabei, mich sehr langsam weiter zu mühen. Tatsächlich kam ich dann völlig erschlagen und doch stolz oben am Gipfelkreuz an. Machte ein paar Fotos, setzte mich eine Viertelstunde oder so in die Sonne. Oben ging ein bisschen Wind, was mir erholsam schien. Die Aussicht nach allen Seiten: phantastisch. Außerdem waren gar nicht so wenige Wanderer oben am Kreuz, was mir anders als sonst eher angenehm war.
Auf dem Rückweg kam dann die Quittung. Ich hatte übrigens eine Dreiviertelstunde vor dem Gipfel meinen Rucksack abgenommen und im Dickicht am Wegesrand deponiert. Mir eine Wegmarkierung mit Steinen gelegt, an einer Stelle, die ich garantiert wiederfinden würde. So machte ich das schon manches Mal beim Bergsteigen, wieder eine unverzeihliche Bequemlichkeit, die ich bislang aber noch nie bereuen musste. In dem Rucksack war noch einiges an Wasser und eine Brotzeit, wie man im Süden sagt. Außerdem noch ein zweites T-Shirt und ein paar Kleinigkeiten. Dummerweise hatte ich auch beim Absteigen einige Mühe, auch wenn es besser lief als aufwärts.
Und dann kam ich vom Weg ab. Keine Ahnung, wie mir das passieren konnte, jedenfalls war ich zwanzig, dreißig Meter auf eine viel zu steile Alternativstrecke auf ein steiles Geröllfeld geraten. Es war nun nicht so steil, das Gefahr bestand, mehr als zehn oder zwanzig Meter abzurutschen, abzustürzen; aber es reichte aus, um mich nervös zu machen und dass man dort böse auf die Nase fallen konnte.
Das Ding war, dass ich zu platt, zu erschöpft war, um wieder nach oben zu steigen und nach dem richtigen Weg zu suchen. Ich KONNTE das einfach nicht mehr! Aber auch das Abwärtsgehen funktionierte nicht. Es war der helle Wahnsinn.
Ich rutschte mehr, als dass ich ging, setzte mich mehrfach auf den Hosenboden, kroch manchmal auf allen Vieren weiter, schrammte mir ein bisschen meine Hände auf; vor allem, alle paar Meter musste ich nach Luft schnappen und es half fast gar nicht! Durst und Hunger kamen hinzu und ich hatte nichts mehr bei mir. Eigentlich hätte ich mich eine halbe Stunde hinlegen oder hinsetzen müssen, um wieder zu Kräften zu kommen. Was mir in der prallen Sonne aber als wenig ratsam erschien. Also tastete ich mich immer wieder zentimeterweise voran. Rutschte weg, löste Steine aus. Ich kam so gut wie gar nicht voran. Und hatte eine Heidenangst, dass es hinter der nächsten Biegung noch steiler, noch unlösbarer werden würde; dass ich abrutschen und mir was brechen könnte. Ich war längst dehydriert und nicht mehr Herr der Lage. Nach einer halben Stunde war der richtige Weg immer noch nicht auszumachen. Ich schaffte in dieser halben Stunde vielleicht auch gerade mal zwanzig oder dreißig Meter! Das Schlimmste war: nach jedem kleinsten Teilstück musst ich Atem holen, aber ich erholte mich praktisch gar nicht! So was Brutales und Ängstigendes habe ich noch nie am Berg erlebt. Ich weiß nicht wie, aber nach einer Ewigkeit sah ich weit unter mir den Weg. Ob die Strecke bis dahin machbar oder zu steil war, konnte ich nicht erkennen. Und ich war so platt, dass ich mich keinen Meter mehr weitertraute.
Da fingen auf einmal auch noch Muskelkrämpfe an. Ich musste aufstehen, um nicht im Oberschenkel einen fürchterlichen Krampf zu kriegen. Meine Lunge sagte Nein! dazu, aber ich musste stehen, um nicht von den Muskeln her zu kollabieren. Unten am Weg, bestimmt 50 Meter tiefer als meine Position, sah ich einen Wanderer. Ich schämte mich in Grund und Boden, aber ich rief dem Typen zu, dass es mir schlecht ging und ich Hilfe bräuchte.
Kurz gesagt: Irgendwie schaffte und stolperte oder rutschte ich die letzten Meter bis zum Weg hinunter; brauchte dafür wohl weit über fünfzehn Minuten. Der Wanderer und seine Frau gaben mir ein paar Schluck Wasser zu trinken, mehr hatten sie nicht dabei, und ohne das wäre ich vermutlich verreckt. Sie begleiteten mich nach unten zur Hütte und auch dies war dringend notwendig gewesen. Dummerweise war ich durch meine Abkürzung an dem Teilstück vorbeigeirrt, wo mein Rucksack im Gebüsch lag. Das checkte ich erst, als wir schon ein paar Minuten weiter waren und plötzlich wieder der Blick auf die Hütte sich öffnete. Ich brauchte nicht lange, um mir klar zu werden, dass ich auf keinen Fall das Teilstück zum Rucksack noch hinaufgehen würde. Ich war ja froh, wenn ich unten in der Hütte lebend ankam.
Und das Komische an der Sache war: Je tiefer wir kamen, desto besser ging es mir. Es lag zum Teil eben doch an der Luft. Es gibt ja bei Bergsteigern diesen Effekt, dass die Lunge gewissermaßen streiken kann - nur passiert das in der Regel erst ab wirklich großen Höhen, 3.000 Meter oder noch höher. Mir geschah das schon ab 1.500 Metern.
Auf der Hütte blieb ich weit über eine Stunde. Ich trank anderthalb Liter Wasser und gönnte mir einen Kaiserschmarren. Ich war so erschöpft, dass ich trotz meines Hungers die Bissen kaum herunterbekam. Ich musste mich aufs Kauen regelrecht konzentrieren. Nach dem Essen setzte ich mich im Schatten unterhalb der Felswandseite in einen Liegestuhl und wäre beinahe eingeschlafen. Ich könnte noch hundert Details über die Hütte berichten oder wie es mich freute und entspannte, dass die Schatten allmählich länger wurden, und wie sehr ich darüber staunte, wie viele Wanderer auf dieser Almhütte eine Zwischenübernachtung vornahmen. Viele machten daraus ein kleines Familien-Event. In dieser läppischen Höhe. Aber das auszubreiten führt wohl eindeutig zu weit. - Läppisch kam mir diese Hütte deshalb vor, weil ich früher als junger Mann problemlos auf weit höhere Berge gelaufen bin. Ohne jemals in irgendeine ungute Situation zu geraten. Aber ich bin verdammt noch mal kein junger Typ mehr. Das wollte ich wohl nicht einsehen.
Kein Scherz, keine Übertreibung, ich hatte buchstäblich Angst, vom Berg nicht mehr heil runterzukommen. Ich sah mich im Geiste schon die Bergwacht rufen, wenn man denn überhaupt mit dem Handy Empfang hat. Es war in der Tat das Vernünftigste, was ich machen konnte, als ich den Wanderer unter mir um Hilfe bat. Und Gott sei Dank ignorierte er mich nicht. Ich habe mich noch nie im Leben zuvor so verstiegen und so hilflos gefühlt. Also auch körperlich nicht mehr fähig, die Situation zu meistern. Und ich habe mir übrigens meine fast neuen Schuhe beinahe aufgerissen. Und wie angedeutet, den Rucksack aufgegeben. Es war nicht viel drin gewesen, nichts Teures, der Rucksack selbst war schon etwas älter und ohnehin nicht teuer gewesen.
Ich bin später am Nachmittag, es wurde allmählich kühler, die harmloseren Höhenmeter von der Hütte bis ins Tal noch relativ problemlos alleine runtergelaufen. Je weiter unten, desto einfacher ging es. Kurz vor dem Ziel machte ich noch eine Rast an einem schönen Gebirgsbach. Ich probierte ein wenig von dem Wasser und es schmeckte köstlich. Ich badete meine Füße, wusch mich überall und weinte fast vor Glück und Erleichterung, wie gut sich das anfühlte. - Ich kann sagen, dass ich diesen Berg geschafft habe; und er mich ebenso. Das war mein absolutes Waterloo im Gebirge!
Ich werde dieses Gefühl der Hilflosigkeit, des Schreckens darüber, dass ich kurz vorm Abstürzen und Verdursten bzw. vorm Kreislaufversagen war, nicht vergessen. Es lag ganz sicher auch an der ungewohnten Luft in der Höhe. Aber es war meine Leichtsinnigkeit, meine unfassbare Selbstüberschätzung, die mich in die Situation gebracht hatte. Ich werde entweder NIE wieder eine Gipfeltour machen oder aber mich doppelt und dreifach vorsehen und absichern. Zumal sollte man eigentlich niemals alleine gehen oder ohne eine Rückversicherung. Jetzt, zwei Tage danach, kann ich mich kaum noch hineinversetzen in diese Atemlosigkeit und Kraftlosigkeit, die mich dort auf dem Schotterabhang überkam.
Der reine Wahnsinn. Ich habe immer noch einen ziemlichen Muskelkater, vor allem in den Waden, als hätte ich zu lange Trampolinspringen trainiert.


Als ich heute morgen aufwachte, ziemlich spät, weil ich auch gestern nach der sehr späten Rückkehr extrem spät schlafen ging, beschäftigte mich mein Horrortrip am Berg erneut. Dass mir das passieren konnte, kann ich mir fast nicht verzeihen. Letztlich habe ich ja richtig gehandelt, indem ich um Hilfe rief. Aber eigentlich denke ich, dass ich mich gar nicht erst in diese Situation hätte bringen dürfen. Naja. Nachsicht mit sich selbst zu üben, ist ohnehin meine Hauptschwierigkeit. Oder eine sehr große Herausforderung, wie es optimistischer formuliert wird.

Kleiner Nachtrag: Nicht die Ostflanke, der Weg über die Westflanke ist der leichtere auf die Benediktenwand!
Den bin ich natürlich auch gegangen. Die Wegmarkierung ist übrigens (abschnittsweise) rot-weiß-rot und in meinem Wahn habe ich das beinahe für die österreichische Flagge gehalten, das ist natürlich Quatsch. Österreich ist noch zehn, zwanzig Kilometer weiter im Süden entfernt.

Tiefpunkt, mal wieder. Von dieser Urlaubswoche blieb mir eigentlich nur Folgendes:

- Mein Beinahe-Absturz am Berg. Ich will es nicht dramatisieren, aber das hat mich echt ... Ich konnte da am Steilhang weder vor noch zurück; vor allem aus Kraftgründen, ich wäre beinahe verreckt. Ich ging Risiko, weil ich keine Kraft mehr hatte, nach oben zu steigen. Wahnsinn. In so eine Situation hätte ich mich nicht bringen dürfen.

- Auch im Hotelzimmer, das erfreulich groß war, aber zu anonym: die ganze Reise über wollte meine Frau nichts von mir wissen. Ich meine damit, null Kontakt, null Zärtlichkeit.

- München war an ein paar Stellen schön für mich, doch um meine Eindrücke dieser Stadt zu schildern, wie ich das wirklich empfand, bräuchte ich drei Seiten. Es fängt damit an, dass mein Lieblingsautor bei Hugendubel nicht vorkam. Und hört damit auf, dass ich die Architektur z. B. der Frauenkirche toll fand. München ist deutlich netter, weniger ruppig als Hamburg. Wir standen mal auf der Dachterrasse der Verwandten meiner Frau. Auf dieser Terrasse übrigens viele Blumenkübel und beinahe eine Palmenlandschaft, aber auch viel Platz dazwischen und weiter hinten ein etwas erhöhter (kniehohe Außenkante) Swimmingpool, den niemand benutzte. Wahnsinns-Rundumblick. Nicht weit weg die Flutlichtmasten des Grünwalder Stadions. Der Onkel meiner Frau erklärte mir alle Türme der Stadt, so viele und so schnell, dass ich sie nicht hätte mitschreiben können. Mir gefiel, wie virtuos er zwischen Turm, Zinnen, Klotz, Kuppel und anderen Gebäude(teil)bezeichnungen hin und her sprang, und auch zwischen nah und fern. Naja, er ist Architekt. Es war nicht erstaunlich. Und doch umfassend und beruhigend kompetent. Überhaupt mag ich diesen Verwandten, und das ist schon viel für meine Verhältnisse.

- Als ich ein einziges Mal ein B. mit Alk. trank, entstand ein Streit. Weil der Alk. mich unachtsam und leicht gereizt macht. Eigentlich vertrage ich ihn nicht und sollte konsequent die Finger davon lassen.

- Die langen Fahrten waren bei dem heißen Wetter extrem anstrengend. Zwischendurch fasste ich bei einer Pause auf die Motorhaube. Sie war zwar nicht glühend heiß, aber auch nicht weit davon entfernt. Bei diesen Temperaturen leidet die Konzentration ziemlich. Immerhin ging alles gut.

- Und so katastrophal diese Bergwanderung phasenweise war, ich fühlte dennoch ein bisschen Stolz, den Gipfel erreicht zu haben. Eigentlich sind die Gipfelmomente ja immer ein wenig belanglos; also weniger spektakulär als dass dieser Höhepunkt den ganze Aufwand einer Bergbesteigung rechtfertigt. Dennoch schließt der Gipfel das Erlebnis ab. Und wenn man oben den Blick kreisen und sich etwas Zeit lässt, ist es durchaus schön, erlösend, belohnend. Die Selbstwirksamkeit einer solchen Wanderung hat ein bisschen was; sonst würde ich das vermutlich ja auch nicht machen. Zwischendurch die Momente an den Gebirgsbächen. Herrlich. Das Geräusch alleine schon, wenn man sich einem Bach nähert. Die Klarheit der Empfindungen, diese Beruhigung, die Wasser (gerade an heißen Tagen) bedeuten kann. Ein bisschen, als würde man in sehr archaische Emotionen eintauchen. Gerade als leicht depressiver Mensch mag ich EINFACHE und unkomplizierte Gefühle. Ich habe mich ein Dutzend Mal auf den Hintern gesetzt, unfreiwillig, meine Knie und meine Hose waren dreckig, meine Schuhe ein bisschen aufgeschürft, den einen oder anderen Kratzer auf der Haut hatte ich sicher auch; aber was macht das, wenn du zwei Stunden danach weiter unten im Tal in glasklarem Wasser eines Baches baden bzw. dich waschen kannst! Jetzt kommt es wieder durch; es hat mich begeistert, ein bisschen Tabula Rasa im Kopf bewirkt, auf gute Art, und daher werde ich dem Wandern/Bergsteigen treu bleiben. Ich muss nur die Vernunft wahren, mich vernünftig versorgen und mich öfter fragen, ob ich mich überfordere.

Mein Gott, wäre ich dem Alk. zugetan, würde ich mir jetzt was hinter die Binde kippen. Uralte Formulierung, die sich noch hält, erstaunlicherweise. Ich verkrümele mich in mich selbst. Werde vermutlich auf dem Bett liegend Eis essen und den Resttag ignorieren. Das ist ja noch lange nicht mein depressivster Moment. Dann würde ich mich nicht aufraffen können, DEO ZU NEHMEN, mich anzuziehen und den Supermarkt anzusteuern, um das Eis zu holen.

Heute am Sonntag (vormittags) bin ich leider wieder in sehr schlechter Verfassung. Wir haben die letzten drei Tage unserem Sohn beim Streichen in der neuen Wohnung geholfen, gestern über 5 Stunden lang. Interessanterweise war das in diesen Tagen eher erhellend und gut, dieses Vorhaben anzugehen, gab mir eher Struktur und Aufwind. Danach fast wie erwartet ein Tief. -
Und ich habe mir meinen Maßnahmen-Katalog übers Brainstorming hinaus immer noch nicht zurechtgelegt, ihn nicht wirklich parat. Was tun, wenn ich in eine depressive Gemütslage oder in eine zu große Anspannung hineinrutsche. Wie fühlst du dich? Das ehrlich zu beantworten, mich das öfter zu fragen, ist ein Hauptpunkt.
Jetzt aber bin ich schon mitten drin im negativen Zustand. Sollte dies oder das tun, oder einfach den Sonntag chillen. Nur kann ich keinen guten Standpunkt dazu finden. Innerlich denke ich, ich müsste doch ... ich sollte doch längst ... ich muss weiter sein ... Werde mich gleich eh noch mal hinlegen. Ich sollte mir vorsagen, dass das okay ist nach dem anstrengenden Tag gestern.
Zudem hat das Anstreichen letztlich ganz gut geklappt. Eigentlich könnte ich stolz sein, dass ich körperlich gut mitgehalten habe. Aber von Stolz oder Befriedigung deswegen ist in mir höchstens eine ganz kleine Spur. Eher denke ich, das ist doch das Minimum. Nein, das ist gar nicht der Punkt. Ich bin mit etwas anderem beschäftigt, damit, wie ich mich fühle, und das ich zu depressiv bin, dass mir das ein Gefühl der Schuld und der Lähmung gibt.
Ähnlich ist es mit dem Termin, der für die Arbeit ansteht. Ich muss nach Hamburg fahren, das fordert mich sehr und ich denke die ganze Zeit, ich müsste damit doch lockerer, souveräner, weniger gestresst sein. Mich fordert es bereits, mir das Ticket dazu kaufen zu müssen. Oder es nervt mich jedenfalls extrem. Dann die Bahnfahrt ertragen zu müssen, bei der ich wieder mal mir selbst und meiner Unfähigkeit, gelassen mit Fremden umzugehen, begegne ... Ich kann die Zeit im Zug ja auch für mich nutzen. Es gibt immer diese zwei Pole.

Und ich bin zu sehr bei dem negativen.

Übrigens hatte mir das Medikament Sertralin in der Hinsicht tatsächlich (ein wenig) geholfen. Es schaltete ein bisschen diesen inneren Zensor leiser. Dieser Zensor, der ständig sagt: Boah, was für eine Last, das wirst du nicht gut hinbekommen, das ist dir zu viel, du willst doch was ganz anderes, warum machst du den Sch***, du bist eh schon belastet, das jetzt auch noch obendrauf.

Ich sehe nicht: Das ist bloß eine Zugfahrt! Das überstehst du schon. Entspanne dich!

Ich sehe eher, wie sehr mich das nerven wird. Wie sehr ich mir wieder vorkommen werde wie einer, der scheitert. Ich bin nicht überzeugt, von dem, was ich tue. Ich bin beruflich unzufrieden, in Wahrheit, habe aber auch nicht den Mumm und die Zuversicht, was zu verbessern. Wenn ich an meinem wackligen Status Quo rüttele, breche ich noch mehr ein, ich bewege mich ohnehin auf dünnem Eis, denke ich.

Das Gleiche in meiner Ehe. Die funktioniert weniger durch positive Motivation. (Wobei das eine eingeschränkte Sicht ist, natürlich habe ich eine sehr positive Grundstimmung zu meiner Frau, sonst hätte ich sie nicht geheiratet). Dieses Miteinander funktioniert eher dadurch, dass ich die täglichen kleinen Niederlagen und unbefriedigenden Dinge runterschlucke. Sobald ich aber mich und meine Bedürfnisse anmelde, zerbricht die Harmonie schnell. Es ist das alte Lied bei mir. Gott sei Dank nicht das einzige.

Aber dieses negative Lied sagt: Sei besser nicht vorhanden. Das ist nur gefährlich. Du handelst dir Ablehnung, Kritik und Schläge ein, wenn du aufmuckst. Es ist das alte Bild aus meiner Kindheit. Alles ist gut, solange ich mich möglichst wenig zu Wort melde. Es ist in Wahrheit natürlich nicht gut, aber ich weiß auch nicht, was passiert, wenn ich zu mir stehe, wenn ich mich bemerkbar machen würde. Was passiert, wenn du zu dir stehst? Vielleicht fallen alle über dich her. Oder dein Leben weitet sich endlich!

Was wäre wohl passiert, wenn ich damals weggelaufen wäre? Oder meinem älteren Bruder die Meinung gegeigt hätte? Wenn ich das Getue bei uns in der Familie abgelehnt hätte? Wenn ich mich gegen meinen abwesenden Vater und gegen meine leicht neurotische Mutter gestellt hätte?
Ich vermochte es damals nicht. Nicht mit 12 Jahren. Nicht mit 14, nicht mit 16.
Und meine Gefühle waren mir regelrecht verbaut.
Als mein Vater auszog, empfand ich nur eines: Erleichterung. Einer weniger im Haus, der mich nervt.
Als meine Mutter starb, empfand ich vor allem: Na endlich. Ein Problem weniger an meinem Hals. Ein Schuldgefühl weniger. Das war mein Hauptgefühl. Ich wollte eigentlich auch nicht zur Beerdigung gehen. Dann gewann jedoch meine Neugier die Oberhand - die Neugier, ob mir der Beerdigungstermin nicht doch einen Abschluss für meine Empfindungen gibt, eine Art Erdung. Ich wollte wissen, wie ich mich auf der Beerdigung fühle. Wollte ein bisschen auch dem äußeren Anspruch genügen, obwohl mich das nicht wirklich tangierte. Ich dachte weniger: Was bin ich für ein Sohn, wenn ich nicht zur Beerdigung meiner Mutter gehe. Mit dieser vom äußerlichen Anspruch herrührenden Art von schlechtem Gewissen habe ich wenig zu kämpfen. Ich dachte eher: Es gehört sich irgendwie, dass ich mich dem stelle. Wenn Trauer in mir vorhanden sein sollte, wenn sonst ein Gefühl in mir da sein sollte, wenn irgendwas Positives vorhanden sein sollte, wollte ich diesem Positiven nicht durch Angst vor dieser Veranstaltung entfliehen. Es war ein Stückweit verlogen von mir, dort aufzukreuzen. Andererseits war es auch mein gutes Recht. Was immer ich bin, was immer ich fühle, ist ein bisschen oder sogar sehr weitgehend von der Familie und der Kindheit geprägt und mein Anrecht als Sohn. Ich hatte jedes Recht, in egal welcher Stimmung oder welcher Mischung aus Abneigung, Verlustgefühl und Traurigkeit dort zu erscheinen. Es stand mir zu, mich verloren zu fühlen oder gefasst. Gleichgültig oder erschüttert. Ich glaube, das ist der wahre Grund, weshalb ich da hinging. An meine Mutter dachte ich höchstens drei oder vier Minuten, wenn überhaupt, und auch das flößt mir relativ wenig schlechtes Gewissen ein. Wenn ich sie wenig besucht hatte die letzten Jahre, hat das einen Grund, der nicht nur bei mir liegt. Es ist unherzlich von mir gewesen. Schon. Aber mein Mangel an Herzlichkeit ist keine böse Absicht von mir. Das ist mehr als eine Ausrede. Man kann sich nicht verstellen, denke ich eher. Und übrigens habe ich selbst null Interesse an Höflichkeitsbesuchen.

Sorry, falls das jemand liest, ich komme von einem Thema zum nächsten. Alles ziemlich konfus. Im Tagebuch würde ich diese Hin und Her stehen lesen. Hier, im Licht der Öffentlichkeit, erscheint es mir als Zumutung für den Leser. Als zusammenhangsloses Gerede.

Und so ist mir auch zumute. Ich zerrede häufiger das, was eigentlich Thema ist. Das hat bei mir eine therapeutische Relevanz. Es geht für mich genau um dieses Kreisen und nicht-zum-Punkt-Kommen. Ich weiß nur sehr bedingt, wer ich bin, auch wenn mir ein paar Grundgefühle und -ansichten sehr vertraut sind.

Ich habe mich heute mal wieder (das fünfte Mal in diesem Jahr) krankgemeldet, weil es mir mies geht. Gestern war ich von morgens halb sechs bis abends um halb zehn für die Arbeit unterwegs - und es war mir einfach zu viel. Statt mit dem Zug zu fahren, was etwas weniger anstrengend, aber eben dennoch nervig gewesen wäre, acht Stunden auf der Autobahn insgesamt. 6,5 h vor Ort bei der Arbeit, eine Besprechung nach der anderen. Ich hatte auch einen kleinen Vortrag zu halten, was mich jetzt nicht groß nervös gemacht oder beunruhigt hatte. In der Summe war es aber überlastend.
Wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich häufig überlastet. Und es tut sich eine Lücke auf zwischen dem Gefühl, ich müsste eigentlich mehr / Besseres hinkriegen, ich müsste es leichter hinkriegen, und der Realität.

Ich weiß auch nicht, ob ich Details von der Arbeit schildern will. Seit gestern denke ich wieder mal zu viel an die Arbeit. Also morgens beim Aufstehen der erste Gedanke: wie ich dies oder das bei der Arbeit hinbekommen soll.

Überlegte gerade zehn Minuten lang, ob ich das hinschreiben soll oder nicht. Wie viel ich von der Arbeit erzähle. Ich will nicht alles outen, habe beinahe Angst, dass mich jemand erkennen könnte; zudem ist mir das Thema in manchem peinlich; außerdem laufe ich Gefahr, zu tratschen. Genauer spielt eine Rolle: ich bin der Überzeugung, dass ich meine Arbeit hinbekommen muss. Gebe ich meine Schwächen (zu sehr) zu, wächst mir das vielleicht über den Kopf.

Ich meine das in dem Sinne, wie Peter Handke (immerhin Nobelpreisträger für Literatur) es mal sinngemäß beschrieb: Hätte er sich auch nur eine Stunde lang seine Unsicherheiten in Bezug auf sein Schreiben eingestanden, er hätte nicht eine einzige Zeile zu Papier bringen können.

Vielleicht liegt das an meinen leichten psychischen Macken: Ich sehe an meinem eigenen Vortrag ganz gewiss eher die Schwächen, die Lücken, die Unzulänglichkeiten; und weniger, dass ich ihn im Großen und Ganzen halbwegs gut hinbekam. Ich neige jedenfalls nicht zu der Überzeugung, ich sei in irgendetwas gut. Oder das, was ich gut kann, hake ich innerlich als selbstverständlich ab, während meine Gedanken, mein Selbstwertbild sehr um meine Schwachstellen kreisen.

Noch drastischer gesagt: Ich bin seit über 15 Jahren bei derselben Firma. Könnte mir eigentlich etwas darauf einbilden, dass ich offenkundig zu den bewährten Mitarbeitern zähle. Vielleicht habe ich mich aber all die Jahre bloß durchlaviert. Und sehr häufig wunderte ich mich darüber, dass ich noch nicht rausgeworfen wurde.

Ein realistische Betrachtung wäre wohl: Ich bin oft genug faul, unwissend oder auch ein wenig unfähig. Daran könnte, sollte ich arbeiten. Es fällt mir nur unheimlich schwer, mich dem zu stellen. Aus Angst, meine Fassade könnte bröckeln. Und ich müsste mir eingestehen, dass ich eher ein Scharlatan als ein guter Mitarbeiter bin. Andererseits mache ich manche Dinge ja wirklich nicht schlecht. Habe hier und da ein bisschen Ahnung. Habe manchmal sogar Spaß an manchen Arbeitsaufgaben. Das ist ohne Zweifel genauso wahr.

Mir fällt das mit dem halbvollen/halbleeren Glas ein. Ich könnte behaupten: ein bisschen was ist ja drin in meinem Glas; mehre das! Fülle noch ein bisschen nach! Wie köstlich sieht so ein Glas aus, es könnte großartig meinen Durst löschen! Sei dankbar für das, was du hast! Sei positiv und konstruktiv! Stattdessen denke ich: würde man mein Glas in die Sonne stellen, verdunstet das bisschen sehr schnell; sitze ich schnell auf dem Trockenen ...

Ich muss bzw. sollte an meinen Schwächen arbeiten. Dazu zählt zuerst auch meine Selbstabwertung. Die betreibe ich (offenkundig) im Privaten wie im Beruflichen. Und übrigens habe ich deutlich mehr Motivation für die Arbeit, wenn ich auch mein Sozialleben ein bisschen verbessere, mich darum kümmere.

Mir ist ein bisschen mulmig zumute, habe auch eine Art Hitzewallung oder Schweißausbruch, wobei sich das noch in Grenzen hält. Aber das ist wohl meine Form von (geringer) Panikattacke. Ein Ansatz höchstens, so was Ähnliches. Von einer richtigen Panikattacke bin ich weit entfernt. Bin ja auch nicht beunruhigt darüber. Vielleicht hätte ich auch kein Couscous essen sollen. An sich ja eher etwas Gesundes. Wenn das aber nicht gut aufgequollen ist, vertrage ich es schlecht. Glaube ich.

Ich habe ein bisschen hier in meinem Tagebuch gelesen und vermutlich habe ich davon einen Anfall bekommen. Was für ein Geschreibsel. Blabla. Getue. Mir fällt das mit dem halbvollen Glas ein. Was für ein Schwachsinn. Ich sollte an meinen Schwächen arbeiten. Als hätte ich so was auch nur ansatzweise vor. Ich kann mich ja selbst nicht ernst nehmen. Sorry, aber ich bin ein kompletter Vollidiot. Ich kann mich nicht leiden. Und weiß nicht, wie ich das abstellen soll.

Mir ist schlecht von mir selbst und von meinem TB-Schreiben hier.

Ich habe vorhin anderthalb Stunden lang mir endlich (aus dem Brainstorming-Zettel) meine Maßnahmen auf Karteikarten geschrieben ... als täglicher Behelf, als Stütze, Erinnerung. Maßnahmen wogegen, wofür? Gegen Anspannung, gegen Depressive Schübe und für Notfall-Situationen. Auch ein paar Achtsamkeitsübungen/-prinzipien, für jeden Punkt eine Karte.

Das hatte ich schon seit einer Ewigkeit vor, seit meinem Klinik-Aufenthalt im letzten Sommer.
Mein Gefühl dazu ist: Ein wenig Erleichterung. Gleichzeitig aber auch eine leichte Anspannung, eine ungute Nervosität.

Ich weiß, warum ich mich mit diesem Maßnahmenkatalog schwer tat. Es ist so ähnlich wie mit einem Aufgabenzettel:
Schön und gut einerseits, wenn man alles in der Übersicht hat.
Andererseits aber auch problematisch für mich, wenn ich das Gefühl habe, der Plan/der Zettel deckt nicht ALLES ab. Wenn du eine Liste zum Kofferpacken hast, sollte und muss die vollständig sein.
Vielleicht ist das auch ein bisschen Kontrollzwang bei mir, ich gebe die Kontrolle ungerne ab.

Doch ich kann diese Maßnahmen-Karten als Anhalt nehmen. Da muss nichts perfekt sein. Entweder es hilft, es erinnert und aktiviert wertvolle Handlungen und Denkweisen in mir, oder ich werfe diese Karteikarten weg.

Ich habe auf jeder vermerkt, in wie weit, in welcher Stufe die jeweilige Maßnahme mir beim Entspannen, gegen Depressivität und in heftigen Krisen hilft. Letztere habe ich ohnehin total selten bis gar nicht. Aber leider habe ich zu dem Punkt D (= Depressivität) fast nur Maßnahmen auf niedrigem Level. Wenn es also noch nicht so schlimm ist.

Beispiel: Musikhören kann mich manchmal aufheitern. Ist also ein Weg - wenn ich mich darauf konzentriere, dabei durchatme -, mich zu entspannen und besser zu fühlen. Das hilft aber nur in kleinen Krisen, auf Stufe I, gewissermaßen. In meinen depressivsten Momenten mag ich auch meine Lieblingsmusik kaum hören.

Ich kann mich jetzt trotzdem dafür loben, das (endlich) erledigt zu haben! Es ist gut.

Die erste Achtsamkeitskarte, die ich schrieb, lautet übrigens: HETZE DICH NICHT.

Oft will ich ganz schnell irgendwas hinkriegen. Glaube, auf keinen Fall fünf Minuten zu spät kommen zu dürfen. Ich überschlage mich fast, statt alles in Ruhe anzugehen. Und das macht mich oft fahrig, leicht gestresst.
Da hilft mir ein bisschen innere Distanz: Nichts ist so wichtig - außer es brennt -, dass man sich deshalb abhetzen muss.

So, mir reicht es mal wieder. Ich werde heute etwas früher Schluss machen beim Arbeiten, eigentlich de facto schon jetzt, weil ich ja, während ich einen Snack esse - seltsames, mir nicht genehmes Wort -, ohnehin hierhin ausweiche ...

Was mir eigentlich zu viel war, waren die anderthalb Stunden, die meine Frau und ich mittags mit Papierkram/ Immobilienthemen verbrachten. Es ist schwierig mit ihr. Mag das nicht ausführen.
Ich werde gleich ausprobieren, ob ich am PC meine Lieblings-TV-Serie gucke. Leider bringen die (fast) nur Wiederholungen.

Ich habe zwei Serien, die ich ab und zu ganz gerne gucke. Ich verrate nicht, welche. Ist zu trivial.

Samstag, 15 Uhr, katastrophale Stimmung, fühle mich sehr verletzt. Setze einen Trigger, weil ich zwei Sätze (oder so) über Selbstverletzungen schreiben werde, vielleicht.
Trigger

Normalerweise würde ich mich in meinem jetzigen Zustand ritzen. Wäre zumindest in der Gefahr, es zu tun. Keine Ahnung, warum ich davon geheilt oder bewahrt bin. Ich stelle es fest, ich will es nicht tun. Und das ist an sich ja gut. Nur merke ich gerade nicht, dass das eigentlich ein gutes Zeichen ist. Ich habe anders als vor vielleicht einem Jahr oder anderthalb Jahren kein Verlangen danach. Oder ist die Krise noch nciht groß genug? Warum beschäftigt mich das so? Weil ich merke, dass ich mich ein bisschen gesünder verhalte und das aber nicht einhergeht mit dem Gefühl, ich wäre etwas gefasster oder geerdeter als früher. Der seelische Schmerz fühlt sich so oder so unangenehm an. Vielleicht ist meine Erkenntnis, meine Enttäuschung auch bloß deutlicher als sonst, und davon rettet mich der physische Schmerz des Ritzens nicht mehr. - Ich denke ernsthaft, dass es auch Selbstmitleid ist, was mich das damals, genauer im Oktober 2021, hat machen lassen. Das Selbstmitleid zieht aber nicht mehr so, wenn der Verstand, die Vernunft zu deutlich eine Erkenntnis hat oder ich glaube, eine Erkenntnis zu haben.
Ich beschreibe das zu kompliziert.
Im Augenblick sehe ich keinen Ausweg, als mich von meiner Frau zu trennen. Ohnehin hatte ich die zweite Jahreshälfte als Prüfzeitraum genommen, gedacht; wenn es nicht zur Jahreswende besser ist, besser geworden ist, muss ich mich trennen. Hoffentlich blättere ich diese Notiz in zwei, drei Monaten noch mal nach, wenn ich wieder aus stumpfer Gewohnheit alle Zweifel in mir kleinreden werde. Ich meine die Zweifel an dieser Ehe.
Diese Beziehung funktioniert nur dann, wenn ich meine Rolle erfülle, zu allem Ja und Amen sage und unermüdlich meiner Frau entgegengehe. Es ist das alte Problem. Das ich schon immer hatte, in quasi allen Beziehungen/ Bekanntschaften. Alles ist gut, solange ich es dem Anderen recht mache. Sobald ich aber eigene Bedürfnisse anzubringen versuche, ist schnell die Toleranzgrenze des Anderen erreicht.
Ich werde gewissermaßen toleriert, geduldet, hingenommen und sogar ein wenig unterstützt; solange ich nicht zu viel für mich selbst einfordere oder wünsche. Also am besten gar nichts. Das ist jedenfalls der Gedanke.
Das ist das Muster aus meiner Vergangenheit/Kindheit, und ich wiederhole es.
Ich habe Hunger.


Ich werde mich hier abmelden, endgültig. Heute ist etwas Schreckliches passiert, worüber ich aber nicht oder noch nicht schreiben kann. Es geht mir mehr an die Nieren als der Streit gestern mit meiner Frau. Mir schwimmen alle meine Felle davon. Und ich bin neun Zehntel meines Lebens mit nichts anderem beschäftigt, als irgendwo Halt zu suchen. Improvisierten Halt, von mir aus. Alles ist besser als dieses verzweifelte Dahintreiben. Man hält sich an irgendetwas fest, an Beziehungen, am Job, am Fußballspiel, an irgendwas. Dass es kein fester Grund, keine wirkliche Basis ist, stelle ich immer nur erst im Nachhinein fest. (Treibsand und Treibgut haben mir immer gefallen!) So ähnlich habe ich mich in meine erste Beziehung gestürzt. Endlich ein wenig Liebe! Endlich schien sich etwas in meinem Leben zu bewegen. Ich bin wie jemand, der nicht begreift, dass er nicht richtig vorhanden ist und dann andere dafür ausnutzt, ihm vorzuspiegeln, er wäre es. Andererseits, manchmal bin ich ja tatsächlich da. Ich mache so was wie Testläufe. Zeige in Bekanntschaften ein bisschen von mir. Versuche, aufrichtig über Gefühle und Erfahrungen zu sprechen. Lasse das Fenster ein wenig öffnen und hineinsehen in das, was ich tatsächlich oder vermeintlich bin, auch wenn es nur schemenhaft oder halb-ironisch oder nicht richtig fundiert ist. Ich tue manchmal so, als wäre ich ein Mensch. Oder als hätte ich eine Basis des Mensch-Seins, wie alle andere es vorzugeben gewohnt zu sein scheinen. Und wie bei Kafka empfinde ich Frauen als Ablenkung; als ein Darüber-Hinwegtäuschen, dass man sich eigentlich an das Körperliche, das Sensitive allzu bereitwillig verschenkt, weil es ja so unheimlich viel Trost und Bestätigung gibt. Dabei ist das Körperliche ziemlich unwichtig. Oder anders gesagt: Es kommt nicht so sehr darauf an. Auf das, was man sagt, hingegen sehr. Die eigentliche Verliebtheit in eine Frau hat bei mir fast ausschließlich mit dem zu tun, was sie sagt, wie sie sich verhält, was sie äußert.

Kriege es (noch) nicht hin, mich hier abzumelden und/oder mein Problem von neulich anzugehen. - - - Ich war die letzten Tage sehr fleißig bei der Arbeit. Sehr konzentriert, es hat mir sogar ein bisschen Spaß gemacht. EIGENTLICH könnte ich mir auf die Schultern klopfen: Das hast du gut gemacht.

Meine Abwertungstendenz ist stärker. Wobei ein Schimmer von Stolz oder Genügsamkeit dann doch in mir ist. Ich lege mich zur Pause aufs Sofa und kann ein bisschen freier träumen, wenn ich bei der Arbeit was getan habe.

Du weißt, dass es dir am WE sch**** geht, wenn du eher unbewusst auf ein Katzenvideo klickst - Hauskatze begrüßt neugeborenes Menschenkind in der Wohnung - und dir vor Rührung und Sehnsucht nach Harmonie die Tränen kommen.

Ich habe vorhin insgesamt 2 Stunden in der Wohnung aufgeräumt/Staub gesaugt, im Garten Unkraut vernichtet und den Balkon aufgeräumt und gewischt. Und jetzt bin ich platt, von dem bisschen Hausarbeit. Zwischendurch ist mir auf dem Balkon von dem ständigen Hinhocken (Fugen gereinigt) schwindlig geworden, aber das würde ich nicht überbewerten bzw. macht mir eigentlich keine Angst. Ich bin nicht mehr der Jüngste. Das kommt ja noch erschwerend hinzu.
Wenn ich ehrlich bin, ist mir manchmal der Kopf wirr von all dem, was ich erledigen könnte oder vielleicht auch müsste. Da gilt eigentlich die Devise: Das Wichtigste zuerst. Sich nicht kirre machen lassen. Es nicht übertreiben. Nicht zu perfektionistisch denken. Das Wichtige und Naheliegende zuerst.
Ich muss mir auch mehr mit meiner Frau zusammen Pläne machen. Manches im Haushalt ist bei uns gar nicht zugeteilt. Wir bringen Altglas z. B. erst weg, wenn der Vorratsraum überquillt davon. Andererseits saugen wir sehr häufig die Wohnung; wir putzen mindestens sechs Mal im Jahr die vielen Fenster; meine Frau tauscht häufiger den Duschvorhang aus, wenn er ihr schäbig vorkommt; auf den ersten Blick sieht es bei uns in der Regel total aufgeräumt aus. Oder jedenfalls können wir diesen Zustand, kommt mal jemand vorbei, in wenigen Minuten herstellen bzw. vortäuschen. Aber: Dass im Vorratsraum der Fußboden mal nicht vollgestellt ist mit Eimern, Wäschekörben, Werkzeug, Farbeimern, Kartoffelkisten, kleinen Reisekoffern oder sonstigen Taschen, kommt selten vor. So was hasse ich eigentlich. Wenn man in oder durch einen Raum nicht richtig gehen kann, weil der Fußboden zugerümpelt ist.

Mir ist eh immer ein wenig eng zumute; ich kann auch nie an einem unaufgeräumten Schreibtisch arbeiten; dazu fällt mir ein, ich habe einen Kollegen, der noch weit akribischer als ich seinen Schreibtisch aufräumt; seinetwegen bekomme ich immer nur Platz 2 im Ranking der aufgeräumtesten Arbeitsplätze; das bewundere ich, teilweise rutscht es aber auch ins Neurotische und Bedrohliche ab.
Kein Witz, er sortiert die Aktenmappen, die er zu jedem Auftrag vorbildlich angelegt und parat hat, Stoß an Stoß immer schön rechtwinklig auf seinem Tisch. Und alle seine Unterlagen hat er selbstredend fein säuberlich in die zugehörige Akte einsortiert. Da fliegt nichts rum; da ist nichts unsortiert oder, noch schlimmer, nicht zugewiesen oder in der Schwebe.
Wenn er in eine Besprechung kommt, breitet er seine Mappen akribisch aus wie ein Feinmechaniker sein ziseliertes Werkzeug oder ein Chirurg seine teuren Messer und Zangen. Kein Windstoß, kein Gedonner vom Chef und kein Erdbeben könnte diesen Kollegen aus dem Konzept bringen, denn er ist stets gut vorbereitet.
Und manchmal pocht er mit seinem Zeigefinger nicht nur auf seine eigenen ordentlich gebündelten Papiere, sondern sogar auf meine eigene gerade von ihm diktierte (handschriftliche) Notiz, so als fände er sich in meinen Unterlagen besser zurecht als ich und wollte mir die Evidenz seiner Erklärungen anhand meiner Stichpunkte aufzeigen.
Manchmal könnte ich diesen Kollegen erwürgen; noch häufiger aber bestaune ich ihn. Ich bin ein paar Mal in seinem perfekt aufgeräumten Auto mitgefahren und bekam jedes Mal Beklemmungen. Sogar auf der Rückbank lagen ein paar Jacken oder Wäschestücke, kein Scherz, auf DIN A4-gefaltet, als kämen sie gerade aus einer Premium-Reinigung geliefert. Auf meine scherzhafte Bemerkung, wieso er in seinem Gefährt eine scheinbar antiseptische Sauberkeit wie auf der Intensivstation einer Klinik hält, antwortete er lakonisch, er hätte noch nie verstanden, warum viele Leute mit einer Müllhalde im Innenraum durch die Gegend fahren. Einmal hat sich ein Beifahrer bei ihm nicht richtig angeschnallt. Also er hat sich schon angeschnallt, aber der Gurt verlief an einer Stelle nicht ganz korrekt, er hatte sich, wie nennt man das, ein bisschen umgeklappt, schlug also auf links um für ein kurzes Teilstück. Mir persönlich würde so etwas nicht mal auffallen; mein Kollege aber wies diesen Beifahrer darauf hin, nein; er forderte ihn dazu auf, dass er seinen Gurt richtig anlegen müsste.
Ich meine das ja nicht lästernd, wenn ich mich über diesen Kollegen ereifere. Eigentlich finde ich es eher beruhigend, wenn Menschen ihre kleinen Macken haben, weil ich mir einbilde, dass dann meine eigenen weniger auffallen oder: weniger ins Gewicht fallen. Völlig akribische Menschen sind mir deutlich unsympathischer als Messies. Wobei m.E. mit beiden nicht gut Kirschenessen ist.

Sorry, ich bin geschwätzig. Ich habe mal (allen Ernstes) geträumt, es würde ein Nobelpreis für Unerheblichkeit vergeben werden. Oder ich habe mir beim Aufwachen das Thema des Traums in diese Richtung zurechtgebogen. Manchmal ist der Übergang zwischen Schlaf/Traum und Wachwerden ja nicht so trennscharf. Ich deute im Prozess des Aufwachens, während ich dem Traum noch nachhänge bzw. er in meinem Kopf noch nicht ausgeblendet ist, die Art des Traums irgendwie ein bisschen mehr in Richtung Logik. Das Bewusstsein wird lebendig und deutet das Chaos des Traums um in einen plausiblen Plot. So kommt mir das zumindest vor.
Also: Es gibt neben den normalen Nobelpreisen endlich als Zusatz den für Unerheblichkeit. Für Durchschnittlichkeit, könnte man auch sagen. Als Ausgleich für den Leistungswahn und als Auszeichnung für Lebensnähe und Entspanntheit. Man muss nicht immer Herausragendes leisten, besonders ambitioniert sein oder ein besonderes Talent beweisen; diese unverminderte Leistungsorientiertheit und Fortschrittsgläubigkeit hat uns ja in die Klimakrise und ähnliche Symptome geführt. Man kann auch einfach mal normal und durchschnittlich sein. Und der Punkt ist dabei natürlich, dass ich zu den Nominierten dieses Preises gehörte. Durchschnittlichkeit ist genau mein Ding. Grau sind alle meine Farben! Ich falle niemals auf, werde von anderen kaum bemerkt, außer durch zu lange, sehr selbstbezogene Texte. An mir ist alles mittelmäßig. Sogar meine Witze sind verstaubt und mit Bart. Wenn ich einen Vortrag halte, ist Langeweile vorprogrammiert! Das Dumme ist, ich höre mich selber relativ gerne vortragen.

Bleiben Sie bloß niemals in einem Fahrstuhl mit mir stecken! Sie würden es drei Tage lang bereuen. People without love talk sh it when they are not asked! Genau DAS gilt für mich. Eigentlich bin ich verstockt, weltfremd und naiv. Aber wenn man mir die Bühne überlässt für ein Referat, lege ich los, als ginge es um etwas Wichtiges oder als wüsste ich viel. Ich bausche auf, ich übertreibe, ich lege Wert auf Nuancierungen und Wendungen, die niemand wirklich nachvollziehen möchte. Weil mir sonst nie jemand zuhört und ich definitiv auch nichts zu sagen habe, neige ich zur Egozentrik und zum Einspannen des Publikums, sobald mir jemand das Mikrophon überlässt.

Auch das stimmt nicht so ganz. Wenn ich zur Aufschneiderei wirklich fähig wäre, wäre das ja etwas Besonderes, ein Sich-Abheben von der Reizlosigkeit. Es wäre fast schon ein Lob für mich. Ich bausche alles ein bisschen auf, ja, auch die Geschichte, dass ich aus allem angeblich einen Riesending machen würde, und damit hat es sich leider schon mit meinen Besonderheiten. Da ist keine Substanz hinter dem, was ich erzähle oder schreibe. Wenn, dann steckt dahinter ein wenig Theater, viel Lärm um nichts, eine leicht neurotische, geltungsbedürftige unerwachsene Persönlichkeit. Oh ja, ich bin geltungsbedürftig. Das ist der Punkt. Denn ich gelte mir selbst nicht viel.
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Vier freie Tage und ich kriege es mal wieder hin, sie mehr oder minder zu verschleudern, zu vergeuden. Oder zumindest sehr viel Inaktivität und Stressbelastung, weil ich mal wieder nichts oder fast nichts auf die Reihe kriege.
Beispiele: Wir/ich sitze/n nie auf dem Balkon. Als Ausflug sind wir gerade mal für insgesamt eine Stunde (Hin- und Rückfahrt eingerechnet) an einen Fluss gefahren, um dort sehr kurz spazieren zu gehen. Verabredet oder mich mit jemandem getroffen habe ich null. Wir hatten eigentlich gedacht, heute am Feiertag nach Holland zu fahren, da hat ja alles heute geöffnet, die Geschäfte meine ich. War uns zu viel, die Fahrt hätte 1,5 - 2 h gedauert, ein Weg.

Der eigentliche Punkt ist, dass ich mir ziemlichen Freizeitstress mache. Damit meine ich: Den Stress, eigentlich müsste ich doch viel hinbekommen und mich entspannen. Stattdessen bin ich eher in leichter Panik, darüber, dass ich mit mir und meiner Zeit wenig anzufangen weiß bzw. mich nicht auf die wichtigen oder schönen Dinge besinnen kann.
Auf meinem ToDo-Zettel stehen zwanzig Sachen, drei oder vier davon habe ich vielleicht gemacht. Ich stehe buchstäblich ein wenig unter Strom. Und meine körperliche Reaktion darauf ist: Bocklosigkeit. Überlastung.

Es ist nicht ganz so schlimm wie damals vor anderthalb Jahren. Als ich mich schließlich entschloss, in die Klinik zu gehen. Weil meine Wochenenden nur noch aus Rumliegen und Selbstmitleid bestanden, plus ein bisschen Hausarbeit, das ging auch noch. Ich sollte mehr darüber reden, das ist das Eine. Und mir ganz bewusst ein, zwei schöne Dinge herauspicken, und eine Pflichtsache. Und damit soll es dann gut sein. Der Rest des Tages kann ruhig ein bisschen ungeplant sein.

Gestern habe ich immerhin die 50 Liegestütz geschafft, die ich mir vorgenommen hatte. Habe Essen gekocht und zumindest ein, zwei Sachen noch erledigt. Staub gesaugt. Im Internet die Holland-Fahrt geplant, die wir dann jetzt doch bleiben lassen. Wir machen stattdessen einen kleineren Ausflug.

Wenn ich ehrlich bin, bin ich häufig vor dem Computer versumpft. Ich gucke irgendwelche rührseligen, emotionalen Videos von Geschichten über Menschen, denen, wenn sie nur selber an andere denken und sich gut verhalten, am Ende Glück und Unterstützung widerfährt. Kitschige Storys, auf dem Niveau von Katzenvideos.

Eine Sache war doch noch gut an diesem Wochenende. Ich hatte ein klärendes, letztlich versöhnliches oder zumindest perspektivisches Gespräch mit meinem Sohn. Das war das Heftige, von vor ein paar Tagen, worüber ich nicht schreiben wollte: Wir hatten einen fürchterlichen Streit. Es wird nun langsam besser. Und das ging mir so an die Nieren, dass ich dachte, ich würde es nicht schaffen, mit ihm erneut zu sprechen. Es stand schon im Raum, dass wir uns komplett entzweien bzw. er nichts mehr mit mir zu tun haben möchte. Das Gespräch am Samstag hat aber geholfen. Ich hatte extrem Angst davor und dann ging es doch irgendwie. Mein Sohn hat im vielem wunderbare Eigenschaften und Energie, Neugier und eine (positive) Hartnäckigkeit. Ich erinnere mich daran, wie akribisch er sich auf die Abi-Prüfungen und erst recht auf die Führerscheinprüfung vorbereitet hatte. Dahinter steckt natürlich auch die Sorge, sich abzusichern; aber er ist auch positiv mit vollem Elan bei der Sache. Er nimmt solche Herausforderungen ernst. Ich weiß noch, dass ich in seinem Alter viel skeptischer und auch ein wenig faul war. Ich hatte sicher auch gut gelernt für die Führerscheinprüfung, aber eher mit ganz viel innerem Widerstand. Für den Führerschein habe ich eigentlich das erste Mal in meinem Leben richtig gepaukt; durch die Schule kam ich ja meistens ohne (viel) Fleiß durch. Doch, stimmt, für den Führerschein habe ich auch viel getan, wie mein Sohn. Allerdings mit ein bisschen Mut zur Lücke. Nicht ganz so akribisch und planerisch wie er. - Jedenfalls verdanke ich es auch seiner Unerbittlichkeit, dass wir noch mal in dieses vernünftige Gespräch kamen. Wir haben uns sehr ernst ein paar Punkte vorgenommen, die künftige Streits und Dissonanzen verhindern helfen sollen. Das war seine Idee! Natürlich ging auch ich auf ihn zu, doch er hat die funktionale Sache, wirklich mal am Verhalten etwas zu ändern, vorangebracht. Fand ich beeindruckend. Wie erwachsen und mitdenkend von ihm. Und das hat er garantiert nicht von mir. Wie meistens, wenn seine guten Eigenschaften auffallen, das Empfinden: Das hat er alles von seiner Mutter. Ich sehe sie sehr stark in ihm. Es ist überformt auf seine eigene, persönliche Art, rührt aber von ihrer Seite der Familie her. Komisch. Viele würden durchaus sagen, dass er auch mir ähnlich sieht, ich jedoch sehe eher nur die frappierende Ähnlichkeit zu seiner Mutter.

Ich glaube, ich war am Sonntag und Montag auch wegen dieses Streits und seiner (teilweisen) Auflösung zum Besseren hin platt. Mich nimmt das total mit bzw. ich war durch den Wind deswegen. Oder AUCH deswegen.

Beinahe ein Off-Topic, oder wie das heißt ... Was macht man, wenn einem ein Hobby Spaß macht, ich es aber übertreibe und zu viele Stunden investiere?
Ich versuche gerade, ein Buch über/mit Literatur zusammenzustellen. Bin bei ungefähr 600 Seiten. Romananfänge, manchmal ganze Erzählungen, manchmal nur Abstracts darüber. Es gibt ein paar Fundstellen im Internet, wo man sogar legal ohne Copyright-Verstoß (alte) Klassiker kopieren kann; einiges habe ich auch einfach ganz stumpf abgetippt.
Das wird dann am Ende eine Lesebuch mit 25 oder vielleicht noch mehr wichtigen oder aus meiner Sicht interessanten Büchern/Texten. Es soll ein Geschenk werden für meinen Sohn, der ein Faible hat für Literatur und doch noch relativ wenige Werke kennt. Ich selbst habe bisher vielleicht 1.000 - 1.500 Bücher gelesen, so um den Dreh. Das klingt vermutlich viel, für die meisten. Aber da ich mal Germanistik studiert hatte ... lange ist´s her ... und gemessen an meinem Alter sind das gerade mal 20-30 Bücher pro Jahr. Umberto Eco soll ja eine private Sammlung mit 30.000 Büchern haben. DAS nenne ich viel!
Wie immer, wenn ich mit Feuer und Lust bei der Sache bin, übertreibe ich es, sitze zu lange daran. Der Tag ist heute nach der Arbeit ohne mich verstrichen. Ich bin müde und lege mich nicht hin. Ich gehe nicht raus, ich weiß nicht mal, was für ein Wetter draußen ist. Doch, zum Mülleimer habe ich es geschafft, musste was entsorgen. Ich kann das Fenster auflassen, es fühlt sich nach ungefähr 15° C oder etwas darunter an, hinterm Balkon breitet sich die Schwärze der Nacht aus.
Ich sollte wirklich den Computer ausschalten und irgendetwas anderes tun. Genau das mache ich jetzt endlich.

Ich habe den Fehler begangen, mich unvorbereitet, ohne mich innerlich zu wappnen, auf die Waage zu stellen.
Das Ergebnis hat mich sehr runtergezogen, obwohl es auch keine versetzungsgefährdende Note ist, das nun auch wieder nicht. Ich mag es hier trotzdem nicht hinschreiben. Jedenfalls war ich heute vor einem Jahr, nach fast 6 Monaten täglichem Joggen, ein paar Kilo leichter. Wie und wieso bin ich bloß davon abgekommen? Ich war so gut unterwegs mit meinem Abnehm-Vorhaben, und habe meinen Bestwert, so scheint es mir, regelrecht und unnötig aufgegeben. Jein. Ich erinnere mich dunkel, dass ich Probleme hatte, noch weiter abzunehmen, dass von Woche zu Woche nichts mehr voranschritt. Dann kam meine Corona-Erkrankung. Und danach eine Ermattung, bei immer kürzeren Tagen das Jogging-Programm einzuhalten. Zwischendurch hatte ich auch ein paar kleinere Malaisen und Verletzungen. Schreibt man das so? Ich denke, schon. Hier ist das Komma übrigens wichtig. Es wegzulassen (Ich denke schon) entstellt den gemeinten Sinn. Mich machen Menschen, denen die Komma-Setzung gleichgültig ist, ziemlich nervös bis unruhig/unleidlich. Wer den Satzbau nicht ehrt, ist nicht aus meiner Welt. Wie tief kann jemand denken, wenn ihm schon grundlegende Grammatik und die Erkenntnisse des guten Schreibens egal sind? Wie viel liest so jemand? Denn die Zeichensetzung lernt sich von ganz alleine, wenn man Bücher liest. Man fängt ja den Duktus der Autoren auf. Man muss gar nicht wissen, was Subjekt, Objekt oder attributive Ergänzung ist. Das Lesen schult die eigene Schreibe. Und ich bin mir da leider unangenehm sicher: Eine gewisse Antipathie gegen Bildung und Bildungsthemen muss gegeben sein, um grottig mit Kommas umzugehen. Wobei ich milder urteilen sollte, ich weiß. Ich bin ja jemand, der a) trotz seines Studiums genug Fehler macht und der b) Umberto Ecos Wie schreibt man eine wissenschaftliche Abschlussarbeit? als eines seiner Lieblingsbücher bezeichnet. Zumindest genoss ich es, Ecos Darlegungen zu diesem Thema zu folgen. Ernsthaft. Jetzt, da ich Ewigkeiten aus der Uni raus bin, habe ich vergessen, wie man richtig zitiert, wie man eine Literaturliste regelgetreu anführt oder wieso Eco zwanzig Seiten über die Bibliothek von Alexandria schrieb. Grundsätzlich folge ich allen Vortragenden gerne, die begeistert und beflügelt ihr Thema logisch präsentieren.
Ich bin grantig, geschwätzig, ungehalten, genervt vom Resultat des Wiegens. Hätte ich das bloß nicht gemacht. Nach dem Joggen heute und diesem Schockmoment esse ich natürlich nichts mehr und das macht mich natürlich nicht entspannter, denn eigentlich habe ich Hunger.
Was die Waage anbelangt: Schon morgen (früh) wird das Resultat vermutlich besser sein, ich bin mir ziemlich sicher, muss dafür aber jetzt die Askese, den Verzicht aushalten. Diät halten. Sagt man das so? Aber ja.
Ich werde ab demnächst die Waage als Messgerät vorerst wieder ignorieren. Mir reicht als Sensor mein Gürtel. Ich bin nicht mehr auf dem besten Gürtelloch, nur auf dem zweitbesten, und das sollte ich einfach mal als okay akzeptieren. Immerhin musste ich, ausgehend von meinem Maximalgewicht Anfang 2022, da war ich bei 120 Kilo (- jetzt schreibe ich doch noch Zahlwerte hin - ), insgesamt und über viele Monate gestreut vier neue Gürtellöcher stanzen. Rein theoretisch hätte ich mir natürlich auch einen neuen, schmaleren Gürtel kaufen können. Aber es gibt kein erhebenderes Gefühl, als neue Löcher in einen Gürtel stanzen zu MÜSSEN, weil du abgenommen hast und ohne die neue Lochung die Hose rutscht. Das ist ein wirklich gut Moment. Aber ich muss dafür tatsächlich auch einen beschissenen MARATHON hinter mich bringen. Zig Wochen ziemlich rigoros trainieren und besseres Essverhalten an den Tag legen. Inzwischen gibt mir Zuckerzeug nicht mehr so viel. Ich kann kaum noch nachempfinden, wieso ich mich früher beinahe von Schokolade ernährte ... Das ist natürlich eine Übertreibung. Aber ein Tafel Schokolade pro Woche war nicht viel für mich. Schokoriegel und Kekse und Weingummi mochte ich sowieso. Das ist jetzt nicht mehr so (ausgeprägt) und manchmal frage ich mich, womit ich das Vakuum, das durch den Wegfall meines Zuckerprodukte-Konsums entstand, eigentlich aufgefüllt habe. Mittlerweile HÄNGE ich regelrecht an gesunden Sachen wie Tomaten, Paprika, Broccoli, Kohl, generell Gemüse, Obst, Reis, Haferflocken, vernünftigem Brot, also Brot mit Ballaststoffen und echtem Korngehalt. Wobei ich heute nach ein paar Tagen mal wieder Bock auf Eis hatte, es mir ausredete. Eis ist heikel für mich. Mit nichts verknüpfe ich so sommerliche Gefühle und Entspanntheit: In der Eisdiele sitzen und sich süße Kalorien reinknallen. Wenn ich ehrlich bin, mag ich auch süße Torten und Kuchen immer noch, klar. Aber habe mich auch da gemäßigt. Der Haken ist, dass ich den Eindruck habe, wenn ich JETZT mal einen Ausrutscher habe, sagen wir einen Mohnstreifen esse, schlägt das sofort bei mir an.
Warum schwätze ich derartig über dieses Thema; weil es mir gerade nicht gut geht mit meiner Enthaltsamkeit. Ich habe Brast, Frust, Schmacht. Sagt man das so? Ich glaube, mein Vokabular leidet unter der Unterzuckerung ... Um mich vom Hungergefühl abzulenken, hilft bei mir nur Schlafen-Gehen. Aber ich will das heute nicht so früh ... Wobei es inzwischen schon elf ist. Das ist ja nicht früh. Das kann man schon mal machen, auch an einem Samstag.
Mein Gott, ich schreibe wirklich unerhebliches Zeug und komische Wertungen. Wenn mein Magen knurrt. Im übertragenen Sinn natürlich nur.

Einer der interessantesten Sätze zu Beginn der Erzählung The Dead von Joyce: Das Zimmermädchen/Die Dienstmagd lief sich BUCHSTÄBLICH die Füße ab. Das ist ja Quatsch. Das ist wohl bewusst falsch gesetzt, denn Lily läuft sich ja höchstens im übertragenen Sinn ihre Füße ab. Wieso schreibt James Joyce es dann so? Weil er an dieser Stelle die Perspektive des Hausmädchens durchscheinen lässt. Lily selber würde es vielleicht so formulieren, im Sinne von Ich habe mir echt die Haxen abgelaufen! Die Sprachhaltung schlägt sich ein wenig auf die Seite der Figur, die gerade beschrieben wird. Das ist eine typische Eigenschaft von Joyce, die er im Ulysses auf die Spitze trieb. Dort kam mir zu übertrieben, manieristisch vor, wobei es auch sein kann, dass dieser Roman meine kognitiven Fähigkeiten überfordert. Aber in den Erzählungen des Dubliner-Bandes erzeugt dieses Vorgehen Wärme, Aufgeräumtheit, wohlige Nähe. Überhaupt gefällt mir Die Toten außerordentlich, doch das führt hier garantiert zu weit. Meine Gedanken zu Joyce sind zu banal und dürften alle hier Mitlesenden langweilen. Dieser Autor hatte einen Bildungsgrad, eine Intelligenz, eine Beflissenheit im Umgang mit Sprache - Wahnsinn, das ist drei Stufen über meinem Level. Mich überfordert ja eigentlich schon Peter Handke. Handke ist aber weniger ein Intellektueller, wenn auch manchmal ein Bewohner des Elfenbeinturms der verinnerlichten Dichtung. Für mich hat Handke die angenehme Eigenschaft, stets von seinem Empfinden, seiner eigenen Berührtheit auszugehen. Er verschweigt niemals seinen Horizont, seinen Reflexionsstand, und erhebt sein Denken weder zur Götze noch zum Geheimnis. Und seine Neugier mag ich sowieso. Es reizt ihn, über so etwas Beiläufiges wie das Pilzesuchen ernsthaft zu schreiben. Oder darüber, wie eine Linkshändige Frau wohnt. Was einen Moment zur Stunde der wahren Empfindung macht. Ein Jahr in der Nothaltebucht. Versuch über den geglückten Tag. Der Hausierer. Publikumsbeschimpfung. Die Hornissen. Ich war schon immer bereits durch seine Buchtitel von Handke angesprochen. Und er besitzt diese überragende Bildkraft. Spricht von Baumschattenwänden. Erkennt das Wesentliche einer Stimmung, einer Atmosphäre, einer Wahrnehmung. Bei der Kolonne der vorbeibretternden (das ist jetzt von mir, Handke würde das Wort wohl eher niemals verwenden) LKWs auf der Hauptstraße in Soria (Spanien) fällt ihm auf, dass die LKW wie aneinandergekoppelt zu fahren scheinen. Ein leerer Platz in der Innenstadt um die Mitternachtsstunde wirkt auf ihn, als wäre er für alle Zeiten ausgestorben. Eine Losverkäuferin stellt er sich in ihrer Mittagspause mit einem Glas SCHWARZ-roten Weins auf dem Tisch vor. Die Pappeln unten am Fluss heißen tönend, weil in ihnen im Pulk hockende zwitschernde Vögel sitzen. Im Bus, der über die spanische Pampa fährt, sind nicht viele Leute, aber diese spärliche/lose Ansammlung von Menschen kommt ihm wie die vermutlich größte in dem weiten Ödland vor, das sie durchqueren. Es ist, als ob dieser Autor Empfindungen zur Sprache bringt, die ich selber kenne oder die mir jedenfalls nah gehen. Was kann einem so ein Ding wie die Jukebox in den verschiedenen Phasen des Lebens bedeuten? Handke lebt von den Zwischenräumen, dem Peripheren, dem Abseitigen. Ihn interessiert das, was ihn berührt. Und er redet nicht daher. Das fand ich immer stark an ihm. Einige rümpften die Nase, als er den Nobelpreis erhielt. Manch einer hält ihn für weit überschätzt. Ich nicht.

So könne ich über fast jeden Autor eine kleine Lobeshymne anstimmen und Zeilen schinden, über jeden, von dem ich eine Erzählung oder ein Gedicht in meinem Sammelband aufgenommen habe. Ich bin immer noch sehr versessen, das hinzukriegen, und mit zu viel Eifer dabei. Weiß auch nicht, ob ich am Ende eigene Interpretationen oder Kommentare hinzufüge. Ich muss sehr vieles Layout-technisch durchgehen, Formatvorlagen zuweisen und manche Texte auf die neue Rechtschreibung umstellen; so was könnte ich den ganzen Tag lang machen. Ich MACHE so was manchmal den ganzen Tag über.
Und jetzt muss ich die Kurve kriegen und noch halbwegs zeitig ins Bett finden.

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Dr. Reinhard Pichler
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