Über meinen Frust
Trigger
Auch geht damit einher das Gefühl der Scham, wissend, dass ich solche Begegnungen und Handlungen begehre. Wie animalisch mein Verlangen ist, wie selbstverständlich zudem, wie automatisch. Wie vorhersehbar meine Anwandlungen sind. Fast als wäre ich ein Android oder ein niederes Tier. Es macht einen klein, solchen Regungen überlassen zu sein.
Das wäre ja akzeptabel, wäre ich nicht der einzige, der so fühlt. Aber wie sehr mein Sehnen im Kontrast und Konflikt steht mit den desinteressierten Frauen meiner Umgebung - das ist demütigend, keine Frage.
Meine Träume, wenn das Thema denn mal im Traum aufschlägt, sind daher auch immer ähnlich: Irgendwie gelingt es, der Frau in diesen Phantasien so nahe zu kommen, dass wir eine Ebene zusammen bilden. Dass ich ihr so recht bin, wie sie mir, einfach schon aufgrund der unabweislichen Nähe; sobald man erst mal in ihren Orbit sich hat annähern können, ist der Rest Überzeugungsarbeit relativ leicht. Dann passt plötzlich alles, sogar ich. Falls jemand versteht, was ich damit meine.
Beschämend, wie gerne ich mich dem Gefühl überlasse. Und wohin ich bei Frauen schaue, wie ich sie ansehe, mit welcher Beifärbung von Eskapismus, Kopfkino und unangemessener Abwägung, was gehen könnte, was sein könnte, was im Konjunktiv möglich wäre. Wie ich die Frauen sofort durchchecke, physisch und von ihrer Ausstrahlung her durchprüfe, in Sekundenbruchteilen, als wären sie Neuware für meine Sucht.
Natürlich habe ich auch andere Regungen, andere Empfindungen, es geht immer auch um Sympathie, Empathie, geistige Verbindung. Aber dass ich Frauen nicht als Objekt meiner Begierde sehe und ihre Eigenschaften in dieser Hinsicht nicht abprüfe, kommt so gut wie nie vor. Ein neutrales Gefühl gegenüber Frauen ist mir unmöglich.
Dieses ständige Hoffen, der/die andere möge doch ähnlich fühlen, wie leicht und verführerisch in dem Fall alles wäre! Wie ohnmächtig meine Gefühlsebene dazu ist; wie gering meine Barriere, meine Würde, meine Selbstachtung. Es gibt Stunden am Tag, wo ich nichts anderes will, als dass sich jemand = eine Frau auf mich legt und einfach mal alles gut ist ... Ich habe mir einen Bären gekauft, vorrangig als Ersatz für diese Sache, für das jemand liegt auf mir. Ich möchte mich restlos fallen lassen können. Ich halte mich für zu weich, zu anfällig, zu sehr Blatt im Wind, statt fest im Leben stehend. Das ist das am meisten Blamable meiner Lage.
Nicht unbedingt das Verlangen an sich, das allerdings schmutzig genug ist. Sondern dass ich nicht das Selbstbewusstsein habe, diesen Aspekt des Lebens an und in mir zu bejahen, ihn als akzeptabel und normal anzusehen, männlich damit umzugehen, souverän zu sein; während ich mit mir selbst hadere, habe ich bei anderen Männern, die Por no gr. oder ihre hungrigen Blicke beschäftigen, sofort ein Gefühl des Verständnisses und empfinde oft sogar der Solidarität.
Ich sah mal im Zug einen etwas dicken, kleinen Typen nicht weit von mir sitzen - guter Haarschnitt, doch ansonsten eher nicht sehr attraktiv-, der halb offen, halb verschämt in seinem Handy offensichtlich Tinder-Schönheiten durchswipte, eine rassiger, attraktiver oder jedenfalls sinnlicher als die andere, und wie ich eine Mischung aus Faszination und Beklommenheit bei diesem jungen Mann spürte.
Auf dem hochauflösenden, in satten Farben blinkenden Bildschirm die Frauen alle makellos mit perfekten, bestechenden Profilen; dagegen dann dieser Jüngling, der sich in seinen albernen Bahnwaggon-Sitz drückt und nicht weiß, ob er seufzen, weinen oder lächeln soll. Ich konnte mich gut in ihn hineinversetzen. Nur zu gut. Alle Männer kann ich sofort und ansatzlos verstehen. Während mir Frauen und ihre L ust oder Unl ust ewig ein Rätsel bleiben werden.
Über das Wesen des RadfahrensAn E-Bikes kann man natürlich auch Gutes finden, denn sie mobilisieren ja gerade auch ältere Menschen, sich erstmals ernsthaft aufs Rad zu schwingen oder den vielleicht verlorenen Bezug dazu zu erneuern, zu intensivieren. E-Bikes ermöglichen es Pendlern, 20-30 km-Strecken zu bewältigen statt ohne den Zusatzantrieb vielleicht schon ab 10 km abzuwinken und aufs Auto umzusteigen. Von daher kann es doch keine schlechte Sache sein!
Man sehe es mir nach, dass ich hier eine mehr oder minder scharfe Rede gegen diese Gefährte schreibe.
Das Radfahren an sich entsteht aus der Eigenbewegung. Es hat viel zu tun mit Selbstwirksamkeit; ich komme aus eigener Kraftanstrengung heraus doppelt und dreifach so weit wie zu Fuß.
Und nur mit der eigenen Kraft und Weitsicht ausgestattet, bricht der Radfahrer zu einer Tour auf. Er nähert sich der Natur an, der äußeren wie der inneren. Er erlebt die Umgebung hautnah und sich und seinen Körper in Harmonie mit seinem Vehikel; seinem Velociped, wie viele auch sagen.
Mag sein, dass ich es zu dogmatisch und zu romantisch betrachte, doch mit diesem Aufbruch geht einher, sich von der Zivilisation, ihren Zwängen, Hilfsmitteln, Komfortzonen und Verkopftheiten abzuwenden. Sich einen eigenen, neuen Weg zu bahnen, der wenig gemein hat mit der perfekten und glatten Infrastruktur und Beschilderung der Autostraßen. Ein Weg, der sich im besten Fall ja abseits des Massenbetriebs und normierten Trassen entwickelt; wenn es eine schöne Route ist ...
Der Weg des Radfahrers führt nicht nur buchstäblich über Stock und Stein manchmal, über improvisierte Ausweichstrecken und fragwürdiges Pflaster, gefährliche Bordsteinkanten und vermüllte Minenfelder, er ist ein Antipode zu der üblichen Rundum-Versorgung, die uns die zivilisierte, Klimaanlagen-betreute Büroexistenz bietet bzw. einredet.
All das Künstliche, das Aufgesetzte und Überkomplizierte des Alltags fällt von einem ab, wenn man sich auf die Radtour begibt und darauf einlässt.
Into the great wide open, hätte ich beinahe geschrieben.
Der Radfahrer fährt (archetypisch oder archetypisiert) ins Unbekannte, Unerforschte. Jedenfalls ist das der Mythos dieses Fortbewegungsmittels. Man tut ein bisschen so, als wäre die Welt ein weißer Fleck, den es zu erobern und erkunden gilt; mit der Fahrrad-typischen Nähe zur Blume am Straßenrand, für die man manchmal stehen bleibt; zu Tierbegegnungen im unverhofften Moment und zu Macchia-Gerüchen im Sommer, zu Hagel- und Graupelschauern und dem Glück, einen Unterstand unter einem freundlichen, dichtwachsenden Baum zu finden. (Es gibt wohl keinen Radfahrer, der nicht das bergende, beglückende Gefühl von erstaunlich regendichten Baumblätterdächern kennt.)
Und selbst wenn man nicht die herrlichste Rundstrecke um einen noch unentdeckten schwedischen oder kanadischen See findet; irgendetwas Spannendes, Neues, Unerwartetes passiert auf jeder Tour. Du verdankst das nicht irgendwelchen Hilfsmitteln oder einer angeheuerten Reiseleitung, sondern dir selbst. Das ist ganz allein dein Ding. Herrlich!
Man entdeckt ein wenig die Natur, das Vorbeiströmen von Landschaften und deren Flüssen bis hin zum kleinsten Rinnsal am Wegesrand; von kleinräumigen und weiten Horizonten; man ist beschäftigt mit dem eigenen Körper, man entwirft eine neue, noch ungeschriebene Landkarte der Welt; gerade für ermattete, gestresste Gemüter ein erholsames und immer wieder erfrischendes Erlebnis.
Wieso nun mag ich das E-Bike-Fahren nicht einbeziehen in diesen positiven Entwurf?
Einfach deswegen, weil die Motorunterstützung die Selbstwirksamkeit des Radfahrens unterminiert. Du spürst den Anstieg am Berg kaum noch; beraubst dich damit eines Teils der ursprünglichen Belohnung, es bis zum Scheitelpunkt der Strecke ganz allein geschafft zu haben und dann die Abfahrt genießen zu dürfen.
Dass die Dinge eben nicht abgefedert und nicht mundgerecht serviert werden, wird durch das E-Bike korrumpiert. (Ich bin beim Radfahren aus demselben Grund gegen zu viel Federung der Lenker, Speichen und Gabeln; ich möchte den Untergrund und die Löchrigkeit, Kernigkeit, Rutschigkeit, Knirschigkeit desselben spüren können!)
Hinwendung zur Natur - kann niemals bedeuten, es sich mit einem Motor leichter zu machen. Das ist nicht das pure Radgefühl. Es ist eine dosierte Ausrede, ein Vorwand, um Strecke zu machen, statt den Weg zu genießen. Was hält die Leute davon ab, den Motor wegzulassen und statt 40 km eben nur 20 km zu fahren? Die Dinge ohne künstlichen Rückenwind, dafür naturbelassen und in Reinform anzugehen? Abgesehen vom nicht geringen Argument Arbeitsweg ist die Erfindung des E-Bikes in Freizeitbelangen ein eher überflüssiger Hybrid, der die eigentliche Schönheit des Radfahrens zerstört oder zumindest verwässert.
Mal ganz abgesehen davon, dass das E-Biken den Fahrradkörper schwerer und komplizierter macht. Wenn man Pech hat, auch störungsanfälliger. Nicht nur der Motor muss mitgeschleppt werden, auch die Kompenenten sind wegen des höheren Tempos und der höheren Belastung stärker und massiver ausgelegt. Es zerren ja stärkere Kräfte an den Einzelteilen. Du brauchst bessere Bremsen, stabilere Züge, hochwertigere Ketten. Sonst zerhagelt das E-Bike schnell sich selbst.
Damit verbunden: Man braucht (angeblich) auch immer einen Helm, wegen der höheren Durchschnittsgeschwindigkeit. Wie gesagt, bessere Bremsen, mehr Gewicht, mehr Vorsichtsmaßnahmen. E-Biker sind aus Prinzip fast immer perfekt ausgestattet: mit Warnweste oder Warnfarben, sehr gutem Licht, das meist so eingestellt ist, dass es den Gegenverkehr blendet - eine merkwürdige Rücksichtslosigkeit vieler E-Biker -, Funktionskleidung, Rückspiegel, Radtaschen. Das bringt die höhere Geschwindigkeit und der daraus folgende erhöhte Aktionsradius scheinbar unvermeidlich mit sich.
Nun ist einzuwenden, dass Radfahrer vielleicht grundsätzlich gut daran tun, vernünftig ausgerüstet zu sein und einen Helm zu tragen. Letzteres gilt besonders für Rennfahrer und Moutainbiker. Doch eigentlich ist diese Ausrüstung ein Offenbarungseid gegenüber der Priorisierung des Autoverkehrs. Die wenigsten Radfahrer verunfallen ohne Einwirkung von Autos. Es kommt vor, ja, dass man durch ein Loch im Boden oder eine Kante stürzt - hier wirkt eher die Nachrangigkeit, wie schlecht Radwege bei uns angelegt und gepflegt werden -, oder dass man mit einem anderen Radfahrer oder Fußgänger zusammenrauscht. Aber die Hauptgefahr geht fraglos vom Autoverkehr aus und davon, dass Radfahrer selten eine gleichrangige Spur und schönen Asphalt für sich haben, sondern immer wieder ein Randleben an der automobilen Trasse führen; immer wieder ein- und ausgegliedert werden in die bzw. aus der Autospur.
Die E-Biker entwerfen viel weniger als echte Radfahrer ein Gegenbild zur Autowelt. Eigentlich sind sie ohnehin kurz davor, zum Mofa oder Motorrad zu mutieren und damit den Sprung ins Nicht-Authentische, Nicht-Selbstwirksame zu absolvieren. Sie biedern sich mit ihren perfekten Outfits und der Regeltreue, bloß nicht ohne Licht, Helm etc. loszulegen, dem Prioritätsglauben der Autofahrer an; ohne deren Dominanz Warnweste Co ja (nahezu) überflüssig wären.
Sie machen es den Autofahrern sehr recht, das ist das Mindeste, was man sagen kann, und scheinen relativ wenig zu reflektieren, dass sie, wenn sie so weiter durch die Gegend düsen, die Wegbereiter einer Helmpflicht - für Radfahrer, niemals für Autofahrer! - und eines unkaschierten Konformismus sind. Geschwindigkeit und Effektivität bestimmen unsere Handlungen, nicht etwa die körperliche Anstrengung, die Muße, die Selbstreflexion und der Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit.
Mit einem E-Bike holt man sich ein Stückweit jene Komfortzone, jene Abfederung, die die Zivilisation uns permanent aufs Auge drückt, mit der sie uns der Ursprünglichkeit von Gefühlen und Welterfahrung beraubt, in die Radtour hinein - und genau das wollten wir doch eigentlich vermeiden! Bei vielen kommt dann noch das Smartphone hinzu. Aufgespannt wie ein Fe tisch auf die Lenkerhalterung. So dass man ein Drittel der Zeit nicht in die Natur schaut, sondern auf einen Bildschirm, der einem alles erklärt und den Rest an Geheimnis und Selbstvergewisserung, es alleine schaffen zu können, pulverisiert.
Man hört es raus: Ich bin gegen das teilmotorisierte Radfahren. Von mir aus bezeichnet mich als Puristen - ich habe das Radfahren von der Pike auf gelernt, mir schweißgebadet angeeignet, was ich von Touren weiß, durch Ausprobieren und Übermut. Ich war und bin weit entfernt von einem echten Radsportler, aus dem eines Tages ein neuer Jan Ullrich wird. Oder von Fahrern, die schon mehrfach den Globus umrundet haben. Doch was ich auf dem Rad kann, was ich davon weiß und wie ich mir selbst bei einer Panne helfe, ist auf meinem eigenen Mist und etlichen tausend Kilometern gewachsen.
Auch das ist mir am E-Bike unsympathisch; oft setzen sich ältere Herrschaften auf den Sattel, die vorher nie ihre Reichweite, ihre Abenteuerlust, ihre körperlichen Grenzen am normalen Fahrrad erprobt und gebildet haben.
Jeder passionierte Radfahrer hat sich und sein Fahren anhand von vielen Trainingsstunden und mit jugendlicher Neugier erprobt; hat über viele Jahre eine Beziehung zum Fahrrad aufgebaut; hat Landschaften, Länder und Regionen erfahren; und diese Sesselbewohner und Naturentwöhnten überspringen einfach die Übung und die Kultur, die jahrelanges echtes Radfahren nun mal verlangt und bedeutet.
Nochmal: Das ist natürlich besser, als
gar nicht radzufahren. Einem Senior gestehe ich das zu. Dennoch ist das E-Biken auf lange Sicht kontraproduktiv für das Wesen, die eigentliche Bedeutung des Fahrradfahrens. Für den Stellenwert des Fahrrades in der Verkehrslandschaft. Vielleicht konnte mein Text das verdeutlichen. Vielleicht habe ich an manchen Stellen auch überzogen.
Und es ist eine Mischung aus Ernsthaftigkeit und Selbstironie, doch eben geleitet von Liebe und Leidenschaft zu dieser Sportart, dass an meinem Metallregal im Arbeitszimmer ein Magnet hängt mit dem Aufspruch: Echte Männer fahren Fahrrad.