Mist. Gestern spätnachmittags spürte ich seit langem mal wieder einen leichten Aufwind. Fühlte mich relativ frei und entspannt. Hatte sogar einen ungewohnt offenen und nicht diesen nur auf das Hamsterrad täglicher Verrichtungen gestellten Blick auf mein kleines Arbeitsbüro. Ich bin so oft in Anspannung und im Stress, dass mir z. B. einige Papierablagen im Regal mehr oder minder zuwider sind. Dass ich sie schon nicht mehr sehen mag. Dass mir fast jeder Blick im Büro signalisiert: auch das noch! Alles viel zu mühselig und viel zu viel Druck. Und ich erlebe den Raum kaum noch als Raum. Alles nur noch eine schier endlose Folge von Verrichtungen, Pflichtarbeiten, mühseligem Kleinkram und mit meinem Damoklesschwert der Unlust und Müdigkeit klarkommen ...
Abends wenn ich im Bett liege übrigens dasselbe. Ich spüre, fühle und merke den Raum, die Dunkelheit, die Situation kaum noch. Ich weiß nicht, ob man diese Worte verstehen kann, wenn man das Gefühl nicht kennt.
Ich mache mal einen Vergleich, auch wenn der nicht ganz passt:
Man stelle sich einen Campingurlaub im Sommer auf Korsika vor. Wenn man mitten in der weiten Natur ist, schönes Wetter, abends zieht man sich ins Zelt zurück. Normalerweise ist man dann voller Aufmerksamkeit für die ungewohnte Umgebung, für das Sternendach über einem, die Luft, die Wärme, für die Geräusche und Gerüche. Man saugt die Atmosphäre in sich auf und erfährt sie als NEU, beeindruckend und voller Möglichkeiten. Die Welt ist irgendwie offen, ein bisschen wie ein Abenteuer, unvorhersehbar. Die Sinneseindrücke tun gut. All das ist die normale Reaktion auf so ein Camping-Erlebnis. Man ist mit Leib und Geist dabei. Mehr oder minder. Und sieht sich auch selbst als JEMAND. Als Teil dieser Welt. Nicht als Gegenpart oder Außenseiter.
Ich hingegen krieche abends ins Zelt, vermumme mich in meinen Schlafsack, klappe Ohren und Augen zu, und bin froh, wenn ich mich in meine Träume zurückziehen kann. Ob ich in Simbabwe, Paris oder Hildesheim bin, ist mir nicht nur egal, es kommt irgendwie nicht an mich heran. Ich kriege das kaum mit.
Das ist dieses bei mir ziemlich übliche Im-Hamsterrad-Sein. Es schwand gestern für eine Weile. Ich weiß auch, warum. Ich hatte es tatsächlich hinbekommen, ein paar Dinge zu regeln, mich handwerklich betätigt, dann ein wichtiges Gespräch geführt. Das hat mich belebt. Es war mir nicht zu viel gewesen, es war machbar. Das habe ich (gerade im Winter) selten. Ach ja, die Sonne schien auch noch. Hilft ja auch immer ein bisschen. Vielleicht lag es auch daran, dass ich mir noch um kurz vor fünf einen Tee gegönnt hatte, der mich ein wenig aufputschte? Oder mir jedenfalls recht war. Sonst meide ich ab halb vier eigentlich Tee und Kaffee.
Was immer es war, es ist im Moment aufgebraucht. Was hilft mir? Mich öfter fragen, wie ich mich fühle - angespannt im Augenblick. Ich fühle mich etwas zu depressiv, und dieser Nebel in mir wird auch von einem Schuldgefühl begleitet, das mich zusätzlich matt und müde macht. Ich sollte anders fühlen. Ich sollte dies und sollte das. Ich setze mich selbst zu sehr unter Druck.
Nach dem Frühstück würde ich mich am liebsten wieder ins Bett verkriechen. Übrigens völlig egal, wie lange ich schlafe, ich fühle mich morgens immer matt und ein bisschen gerädert. Es liegt nicht am Bett. Wobei ich unser Ehebett besser finde.
Du fühlst dich angespannt? Dann entwickele Methoden, dich zu entspannen. Die eine oder andere weiß ich ja. Ich muss sie allerdings auch anwenden. Bin nur zu angespannt, um das einfach so zu machen. Ich glaube schon gar nicht mehr richtig daran, mich überhaupt entspannen zu können. Alles unheimlich lästig und mühselig! Und das ist der Anfang jeder depressiven Verstimmung.
15.02.2023 10:09 • x 1 #21