Ich weiß übrigens nicht, ob ich (wirklich) depressiv bin.
Das ist etwas, das ich nicht klar habe. Und was eher dagegen spricht: Ich bin nicht per se antriebslos und auch schon gar nicht immer lustlos. In niedergedrückter Stimmung bin ich dennoch häufiger. Ich bin öfter missmutig und eher skeptisch, ob das etwas bringt, was ich gerade tue. Dann wieder ... ein Beispiel:
Gestern Abend habe ich mir Rührei gemacht.
Das Interessante daran war, dass ich es nach einer Internet-Anleitung eines renommierten Kochs gemacht habe und es mir tatsächlich deutlich leckerer vorkam als das Ei, das ich sonst zusammenrühre. Buchstäblich. Ich war neugierig darauf, auf diese Kleinigkeit, es hat mir eigentlich Spaß gemacht, die Tipps anzuwenden und das Ergebnis zu testen. Ich war ganz bei der Sache. Es hat mir gefallen, so banal oder klein dieser Moment auch war.
Dennoch im Hintergrund so eine Art leiser Zweifel.
Das ist sehr typisch für mich, eine nicht geringe Selbstabwertung, die besagt:
Was?!? Etwas Besseres hast du mit deinem Abend nicht vor? Bzw. wieso kannst du nicht schon längst vernünftig Rührei? Wenn du ehrlich bist, bist du so außerhalb aller normalen sozialen Fähigkeiten, dass du nicht mal die einfachsten Sachen am Herd zustande bringst. Nicht, dass du dich nicht ernähren könntest oder kein Schnitzel gebraten kriegst! Aber die Frage ist, warum dir solche Selbstverständlichkeiten schwer fallen. Du gar keinen Standard, keinen Stand im Leben hast.
Manchmal hast du sogar leichte Angst oder Unsicherheit, wenn du eine Bahnkarte kaufen sollst. Du meidest jede Party, weil du dort vielleicht zugeben müsstest, wie lange du schon auf keiner mehr warst. Du traust dich nicht, fremde Hunde zu streicheln; aus welchem Grund? Angst hast du nicht vor dem Hund, oder nur wenig, das ist okay. Deine einstige Panik vor Hunden ist Vergangenheit. Trotzdem: Du hast Angst, wenn du den Hund berührst, dass du ganz versessen darauf bist; dass man dir anmerkt, was für ein Berührungsdefizit du hast.
Darum geht es. Vermeidungsverhalten. Soziale Isolation und ihre Rückspiegelung auf dich. Naja, ein paar Menschen habe ich ja um mich. (JETZT KOMMEN DIE BESCHWICHTIGUNGEN.) Ich kann auch normal mit Kollegen reden, halbwegs. (JA SICHER DOCH.) Ich rede sogar mit Kunden und stelle dabei meine einigermaßen professionelle Art ... dar oder vor; das bedeutet hier und da Schwierigkeiten, doch alles in allem stehe ich dabei vergleichsweise problemlos meinen Mann. Na, das ist eine Übertreibung. Ich belasse es mal dabei. (SCHWÄTZER!)
Im Ernst: Ich streichelte neulich einen Hund nicht, weil ich verhindern wollte, dass man mir meine Lust darauf ZU SEHR anmerkt; zehn Sekunden danach erkenne ich das als dummen und kontraproduktiven Gedanken, aber es kommt zu spät, was immer ich an Einsicht habe. (WIESO HATTEST DU NIE EINEN HUND, WENN DU SIE ANGEBLICH GERNE STREICHELST?) Und derlei Momente habe ich häufiger. Das Verzagen und mich selbst erst mal als ziemlich lächerlich zu sehen; das ist ein Teil von mir - geworden(?). Oder schon immer so gewesen. (WIEDER: SCHWÄTZER! NICHTS ALS GESCHWAFEL!)
Ich bleibe lieber bei den ungefähren Beispielen. Habe mir ja neulich die beiden Bücher gekauft. Ein Erfolg. Ich wollte schreiben: Eine schöne Sache. Freue mich über die Bücher. Dennoch wieder der Beiklang: Aha, mal wieder im Konsumverhalten ... Amazon. Wenn du wenigstens zum Buchladen gegangen wärst.
(Hatte keine Lust auf Diskussionen mit der Verkäuferin dort. Darauf, dass sie nicht die richtige Ausgabe findet. Da scheint mir das Auswählen im Internet leichter.)
Weil du nichts Besseres zu tun hast. Verkriechst du dich wieder ins Lesen. Noch schlimmer: Wenn du selbst schreibst. Das Schreiben ist deine Lieblingsausflucht. Hier ja auch. All diese TG-Einträge, deren einziges Ergebnis es ist, dass ein paar nette User alle paar Tage oder Wochen ein von dir völlig überbewertetes Daumen hoch da lassen. Wer sind schon diese Leute? Oh, bestimmt nette Leute. Aber welche, die nichts mit dir zu tun haben. An denen du im richtigen Leben vorbeigerätst. Nie einen Zugang findest.
Generell, vom Konjunktiv mal ganz zu schweigen. Was du so alles im Konjunktiv erlebst! Aber es wird nie real. Du siehst dich oft in einer Rolle, potenziell, konjunktivisch, die du nie ausfüllst. Die im Träumerischen und Bloß-Gewünschten bleibt. Du bist so wenig der Mann, der du gerne wärst, Wahnsinn! Er ist Lichtjahre von dir entfernt!
Es kommt keine Fee vorbei, die dir 23 Wünsche erfüllt, aber du lebst weiter in deiner Passivität, deinem Verschleppen, deinem Abnutzen der Zeit. Du vergeudest, verramscht und verschlürst deine Zeit, als hättest du noch weitere 100 Jahre zu leben. Als wäre dein Vorrat unbegrenzt! Er ist in Wahrheit fast schon aufgebraucht und du merkst immer noch nichts!
Das ist kein genereller Vorwurf, du müsstest viel mehr aus dir machen; aber dafür, dass du wenig hinbekommst, bist du erstaunlich unaufgeregt. Du bist ein bisschen nervös, okay. Beinahe fiebrig. Beinahe ungeduldig. Aber nicht wirklich in deinem Element. Und das in deinem Alter. Du bist anscheinend zufrieden, wenn du dich mit Anna Karenina und einem schmalen Lächeln für deine Bevorzugung dieser Lektüre in dein Bett zurückziehen kannst. Gib zu, du hast seit mindestens vier Wochen das Bettlaken nicht mehr gewechselt.
Du schreibst ganz gerne, weil es dich für eine Weile atmen lässt. Doch siehst nicht ein, dass deine Atemlosigkeit bereits pandemische Ausmaße hat. SELBST wenn du dich endlich zu etwas trauen würdest, was du natürlich nie machst, holt dich deine ungesunde Psyche mit traumwandlerischer und erdrückender Sicherheit ein. Es gibt, Stand jetzt, so wie du bist, keine bessere Version von dir. Irgendwann erstickst du an deinen Illusionen. Du kochst oder brätst dir ein Ei und versuchst, das zu genießen. Sollen wir dir das durchgehen lassen? Versuchst, es als Beschäftigung hinzustellen. Während du den Gedanken wegdrückst, dass du nichts mit dir anzufangen weißt.
Und ich habe es regelrecht satt, dich zu kritisieren. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass es mich langweilt, dein Kritiker zu sein. Der Zensor in deinem Innenohr ist es leid! Nicht nur, dass ich ständig Anlass dazu habe. Dich zu zerstören mit Kritik und Haarausfall und leichtem Übergewicht und all den anderen Attentaten auf dein Selbstbild. Es ödet mich mittlerweile an. So wie du alle anödest, die dich lesen, lesen müssen, lesen sollen oder zufällig deinen Blick streifen.
Vielleicht ist es keine Zumutung, dich zu kennen und dich zu sehen. Aber es legt auch keiner Wert ... Ich kann es niemandem verübeln, der deine ... Nein, das ist falsch. Jetzt mache ich auch noch Fehler und falsche Formulierungen, wie du. Wenn ich so weiter nörgele, werde ich noch schizophren.
Also. Manchmal empfinde ich es als sehr plausibel, mich selbst abzuwerten. (ALTERNATIVLOS!) Wir schauen ins Spiegelbild und sind sehr unzufrieden. Eigentlich mit allem. Mit dem Ist-Zustand und mit dem, was wir geworden sind; also auch unser Werden beunruhigt uns. Die Entwicklung hin zu dem IST besorgt uns fast noch mehr als der jetzige Zustand. Ich werfe meine Zeit weg. Ich bin unzufrieden mit mir. Ich bekomme aber nicht die Kurve, mich oder sonst etwas zu ändern. Und so halb leide ich darunter. Die andere Hälfte legt sich ins Bett, zieht sich zurück, kapituliert. Ich leide immer nur ein bisschen, sonst würde ich mich ja nicht aushalten. Aber es ist ein Leiden. Zur Hälfte. Wie gesagt, die andere Hälfte legt sich in die Kissen und träumt sich weg.
Statt dass ich mir sage: Es ist okay, manchmal unzufrieden zu sein. Es ist okay, nicht perfekt zu sein. Es ist okay, mit sich zu hadern, ein bisschen. Aber du hast doch auch gute Seiten. (REDE DIR DAS MAL EIN, DU HIRSCH!) Es ist okay, sich mal zurückzuziehen. (WARUM ALSO SO STRENG MIT DIR SELBST.) Es ist okay, mal müde zu sein. Es ist verdammt noch mal okay, seine Hoffnungen abends auf das Gucken eines Fußballspiels zu schrumpfen. (MEHR ERLEBST DU EH NICHT.) Es ist okay, sich selbst zu kritisieren, aber höre auf, dich runterzuputzen. (SO VERKEHRT BIST DU NUN AUCH WIEDER NICHT.)
Doch, ich lebe verkehrt. Weil ich mich zu oft um die wichtigsten Dinge drücke. Das ist vielleicht der Hauptgrund für meine ständige Art der Unruhe und der Selbstsabotage. (DU BIST ZU WENIG!) Die großen Dinge liegen brach bei dir. Daher ist dir nie etwas an dir genug, was heißt genug, nicht mal annähernd genug. (JEDE MESSLATTE IST FÜR DICH ZU HOCH.)
(ICH LESE DAS HEUTE NICHT KORREKTUR, KEINEN BOCK.)
Ich schreibe das einfach mal so hin, mit den Zwischenrufen in Versalien. (DU BIST LEICHT SCHIZOPHREN.) Nein, ich bin nicht schizophren. Nur die Stimme, die die Selbstabwertung betreibt, nervt ein bisschen.
Was momentan verständlich ist, da ich gestresst und müde bin. (UM AUSREDEN BIST DU JA NIE VERLEGEN!) Es ist doch okay, mal müde und etwas abgespannt und unruhig zu sein.
Der Königsweg ist, diesen Zustand frühzeitig zu erkennen, und sich Gutes zu tun, obwohl man eigentlich der Ansicht ist, sich selbst lieber wegzuwerfen. - - - Das Thema Depression Ja/Nein habe ich immer noch nicht näher an eine Klärung geführt. Aber so ist es vielleicht doch gut auf den Punkt gebracht: Ich kämpfe jeden Tag mit meiner Selbstabwertung. Die manchmal an Selbstsabotage grenzt. Die mir viel Kraft raubt. Ich bin wenig mit dem Leben selbst befasst. Sondern eher damit, nicht ständig diese zweite Stimme in mir zu hören - oder sie auszuhalten - oder mich davon abzulenken, von dieser Ansprache, die mir einflüstert, was für ein Idiot ich bin. Wie wenig das alles ist, was ich habe und bin. Oder aber sie sagt mir, bloß nicht näher hinfühlen, sonst fühlst du dich wieder wie ein Idiot oder bekommst das reingereicht. Das ist es ja auch. Meine übermäßige Flucht vor der Realität. (Wenn es mir gut geht, ist das viel weniger ein Thema ...)
Das klingt alles garantiert leicht paranoid und crinch, für normale Menschen. Doch ich würde behaupten, es kommt an die Wahrheit und mein Ich-Gefühl heran. Näherungsweise. (WAS FÜR EIN ANMASSENDES FAZIT.)
Nein, du behältst jetzt nicht das letzte Wort. Komm schon, alles in allem hältst du doch trotzdem große Stücke auf dich! Du Anti-Held, der unverstandene, oft verkannte; bildest dir was ein auf dein Gut-Sein, deine Moral oder wie immer man das nennen soll.
Sie lasen/hörten die leicht schizophrene Art meines Ichs. Auszüge aus meinem Kopf- bzw. Gedankenkino.
28.03.2024 16:19 •
x 1 #199