Mein Nickname, Loneman, ist Programm. Ich bin Mitte 30, ledig, hatte noch nie eine längere Beziehung (dazu später mehr) und habe seit Jahrzehnten mit Minderwertigkeitsgefühlen, Depressionen, sozialen Ängsten und Einsamkeit zu kämpfen. Zwar bin ich weder Dro. noch Alk., aber glücklicher deswegen noch lange nicht.
Mein Tagesablauf ist leicht zu merken: Früh aufstehen, zur Arbeit gehen, meinen 4-stündigen 1-Euro-Job erledigen, nach Hause gehen, etwas rumsurfen, etwas essen, dabei etwas fernsehen, wieder hier und da rastlos surfen und u. a. in Blogs lesen, abends vielleicht mal einen Film oder eine aufgenommene Folge einer Serie anschauen, ins Bett gehen.
Jeden 2. Tag und am Wochenende abends kommuniziere ich mit meinem besten Freund, der 200 km weit entfernt von mir wohnt. Die Gespräche sind aber oft belanglos, im Grunde fehlt mir oft die Lust und Energie dazu. Für mich sind sie zu einer Art Routine geworden, es gibt selten Substanzielles.
Dann ist da noch ein Bekannter, den ich schon seit Wochen nicht mehr gesehen habe. Der wohnt zwar nur ca. 20 km weit weg von mir, aber unsere Beziehung ist oberflächlich, es ist für mich keine tiefere Freundschaft. Was uns am meisten verbindet, sind PC und Internet - das wars aber auch schon. Insofern wäre es mir auch ziemlich egal, ob wir uns überhaupt noch mal sehen.
Es gibt Menschen, die als sog. Asexuelle kein Bedürfnis nach sexueller Interaktion mit einer anderen Person haben. Dann gibt es die, die freiwillig auf Sex verzichten. Und eine dritte Gruppe, deren Verzicht darauf unfreiwillig ist - und worunter Menschen ohne Beziehungserfahrung fallen. So wie ich.
Ich lernte zwar vor gut zehn Jahren über das Internet ein Mädchen aus Nürnberg kennen, aber das war eine bis dato einmalige und kurze Geschichte.
Sie war auf ein Newsgroup-Posting von mir aufmerksam geworden, in dem ich schrieb, dass ich keine Tips mehr brauche, sondern Freundschaft. Zu meiner Überraschung meldete sie sich, und es entwickelte sich, nach einer Pause von etwa einem Monat, im Nachhinein ein intensiver Mail-, aber auch telefonischer Kontakt, der in einem mehrtägigen Besuch der jungen Frau im Sommer bei mir gipfelte. Schon im Vorfeld hatte sie mir einen Fotoabzug von sich geschickt, bisher kannte ich nur ihre Stimme. Und ich war hin und weg: Wow, so eine wunderschöne Frau möchte sich mit MIR treffen.
Und so dachte ich die ganze Zeit nur an sie, ich hatte Schmetterlinge im Bauch - ich war verknallt!
Dann kam der Tag, als sie bei mir eintraf. Eine Freundin brachte sie mit dem Auto, wie ich mit einem Blick aus dem Küchenfenster sah. Vor Aufregung und Angst zitterte ich am ganzen Körper und war weich wie Pudding. Und als sie dann oben bei mir ankam, umarmte sie mich ganz spontan, und ich wusste nicht, wie mir geschah.
Bald küssten wir uns, und es war eine sehr schöne Erfahrung, die ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie mit einer Frau machte. Ich wollte schnell mehr und mit ihr schlafen, traute mich dann, ihr diese Frage zu stellen. Was sie genau daraufhin sagte, weiß ich nicht mehr, aber ich erinnere mich noch daran, wie sie meine Hand nahm, wir in mein Schlafzimmer gingen und uns auszogen. Sie meinte, dass sie in der Vergangenheit unschöne Erfahrungen gemacht hat, was wohl bedeuten sollte, dass sie gewisse sexuelle Probleme hatte. Nun, wir haben zusammen geschlafen, aber es war nur ein wahrhaft kurzer Moment, und so machte ich mir trotz ihrer Äußerung meine Gedanken, ob es nun doch nicht an meiner Person liegen würde - auch wenn wir uns in der Zeit noch häufig innig küssten, was man ja eigentlich nur macht, wenn man sich sehr gern mag.
Auch wenn ich in dieser Zeit immer noch Depressionen und Angst hatte, so habe ich mich über den Besuch dieses Mädchens sehr gefreut und vermisste sie danach sehr - so wie sie mich auch (nach eigenem Bekunden).
Diese Begegnung war eine Erfahrung, auf die ich trotz aller seelischen Qualen irgendwie gern zurückblicke. Davor gab es zwar auch noch ein Mädchen, das ich in einer Selbsthilfegruppe kennenlernte, aber mit dem hatte ich eher eine platonische Verbindung. Einmal landeten wir zwar bei mir im Bett, aber zum Äußersten ist es dabei nicht gekommen.
Nach jenem für mich großen Ereignis im Sommer 1999 stand ich noch mit Nina (ich nenne sie jetzt mal so) in Mailkontakt - ab und zu chatteten wir auch (wenn auch nicht mehr so oft wegen der hohen Telefongebühren). Ich hatte vorgehabt, sie öfters in Nürnberg zu besuchen und machte dies auf Drängen von ihr auch schon sehr bald (im September). Doch der mehrtägige Besuch endete nicht so, wie ich es mir erhoffte...: Die ersten Tage waren schön, doch dann zog ich mich immer mehr von ihr zurück, und auch sie distanzierte sich von mir. Unser Verhältnis war sehr frostig geworden, und ich weiß immer noch nicht, wie es dazu gekommen ist. Sehr wahrscheinlich, davon bin ich mittlerweile überzeugt, konnte ich ihr nicht genügend bieten. Meine Depressionen, meine Ängste waren stets präsent, und ich hatte dauernd Minderwertigkeitsgefühle, wenn ich irgendwo jemanden sah, der besser aussah als ich und mir Konkurrenz machen könnte, zumal ich aufgrund meiner Problematik keine sozialen Fertigkeiten aufweisen konnte. Das zog mich sehr runter, und es wurde dann wohl unvermeidlich, was sich entwickelte.
Seit meiner Abfahrt hatten wir keinen Kontakt mehr zueinander. Statt dessen schrieb Nina meinem besten Freund, der mich davor besuchte und den ich auch im Netz kennengelernt habe. Da ich ihm von Nürnberg aus schrieb, war seine Adresse noch im Mail-Programm von Nina gespeichert - und sie schrieb ihm nach dem Fiasko, da sie weiß, dass Michael (ich nenne ihn jetzt mal so) ein sehr guter Freund von mir war und sie wohl keinen Mut hatte, mir selbst zu schreiben - oder aus welchem Grund auch immer... Und Michael leitete anfangs die Briefe, die Nina ihm schrieb, an mich weiter - weil ich wissen wollte, was sie über mich geschrieben hat. Da Michael aber nicht mehr den Prellbock darstellen wollte, hatte er sie darum gebeten, das Thema zwischen ihr und mir nicht mehr weiter auszuführen.
Der eigentliche Auslöser dafür, dass sich Nina mir verstärkt zuwandte, war eigentlich eine für mich sehr schlimme Erfahrung in Form einer Ablehnung. Dazu muss ich etwas weiter ausholen:
Über eine Seite für gleichgeschlechtlich lernte ich einen jungen Mann kennen. Die Hoffnung, diesmal einen Menschen gefunden zu haben, mit dem ich zumindest befreundet sein könnte, erfüllte sich auch hier nicht, so dass ich bei dem dritten Wiedersehen in Tränen ausbrach, nachdem er mir mitteilte, sich auf seinem vorangegangen Trip in einen langjährigen Freund verguckt zu haben und schon nach 20 Minuten gegangen war.
Nachdem ich die ganze Nacht nicht schlafen konnte, nur heulte, meinen Schmerz mit Korn zu betäuben versuchte und nur noch daran dachte, nicht mehr leben zu wollen, fielen mir morgens dann doch die Augen zu. Mein Selbstwertgefühl war im Keller, meine Minderwertigkeitsgefühle dagegen waren ganz oben.
Vor ca. 20 Jahren, weit vor dieser schmerzhaften Erfahrung, hatte ich bei einem Spielfilm über zwei gleichgeschlechtlich (Mein wunderbarer Waschsalon) derartige für mich fremde Gefühle bekommen, dass ich mich ängstigte und in Tränen ausbrach. Tagelang noch konnte ich nicht klar denken, weil ich solche Angst hatte, andersrum zu sein. Dazu kam dann noch, dass ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt meine Mutter im Krankenhaus lag und mein Stiefvater so lieb zu mir war - was selten genug vorkam.
Ich fuhr mit dem Fahrrad zu meiner 7 Jahre älteren Schwester, die zu dem Zeitpunkt schon Christin war, und sprach mit ihr über mein Problem, was mir erst mal gut tat, nachdem ich in meiner Verzweiflung tatsächlich bei der Bravo-Redaktion anrief und mir von einer in dieser Zeitschrift aufgeführten Psychologin bestätigen lassen wollte, dass ich nicht gleichgeschlechtlich sei, diese mir aber nur einen Termin geben wollte.
Eigentlich schämte ich mich erst, ihr von meinen Gefühlen zu erzählen, aber sie meinte, dass ich ihr Bruder bin und immer ihr Bruder bleibe, egal ob ich nun gleichgeschlechtlich wäre. Im Grunde hätte ich ja mit dieser Antwort rechnen können, aber ich war trotzdem unsicher, wie sie sich verhalten würde, da gleichgeschlechtlich ja laut der Bibel eine Sünde ist.
Doch nach einiger Zeit war es mir egal, ob ich nun gleichgeschlechtlich wäre oder nicht. Das einzige, was ich mir wünschte, war, von einem Menschen aufrichtig geliebt zu werden. Und dass ich bisher noch keine längere Beziehung mit einer Frau hatte (mit einem Mann im übrigen auch nicht), heißt ja nicht, dass mich Frauen nicht interessieren würden. Ich weiß seit der Sache mit Nina, dass ich auch Frauen lieben kann, auch wenn mich Männer von ihrem Körperbau und Aussehen sehr anziehen, was meine Minderwertigkeitskomplexe wiederum verstärkt, weil ich allenfalls durchschnittlich aussehe und somit auch vom optischen Gesichtspunkt her weniger Chancen habe als andere. Der ein oder andere wird jetzt den Spruch mit den inneren Werten bringen, aber mal ehrlich: Ich finde diese Phrase Die inneren Werte sind wichtiger ziemlich bescheuert und empfinde sie als nichts weiter als eine Beruhigungs-Tablette. Denn was theoretisch vielleicht Bestand hat, ist praktisch doch völlig anders: Schließlich ist es die Optik, die man zuerst an einem Menschen wahrnimmt und die bestimmt, ob man jemandem sympathisch ist oder nicht. Und wenn die nicht so doll ist, kann man immer noch seine Stimme anziehend finden. Und wirkt die wenigstens etwas anziehend, kann man noch mit Charme und Humor punkten. Was aber, wenn nicht mal das geht, weil man ein psychischer Krüppel ist, der übersät ist mit Selbstzweifeln, Minderwertigkeitskomplexen, Ängsten und daher nur depressiv sein kann?
Als ich letztes Jahr bei einem Gesprächs- und Verhaltenstherapeuten war, der mir quasi von der ARGE aufgezwungen wurde (nicht speziell dieser, sondern ein Psychologe generell), um mich für das Arbeitsleben fit zu machen, meinte dieser, ich würde meine Situation gar nicht ändern wollen. So ein Quatschkopf, kann ich da nur sagen. Wenn ich meinen Zustand so belassen wollte, wie er ist, hätte ich keinerlei Anstrengungen unternommen, daran etwas zu ändern: Ob das nun vor vielen Jahren war, als ich einer Selbsthilfegruppe beitrat, um dort mit Betroffenen in Kontakt zu treten, selbst eine Selbsthilfegruppe initiierte, bei der ich mir schnell als fünftes Rad am Wagen vorkam oder bis vor kurzem Anzeigen aufgab, um mit anderen etwas zu unternehmen oder zumindest in Mailkontakt zu treten: Erfolg hatte ich nie wirklich. Es ist so, als ob es mein Schicksal wäre, für immer einsam zu bleiben und jene Leere zu ertragen, die mich stets begleitet, ohne dass ich daran irgendwas ändern könnte. Schon seit Jahrzehnten habe ich kein Erfolgserlebnis gehabt, keine Bestätigung meiner selbst. Ich weiß, dass es mitunter an meiner nicht vorhandenen Ausstrahlung liegt und dass ich nichts von mir gebe, aber wie soll ich das machen? Wenn ich etwas sage, dann kann ich von nichts anderem erzählen als von meinen Problemen, meiner Einsamkeit, meinen Depressionen, meinen Ängsten, meinen Komplexen. Aber wer bitte will sich das als Fremder schon anhören? Das Problem ist auch, dass ich zu hohe Anforderungen an mich selbst stelle, obwohl ich weiß, dass ich es nicht allen Menschen recht machen kann und da draußen so viele rumlaufen, die von morgens bis abends nur schei. erzählen und damit auch noch erfolgreich sind. Warum habe ich im Vergleich zu denen einen so großen Erwartungsdruck mir gegenüber? Die Antwort kann ich mir selbst geben: Konfliktangst. Das ist eigentlich eines meiner größten Probleme.
Danke für die, die sich meine Geschichte durchgelesen haben. Ich hätte noch viel mehr zu schreiben, weiß aber gar nicht, ob das jemanden interessiert. Deshalb mache ich hier mal einen Punkt.
26.07.2009 18:28 • • 09.09.2009 #1