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Hallo,

ich habe mich vorhin mal ein wenig durchs Internet geklickt, auf der Suche nach einem Ort, wo ich über mein Problem sprechen könnte. Ich bin mir nicht sicher, ob ich hier richtig bin, aber ich möchte einmal versuchen, meine Geschichte zu erzählen... vielleicht möchte sie ja jemand lesen und hat eine Idee dazu... ich würde mich jedenfalls sehr darüber freuen!

Ich bin vor kurzem 21 geworden und denke, dass ich für mein Alter sehr wenig Erfahrung im Umgang mit Menschen habe, beziehungsweise von Situationen, in denen Sozialverhalten gefordert ist, schnell überfordert bin. Das ist eigentlich schon mein ganzes Leben lang so gewesen, da war immer Angst, Unsicherheit oder einfach Unwissenheit, die mir den Zugang zu anderen Menschen erschwert hat.
Die vermutlichen Gründe hierfür möchte ich an dieser Stelle nicht weiter erläutern, denn dann müsste ich sehr weit ausholen und so viel Text möchte ich wirklich niemandem zumuten.
Jedenfalls habe ich insbesondere in meiner Jugendzeit sehr mit sozialen Ängsten und einer extremen Unsicherheit kämpfen müssen und darunter sehr gelitten. Irgendwann habe ich dann angefangen, aktiv gegen diese Unsicherheit vorzugehen und meine Ängste in den Griff zu bekommen.
Ich habe mir selbst kleine Aufgaben gestellt, mich Schritt für Schritt vorgearbeitet und mich so meinen Ängsten gestellt. Das waren anfangs so kleine Dinge wie ein Hallo und ein Lächeln, wenn ich einer Mitschülerin begegnete oder mich dazuzustellen wenn meine Mitschüler morgens in Grüppchen auf dem Schulhof standen. Es war ein riesengroßes Erfolgserlebnis für mich, als ich das erste Mal telephonisch einen Arzttermin vereinbart habe. Noch heute telephoniere ich sehr ungerne und tue es nur wenn es sich gar nicht vermeiden lässt, aber ich kann es tun, ohne davor und danach beinahe einen Nervenzusammenbruch zu bekommen.
Und jetzt bin ich wie gesagt 21 und weiß immer noch nicht so ganz, wie man eigentlich mit Menschen umgeht. Oft finde ich den Kontakt zu anderen Personen auch anstrengend - selbst wenn ich sie sehr gern habe. Wenn man mir eine E-Mail schreibt, muss man meist damit rechnen, erst Wochen später eine Antwort zu erhalten. Telephonieren tue ich - auch mit Freunden - nur ungerne und ich muss zugeben, dass ich mein Telephon oft absichtlich lautlos stelle oder Anrufe und Nachrichten konsequent ignoriere, weil mir der Kontakt gerade zu anstrengend ist. Und dann wieder sehne ich mich nach mehr Kontakt und habe das Gefühl, mein Leben nicht richtig zu leben.
Wenn es Angst wäre, die mich zu solchen Verhaltensweisen führt, wäre das etwas, womit ich arbeiten könnte, was ich in den Griff bekommen könnte. Aber es ist (in den meisten Fällen) keine Angst mehr, sondern wirklich die Tatsache, dass ich es einfach als anstrengend empfinde, mit anderen Menschen zu interagieren. Ich verbringe so viel Zeit mit Bücher und dem Schauen meiner Lieblingsserien und mit Geschichten und Szenarien über meine Lieblingscharaktere, ich lese Gedichte und sammle Zitate, höre Musik und schaue Videos und verliere mich in meinen Tagträumen. Aber wenn ich dann darüber nachdenke, was ich denn außerhalb dieser Phantastereien tue, dann fällt mir auf, wie wenig das im Grunde ist.
Eigentlich möchte ich Freunde haben, mit denen ich meine Zeit verbringe, ich möchte mich verlieben und eine Beziehung führen und irgendwann eine eigene Familie gründen.
Aber ich weiß nicht, wie all das funktioniert. Es ist normal, in meinem Alter am Wochenende rauszugehen, auf Parties zu gehen, neue Bekanntschaften zu schließen. Aber an soetwas habe ich einfach kein Interesse. Parties und Lärm und Alk. und Menschenmassen interessieren mich nicht, ich verbringe meine Abende viel lieber mit meinen Büchern und DVDs. Natürlich gibt es auch andere Möglichkeiten, um mit Menschen in Kontakt zu kommen als auf Parties, aber ich weiß auch einfach nicht, wie das funktioniert. Und wenn ich einmal Kontakt zu anderen aufgebaut habe, fällt es mir unwahrscheinlich schwer, diesen auch über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten. Mit mir befreundet zu sein, ist schwer. Man muss unwahrscheinlich viel Geduld und Verständnis aufbringen - und dass das nicht jeder kann oder möchte, will ich wirklich niemandem zum Vowurf machen. Ich stecke immer in diesem Zwiespalt zwischen dem Wunsch nach Kontakt und dem Wunsch, alleine mit meinen Träumereien zu sein. Ich weiß einfach nicht, wie ich da jemals einen Mittelweg finden soll.
Auch habe ich Sorge, dass ich mit 21 vielleicht auch langsam etwas zu alt für solche Träumereien bin. Lesen ist natürlich ein wunderbares Hobby und es ist auch schön, sich für eine Serie oder einen Film sehr begeistern zu können - aber sollte ich nicht auch an anderen Dingen Interesse haben als an fiktionalen Charakteren? Sollte ich mich nicht viel eher mit den wirklichen Personen in meinem eigenen Leben auseinandersetzen?

Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn jemand vielleicht eine Idee hat oder etwas dazu sagen möchte.... und vielen Dank fürs Lesen meines hoffentlich nicht allzu verworrenen Geschreibsels!

Viele liebe Grüße,
Leelie

30.06.2012 23:51 • 17.07.2012 #1


Hallo Leelie,
erstmal: Du hast eine nette Art zu Schreiben - sehr anschaulich, man kann dabei mitgehen, mitfühlen, sich reinversetzen in Deine Problematik.
Welche Schule besuchst Du, was ist Dein Berufswunsch?
Ich könnte mir vorstellen, dass das mit den sozialen Kontakten sich ändert, Du mehr Gelegenheiten haben wirst, sobald Du eine Ausbildung beginnst, einen festen Arbeitsplatz hast.
Schule ist ein Ort, den man sich normalerweise nicht ausgesucht hat und auch nicht die Personen dort.
Bei Ausbildung, Studium und Arbeitsplatz hat man normalerweise ja mehr Eigenverantwortung, mehr Möglichkeiten die Richtung selbst zu bestimmen...
Und wenn Du kein ganz großes Trampel bist, wirst Du da bald Kontakte haben. Und so wie Du schreibst, scheinst Du kein Trampel, zumindest kein großes zu sein... Man lernt sich kennen, man muss nicht immer die gleichen Ansichten haben.
Man muss auch keine Partynudel werden.
Das mit dem Hallo und Lächeln ist eine gute Sache.
Manche Leute kriegen das noch nicht mal hin - das sind Trampel...
So das wars erst mal...nicht so ergiebig und hat wahrscheinlich keinen großen Aha- oder Achso-Effekt gehabt, aber im Moment fällt mir nicht mehr ein...
Alles Gute!
j

A


"Leben" . wie geht das?

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Hallo Leelie,

ich schließe mich Joachims Aussagen und Fragen an.

Zusatzfrage: Hast du schon mal deinen IQ testen lassen?

Liebe Grüße
GastB

Einen schönen guten Morgen (bzw. Mittag) euch beiden und ganz lieben Dank für eure Antworten!

Ich habe ein Gymnasium besucht und im letzten Jahr mein Abitur gemacht. Leider mit einer leichten Verzögerung, da ich aufgrund meiner Unsicherheit und Kommunikationschwierigkeiten katastrophale mündliche Noten kassiert habe und somit die elfte Klasse erst im zweiten Anlauf bestanden habe.
Es war immer mein Traum, zu studieren, dennoch habe ich beschlossen nach dem Abitur erst für einige Zeit ins Ausland zu gehen. Wegen finanzieller Probleme war mir dies nie möglich gewesen und ich sehnte mich immer danach, endlich einmal dieser Kleinstadtenge zu entfliehen und etwas von der Welt zu sehen. So bin ich dann vor neun Monaten nach England gegangen, wo ich seitdem als Au Pair arbeite. Ich verbringe gerade meine letzten Tage hier, in zwei Wochen geht es zurück nach Deutschland.
Meine Bewerbungen um einen Studienplatz sind bereits geschrieben und abgeschickt, jetzt warte ich auf die Zulassung. Mein Wunschstudiengang ist Literaturwissenschaft, diese werde ich vermutlich im Zwei-Fach-Bachelor mit Philosophie studieren. Dieses Studium werde ich hoffentlich in drei Jahren erfolgreich mit einem Bachelor abschließen; im Anschluss daran werde ich wohl entweder noch ein Masterstudium anhängen oder aber ein Bibliothekarsreferendariat beginnen. Soweit möchte ich aber eigentlich noch nicht denken, da ich das Studium ja noch nicht einmal begonnen habe und wirklich nicht weiß, was ich damit denn später genau anfangen möchte. In einer Bibliothek zu arbeiten, wäre natürlich ein Traum... aber die Chancen auf einen Arbeitsplatz stufe ich als eher gering ein. In den drei Jahren des Bachelorstudiums wird mir aber sicher einfallen, was ich machen möchte.

Nein, einen IQ-Test habe ich nicht machen lassen. Welchen Sinn würde das denn haben?

Hi Leelie,


wenn du eifrig an deinem Traum arbeitest wird sich bestimmt eine Möglichkeit für dich auftun. Vielleicht findest du Gleichgesinnte in dieser Branche, die auch nicht immer nur auf Parties gehen wollen und sich eher über Bücher und deren Inhalte austauschen wollen. Bleib dir einfach selbst treu und schau, wo du selbst dein Glück finden kannst.

Ich war so ähnlich wie du und von einem Tag auf den nächsten hatte ich einen Freund, der mich jetzt schon ein Jahrzehnt begleitet und der mir einen reichen Freundeskreis bietet. Ich habe mir auch einen kleinen eigenen Freundeskreis aufgebaut. Und damit bin ich zufrieden. Und selbst wenn ich meinen Freund nicht gefunden hätte, glaube ich nicht, dass ich auf Dauer ohne Freunde dagestanden hätte. Bei mir wären die Treffen und auch mein Leben etwas häuslicher als jetzt. Und das fände ich auch okay.

Was ich sagen will: Es kommt wie es kommt und jeder der will findet seinen Raum um glücklich zu sein. Es muss ja nicht immer so abgehen, wie es sich die anderen vorstellen...

Zitat von Leelie:
Nein, einen IQ-Test habe ich nicht machen lassen. Welchen Sinn würde das denn haben?

http://www.psychologisches-buero-koeln. ... iew/40/78/
http://www.kersti.de/O0006.HTM
http://www.tu-cottbus.de/projekte/filea ... h_Webb.pdf

http://www.psychologisches-buero-koeln. ... iew/40/78/ :
Zitat:
nicht alle hochbegabten Menschen wachsen mit dem Wissen um ihre Hochbegabung auf, und nicht alle „erkannten“ Hochbegabten erfahren angemessene Unterstützung und Förderung.

Hi Leelie,

mir geht es ähnlich wie dir, ich hatte die meiste Zeit meines Lebens auch immer sehr zu kämpfen mit diesem Komplex von Introversion, sozialen Bedürfnissen und sozialer Phobie.

Das schwierigste dabei ist, zu unterscheiden welche Anteile zu der Persönlichkeit gehören, welche unerwünscht sind und wo genau die Angst hintersteckt. Ich habe in letzter Zeit durch intensiveren Kontakt mit anderen Leuten die Erfahrung gemacht, dass man sich durchaus als stiller, zurückhaltender Mensch in sozialen Situation bewegen kann ohne dabei zwangsläufig angespannt oder gestresst zu sein. Daher kann ich dir nur empfehlen, mal zu schauen ob sich hinter der Anspannung Ängste bzw. Befürchtungen verbergen oder tatsächlich nur das Bedürfnis nach Einsamkeit. Angst sucht sich erfahrungsgemäß immer einen Weg und kann sich auch hinter einen solchen Rückzugsbedürfnis verstecken.

Du könntest versuchen dich mal sozialen Situation auszusetzen und dann zu beobachten was genau in dir vorgeht, welche Gedanken auftauchen und versuchen die Ängste von deiner Introversion zu trennen. Ist, finde ich, ein schwerer Prozess aber ich merke schon, dass man sozialkompetenter werden kann ohne sich komplett auf den Kopf zu stellen bzw. das man als Träumer auch in Menschengruppen entspannt weiterträumen darf.

Ich finde es absolut in Ordnung (und auch sehr sympathisch), dass du lieber liest als auf Parties zu gehen und das solltest du dir nicht von Gesellschaftlichen Idealen vermiesen lassen. Deine Hobbies, Interessen und Neigungen lassen sich definitiv mit einem intakten sozialleben verbinden. Du musst dazu halt sehen was dich davon abhält in den Kontakt zu gehen und ganz viel üben. Ist alles nicht leicht, da könnte ich ein Buch von schreiben, aber es geht.

Hoffe, dass dir das irgendwie hilft und wünsche dir alles Gute.

Hallo, hier bin ich nochmal. (:

Ich habe mir die Links zum Thema Hochbegabung einmal angeschaut (aber noch nicht alles gelesen) - das Thema beziehungsweise die Problematik an sich finde ich sehr interessant, aber ich glaube nicht, dass ich auch nur im Entferntesten hochbegabt bin. Zwar gibt es in meinem Bekanntenkreis viele wirklich sehr intelligente und vielseitig begabte Menschen, was vermutlich zu einer Fehleinschätzung meiner eigenen Intelligenz führt, da ich die Fähigkeiten dieser Menschen als Standard ansehe und im Vergleich zu ihnen natürlich absolut durchschnittlich oder sogar unterbegabt erscheine, aber selbst wenn ich verglichen mit der Normalbevölkerung über dem Durchschnitt liegen sollte, bin ich bei Weitem noch hochbegabt. Es gibt einige wenige Bereiche, in denen ich talentierter zu sein scheine als meine Mitmenschen, allerdings führe ich das darauf zurück, dass ich mich für diese Dinge einfach interessiere. Es ist ja natürlich, dass man sich Dinge eher merkt, wenn man sie interessant findet. Im Gegensatz dazu gibt es andere Bereiche, in denen ich im Vergleich zu meinen Mitmenschen große Defizite aufweise, weshalb ich bereits des Öfteren als orientierungslos, schwer von Begriff oder sogar minderbemittelt eingeschätzt wurde.
Was meine emotionale Intelligenz angeht, denke ich jedoch, dass dort der Ursprung meines Problems sein könnte. Ich bin in der Lage, mich recht gut in andere Menschen hineinzuversetzen und versuche stets, mein Gegenüber zu verstehen indem ich versuche herauszufinden, welche Emotionen und Gedankengänge seinem Verhalten zugrundeliegen. Das führt zwar zum einen dazu, dass ich nur sehr selten mit Menschen aneinandergerate, da ich so gut wie jede Handlung irgendwie nachvollziehen kann und deshalb nicht vorschnell über andere urteile, jedoch analysiere ich auch unbewusst permanent mein eigenes Verhalten und das anderer Menschen und sehe die möglichen Konsequenzen und Interpretationen einer Handlung oder einer Aussage vor mir.
Wenn andere mir von ihren Problemen erzählen möchten, muss ich mich oft dazu überwinden, ihnen zuzuhören. Nicht, weil es mich nicht interessieren würde (im Gegenteil!), sondern weil ich von Vornherein Angst habe, nichts Hilfreiches oder auch nur halbwegs Intelligentes entgegnen zu können, und somit vollkommen nutzlos zu sein und den Hilfesuchenden zu enttäuschen. Ebenso ergeht es mir auch in Gesprächen mit Menschen, die ich als viel intelligenter einschätze als mich selnbst. Ich fühle mich ihnen als Gesprächspartner einfach nicht ebenbürtig, weshalb es mir schwerfällt, mich auf sie einzulassen.
Ich komme mich umhin die möglichen Folgen jeder noch so kleinen Handlung permanent zu analysieren. Ein treffendes Beispiel fand gerade erst heute Mittag statt, als wir Besuch von der Mutter meiner Gastmutter bekamen. Während die beiden Frauen sich mit den Kindern beschäftigten, räumte ich die Küche auf, und dabei kam mir der Gedanke, dass ich ihnen ja einen Tee kochen könnte. Dann jedoch fiel mir ein, dass ich ja nicht wusste, ob sie Milch in ihrem Tee möchten und wenn ja, wie viel, und wie lange ich den Tee ziehen lassen sollte. Die Vorstellung, hinüber in den anderen Raum zu gehen, die beiden auf mich aufmerksam machen zu müssen, zu fragen ob sie gerne einen Tee trinken möchten, dann zu fragen, welche Sorte sie möchten, Milch ja oder nein (wieviel Milch tut man überhaupt in den Tee?), wie lange ziehen lassen... dann zurück in die Küche zu gehen, den Tee zuzubereiten, die Tassen ins andere Zimmer zu tragen, einen Platz für die Tassen zu finden (da sie ja zu heiß sind um sie direkt in die Hand zu nehmen), wo die Kleinen sie nicht erreichen können, und dann einen derart schweren Satz wie: Hier ist euer Tee, ich stelle ihn hier drüben hin zu formulieren, laut genug zu sprechen um das Gebrabbel der Kinder zu übertönen und dabei auch noch ein Lächeln zu riskieren.... das erschien mir in dem Moment als unlösbare Aufgabe.
Wenn ich diese Situation dann von außen betrachte, kann ich nur den Kopf darüber schütteln. Schließlich geht es nicht um ein Fünf-Gänge-Menü, sondern um eine Tasse Tee. Selbst wenn ich etwas zu viel Milch in die Tasse gegeben oder den Tee nicht lang genug hätte ziehen lassen, wäre der Tee sicher nicht ungenießbar gewesen - und wenn doch, dann hätten sie sich ja einfach selbst einen kochen können. Es wäre einfach nur um die Geste gegangen, nichts weiter.
Solche Dinge sind der Grund, warum ich oft als eher kühl oder abweisend wahrgenommen werde. Nicht, weil ich egoistisch wäre oder mich meine Mitmenschen nicht interessieren, sondern weil ich damit überfordert bin, meine Gedanken auch in die Tat umzusetzen. Gestern fand ich im Ticketautomaten ein noch gültiges Ticket plus Rückfahrtticket, doch anstatt die Person, die vor mir den Automaten benutzt hatte, zu fragen, ob das Ticket ihr gehört, oder zumindest den, der in der Schlange hinter mir stand, zu fragen, ob er das Ticket gebrauchen könnte, ließ ich es einfach auf der Bank neben dem Automaten liegen.
Wenn ich in der Stadt einen Obdachlosen sehe, frage ich mich so oft, was diesem Menschen wohl passiert ist, dass er nun so lebt. Ich denke, ich könnte im nächsten Café zwei Becher Kaffee holen und mich neben ihn setzen und ihn nach seiner Geschichte fragen. Aber ich tue es nicht, weil ich mich nicht traue.
Und direkt die Straße runter gibt es hier einen Kiosk und der Besitzer ist sehr nett und unterhält sich immer mit mir wenn ich dort etwas kaufe. Er kennt mich schon und wenn ich am Kiosk vorbeigehe und er gerade draußen steht um eine Zig. zu rauchen, spricht er mich immer an. Nicht auf eine unangenehme oder aufdringliche Art, das ganz und gar nicht. Er ist einfach ein sehr freundlicher Herr, viel älter als ich. Jetzt habe ich es mir angewöhnt, die andere Straßenseite zu benutzen wenn ich in die Stadt gehe, um ihm nicht zu begegnen, sollte er draußen stehen. Das ist verrückt, denn eigentlich freue ich mich über seine freundlichen Worte und sein Interesse an mir als Person. Aber Gespräche mit Fremden überfordern mich, weshalb ich es nun vermeide, dorthin zu gehen.
Es ist nicht wirklich Angst, sondern mehr die Tatsache, dass es einfach leichter und weniger nervenaufreibend ist, solchen Situationen aus dem Weg zu gehen. Wenigstens muss ich mich so nicht darum fürchten, welchen Eindruck ich gemacht habe, ob ich etwas Dummes gesagt, unhöflich oder desinteressiert gewirkt habe.
Es ist leichter, aber es macht mich auch einsam, es isoliert mich und sorgt dafür, dass einige - gute - Chraktereigenschaften von mir stets im Verborgenen bleiben.

Das kenne ich nur zu gut.

Ich bin immer etwas schneller gegangen, damit mich Draußen niemand erkennt und nicht anspricht. Ich bin Menschen und Gesprächen immer aus dem Weg gegangen. Oder vor einem Treffen habe ich mir immer Sätze zurecht gelegt, vor dem Spiegel geübt, damit ich mich ja nicht verspreche oder gar nichts heraus bekomme. Ich habe einfach zu viel nach gedacht. Das ist vielleicht das Problem gewesen, oder nicht? Hättest du dir einfach Augen zu und durch! gesagt und einfach wegen dem Tee gefragt?
Heute wurde ich von einer Frau nach dem Weg gefragt und in dem Moment dachte ich an gar nichts und es sprudelte förmlich aus mir heraus. Ich habe mich manchmal versprochen, aber sie blieb nett und hatte noch gefragt, ob sie mich mitnehmen könnte und ich bin einfach eingestiegen. Normaler weise wäre ich einfach weiter gelaufen.
Vielleicht lebt man ja auch so? Immer spontan und offen? Ohne an die Folgen zu denken. Ich meine, was hat man zu verlieren? Manchmal sollte man diese Zwänge überwinden und sich zwingen raus zu gehen. Vielleicht Draußen irgendwo unter Menschen zu lesen? Das ist ein Anfang und irgendwann fällt es nicht mehr schwer. (:

Alles gute!

Hallo.
Ich habe im Netz mal ein wenig durchgeklickt zu solchen und ähnlichen Themen weil ich mich momentan mit soetwas auseinandersetze. Ich war bis vor Kurzem für ein paar Wochen in einer stationären Psychotherapie wegen Depressionen und Panikstörung. Bin seit längerem sehr unzufrieden mit mit meiner Berufs-und Lebenssituation.
Dein Text ist sehr interessant denn er spiegelt ganz gut wieder was ich für mich herausgearbeitet habe, denn vieles beruht auch bei mir auf Problemen im Umgang mit Sozialkontakten. Ich bin jetzt Anfang Dreissig und irgendwie ist mir aufgefallen dass ich das Problem irgendwie verdrängt habe obwohl es allgegenwärtig ist.
Meiner Meinung nach ist der beste Weg, diese Situationen die einem unangenehm sind, bewusst nicht zu meiden. Das klingt so einfach und das ist es natürlich nicht, ist aber die beste Methode. Du hast im letzten Text einige Situationen beschrieben denen Du aus dem Weg gehst und ich kenne sowas genau. Aber Du wirst sehen, immer wenn Du dich überwindest fühlst Du dich deutlich besser und gefestigter.
Ich kenne das, man sieht auf der Strasse zB. jemanden den man flüchtig kennt und dann denke ich mir, versuch so zu tun als wenn du ihn nicht siehst, vermeide die Konfrontation, jetzt auf die schnelle fällt mir nichts vernünftiges ein. Die Situation ist vorüber und ich denke, wieso stelle ich mich so an. Im Endeffekt beschäftigt und trifft mich das mehr als wenn ich mal eben Hallo sage und man kurz kommuniziert. Und aus solchen und ähnlichen Situationen entsteht das Gefühl nicht richtig am Leben teilzuhaben. Ich frage mich dann auch, will ich das nicht oder kann ich das nur nicht.
Ich glaube dass ich so eine kleine Kommunikation schnell überbewerte. Es besteht eigentlich kein grosser Anspruch des Gegenübers. Ich denke dass Du sehr gut kommunizieren kannst, deine Texte sind wundervoll geschrieben und Du hast ja den Willen dich auszudrücken und mitzuteilen. Als Jugendlicher hatte ich auch gedacht ich möchte garnicht auf Parties gehen, ich möchte diesen Trubel nicht, das ist alles zu viel für mich. Und irgendwann bin ich auf den Geschmack gekommen, weil ich gemerkt habe dass das Orte und Begebenheiten sind wo man super kommunizieren kann, im Prinzip auch wo man sich ausprobieren kann. Als ich die ersten Male unterwegs war, habe ich mich nicht getraut Frauen anzusprechen, habe es garnicht in Erwägung gezogen weil ich meinte, da müsse man irgendetwas absolut besonderes machen. Ich habe lange gebraucht um zu verstehen dass es nicht so ist.
Am besten ist es, so zu sein wie man ist. Man kann eh nicht jedem gefallen, das ist ja garnicht Sinn der Sache. Aber man fühlt sich freier wenn man versucht auf andere zuzugehen.
Ich denke es ist ok wenn man Rückzugsorte braucht, wenn man Zeit für sich alleine braucht. Das ist bei mir absolut der Fall, aber ganz ohne vernünftige Kontakte fühle ich mich sehr unwohl. Wenn man offen und ehrlich auf Leute zugeht, wie es im eigenen Rahmen möglich ist, findet man Leute die zu einem stehen und einen akzeptieren, so wie man ist. Ich selber habe mich in der letzten Zeit zuviel zurückgezogen und dadurch ist mein grosses Unwohlsein auch so schlimm geworden. Ich muss mich damit befassen und auch vieles wieder lernen. Man kann seine Ängste überwinden indem man einfach Dinge macht. Je mehr man macht desto einfacher fällt es einem mit der Zeit.
Du hast gute Grundvorraussetzungen. Du bist intelligent, Du bist emphatisch, Du weisst im Prinzip was deine Bedürfnisse sind. Du bist reflektiert und Du hast jede Möglichkeit Leuten wirklich zu gefallen.
Es ist schön dass Du zu dem Thema geschrieben hast. Auch das ist Leben.

@ Leelie

Ich will dir auf keinen Fall einreden, du seist hochintelligent, wenn du das nicht bist.

Aber alles, was du da als Gegenargumente aufführst, sind in Wirklichkeit keine. Manche davon sind im Gegenteil typische Folgen einer unerkannten und falsch behandelten überdurchschnittlichen Intelligenz. Auch von dir selber falsch behandelt und z.B. als zu bekämpfende Schwäche behandelt anstatt als positive Eigenschaft, mit der angemessen umgegangen werden müsste.

Mein Rat ist: Mach erstmal einen ernstgemeinten IQ-Test, und dann überlege, was du weiter mit dir astellen willst. An sich herumzudoktern ohne oder gar mit der völlig falschen Diagnose, ist ausgesprochen schädlich, und dann wirst du möglicherweise nie erfahren, wie Leben für DICH geht. Ein allgemeingültiges Patentrezept gibt es dafür nämlich nicht.

Hey Leelie,

ich weiß nicht, ob die Halbwertszeit dieses Threads schon abgelaufen ist, aber ich möchte dennoch schreiben, was mir dazu eingefallen ist; zum Einen, weil ich Parallelen zu meiner eigenen Situationen gefunden zu haben glaube, zum Anderen, weil es vielleicht sogar helfen kann (hoffentlich jedenfalls).

Zuerst einmal: Du hast echt einen guten Schreibstil und musst Dir absolut keine Gedanken darüber machen, ob etwas missverständlich oder ungenau ausgedrückt sei. Dein ganzer Text bringt vieles direkt auf den Punkt. Literaturwissenschaft ist für Dich wohl eine gute Studienfachwahl, schließe ich einfach mal aus Deinem Text.

Eine Sache habe ich aber nicht ganz verstanden: Du fragst Dich, ob Du nicht zu sehr Deinen Tagesphantastereien nachhängen würdest, ob Du nicht zu alt dafür seiest, etc… und hast doch einen prima Plan für die Zukunft. Außerdem hast Du Dir einen Aufenthalt im UK ermöglicht, was an sich doch eine klare, wirkliche Leistung ist. Also würde ich mir an Deiner Stelle über die Träumerei keine Sorgen machen; geh Deinen Träumereien nach und halte den gesunden Bezug und Abstand zur 'Realität', was auch immer damit gemeint ist.
Ich bin 25 und träume immer noch viel und weiß von teilweise noch älteren Bekannten, dass sie ebenfalls noch ihren 'kindlichen' Träumereien nachhängen. Da wachsen manche Menschen vielleicht gar nicht raus. Wir haben uns auch immer gefragt, ob es normal sei oder nicht etwa Zeit 'erwachsen' zu werden. Das Erwachsensein weisen wir aber getrost mit unseren Lohnsteuerkarten und Sozialversicherungsnummern aus; der Rest bleibt uns überlassen...

Mit dem Scheitern am Teeservieren ist es eine andere Sache: das gleiche Problem hatte ich auch und latent ist es bei mir immer noch vorhanden. Die Furcht davor, etwas falsch, bzw. jemanden etwas nicht Recht zu machen, grandios zu scheitern an den Aufgaben, die einem vom Alltag so aufgezwungen werden. Und auf einmal erscheint die einfachste Situation als komplexes Gebilde voller Hindernisse. Ich habe mal monatelang ein Buch beim Antiquar nicht gekauft, weil es in einem zu hohen Regal lag und ich einfach nicht rangekommen bin. ‚Normale‘ Menschen hätten nach einer Leiter oder einem Trittbrett gefragt oder den wirklich sehr freundlichen, einen Kopf größeren Antiquar einfach darum gebeten, es herunter zu holen. Mir war das nicht möglich. Mal hat er mit anderen Leuten gesprochen und ich wollte ihn nicht stören. Wenn der Laden leer war, hatte er sich gerade in einem Buch versenkt und dabei wollte ich ihn auch nicht stören. Haben alle Rahmenbedingungen gestimmt, dann dachte ich trotzdem noch, es würde ihn die unmöglichsten Umstände machen, meinen Wunsch zu erfüllen. Letztlich hab ich das Buch woanders gefunden, aber damit war es noch nicht getan: einmal kam der Antiquar dann doch auf mich zu und sprach mich einfach an: „Sie haben doch schon lange ein Auge auf das Buch da oben geworfen. Ich hab es Ihnen einfach mal herunter geholt.“ Was sollte ich tun? Nun hab ich es doppelt… Auch dieses Problem kann mit der von Dir schon beschriebenen Methode der kleinen Schritte angegangen werden. Ich hab zwei oder dreimal mir einfach Scheuklappen aufgesetzt und alle möglichen Szenerien des Scheiterns ignoriert. Erfolgserlebnisse ermuntern und das nächste Mal traust Du Dir bestimmt mehr zu. Ganz losgeworden bin ich es nicht, aber ich konnte immerhin den Radius meiner Möglichkeiten erweitern.

Mit den Leuten einfach so zu plauschen fiel mir auch immer schwer. Sie sind ja meistens sehr freundlich und freuen sich einen zu sehen. Und ich freue mich ja auch. Aber nachher denke ich immer, dass ich zu wenig zurückgegeben habe. Die Situation spielt sich meist folgendermaßen ab: Ich treffe jemanden und sie oder er versucht mich in das Gespräch zu verwickeln. Ich würde mich auch gerne darauf einlassen, nur bin ich zu sehr damit beschäftigt, die Situation als Ganzes irgendwie zu verstehen, herauszufinden was da vor sich geht und kann mich also kaum auf das konzentrieren, was mir gesagt wird. Wenn ich dann antworten soll komme ich mir unhöflich vor, da ich doch im besten Falle nicht mehr als die Hälfte mitbekommen habe. Und im Nachhinein zerbreche ich meinen Kopf an der Frage, ob es nicht schlichtes Desinteresse ist. Habe mal mit einer Freundin darüber gesprochen: die meinte aber, dass ich in Gesprächen überhaupt nicht so wirke, dass ich sogar als ‚guter Zuhörer‘ gelte, etc. Gut, vielleicht war das simple Schmeichelei und die Freundin wollte mich nur aufbauen. Ich denke jedoch, dass wir manchmal ein viel zu verzerrtes Bild von uns selbst haben. Und ich glaube auch, dass es den meisten Leuten (leider) ähnlich geht: sie verstehen immer nur die Hälfte von dem, was ihnen erzählt wird, weshalb auch Floskeln ein elementarer Bestandteil unserer Sprache ist: besonders solche, die unabhängig vom vorher gesagten einfach auf jede Situation passen: „Das muss jeder selber wissen; das ist Ansichtssache; das kann nicht schaden.“

Und so weiter; hab jetzt glaube ich ziemlich viel Platz verbraucht. Ist nicht erschöpfend, nur ein kleiner Beitrag mit Exempeln, um zu zeigen, dass es mehr Leuten so ergeht. Hm, noch was wirklich Konstruktiveszum Schluss: Freu Dich auf die Uni: da gibt es zwar Referate, aber keine mündlichen Noten Ansonsten kannst Du Deine eigenen Sachen machen, soweit BA/MA das eben zulassen…

Wenn Du das hier liest und es Dir irgendwie weiterhilft, dann ist es ein Gewinn für uns beide…
Viele Grüße

R.

A


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Dr. Reinhard Pichler
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