Hallo Elisabeth,
Du schreibst von schlimmen Erlebnissen in der Kindheit, die offenbar unter den Teppich gekehrt wurden. Bei mir war es ähnlich und ich denke, dass so etwas viel anrichten kann. Darum finde ich es gut, dass du dich damit auseinandersetzen willst und reflektierst, welche Probleme von heute mit Verletzungen von früher zu tun haben könnten. Ob Traumatherapie der richtige Ansatz ist, kann und will ich nicht beurteilen.
Meine Eltern waren zwar keine Psychopathen und wir wurden nicht gequält (sondern nur sozial und emotional vernachlässigt und ab und zu angebrüllt und geschlagen), aber Verletzungen gab es auch und auch bei uns wurde nach außen der Schein gewahrt. Ich habe als Kind und Jugendliche alles getan, um zu vertuschen, wie es bei uns zuging und habe mich mit Tagträumen aus der Realität ausgeklinkt. Dadurch ist es mir gelungen, trotz schwierigem Start etwas aus meinem Leben zu machen. Aber meine Vermutung ist, dass mir das Wegsperren der Verletzungen von früher doch nicht gut getan hat – dass es einer der Auslöser für meine jetzigen psychischen Probleme ist. Ich habe nicht nur die negativen Gefühle, sondern alle Gefühle sicher verwahrt. Mein letzter Therapeut meinte, ich hätte autistische Züge und brachte das Asperger-Syndrom ins Spiel. Aber ich glaube eher, dass diese emotionale Verschlossenheit anerzogen ist und dem Selbstschutz dient. Schutz vor weiteren Verletzungen und Enttäuschungen. Ich bin ja nicht gefühllos, sondern lasse die Gefühle nicht raus. Während du Menschen anziehst, die dir schaden, halte ich mir andere Menschen vom Leib – auch solche, die mir gut tun würden. Mitschüler und Arbeitskollegen meinten, ich sei unnahbar oder sogar arrogant. Dadurch war ich auch immer ein Außenseiter. Nur ganz vereinzelt konnte ich mich einem anderen Menschen öffnen und so etwas wie eine Freundschaft aufbauen. Interessanterweise eher zu Männern als zu Frauen.
Mein Therapeut ist nie recht auf das Thema Kindheit angesprungen. Der wollte immer im Jetzt bleiben und an der Depression ansetzen. Ich bin aber mittlerweile davon überzeugt, dass ich an der Persönlichkeitsstörung ansetzen und meine Kindheit aufarbeiten muss. Was meinst du denn damit, dass du dich von deiner Therapeutin unverstanden fühlst? Hast du auch den Eindruck, dass sie falsch ansetzt und deshalb nichts weitergeht? Oder hilft sie dir schon? Wenn du das Gefühl hast, dass die Therapie in die falsche Richtung geht, sprich das an und wechsle zur Not die Therapeutin und/oder die Therapieform. Mach nicht denselben Fehler wie ich und bleibe jahrelang beim selben Therapeuten. Natürlich sollst du aber auch nicht zu früh aufgeben. Keine Therapie wirkt auf Anhieb und Durststrecken gibt es überall.
07.04.2014 15:07 •
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