@natasha_geheim
vielen, vielen dank für deine netten worte! es tut mir ehrlich leid, dass ich erst so spät antworten kann. ich bewege mich noch etwas unsicher in foren. ich rede so selten über dinge, die ich fühle, dass ich jetzt wieder das gefühl habe, dass alles nur so aus mir heraussprudelt. 10000 aufgestaute worte. oh, das wird wieder ein monster-monolog
ja, ich gebe dir recht, dass wahrscheinlich die anlagen, ob jemand im leben glücklich wird, in der kindheit bzw. in der pubertät gelegt werden. was nicht heisst, dass ich glaube, dass es jemanden gibt für den Glück unmöglich ist. jeder kann glücklich werden. aber gehemmte personen und menschen mit schlechtem selbstwertgefühl stehen sich einfach mehr selbst im weg! oder nennen wir es ohne umschweife beim namen: entweder du sorgst selbst für dich oder du gehst kaputt. wenn du hoffst, dass du irgendwann einmal die person triffst, die dich glücklich macht, dann hoffst du vergebens. nur von liebe wird man nicht glücklich, viel mehr eine kombination von familie, freunde, job, ja und natürlich liebe. man muss seinen platz in der welt finden, wo man hingehört, was einem wichtig ist, etwas was einen erfüllt - ob das nun der job oder ein hobby ist, wurscht. ja, nur liebe ist so eine sache. ich versuche ernsthaft an mir zu arbeiten. aber ich muss auch sagen, dass ich mir sehr sehr oft wünsche, dass die menschen offener und empfänglicher für ihre mitmenschen sind. manchmal kann ich irgendwie nicht glauben, dass niemand spürt, dass jemand einsam ist.
ich ringe ein bißchen mit mir, ob das der richtige ort ist, meine erfahrungen zu erzählen. aber ich grübele und denke gerade, wenn nicht hier, wo dann sonst. egal, vielleicht fühle ich mich besser, wenn ich das einfach loswerde.
viele werden jetzt denken: ja, aber achtest du immer auf deine mitmenschen? bist du denn immer da, wenn du gebraucht wirst? ganz ehrlich: ja, ich habe mir jedenfalls die größte mühe gegeben. schlimmer noch. ich bin ein extrem sensibler mensch und für menschen, denen es psychisch richtig richtig schlecht geht, war ich immer eine art magnet. seid meiner schulzeit ist das so. ich habe wirklich versucht für meine mitmenschen da zu sein, um die sich niemand anderes mehr kümmern wollte (klingt irgendwie selbstgerecht, aber ich meine das sehr ernst. vielleicht wollte ich auch nur an mir selbst wieder etwas gut machen*achselzuck*). ich rede von menschen, die nicht nur traurig sind, sondern richtig krank. manisch-depressiv, schizophren oder borderline. wenn ich wirklich eine begabung habe, dann die einfühlsam zu sein - das kann ich wirklich so ohne anzugeben behaupten. ich bin kein arzt, aber so weit ich konnte habe ich versucht da zu sein. sogar tag und nacht.
nur jeder kann sich vorstellen, dass es grenzen gibt und dass ich meine eigenen gefühle dabei immer schützen muss. es ist ein schönes gefühl für jemanden da zu sein und zu spüren, dass es ihm ein bißchen - wenigstens ein bißchen - besser geht. es gab bzw. gibt in meinem leben bereits drei solcher personen.
die erste war eine mitschülerin in der höheren berufsfachschule, muss so 12. oder 13. klasse gewesen sein. sie wirkte nach aussen ganz normal, aber sie ist in einer baptistischen familie aufgewachsen, war selbst mit 18 noch nicht aufgeklärt und ist seelisch daran kaputt gegangen, dass ihr vater sich in einem schuppen aufgehängt hat als sie 9 jahre alt war. ich habe mich intensiv mit ihr angefreundet und habe sie auf einem teil ihres leidensweges begleitet - inklusive der konflikte in ihrer familie und ihrer aufenthalte in der psychatrie. ja, das war sehr belastend - so sehr, dass ich irgendwann nicht mehr konnte und sie von mir schieben musste. sie hat das verstanden, aber ich habe es mir selbst nie verziehen! leider ist der kontakt zu ihr abgebrochen. rebekka, ich glaube nicht, dass du das jetzt liest, aber wenn doch, so möchte ich dir sagen, dass es mir leid tut und ich sehr oft an dich gedacht habe.
die zweite person war ein mitstudent. extrem einsam und instabil. vernachlässigung in der kindheit, eltern hatten oft streit, haben sich getrennt und die mutter fing an zu trinken. mit 12 jahren hatte er dann die erste phase, wo er es nicht mehr verarbeiten konnte. hat sich in einem anfall von verzweifelung eine flasche zertrümmert und sich mit den scherben verletzt. meiner einschätzung nach der erste hilferuf. nur zuwendung gab es nicht, stattdessen wegsperren in der psychatrie. warum sage ich das so bitter? man hört immer wieder, dass leute sagen: das konnte ja keiner ahnen, wenn man das gewusst hätte....ja, auch ich habe leider seine schmerzen und seine einsamkeit unterschätzt. das schlimmste ist eigentlich immer, dass nach aussenhin alles normal wirkt. trotzdem habe ich gefühlt, dass...ich finde keine bessere formulierung...etwas an ihm zerbrochen war. wir haben oft gechattet, oft aus Langeweile oder wenn ihn etwas beschäftigt hat. wir waren gut befreundet aber nicht innig. irgendwann hatte er wohl das gefühl, dass ich ihn auch nicht halten kann und hat sich komplett zurückgezogen. manchmal möchte ich die zeit zurückdrehen und ihm bestimmte dinge sagen. ca. drei monate nach unserem letzten gespräch hat er dann im beisein mehrerer studienkollegen einfach das fenster geöffnet und ist herausgesprungen. er ist dann im krankenhaus innerhalb von stunden gestorben. was ich am wenigsten vergessen kann sind die worte seines vaters auf der beerdigung: ...er war einfach unfähig glücklich zu sein. das war wirklich das erste mal in meinem leben, dass ich jemanden wirklich gehasst habe! wie kann man so etwas sagen, ja, nur denken! ich habe die familie gesehen und hatte mir vorgenommen nicht ungerecht zu sein. wenn jemand krank ist - egal, ob pysisch oder psychisch - ist das eine belastung für familie, freunde etc. nur ich kannte seine version der dinge, seine gefühle für seine familie. ich hab geheult und wollte sie schlagen, für mich waren sie schuldig, schuldig, dass er sich verlassen und minderwertig fühlte. es ist mir sehr schwer gefallen seinen angehörigen auf der beerdigung die hände zuschütteln, beileid zu bekunden. ich weiss, dass ich das nicht sollte, aber ganz unterdrücken kann ich es nicht: das gefühl versagt zu haben, nicht aufmerksam genug gewesen zu sein. aber weiss auch, dass er nicht reden wollte, er wollte einfach nicht mehr. ich vermisse ihn und denke oft an ihn.
die dritte person, die mir immer sehr am herzen gelegen hat, war und IST auch eine mitstudentin. sie ist deutsche türkischer abstammung und ist durch verwandte zu diesem studium gedrängt worden. abgebrochene ausbildung, familie harzt 4. die hatten ihr eingeredet, dass wenn sie schon nicht sofort irgendjemand fremdes aus der türkei heiraten wollte und es UNBEDINGT ein studium sein soll, dass es schon etwas naturwissenschaftliches sein MUSS. gute zukunftsperspektiven und prestige. nur, dass sie dafür total ungeeignet war. erste mal aufgefallen war sie mir, wie sie plötzlich in der mathematik-vorlesung ein paar sitze neben mir anfing zu weinen. sie hat es versucht zu unterdrücken, aber sie war so fertig mit den nerven, dass sie das kaum verstecken konnte. ich habe sie dann nach der vorlesung gesucht und sie vorsichtig gefragt, was denn los sei. sie hat mir dann ganz offen gesagt, dass sie nicht mitkommt und den lehrstoff in keinsterweise nachvollziehen kann. ...naja, das ist jahre her, mittlerweile hat sie ihr reguläres abi nachgeholt, mehre praktika absolviert, hat sich vor ihrer familie emanzipiert und studiert nun germanistik und sozialpädagogik auf lehramt mit zusätzlichem schwerpunkt türkisch als zweite fremdsprache. ihren unterhalt verdient sie sich komplett selbst. wenn ich an das unselbstständige und scheue mädchen denke, was sie bei unserem ersten treffen war ihr könnt euch nicht vorstellen, wie ultra-stolz ich auf sie bin!
es ist erschreckend, alle jung, intelligent und auch äusserlich attraktiv. ich habe noch zwei weitere mitstudenten, die beide je einen selbstmordversuch hinter sich haben, mit ihnen habe ich aber nur gelegentlich kontakt. was ist mit meiner generation los? sind nur die kindheit und die familie schuld? nur eines kann ich euch sagen - und daran glaube ich ganz fest: intelligenz und sensibilität können eine gefährliche symbiose eingehen!
so, und was fühle ich jetzt dabei? manchmal bin ich mir nicht ganz sicher. ausgeprägte schuldgefühle habe ich nicht, aber mit dem wissen von heute hätte ich schon manchmal anders gehandelt. nur wenn ich manchmal darüber nachdenke wird mir klar, dass ich sehr viel zeit damit verbracht habe mich mit der gefühlswelt anderer zu beschäftigen - nur damit ich mich nicht mit meiner eigenen auseinander setzen muss. ich hatte intensiven kontakt mit allen drei genannten personen, aber kaum haben wir über meine gefühle gesprochen. es war mir sogar extrem unangenehm über mich zu sprechen. vielleicht habe ich mich sogar gut gefühlt dabei, dass es den anderen ja viel schlimmer geht als mir. oder ich war mir sicher, dass mich diese menschen nicht verletzten würden.
kp. warum müssen sich menschen überhaupt so fühlen? können nicht einfach alle lieb und nett zu einander sein? ist das so schwierig?? manchmal denke ich, nein. umarmungen und worte kosten nichts. jeder hat genug davon, kein begrenztes kontingent. nur zeit und aufmerksamkeit muss man investieren und das ist wohl genau das woran es mangelt. oder man fühlt sich selbst überfordert mit den eigenen problemen.
naja, nun ist das hier wohl mein versuch mich und meine gefühle mitzuteilen. und es tut irgendwie gut
herzliche grüße und schönes wochenende, besonders an dich natasha_geheim. und g lonly t möchte ich sagen, dass ich hoffe, dass es dir gut geht. vielleicht meldest du dich doch noch einmal.