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Hallo zusammen,

seit 4 Jahren befinde ich mich in einer einigermaßen zufriedenstellenden Wohnsituation. Es handelt sich um eine betreute WG im Rahmen des sog. ambulant betreuten Wohnens, welches ich auch schon zuvor über viele Jahre in Anspruch genommen hatte - allerdings nicht in WG-Form. Während ich früher überhaupt nicht mit dem Wohnumfeld zurecht kam und schon auf sehr üble Erfahrungen zurückblicke, kann ich mich nunmehr nicht beklagen, bedenkt man, dass wir - die Betreuten - uns ja gegenseitg nicht ausgesucht haben. Ums Verrecken würde ich nicht mehr allein zur Miete wohnen wollen.

Außerdem fühle ich mich durch meine Betreuerin weitestgehend verstanden. Das hat es zuvor noch nie gegeben!

Wo also liegt das Problem, werdet ihr euch - zu Recht - inzwischen wohl ungeduldig fragen. hier kommt es:

Das Betreuungskonzept richtet sich an Menschen, die völlig andere Defizite haben, nämlich in der Selbstversorgung. Das Klientel wird bekocht und -soweit erforderlich- unterstützt in den Bereichen Ordnung halten, Zimmerreinigung, evtl. Einkäufe tätigen. Es gibt einen Treffpunkt für alle, die sich damit begnügen, in den Tag hineinzugammeln. Es gibt keine kreativen Angebote. Vor kurzem regte ich an, eine Französich-Gruppe einzurichten, um verrottete Sprachkenntnisse wieder aufzufrischen. Die Antwort: Das können wir nicht machen. Außer Ihnen interessiert sich ja niemand dafür. Gleiches gilt für andere herausfordernde Aktivitäten, durch die ich mich gebraucht fühlen würde. Dabei spielt es inzwischen noch nicht einmal eine Rolle, wie fit ich selbst auf dem Gebiet bin. Malen kann ich z. B. bestimmt nicht gut, dennoch wäre es eine Abwechslung.

Aufgrund körperlicher Einschränkungen ist es mir kaum noch möglich, die Einrichtung zu Fuß zu verlassen, um extern meine Fühler auszustrecken.

Klar kann ich mich auch selbst bespaßen, doch bin ich gezwungen, Betreuungsangebote wahrzunehmen, um das Wohnrecht nicht zu verlieren. Es werden ja schon großzügigerweise Fachleistungsstunden gefakt.

Das bedeutet konkret: ich unterschreibe für Leistungen, die ich gar nicht benötige, erhalte aber nicht die Leistungen, die ich nötig hätte - weil es kein Angebot gibt für Menschen, die durch mangelnde Nachfrage ihres Potentials vereinsamten und krank wurden.

O.g. Betreuuerin bestätigt das Problem, weiß aber anscheinend auch keine Lösung.

Kennt jemand solche Erfahrungen?

27.08.2019 15:27 • 04.09.2019 x 1 #1


8 Antworten ↓


Hallo,

also ich habe in der Sache ganz andere Erfahrungen, also nicht ich selbst, sondern durch ein paar Freunde und Freundes Freunde. Deren Wohnungen und Betreuung werden soweit ich weiß von der Caritas gestellt und dort ist es meines Wissens nach keine Pflicht, an solchen Treffen teilnehmen zu müssen. Vermutlich ist es nur die Voraussetzung eine Therapie zu machen, aber ich kann ja mal meinen Freund fragen, wie das genau geregelt ist.

Denn bei allem Frage ich mich ja doch sehr, ob die Politik der Einrichtung so überhaupt rechtens ist. Das Wohnrecht ist doch ein Grundrecht und darf doch nicht an besondere Bedingungen geknüpft sein, insbesondere nicht im sozialen Bereich, oder etwa nicht?
Zudem zwangsweise einfach wild eine Gruppe von Menschen zusammen zu werfen, ohne ein wirklich sinnvolles Angebot zu stellen, gleicht ja mehr einer Bestrafungsmaßnahme als einer therapeutisch sinnvollen und zielführenden Maßnahme.

Aber ich frage gerne mal meinen Freund dazu, wenn du möchtest. Der kann in der Sache mehr sagen als ich. Natürlich sage ich ihm nichts über dich, sondern frage nur allgemein, wie es bei ihm ist. Auch nur, wenn du möchtest.

A


Keine prof Unterstützung für kreative Menschen

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Ohne dir nahe treten zu wollen, aber warum übernimmst du nicht selbst die Initiative und suchst dir ein paar Gleichgesinnte, um den fehlenden Input zu verbessern?

Hallo Zephyr,

vielen Dank für deine Antwort!

Zitat von Zephyr:
Denn bei allem Frage ich mich ja doch sehr, ob die Politik der Einrichtung so überhaupt rechtens ist.
Diese Frage ist sehr berechtigt; ich habe sie mir mehr als einmal gestellt!

Zitat von Zephyr:
Zudem zwangsweise einfach wild eine Gruppe von Menschen zusammen zu werfen, ohne ein wirklich sinnvolles Angebot zu stellen, gleicht ja mehr einer Bestrafungsmaßnahme als einer therapeutisch sinnvollen und zielführenden Maßnahme.


Du sagst es! Vor allem beruht das Konzept auf Gleichgültigkeit. Wie schon erwähnt, kann ich mit meinen jetzigen Mitbewohnern wohl zufrieden sein. Es ergeben sich zwar keine besonders geistreichen oder an gemeinsame Interessen geknüpfte Gespräche, aber wir bringen uns gegenseitig Respekt entgegen. Das ist viel wert, bedenkt man, dass hier (also in der gesamten Einrichtung, die WG ist ja nur ein Teil davon) noch ganz andere Klienten unterwegs sind: solche, die ständig herumschreien, Regeln verletzen bis hin zur Sachbeschädigung. Wirksame Konsequenzen dieses Verhaltens? Fehlanzeige! Möglicherweise fließt für diese Rüpel viel Geld....

Bestrafend ist die Unterbringung hier sicherlich für alle Depressiven, Menschen mit Erfahrung von Gewalt und allg. mangelnder Wertschätzung. Die Lautesten werden am ehesten erhört, wer frech und rücksichtslos auftritt, erhält auch in diesem Umfeld - wie überall auf der Welt - Aufmerksamkeit. Kommt dann noch Personalmangel hinzu (wie kürzlich in den Sommerferien) stehen für die Versorgung der ruhigen Bewohner keine Kapazitäten zur Verfügung......u.s.w.

Zitat von Zephyr:
Aber ich frage gerne mal meinen Freund dazu, wenn du möchtest.


Gerne, ich würde mich freuen! Wenn du noch etwas von mir wissen möchtest, frage ruhig!

LG

Zitat von Icefalki:
Ohne dir nahe treten zu wollen, aber warum übernimmst du nicht selbst die Initiative und suchst dir ein paar Gleichgesinnte, um den fehlenden Input zu verbessern?


Nun, hätte meine Initiative gereicht, wäre kein Hilfebedarf festgestellt worden! Nichtsdestotrotz nehme ich natürlich gerne Hinweise entgegen, wo denn die Gleichgesinnten konkret zu finden sind.. Bisher hat mir das noch niemand (insbeondere aus den Reihen prof. Helfer) sagen können oder wollen......

Dafür wurden meine Bemühungen schon anerkannt - immerhin!

Das kann ich tatsächlich bestätigen. Vor 26 Jahren lebte ich mehrere Jahre in einer therapeutischen Wohngruppe. Mehrmals wöchentlich gab es Gruppen- und Einzelgespräche. Die einzige Kreativität bestand darin, wie ich mein Eis aß (auf Gruppenausflügen), oder es entsprechend kombinierte und zusammenstellte.

Aber es gab nicht nur fehlende Unterstützung, um etwaige Kreativität zu unterstützen, ich wurde dort auch klein gehalten. Eigentverantwortung durfte ich auch nicht an den Tag legen, das sich schon am ersten Tag zeigte. Als ich mein Zimmer selbst einrichten wollte, habe ich alleine den Teppich verlegt, da ich so etwas schon immer konnte. Dafür habe ich mächtig Ärger bekommen, was mir mein Verdacht erhärtet hat, das scheinbar solche Stellen Menschen nur verwahrt und Eigenverantwortung- und Initiative eher nur bestraft.

Ja, wer schreit und wer grenzüberschreitend und aufdringlich ist, wird eher wahrgenommen. Ich wünschte, ich hätte das als Kind gekonnt, anstatt alles mit mir allein auszumachen.

Nun, ich will es aber nicht schlecht reden, das waren halt meine Erfahrungen, die müssen nicht überall gleich sein.
Heute bin ich wieder in einem betreuten Wohnen, mit eigener Wohnung. Da gibt es durchaus Musikgruppen, Malgruppen, Töpfergruppen etc. und es werden dort auch Gruppen für ein spezifisches Thema eröffnet, wenn sich genügend Interessierte anfinden.
Allerdings für mich irrelevant, da ich eh keine Intention habe, daran teilzunehmen.

Zitat von epsilon_minus:
Als ich mein Zimmer selbst einrichten wollte, habe ich alleine den Teppich verlegt, da ich so etwas schon immer konnte. Dafür habe ich mächtig Ärger bekommen, was mir mein Verdacht erhärtet hat, das scheinbar solche Stellen Menschen nur verwahrt und Eigenverantwortung- und Initiative eher nur bestraft.


Das kann ich mir gut vorstellen. Traurig, wie unsere Gesellschaft funktioniert: das Können hilfebedürftiger Menschen ist zuweilen unerwünscht, damit die Fassade gewahrt bleibt.

Zitat von epsilon_minus:
Heute bin ich wieder in einem betreuten Wohnen, mit eigener Wohnung. Da gibt es durchaus Musikgruppen, Malgruppen, Töpfergruppen etc. und es werden dort auch Gruppen für ein spezifisches Thema eröffnet, wenn sich genügend Interessierte anfinden.
Allerdings für mich irrelevant, da ich eh keine Intention habe, daran teilzunehmen.


Nun hast du meine Neugierde geweckt: gibt es solche Angebote wohl auch in anderen Bundesländern? An wen könnte ich mich wenden, um hierüber detailiertere Auskunft zu erlangen, weißt du das zufällig?

Deinem Bericht zufolge besitzt du handwerkliche Fähigkeiten. Würdest du diese gern mit anderen teilen - wenn es bei euch dazu ein passendes Angebot gäbe - oder fehlt dir generell das Interesse an Gruppenaktivitäten?

Zitat von Quasinemo:
Das kann ich mir gut vorstellen. Traurig, wie unsere Gesellschaft funktioniert: das Können hilfebedürftiger Menschen ist zuweilen unerwünscht, damit die Fassade gewahrt bleibt.Nun hast du meine Neugierde geweckt: gibt es solche Angebote wohl auch in anderen Bundesländern? An wen könnte ich mich wenden, um hierüber detailiertere Auskunft zu erlangen, weißt du das zufällig?Deinem Bericht zufolge besitzt du handwerkliche Fähigkeiten. Würdest du diese gern mit anderen teilen - wenn es bei euch dazu ein passendes Angebot gäbe - oder fehlt dir generell das Interesse an Gruppenaktivitäten?


Nun, bei mir lief das damals und auch heute, aufgrund eines Nervenzusammenbruchs, über den sozialpsychiatrischen Dienst (dürfte es in jeder Stadt geben) und wird von der Eingliederungshilfe bewilligt. Da wird dann ein Plan ausgearbeitet, mit soviel oder sowenig Hilfe, wie man möchte. Da müsstest Du Dich mal mit Deiner Betreuerin kurzschließen. Ich bin mir aber nicht sicher, wie das andere Bundesländer managen. Nähere Informationen müsste das Bezirksamt haben.

Ja, ich habe durchaus handwerkliche, technische und mathematisch-wissenschaftliche Fähigkeiten, die ich mir selber beigebracht und angelesen habe. Und nein, Gruppen sind nichts für mich; ich bin nicht sozial-gesellschaftlich Kompatibel.

Zitat von epsilon_minus:
Nun, bei mir lief das damals und auch heute, aufgrund eines Nervenzusammenbruchs, über den sozialpsychiatrischen Dienst (dürfte es in jeder Stadt geben) und wird von der Eingliederungshilfe bewilligt. Da wird dann ein Plan ausgearbeitet, mit soviel oder sowenig Hilfe, wie man möchte. Da müsstest Du Dich mal mit Deiner Betreuerin kurzschließen. Ich bin mir aber nicht sicher, wie das andere Bundesländer managen. Nähere Informationen müsste das Bezirksamt haben.


Danke für die Auskunft, ich werde mal sehen, was sich davon umsetzen lässt!





Dr. Reinhard Pichler
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