Hi Schwarzes-Leben,
Zitat von Schwarzes-Leben:Fühlt ihr Euch mit der Ängstlich-vermeidenden-Persönlichkeitsstörung, speziell der Gesellschaft, der Familie, oder anderen Menschen irgendwo und irgendwie nicht zugehörig ?
Einer der Gründe warum ich eine offizielle Diagnose bewusst vermeide ist der, dass ich mich selbst mit dieser Diagnose zu sehr identifizieren könnte. Ich glaube, dass es extrem schwer ist sich zu einer Gesellschaft, anderen Menschen, Familie usw. zugehörig zu fühlen, wenn man durch so eine Diagnose zu wissen glaubt, dass die eigene Persönlichkeit gestört ist. Die Bezeichnung Persönlichkeitsstörung klingt doch schon sehr nach Geisteskrankheit, oder zumindest nach sehr abnormal, und wird sogar in einigen Schriften stark pathologisiert und als kaum behandelbar eingestuft. Zudem ist so eine extreme soziale Angststörung dann auch noch zu weit vom normalen menschlichen Denken, Fühlen und Verhalten entfernt, so dass man es anderen Menschen kaum verständlich machen kann, so dass man es relativ häufig mit Verständnislosigkeit zu tun haben kann.
Zitat von Schwarzes-Leben:Habt ihr auch das Gefühl absulut, nirgendswo hinein zu passen, oder akzeptiert zu werden so wie ihr, mit der Ängstlich-vermeidenden-Persönlichkeitsstörung überhaupt seid ?
Ja, schon seit meiner Kindheit hatte ich auch dieses Gefühl. Inzwischen erlebe ich aber immer wieder, dass ich doch irgendwie von anderen akzeptiert werde, und wohl doch mehr hineinpassen würde, wenn ich es nur versuchen würde. Es ist aber ein höchst befremdliches Gefühl, wenn man sich plötzlich von anderen akzeptiert und angenommen fühlt, weil dies so gar nicht ins eigene Selbstbild passen will. Dabei ist leider auch die Angst groß, dass sich dies doch irgendwann als falsch herausstellen könnte, so dass ich wieder dieses schlimme Gefühl der Ablehnung, Abwendung und Ausgrenzung erleben muss.
Hier hilft es mir sehr, dass ich mich eben nicht so sehr mit so einer Diagnose identifiziere, sondern mich stattdessen mit allen Arten von sozialen Ängsten beschäftige, um deren Funktionsweise besser zu verstehen. Sehr hilfreich ist es auch, dass ich inzwischen gelernt habe sehr bewusst die Erwartung irgendwo hinein zu passen oder von anderen Akzeptiert oder verstanden zu werden gegen Null tendieren zu lassen. Auf diese Weise kann ich inzwischen sehr offen über meine Angstprobleme sprechen, ohne unbedingt Verständnis oder Verstehen von anderen zu erwarten - noch weniger erwarte ich brauchbare Tipps und Ratschläge, weil die bei mir meist eh nicht funktionieren würden. Meine eigene erwartungsarme Offenheit hilft mir auch sonst sehr, weil ich so viel mehr Feedback von anderen Menschen bekomme, so wie sie mich wahrnehmen, aber auch darüber welche Ängste andere Menschen haben. Auf diese Weise finde ich heute immer wieder Parallelen und Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen, oder andere Menschen fällt es leichter mich und mein seltsames Verhalten zumindest ansatzweise zu verstehen.
Zitat von Schwarzes-Leben:Fühlt ihr Euch auch, wie ein Außerirdischer, der es einfach nicht schafft, grundsätzlich auf der Erde keinen Fuß fassen zu können ?
Ich kenne diese bildliche Vorstellung von früher nur zu gut, weil ich mich damals auch oft so gefühlt habe. Auf solche bildlichen Vorstellungen, wie die mit dem Außerirdischen unter Menschen, verzichte ich heute aber ganz bewusst, weil dies zwar das eigene Gefühl gut verbildlicht, aber gleichzeitig auch ein Gefühl der unveränderbaren und hilflosen Ausgrenzung erzeugt, dass einem einfach nicht weiter hilft.
Stattdessen sehe ich mich heute lieber als einen Menschen mit einer sehr ausgeprägten und komplexen sozialen Angststörung, die ihre Ursprünge vor allem in einer Vielzahl von Kontaktproblemen mit anderen Menschen während meiner Kindheit und Jugend hat. Dies gibt mir wieder ein Gefühl der Handlungsfähigkeit, weil ich mich eben nicht wie ein Außerirdischer völlig von anderen Menschen unterscheide, sondern stattdessen durchaus menschliche und damit lösbare Angstprobleme habe.