Hallo Evchen,
schau es ist so: es ist immer einfach bei anderen zu sehen, wo sie hängen - bei mir selbst blick ich das genausowenig, wie alle anderen. Schlimmer noch: Es entspricht auch meinem gelernten Muster immer für andere zu denken - und mich damit über die Runden der Ünberührbarkeit zu retten.
Ich versuche mich im Forum immer wieder auch mit meinen eigenen Schwächen zu zeigen - ich weiß nicht, ob es mir gelingt; ich weiß manchmal auch nicht, ob ich andere abschrecke - und wodurch genau (überkompetentes Getue vielleicht, verunsichernde Formulierungskünste?).
Wenn ich jemandem antworte - so wie jetzt dir - finde ich es aber auch wichtig, dass das was der andere schreibt im Zentrum bleibt - und diese Anmerkungen schreibe ich dir nur, damit du nicht denkst, dass ich dir was voraus habe.
Weißt du ich denke:
JEDER ist hier - auch - aus dem falschen Grund
Du findest bei fast jedem hier diese wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass-Haltung. Jeder hat an irgendeinem Punkt Widerstände gerade da, wo eine Haltungsänderung wirklich etwas bringen könnte: das ist normal - das ist sozusagen Evolutionstheorie des Symptoms: Ein Symptom manifestiert sich nur, wenn es für seine eigene Stabilität sorgen kann. Das sind dann diese Rückkopplungskreisläufe, die man von außen gut als Hamsterrädchen erkennen kann - das ist bei mir sicher nicht anders.
Was wir hier gegenseitig tun können ist das rückzumelden, wenn man so etwas bemerkt. Damit ist es meist nicht getan - denn nichts ist zäher als die Gedanken und Haltungen, die ein Symptom zum Symptom machen; aber es kann ein Tropfen sein, der entweder den Stein hölt, oder das Fass zum Überlaufen bringt.
Sorry - war gerade ein bißchen sehr abstrakt - aber manchmal denke ich so. Schau: Wenn mit dir über lange Zeit immer wieder das gleiche passiert, dann ist es in der Regel so, dass du selbst es aus gutem Grund gerade so WILLST -
Zitat von Evchen 60:...
Meine Gefühle und meine Kopfgedanken passen einfach nicht zusammen.
Versuch immer wieder herauszufinden was ich eigentlich will und komme zu keiner Lösung.
...du kommst zu keiner Lösung. Zu welchem Zweck kommst du zu keiner Lösung? Das mag seltsam klingen, aber das ist eine wichtige Frage. Hast du deinen Brief schon geschrieben, an die Angst? Mach mal - hilft so etwas wirklich mal zu tun; wirst dich wundern was da alles bei rauskommt.
Und wenn du das hast, noch was zum aufschreiben:
Eine gute Fee begegnet dir, du hast drei Wünsche frei. Was wünschst du dir? Überleg gut - du hast nur drei. Jetzt nur keinen Fehler machen.
ok soweit? Hast du schon aufgeschrieben? .... Und jetzt: Was ist das Schlimmste, was dir passieren könnte, wenn du diese drei wichtigsten Wünsche erfüllt bekämest? Das Allerschlimmste? Sei mutig, schau hin, obwohl du Angst hast. Was macht dir Angst bei dem, was du dir am meisten wünschst?
Ich glaube die meisten hier haben es mit Ambivalenzen zu tun. Nähe wünschen, Nähe sabotieren. Autonomie wünschen, Autonomie sabotieren.
Zitat von Evchen 60:Du scheinst Erfahrung zu haben, glaubst du gibt es auch fü mich noch eine Chance?
...ja natürlich - wenn du dir eine gibst. Erfahrung - wenn ich halb so gut leben könnte wie schreiben, wäre ich weiter.
Noch eine: Beim nächsten Besuch bei deinem Arzt überreicht er dir eine Pille - es ist die neueste Entwicklung, ein Wunderwerk der Pharmazeutik. Du nimmst sie nur ein einziges mal, sie ist völlig ohne Nebenwirkung: und deine psychischen Symptome sind alle weg - für immer. Was verlierst du? Schreib eine Liste nicht unter 10 Punkten - glaub mir das ist kein Problem...
Wenn du dich selbst schon so lang als unheilbar empfindest - dann weil du (oder etwas in dir) dieses Unheil will. Ein möglicher Grund ist, dass sich darin eine Geschichte erzählt, die noch niemand verstanden hat, die zu ende erzählt werden will, die gehört und verstanden werden will.
Wenn du das Unheil einfach beiseite legen würdest, dann wäre etwas wichtiges in dir verloren, ohne Chance ans Licht zu kommen.
Ist nicht die einzige Möglichkeit - aber eine häufige. Eine andere Möglichkeit: Gibt es irgendjemand, dem du auf gar keinen Fall von deiner plötzlichen Heilung durch die Wunderpille erzählen würdest? Warum nicht?
Zitat von Evchen 60:Wo ist denn nur mein Weg!!
...sagte das Mädchen und schloss die Augen. Hab mal gelesen dass sie in Schweden in Neubauvierteln die Wege durch Grünanlagen erst anlegen, nachdem Menschen so oft durch die Wiesen gegangen sind, dass man sehen kann, wo sie gelaufen sind.
Zitat von Evchen 60:Hast du auch eine Therapie gemacht wie bist rausgekommen und wie lange hast du das schon?
Ich habe ca. 2 Jahre eine Verhaltenstherapie wg Depressionen gemacht. Bei mir ist das eher eine Neigung zu depressiven Verstimmungen - es war nie so schlimm dass mir Medikamente empfohlen worden wären (außer Johanniskraut).
Ich habe gerade nach einer einjährigen Pause wieder angefangen mit verändertem Schwerpunkt. Ich weiß nicht, ob ich eine Persönlichkeitsstörung habe - das kann ich selbst nicht beurteilen und mit meinem Therapeut habe ich da noch nicht ausführlich drüber gesprochen: aber ich weiß dass ich Strukturen in mir habe, die der dependenten Persönlichkeitsstörung entsprechen - in beiden Varianten: selbstunsicher vermeidend oder abhängig ausnutzbar...
Ich bin keineswegs da rausgekommen. Ich habe nur gut gelernt zuzuhören. Denn das war in meiner Kindheit Überlebensbedingung.
Grüße
flo