Hallo Frederick,
ich bin erfreut, Deine Bekanntschaft zu machen. - Ich mag komplexe Posts und werde versuchen, Deinen gebührend zu beantworten.
Zitat:Wo ich auch hinschaue sehe ich angepasste Menschen, die in ihren Zwängen gefangen sind. Statt ihr eigenes Leben zu leben, passen sie sich bis zur Unkenntlichkeit an, nur um eben nicht einsam zu sein. Für Freunde und Familie wird die ganze Individualität geopfert.
Ich habe die selben Beobachtungen angestellt. Ob diese Leute damit glücklich sind? Nein, natürlich nicht. - Aber sie sind verdammt gut darin, es sich einzureden. Oscar Wilde schrieb einmal:Die meisten Ehemänner haben ja gar keine Ahnung, wie leidenschaftlich deren Frauen sein können.
Wie so oft hatte er Recht. Und an dieser Stelle nähern wir uns schon Deiner großen Frage:
Zitat:Die Facetten der Einsamkeit sind sehr unterschiedlich und schwer zu greifen. Dennoch bin ich überzeugt, dass es ein Bindeglied gibt zwischen den unterschiedlichen Zuständen der Einsamkeit. Ich kann dieses gemeinsame Element leider nicht fassen, es würde mir aber helfen, die Gemeinsamkeit zu begreifen. Dann wüssten wir, wo man ansetzen muss.
Das Bindeglied, nachdem Du suchst, ist die Unterschiedlichkeit der Sichtweise von Realität, wie mir scheint.
Um mit einem profanen Beispiel zu beginnen: Ich mag kein Fußball. Stecke mich in ein Fußball-Stadion und ich bin unter den Fans sehr einsam.
Etwas subtiler: Ich liebe Star Trek. Ja, ich stehe auf Technik. Aber bei Star Trek geht es mir am meisten um die Reife der zwischenmenschlichen Beziehungen. Manche Leute mögen an Star Trek am ehesten die Special-Effets oder die technischen Visionen. Auch unter ihnen werde ich mich unverstanden fühlen, denn ich lege auf einen anderen Aspekt Wert.
Aber es geht nicht nur um Vorlieben, sondern auch um die Art, wie weit wir uns von der Norm entfernen. Viele Menschen verabscheuen Ehebruch. Ich aber bekenne mich dazu, Ehen zu verabscheuen, weshalb mir das Wilde-Zitat von vorhin auch so gut gefällt.
In den 1960er Jahren prägte Psychologie-Professor T. Leary zusammen mit dessen Freund, dem Schriftsteller R. A. Wilson, den Begriff des Realitätstunnels. Die Idee ist, jedes Individuum sieht mit seinem Blickwinkel auf die (übergeordnete? ) Realität. Realitätstunnel haben diverse Vorteile: Zum Beispiel können sie durch kommunikativen Austausch geweitet werden.
Angenommen, wie wären über einen Sachverhalt uneins, dann könnten wir solange diskutieren, bis wir den selben Realitätstunnel fahren.
Diese Diskussionen sind tatsächlich möglich. Die Erfahrung machte ich zumindest in meinem Projekt. - Allerdings können sie auch sehr lang sein. Und das kann dazu führen, dass sie gemieden werden. - Schade eigentlich, denn der Aufbau eines gemeinsamen, weiteren Realitätstunnels, ist die Waffe gegen Einsamkeit schlechthin (und schult den Geist ungemein.).
Um noch einmal auf die Normen und die Möglichkeit, sie auf den Kopf zu stellen, zurückzukommen. Jemand könnte mich fragen, welches Problem ich mit Ehen habe. Ich würde ihm antworten, dass ein Synonym für Ehe auch Ehevertrag sein kann. - Und was bitte ist an einem Vertrag romantisch? Ich könnte ihm sagen, dass 50% aller Ehen geschieden werden, und dass laut einer Studie in Ehen mehr gelogen wird als beim Finanzamt.
Wenn er aufgeschlossen ist, könnte es passieren, dass sein Tunnel zerbricht und so einem neuen Platz macht. Vielleicht würde er mich auch von den Vorteilen überzeugen können. (Was bisher noch keinem gelungen ist, sei es durch meinen Starrsinn oder in Ermangelung an Argumenten).
Genug für heute. Ich bin gespannt auf Deine Antwort!
Nemesus